L 3 U 1487/80

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8/3 U 346/79
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1487/80
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. September 1980 insoweit aufgehoben, wie es die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Beigeladenen zu 2. auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im übrigen haben die Beteiligten keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, welcher Versicherungsträger für die Entschädigung eines Unfalles zuständig ist.

Der Ehemann der Beigeladenen zu 2., H. K. (K.), war bei den F. H. AG in F. (Firma H.) als Sachbearbeiter einer technischen Inventarstelle angestellt. Am 14. Januar 1976 veranstaltete die Firma B. AG in M. (Firma B.), die seit 1970 in die Firma H. eingegliedert war, einen Blutspendetermin auf dem Werksgelände der Firma H. Damit wandte sich die Firma B. in regelmäßigen Abständen an die Belegschaft der Firma H., wobei aber auch Werksfremde zum Blutspenden zugelassen waren. Jedem Spender wurde etwa 500 ml Vollblut entnommen, um aus dem Blutplasma (etwa 250 ml) eine spezielle Blutplasma-Konserve mit der Bezeichnung "Seretin” (etwa 225 ml) herzustellen. Es dient in erster Linie der postoperativen Versorgung, kann aber auch bei Unfällen eingesetzt werden. Jedem Spender wurde eine Aufwandsentschädigung von 40,– DM ausgezahlt. Der Verkaufspreis von 250 ml Seretin betrug 1977 158,20 DM.

Auch K. hatte dort schon mehrmals Blut gespendet. Am 14. Januar 1976 beabsichtigte er es ein weiteres Mal. Er ließ sich von seiner Betriebsleitung bei Fortzahlung des Gehalts freistellen und begab sich zu dem Gebäude der werksärztlichen Abteilung, in dem die Mitarbeiter der Firma B. die Blutentnahme durchführten. Als diese K. zuvor untersuchten, kamen sie zu dem Ergebnis, daß sein Gesundheitszustand an diesem Tage für eine Blutentnahme zu schwach sei. Deshalb wurde K. ohne eine Blutentnahme wieder zurückgeschickt. Auf dem Rückweg zu seinem Betrieb überquerte K. die Werksstraße bei H 600, Südostecke. Dabei wurde er von einem Pkw eines Werksangehörigen angefahren und erlitt einen Schädelgrundbruch mit Hirnquetschungen und -prellungen sowie intracranielle Blutungen. Am 21. Januar 1976 verstarb K. an den Unfallfolgen.

Über die Zuständigkeit zur Entschädigung des umstrittenen Unfalls herrschte zwischen der Klägerin einerseits und der Beklagten sowie dem Beigeladenen zu 1. andererseits von vornherein Uneinigkeit. Im Interesse der Beigeladenen zu 2. gewährte die Klägerin ihr Witwenrente, Überbrückungshilfe und Sterbegeld als vorläufige Leistungen gemäß § 1735 der Reichsversicherungsordnung (RVO) mit Bescheid vom 25. Oktober 1976. Unter dem 20. Dezember 1976 bat die Klägerin die Beklagte um Übernahme der Entschädigungsleistungen. Das wurde von dieser mit Schreiben vom 15. Februar 1977 abgelehnt.

Mit der am 7. März 1977 beim Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, daß die Beklagte zuständiger Versicherungsträger ist. Die Klage hat zunächst keinen Erfolg gehabt. Mit Urteil vom 30. September 1977 hat das SG es nach Beiladung des Hessischen Gemeindeunfallversicherungsverbandes abgelehnt, die Beklagte für entschädigungspflichtig zu erklären und sie zum Ersatz der Aufwendungen anläßlich des Unfalls des K. zu verpflichten. Denn der Verstorbene sei nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO versichert gewesen, da es sich bei der Blutspendeaktion um eine unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehende Betriebsveranstaltung gehandelt habe, an der sich K. habe beteiligen wollen. Damit sei die Blutspende Bestandteil des Unternehmens der Firma H. gewesen und die subsidiäre Zuständigkeit der Beklagten für Blutspender aus den §§ 539 Abs. 1 Nr. 10 i.V.m. 655 Abs. 2 Nr. 3 RVO sei durch § 655 Abs. 3 RVO ausgeschlossen. Auf die dagegen unmittelbar eingelegte Revision der Klägerin hat das Bundessozialgericht (BSG) das Urteil des SG vom 30. September 1977 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückverwiesen, weil die notwendige Beiladung der Witwe des K. versäumt worden sei (Urteil des BSG vom 30.10.1979 – 2 RU 3/78 –).

Deren Beiladung hat das SG nachgeholt und sodann mit Urteil vom 23. September 1980 festgestellt, daß die Beklagte zuständig ist zur Anerkennung und Entschädigung des von K. erlittenen Unfalls. Es hat die Revision zugelassen. In seinen Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die Beklagte sei gemäß §§ 539 Abs. 1 Nr. 10, 550, 655 Abs. 2 Nr. 3, 656 Abs. 4 Satz 1, 771 Abs. 1 Satz 1 RVO i.V.m. § 1 Nr. 3 und § 2 der Verordnung über die Bestimmung des Hessischen Gemeindeunfallversicherungsverbandes und der Stadt F. zu Trägern der Unfallversicherung für nach § 539 Abs. 1 Nr. 8 bis 10 RVO versicherten Personen vom 25. Mai 1966 zuständiger Versicherungsträger für den Unfall des K. Bei dem Blutspendetermin der Firma B. habe es sich weder um eine Gemeinschaftsveranstaltung noch um eine Betriebsveranstaltung der Firma H. gehandelt. K. habe auch keine Betriebstätigkeit für die Firma H. ausgeführt und sei auch nicht gemäß § 539 Abs. 2 RVO arbeitnehmerähnlich für eine der beiden Firmen tätig geworden. Das Spenden von Blut erfolge statt dessen immer freiwillig und ohne rechtliche Verpflichtung im Sinne von § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO. Daraus ergebe sich die Verpflichtung der Beklagten.

Gegen dieses ihr am 20. November 1980 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. Dezember 1980 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Sie vertritt die Auffassung, es seien die Blutspenden nach den jeweiligen Umständen zu unterscheiden. Wenn sie für den Spender nicht von wirtschaftlichem Interesse seien, trete in Hessen der Beigeladene zu 1. oder sie selber als Versicherungsträger ein, anderenfalls, und so im vorliegenden Falle, wegen der Aufwandsentschädigung und der arbeitsrechtlichen Beziehungen zur Firma H. die für das Unternehmen zuständige gewerbliche Berufsgenossenschaft. Die enge Verflechtung der Firmen H. und B. spreche dafür, daß K. im wirtschaftlichen Interesse seines Arbeitgebers gehandelt habe und deshalb gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO i.V.m. § 548 RVO versichert gewesen sei. Dafür sei allein die Klägerin zuständig. Wollte man dem nicht zustimmen, dann bliebe eine vorwiegend eigennützige, überhaupt nicht unfallversicherte Tätigkeit übrig. Der Begriff "Blutspender” in § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO kennzeichne nicht nur einen technischen Vorgang, sondern enthalte gleichzeitig einen Hinweis auf den im weitesten Sinne altruistischen Charakter der Tätigkeit, die zwar noch eine materielle Anerkennung toleriere, nicht aber eine Erstreckung auf wirtschaftlich geprägte Austauschvorgänge zulasse, wie sie hier vorlägen. Die Umstände des Falles ließen den Schluß zu, daß hier ein Verkauf von Körperteilen, nämlich des eigenen Blutes, vorliege. Verpflichtungsgeschäfte über abzutrennende Körperteile seien grundsätzlich zulässig, soweit das Geschäft nicht gegen allgemeine Vorschriften verstoße. K. habe sich zwar nicht von vornherein zum Spenden von Blut in bestimmten Mengen und Zeitabschnitten verpflichten können, weil das gemäß § 138 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nichtig gewesen wäre. Er habe jedoch rechtswirksam von Fall zu Fall der Firma B. eine vertretbare Menge Blutes zur Weiterverarbeitung anbieten und überlassen können. Deren Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises sei selbstverständlich Voraussetzung des Vertrages gewesen. Die Firma B. sei an einem dauerhaften Austauschverhältnis dieser Art interessiert gewesen. Sie habe sich einen festen Stamm von Spendern gehalten, der die Aufrechterhaltung der Produktion von Seretin gewährleistet habe. K. sei ein solcher regelmäßiger Spender gewesen. Betrachte man K. danach als eigenwirtschaftlich tätigen, selbständigen Verkäufer, dann habe er überhaupt nicht unter Versicherungsschutz gestanden.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. September 1980 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beigeladene zu 1. schließt sich den Ausführungen der Beklagten an und stellt keinen Antrag.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene zu 2. schließt sich den Ausführungen und dem Antrag der Klägerin an.

Wegen der übrigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Unfallakten der Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts Frankfurt am Main, S-3/U – 58/77 und S-8/3/U – 346/79, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und somit zulässig (§§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –).

Sie ist jedoch unbegründet.

Zu Recht hat das SG der Klage stattgegeben.

Zwar hat es irrigerweise seine örtliche Zuständigkeit angenommen (§ 57 Abs. 1 SGG). Gemäß § 1 ihrer Satzung hat die Klägerin ihren Sitz in H. am Ort ihrer Hauptverwaltung, wohingegen ihre Bezirksverwaltung in F. gemäß § 5 ihrer Satzung eine unselbständige und an Weisungen gebundene Verwaltungsstelle ist. In Übereinstimmung mit dem Urteil des BSG vom 8. Oktober 1981 (2 RU 20/81) ist danach wegen des Sitzes der Klägerin das Sozialgericht M. das örtlich zuständige Sozialgericht für die erhobene Klage. Da diese Klage aber mit vermögensrechtlichen Ansprüchen anläßlich des von K. erlittenen Unfalls verbunden ist, muß eine Korrektur dieses erstinstanzlichen Fehlers im Berufungsverfahren unterbleiben. Im Zusammenhang mit anderen von Amts wegen zu prüfenden Prozeßvoraussetzungen kommt der örtlichen Zuständigkeit des SG im vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung zu. Also verbleibt es bei dem Grundsatz, daß die örtliche Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts in entsprechender Anwendung der §§ 512 a, 549 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) dann nicht mehr überprüft wird, wenn das SG sie positiv angenommen hat (vgl. BSG, Urteil vom 30.7.1959, 2 RU 174/58, in BSGE 10, 233).

Die Feststellungsklage ist zulässig (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse daran (§ 55 Abs. 1 letzter Halbsatz SGG), weil nur dadurch eine Rechtskrafterstreckung hinsichtlich der noch in Zukunft zu erbringenden Leistungen erreicht werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.1979, 2 RU 3/78).

Die Klage ist auch begründet, denn die Beklagte und nicht die Klägerin ist gemäß §§ 539 Abs. 1 Nr. 10, 550 Abs. 1, 655 Abs. 2 Nr. 3, 656 Abs. 4 Satz 1 RVO i.V.m. § 1 Nr. 3 und § 2 der Hessischen Verordnung über die Bestimmung des Hessischen Gemeindeunfallversicherungsverbandes und der Stadt zu Trägern der Unfallversicherung für nach § 539 Abs. 1 Nr. 8 bis 10 RVO versicherte Personen vom 25. Mai 1966 (GVBl. I S. 133) zuständiger Unfallversicherungsträger für den Unfall des K. am 14. Januar 1976 auf dem Gemeindegebiet der Stadt F ...

Hierzu ist festzustellen, daß K. Angestellter der Firma H. war. Am 14. Januar 1976 beabsichtigte er, bei einem von der Firma B. auf dem Werksgelände der Firma H. in F. veranstalteten Blutspendetermin Vollblut zu spenden. Weil er dies bereits mehrmals getan hatte, führte die Firma B. eine Karteikarte über ihn. K. wurde zu diesem Zweck durch seine Betriebsleitung von der Arbeit unter Fortzahlung des Gehalts freigestellt, wie es die Firma H. auch bei anderen wichtigen eigenwirtschaftlichen Besorgungen ihrer Arbeitnehmer zuließ. Durch die Voruntersuchung zur Blutentnahme wurde bei H. akut ein zu schwacher Gesundheitszustand festgestellt. Die Mitarbeiter des Blutspendedienstes der Firma B. wiesen ihn deshalb zurück. Daraufhin begab er sich auf den Rückweg zu seinem Arbeitsplatz. Dabei wurde er auf dem Werksgelände beim Überqueren einer Straße von einem Pkw angefahren. Am 21. Januar 1976 verstarb er an den Folgen der dabei erlittenen Verletzungen. Diese Feststellungen beruhen auf den Ermittlungen der Klägerin und sind unter den Beteiligten unbestritten.

Die Firma B. war in die Firma H. eingegliedert. Sie veranstaltete regelmäßige Blutspendetermine auf dem Werksgelände der Firma H. ausschließlich mit eigenen Mitarbeitern, um Blut als Rohstoff für ihre spezielle Blutplasma-Konserve "Seretin” zu erhalten. Von der herkömmlichen Frischblutkonserve, wie sie zum Beispiel die Blutspendedienste des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) aus ihren Blutspendeaktionen herstellen, unterscheidet sich Seretin dadurch, daß es langfristig verwertbar und bei der Übertragung auf dritte Personen nicht an die Blutgruppe gebunden ist. Die Frischblutkonserve des DRK war seinerzeit 21 Tage haltbar, Seretin dagegen drei Jahr lang. Diese Feststellungen beruhen auf der Auskunft der Firma H. vom 27. Juli 1976 (Bl. 30 GA SG Ffm. S 3/U – 58/77).

Zur Blutspende wandte sich die Firma B. an alle Werksangehörigen der Firma H., ließ aber auch Werksfremde zu. Um nicht mit den Blutspendeaktionen des DRK konkurrieren zu müssen, unterließ sie Werbeaktionen außerhalb der Firma H. Sie zahlte den Spendern für jede Blutspende 40,– DM, die kein Entgelt, sondern eine pauschale Aufwandsentschädigung sein sollten. Gleichzeitig führte der Blutspendedienst Hessen des DRK öffentlich angezeigte Blutspendeaktionen in Hessen durch, bei denen er mit Gelegenheitsspendern und Dauerspendern arbeitete. Während er den Gelegenheitsspendern nur einen kleinen Imbiß im Werte von 3,– bis 4,– DM gewährte, zahlte er den Dauerspendern jeweils 45,– DM für jede Blutspende. Die Liste seiner Produkte wies dabei Preise bis zu 320,– DM zuzüglich Mehrwertsteuer aus. Diese Feststellung beruht auf der Auskunft des Blutspendedienstes Hessen des DRK vom 21. März 1977 (Bl. 37 GA SG Ffm. Az. S 3/U – 58/77).

Daraus und aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens folgt, daß sich die Tätigkeit des K. als Weg zu und von einer Blutspende (§ 550 Abs. 1 RVO) qualifiziert, die gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO unter Unfallversicherungsschutz stand. Die Tatsache, daß ihm wegen seines akuten Gesundheitszustandes kein Blut abgenommen wurde, ist demgegenüber rechtlich unerheblich. Die Tätigkeit wird von der Blutspendeabsicht deutlich überwiegend geprägt.

Daran ändert nichts die Tatsache, daß die Firma B. ihren Spendern eine Aufwandsentschädigung von 40,– DM zahlte und auch K. dieses Geld erwarten durfte. Der Begriff "Blutspender” in § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO zielt vor allem nicht auf eine bestimmte Motivation des Spenders ab, sondern auf die objektive Rohstoffgewinnung menschlichen Blutes für dritte Personen; das ist wegen des mittelbaren oder unmittelbaren Heilzwecks von allgemeinem öffentlichen Interesse. Die Besonderheit dessen liegt in der Eigenschaft des Rohstoffes als lebenswichtiges Teil des menschlichen Körpers. Unsere Rechtsordnung verlangt, daß derartige Spenden unter normalen Umständen für beliebige dritte Personen grundsätzlich nur aufgrund einer Einzelentscheidung des Spenders erfolgen dürfen. Die Blutabnahme wäre eine strafbare Körperverletzung und die Einwilligung in sie sittenwidrig und damit kein Unrechtsausschließungsgrund gemäß § 226 a des Strafgesetzbuches (StGB), wollte sich jemand in einem Gewerbebetrieb in der Form eines Dauerrechtsverhältnisses ständig Blut abnehmen lassen. Die Wahrung der Menschenwürde verlangt es, daß die Einwilligung in eine tatbestandsmäßige Körperverletzung nicht einer Selbstaufgabe gleichkommt, so daß das Handeln des Täters den Einwilligenden zum bloßen Objekt, zu einem austauschbaren Faktor herabwürdigt (vgl. Schönke-Schröder, Kommentar zum StGB, 19. Aufl., 1978, Anm. 5 zu § 226 a). Es wäre sittenwidrig und gemäß § 138 BGB nichtig, Menschen zur Rohstoffgewinnung wie Zuchtvieh zu halten (vgl. Mayer-Maly in MK 1978, Rdz. 63 zu § 138 BGB "Abwehr von Freiheitsbeschränkungen und Wahrung von Persönlichkeitsrechten”).

Da die Blutspende zur Aufrechterhaltung der allgemeinen medizinischen Versorgung und zur Katastrophenvorsorge im höchsten allgemeinen Interesse steht, hat der Gesetzgeber sich entschlossen, den Spendern jedenfalls die Angst vor entschädigungslosen Unfallrisiken beim Blutspenden zu nehmen, indem er die Regelung des § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO eingeführt hat. Dabei, wie auch in den Fällen der Nr. 9 dieser Vorschrift, fehlt jeder Zusammenhang mit der modernen Arbeitswelt. Es fehlt jeder versicherungsorganisatorisch ausgeformte Risikoausgleich und eine Beitragserhebung von Beteiligten. Die Unfallversicherungsleistungen sind den Ländern auferlegt (§ 655 Abs. 2 Nr. 3 RVO), die ermächtigt sind, die Last auf die Gemeindeunfallversicherungsverbände und auf Städte über 500.000 Einwohner abzuwälzen. Die Leistungen werden somit aus allgemeinen Steuermitteln abgedeckt. Diese Tatbestände sind nur der Fiktion und der äußeren Hülle nach Unfallversicherung, der Sache nach aber etwas anderes (vgl. Werner Weber, Sozialversicherungsgesetzgebung als Universalregelungskompetenz in: Grundprobleme des Versicherungsrechts, 1972, Festschrift für Hans Möller, Seite 499 ff., 504 f.). Jantz (Prinzipien der Gesetzgebung in der Unfallversicherung, in: Festschrift für Lauterbach (1961), Seite 15 ff., 18) meint, daß hier ein Aufopferungsanspruch mit Rechtsform und Leistungsarten der Sozialversicherung aufgefangen wird (vgl. auch Linthe, BArbBl. 1963, 343). Der Reichsgesetzgeber 1928, 1939 und 1942 sowie der novellierende Bundesgesetzgeber von 1963 sind hier in eigenartiger Weise verfahren. Sie wollten bei den Tatbeständen der Nrn. 9 und 10 einen Aufopferungsanspruch im klassischen Sinne anerkannt und jedenfalls außer Zweifel gestellt wissen. Demgemäß wurde unter Verzicht auf die Organisierung eines eigentlichen "Versicherungsträgers” das politische Gemeinwesen zum Verpflichteten erklärt (vgl. Werner Weber, a.a.O., S. 506).

Daraus folgt zweierlei: Es ist gleichgültig, ob und wieviel der Blutspender aus Anlaß einer Blutspende für dritte Personen erhält. Selbst Entgelt oder eine Aufwandsentschädigung sind nicht geeignet, den vom Gesetzgeber verfolgten Zweck zu vereiteln. Praktisch wird das durch den Blutspendedienst Hessen des DRK vorgeführt, der seinen Dauerspendern sogar 45,– DM zahlte, ohne daß der Tatbestand des § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO von irgend jemand in Zweifel gezogen würde. Obwohl der Betrieb des Blutspendedienstes Hessen des DRK mit Ausnahme der bilanzmäßigen Gewinnausweisung vollständig als Gewerbebetrieb geführt wird (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 22.2.1978, L-3/U – 1071/74), hat die Rechtsprechung des BSG hier eine den Bereitschaften des DRK verwandte Tätigkeit im Sinne von § 653 Abs. 1 Nr. 4 RVO angenommen und beitragsfrei den Bund als Unfallversicherungsträger zuerkannt (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.1980, 8a RU 74/78). In sachlicher Konsequenz dessen kann die Blutspende zur medizinischen und Katastrophenvorsorge in anderen Betrieben grundsätzlich auch nicht den gewerblichen Berufsgenossenschaften zugewiesen werden.

Zum zweiten ergeben die aufgezeigten allgemeinen rechtlichen Gesichtspunkte, daß die von der Firma B. praktizierte Form der Blutgewinnung nicht als unmittelbarer oder mittelbarer Teil des Arzneimittel-Unternehmens beurteilt werden kann, sondern nur als eigener, von dem gewerblichen Unternehmen unabhängiger Tatbestand im Sinne von § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO. Anderenfalls und insbesondere unter Annahme einer Dauerverpflichtung für die Zukunft wäre die Einordnung des Blutspenders in das Unternehmen des gewerblichen Blutspendedienstes sittenwidrig. Danach scheidet eine Versicherung nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO aus. Rechtmäßiges Blutspenden ist eine selbständige, eigenwirtschaftliche und keine abhängige Tätigkeit, selbst dann, wenn der Vorgang häufiger wiederholt wird.

Aus diesen Gründen kann auch nicht angenommen werden, daß K. als Angestellter der Firma H. mit dem Blutspenden eine betriebliche Tätigkeit für die Firma H. verrichtet hat.

Ebensowenig liegt eine Versicherung nach § 539 Abs. 2 RVO vor. Das selbständige Blutspenden im Sinne von § 539 Abs. 1 Nr. 10 RV schließt die Annahme aus, es liege eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit gemäß § 539 Abs. 2 RVO i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO vor. Abgesehen davon, reicht nach dem Sinn und Zweck des § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO allein der objektive Tatbestand des Blutspendens für dritte Personen aus, um jedem Versicherungsaspekt aus § 539 Abs. 2 RVO eine so untergeordnete Bedeutung zuzumessen, daß er als rechtlich unerheblich nicht zu berücksichtigen ist (vgl. BSG, Urteil vom 22.2.1973, 2 RU 127/70).

Die Zuständigkeit der Beklagten ist entgegen ihrer Meinung auch nicht durch § 655 Abs. 3 RVO ausgeschlossen. Das BSG hat bereits in seinem Urteil vom 22. Februar 1973 (2 RU 135/70) entschieden, daß hierunter nicht jede versicherte unternehmensbezogene Tätigkeit für ein der Unfallversicherung unterliegendes Unternehmen fällt. Es trifft zwar zu, daß in allen Fällen des § 655 Abs. 2 RVO das Land als Versicherungsträger nur subsidiär leistungspflichtig ist, wenn nämlich das Unternehmen, in dem sich der Unfall ereignet hat, nicht Bestandteil eines anderen der Unfallversicherung unterliegenden Unternehmens ist. Der Senat schließt sich der Auffassung des BSG (a.a.O.) an, daß mit "Bestandteil” der auch in § 647 RVO verwendete Begriff gemeint ist. Die Zuständigkeit der Beklagten für die Entschädigung des Unfalls, den K. im Zusammenhang mit dem Blutspenden erlitten hat, wäre nach § 655 Abs. 3 RVO nur dann ausgeschlossen, wenn K. Unternehmer oder Beschäftigter des Blutspendedienstes der Firma B. gewesen wäre. Das war nicht der Fall. Statt dessen war er, wie ausgeführt, selbständig als Blutspender tätig.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision aus § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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