Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 3b U 94/81
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1123/82
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Fünfjahresfrist, innerhalb derer der UV-Träger einen etwaigen Minderverdienst des an einer Berufskrankheit Erkrankten auszugleichen hat, beginnt nicht erst mit der Aufnahme der neuen Tätigkeit, sondern bereits im Zeitpunkt der tatsächlichen Aufgabe der bisher gefährdenden Beschäftigung. Ob diese Aufgabe freiwillig erfolgt oder durch die Berufskrankheit erzwungen wird, ist unerheblich.
2. Es ist unzulässig, den UV-Träger zu verurteilen, ab einem bestimmten Zeitpunkt im voraus für fünf Jahre Übergangsleistungen zu zahlen.
3. Fehlen im sozialgerichtlichen Urteil die für die Entscheidung notwendigen Feststellungen, so beruht es auf einem wesentlichen Verfahrensmangel.
2. Es ist unzulässig, den UV-Träger zu verurteilen, ab einem bestimmten Zeitpunkt im voraus für fünf Jahre Übergangsleistungen zu zahlen.
3. Fehlen im sozialgerichtlichen Urteil die für die Entscheidung notwendigen Feststellungen, so beruht es auf einem wesentlichen Verfahrensmangel.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 19. August 1982 abgeändert. Es wird auch die Klage gegen die Bescheide vom 15. und 30. Juni 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1981 (Übergangsleistungen) abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Beginn der Fünfjahresfrist nach § 3 Absatz 2 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) vom 8. Dezember 1976 (BGBl. I S. 3329), innerhalb derer der Unfallversicherungsträger eine durch eine Berufskrankheit (BK) verursachte Minderung des Verdienstes oder einen sonstigen wirtschaftlichen Nachteil durch eine Übergangsleistung neben der Verletztenrente auszugleichen hat.
Der im Jahre 1924 geborene Kläger erkrankte an einem beruflich bedingten Asthma mit Überempfindlichkeit gegenüber Isozyanaten, das zur Unterlassung der ihn gefährdenden Tätigkeit als Maschinenführer gezwungen hat und auch künftig zur Unterlassung aller Tätigkeiten zwingt, bei denen ein Kontakt mit Isozyanaten besteht (Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKVO). Hierzu stellte die Beklagte in dem Bescheid vom 14. Mai 1981 fest, daß diese Erkrankung zwar als BK anerkannt, eine Gewährung der Verletztenrente aber abgelehnt werde, da durch sie keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) hervorgerufen werde. Der Kläger hatte an seinem Arbeitsplatz letztmalig am 16. September 1980 gearbeitet und war von seinem Arbeitgeber, der Firma P. W. D. GmbH u. Co in L. nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung ab dem 2. Februar 1981 auf einen neu geschaffenen Arbeitsplatz umgesetzt worden. Dort kommt er nicht mehr mit isozyanathaltigen Stoffen in Berührung. Da dieser neue Arbeitsplatz mit einem Minderverdienst verbunden ist, beantragte der Kläger bei der Beklagten am 30. März 1981 die Gewährung von Übergangsleistungen. Nach Feststellung eines Minderverdienstes erteilte die Beklagte unter dem 15. Juni 1981 einen Bescheid über die Gewährung der Übergangsleistungen ab dem 2. Februar 1981, wobei sie den Beginn des Fünfjahreszeitraumes mit dem 16. September 1980 festlegte. Gegen diesen an ihn förmlich abgesandten Bescheid legte der Kläger am 25. Juni 1981 Widerspruch ein. Während des Widerspruchsverfahrens erließ die Beklagte einen Neuberechnungsbescheid vom 30. Juni 1981, in dem sie wiederum das erste Jahr der Laufzeit des Fünfjahreszeitraumes vom 16. September 1980 bis 15. September 1981 festsetzte. Sodann wies sie mit dem Bescheid vom 17. September 1981 den Widerspruch zurück, da für die Festsetzung des Beginns des Fünfjahreszeitraumes nicht die Aufnahme der Erwerbstätigkeit an einem anderen Arbeitsplatz, sondern der Zeitpunkt der Einstellung der schädigenden Tätigkeit maßgeblich sei; das sei hier mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Jahre 1980 der 16. September. Außerdem wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid über die Ablehnung einer Verletztenrente vom 14. Mai 1981 zurück.
Gegen beide am 17. September 1981 abgesandten Widerspruchsbescheide hat der Kläger am 16. Oktober 1981 bei dem Sozialgericht Fulda (SG) Klage erhoben (S-3b/U – 93 und 94/81). Das SG hat beide Streitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und sodann mit Urteil vom 19. August 1982 die Klage gegen den Bescheid vom 14. Mai 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1981 hinsichtlich des Anspruchs auf Verletztenrente abgewiesen und im übrigen die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 15. Juni und 17. September 1981 verurteilt, dem Kläger die Übergangsleistungen für fünf Jahre vom 1. Februar 1981 an zu zahlen. Insoweit hat es ausgeführt: Der Kläger habe entgegen der Auffassung der Beklagten seine frühere gefährdende Tätigkeit nicht mit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 16. September 1980 eingestellt. Zwar sei er seit dem 15. September 1980 nicht mehr an seinem alten Arbeitsplatz gewesen, aber er habe die Arbeit damals nicht freiwillig aufgegeben. In diesem Zeitpunkt wäre der Kläger nicht nachweislich bereits zur Aufgabe seiner bisherigen Tätigkeit entschlossen gewesen. Vor dem Ende der Arbeitsunfähigkeit und der Aufnahme der neuen Tätigkeit lasse sich deshalb kein Zeitpunkt ermitteln, zu dem der Kläger die ihn gefährdende Tätigkeit eingestellt habe.
Gegen dieses ihr am 6. Oktober 1982 zugestellte Urteil hat allein die Beklagte schriftlich bei dem Hessischen Landessozialgericht (HLSG) am 2. November 1982 Berufung eingelegt. Sie bringt zu deren Begründung vor: Die Auffassung des SG laufe darauf hinaus, daß der Fünfjahreszeitraum nach § 3 Abs. 2 BKVO stets nur dann in Lauf gesetzt werden könne, wenn die Einstellung der gefährdenden Tätigkeit durch den Versicherten auf freiem Entschluß beruhe und im Ergebnis mit der Aufnahme einer neuen Tätigkeit beginne. Diese Rechtsauffassung sei unzutreffend, da § 3 Abs. 2 BKVO dazu diene, dem Versicherten das Ausscheiden aus der gefährdenden Tätigkeit zu erleichtern. Diese Bestimmung stelle daher auf die tatsächliche Einstellung der gefährdenden Tätigkeit ab.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 19. August 1982 abzuändern und auch die Klage gegen die Bescheide vom 15. und 30. Juni 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1981 (Übergangsleistungen) abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe:
Die mangels Ausschließungsgründen statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher insgesamt zulässig (§§ 143, 144, 145, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –).
Die Berufung ist auch begründet. Mit der Berufung ist das auf die zulässigen Klagen ergangene sozialgerichtliche Urteil lediglich hinsichtlich der Übergangsleistungen angefochten, da nur die Beklagte Berufung eingelegt hat. Zu Unrecht hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger Übergangsleistungen für fünf Jahre vom 1. Februar 1981 an zu zahlen, wobei es zudem übersehen hat, daß nach § 86 SGG zum Gegenstand des Vorverfahrens auch der Neuberechnungsbescheid vom 30. Juni 1981 geworden war, so daß dieser in das Klageverfahren einzubeziehen war. Weder der Bescheid vom 15. Juni 1981 noch der diesen im Vorverfahren abändernde Bescheid vom 30. Juni 1981 (§ 86 SGG) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1981 sind rechtswidrig. Mit den angefochtenen Bescheiden hat die Beklagte zutreffend den Beginn des Fünfjahreszeitraumes mit dem 16. September 1980 festgelegt. Nach § 3 Abs. 2 BKVO hat der Träger der Unfallversicherung dann, wenn der Versicherte die Tätigkeit einstellt, weil die Gefahr für ihn nicht zu beseitigen ist, zum Ausgleich hierdurch entstehender Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Sie wird als einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder als eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe der Vollrente, längstens jedoch für die Dauer von fünf Jahren, gewährt. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, den an einer BK erkrankten Versicherten dazu zu bewegen, die gefährdende Tätigkeit aufzugeben. Nur unter diese: Voraussetzung ist die Aufnahme einer nicht gefährdenden Beschäftigung oder Tätigkeit möglich, ohne daß es darauf ankommt, daß sogleich oder ohne jede Verzögerung eine neue, nicht gefährdende Tätigkeit aufgenommen wird. § 3 Abs. 2 BKVO sieht als Beginn des Leistungszeitraumes von fünf Jahren nicht die Aufnahme der neuen, ungefährlichen Beschäftigung oder Tätigkeit vor, sondern knüpft an die Einstellung der den Versicherten gefährdenden Beschäftigung oder Tätigkeit an. Nur bis zum Ablauf von fünf Jahren ab diesem Zeitpunkt ist die Gewährung der Übergangsleistung rechtlich vorgesehen. Eine Verlängerung dieses Zeitraumes ist nicht möglich. Erhält ein Versicherter in diesem Fünfjahreszeitraum volle Lohnersatzleistungen (z.B. Krankengeld von der Krankenkasse), so kann er Übergangsleistungen innerhalb des Fünfjahreszeitraumes nur für diejenigen Zeiten erhalten, in denen keine vollen Lohnersatzleistungen oder aber geringerer Lohn als zuvor in der gefährdenden Tätigkeit gezahlt wird (vgl. BSG, Urteile vom 15.12.1971 – 5 RKnU 9/70 – in Breithaupt 1972, 659; 22.8.1975 – 5 RKnU 5/74 – in E 40, 146; 28.2.1980 – 8 a RU 66/78 – in SozR 5677 § 3 BKVO Nr. 2; 29.8.1980 – 8 a RU 6/80 – in HVGBG RdSchr VB 281/80). Da § 3 Abs. 2 BKVO auf das tatsächliche Einstellen der gefährdenden Beschäftigung abstellt, beginnt die Fünfjahresfrist nicht erst mit der Aufnahme der neuen, nicht mehr gefährdenden Tätigkeit, sondern auch dann, wenn das Einstellen der alten zunächst auf einer Arbeitsunfähigkeit beruht, während der Krankengeld oder Übergangsgeld gezahlt wird (vgl. auch Drexel in BG 1977, 271). So ist es hier. Nach den persönlichen Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren und den dazu erteilten Auskünften seines Arbeitgebers hat Arbeitsunfähigkeit wegen der BK ab dem 16. September 1980 bis zum 1. Februar 1981 bestanden. Während dieses Zeitraumes ist zunächst der Lohn fort- und sodann Krankengeld von der Krankenkasse ab dem 6. Oktober 1980 gezahlt worden. Hierbei handelte es sich um volle Lohnersatzleistungen, so daß kein Anspruch auf die Gewährung von Übergangsleistungen bestand. Diese sind vielmehr ab dem 2. Februar 1981 der Höhe nach, was unter den Beteiligten nicht streitig ist, zutreffend berechnet worden.
Ferner war es unzulässig, die Beklagte zu verurteilen, im voraus für fünf Jahre Übergangsleistungen zu zahlen. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BKVO wird die Übergangsleistung entweder als ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder als eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe der Vollrente, längstens jedoch für die Dauer von fünf Jahren, gewährt. Dabei kommt es darauf an, ob innerhalb dieses Fünfjahreszeitraumes wegen der durch die Einstellung der gefährdenden Tätigkeit verursachten Minderung des Verdienstes oder eines sonstigen wirtschaftlichen Nachteiles ein finanzieller Ausgleich zu schaffen ist. Dies hängt zunächst davon ab, ob dem Versicherten Lohn fortgezahlt wird oder er volle Lohnersatzleistungen erhält oder aber er durch andere Beschäftigungen gleichwertige Verdienste gegenüber der früheren Tätigkeit erzielt. Ist dies nicht der Fall, hat der Unfallversicherungsträger die Übergangsleistungen festzustellen. Dies ist nur in abgrenzbaren Zeiträumen möglich und wird von den Unfallversicherungsträgern in aller Regel, wie auch hier von der Beklagten, innerhalb des Fünfjahreszeitraumes für einzelne Jahre festgestellt. Demgegenüber enthält das sozialgerichtliche Urteil eine – im übrigen nicht beantragte – innerhalb des Fünfjahreszeitraumes liegende zeitlich unbegrenzte Verurteilung zur Zahlung der Übergangsleistung, ohne daß für diese Entscheidung im voraus die notwendigen Feststellungen getroffen werden können. Ein solches Urteil, in dem die notwendigen Feststellungen fehlen, beruht auf einem wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne von § 150 Nr. 2 SGG (BSG, Urteil vom 29.10.1980 – 2 RU 99/79 –).
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 193, 160 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Beginn der Fünfjahresfrist nach § 3 Absatz 2 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) vom 8. Dezember 1976 (BGBl. I S. 3329), innerhalb derer der Unfallversicherungsträger eine durch eine Berufskrankheit (BK) verursachte Minderung des Verdienstes oder einen sonstigen wirtschaftlichen Nachteil durch eine Übergangsleistung neben der Verletztenrente auszugleichen hat.
Der im Jahre 1924 geborene Kläger erkrankte an einem beruflich bedingten Asthma mit Überempfindlichkeit gegenüber Isozyanaten, das zur Unterlassung der ihn gefährdenden Tätigkeit als Maschinenführer gezwungen hat und auch künftig zur Unterlassung aller Tätigkeiten zwingt, bei denen ein Kontakt mit Isozyanaten besteht (Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKVO). Hierzu stellte die Beklagte in dem Bescheid vom 14. Mai 1981 fest, daß diese Erkrankung zwar als BK anerkannt, eine Gewährung der Verletztenrente aber abgelehnt werde, da durch sie keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) hervorgerufen werde. Der Kläger hatte an seinem Arbeitsplatz letztmalig am 16. September 1980 gearbeitet und war von seinem Arbeitgeber, der Firma P. W. D. GmbH u. Co in L. nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung ab dem 2. Februar 1981 auf einen neu geschaffenen Arbeitsplatz umgesetzt worden. Dort kommt er nicht mehr mit isozyanathaltigen Stoffen in Berührung. Da dieser neue Arbeitsplatz mit einem Minderverdienst verbunden ist, beantragte der Kläger bei der Beklagten am 30. März 1981 die Gewährung von Übergangsleistungen. Nach Feststellung eines Minderverdienstes erteilte die Beklagte unter dem 15. Juni 1981 einen Bescheid über die Gewährung der Übergangsleistungen ab dem 2. Februar 1981, wobei sie den Beginn des Fünfjahreszeitraumes mit dem 16. September 1980 festlegte. Gegen diesen an ihn förmlich abgesandten Bescheid legte der Kläger am 25. Juni 1981 Widerspruch ein. Während des Widerspruchsverfahrens erließ die Beklagte einen Neuberechnungsbescheid vom 30. Juni 1981, in dem sie wiederum das erste Jahr der Laufzeit des Fünfjahreszeitraumes vom 16. September 1980 bis 15. September 1981 festsetzte. Sodann wies sie mit dem Bescheid vom 17. September 1981 den Widerspruch zurück, da für die Festsetzung des Beginns des Fünfjahreszeitraumes nicht die Aufnahme der Erwerbstätigkeit an einem anderen Arbeitsplatz, sondern der Zeitpunkt der Einstellung der schädigenden Tätigkeit maßgeblich sei; das sei hier mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Jahre 1980 der 16. September. Außerdem wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid über die Ablehnung einer Verletztenrente vom 14. Mai 1981 zurück.
Gegen beide am 17. September 1981 abgesandten Widerspruchsbescheide hat der Kläger am 16. Oktober 1981 bei dem Sozialgericht Fulda (SG) Klage erhoben (S-3b/U – 93 und 94/81). Das SG hat beide Streitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und sodann mit Urteil vom 19. August 1982 die Klage gegen den Bescheid vom 14. Mai 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1981 hinsichtlich des Anspruchs auf Verletztenrente abgewiesen und im übrigen die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 15. Juni und 17. September 1981 verurteilt, dem Kläger die Übergangsleistungen für fünf Jahre vom 1. Februar 1981 an zu zahlen. Insoweit hat es ausgeführt: Der Kläger habe entgegen der Auffassung der Beklagten seine frühere gefährdende Tätigkeit nicht mit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 16. September 1980 eingestellt. Zwar sei er seit dem 15. September 1980 nicht mehr an seinem alten Arbeitsplatz gewesen, aber er habe die Arbeit damals nicht freiwillig aufgegeben. In diesem Zeitpunkt wäre der Kläger nicht nachweislich bereits zur Aufgabe seiner bisherigen Tätigkeit entschlossen gewesen. Vor dem Ende der Arbeitsunfähigkeit und der Aufnahme der neuen Tätigkeit lasse sich deshalb kein Zeitpunkt ermitteln, zu dem der Kläger die ihn gefährdende Tätigkeit eingestellt habe.
Gegen dieses ihr am 6. Oktober 1982 zugestellte Urteil hat allein die Beklagte schriftlich bei dem Hessischen Landessozialgericht (HLSG) am 2. November 1982 Berufung eingelegt. Sie bringt zu deren Begründung vor: Die Auffassung des SG laufe darauf hinaus, daß der Fünfjahreszeitraum nach § 3 Abs. 2 BKVO stets nur dann in Lauf gesetzt werden könne, wenn die Einstellung der gefährdenden Tätigkeit durch den Versicherten auf freiem Entschluß beruhe und im Ergebnis mit der Aufnahme einer neuen Tätigkeit beginne. Diese Rechtsauffassung sei unzutreffend, da § 3 Abs. 2 BKVO dazu diene, dem Versicherten das Ausscheiden aus der gefährdenden Tätigkeit zu erleichtern. Diese Bestimmung stelle daher auf die tatsächliche Einstellung der gefährdenden Tätigkeit ab.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 19. August 1982 abzuändern und auch die Klage gegen die Bescheide vom 15. und 30. Juni 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1981 (Übergangsleistungen) abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe:
Die mangels Ausschließungsgründen statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher insgesamt zulässig (§§ 143, 144, 145, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –).
Die Berufung ist auch begründet. Mit der Berufung ist das auf die zulässigen Klagen ergangene sozialgerichtliche Urteil lediglich hinsichtlich der Übergangsleistungen angefochten, da nur die Beklagte Berufung eingelegt hat. Zu Unrecht hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger Übergangsleistungen für fünf Jahre vom 1. Februar 1981 an zu zahlen, wobei es zudem übersehen hat, daß nach § 86 SGG zum Gegenstand des Vorverfahrens auch der Neuberechnungsbescheid vom 30. Juni 1981 geworden war, so daß dieser in das Klageverfahren einzubeziehen war. Weder der Bescheid vom 15. Juni 1981 noch der diesen im Vorverfahren abändernde Bescheid vom 30. Juni 1981 (§ 86 SGG) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1981 sind rechtswidrig. Mit den angefochtenen Bescheiden hat die Beklagte zutreffend den Beginn des Fünfjahreszeitraumes mit dem 16. September 1980 festgelegt. Nach § 3 Abs. 2 BKVO hat der Träger der Unfallversicherung dann, wenn der Versicherte die Tätigkeit einstellt, weil die Gefahr für ihn nicht zu beseitigen ist, zum Ausgleich hierdurch entstehender Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Sie wird als einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder als eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe der Vollrente, längstens jedoch für die Dauer von fünf Jahren, gewährt. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, den an einer BK erkrankten Versicherten dazu zu bewegen, die gefährdende Tätigkeit aufzugeben. Nur unter diese: Voraussetzung ist die Aufnahme einer nicht gefährdenden Beschäftigung oder Tätigkeit möglich, ohne daß es darauf ankommt, daß sogleich oder ohne jede Verzögerung eine neue, nicht gefährdende Tätigkeit aufgenommen wird. § 3 Abs. 2 BKVO sieht als Beginn des Leistungszeitraumes von fünf Jahren nicht die Aufnahme der neuen, ungefährlichen Beschäftigung oder Tätigkeit vor, sondern knüpft an die Einstellung der den Versicherten gefährdenden Beschäftigung oder Tätigkeit an. Nur bis zum Ablauf von fünf Jahren ab diesem Zeitpunkt ist die Gewährung der Übergangsleistung rechtlich vorgesehen. Eine Verlängerung dieses Zeitraumes ist nicht möglich. Erhält ein Versicherter in diesem Fünfjahreszeitraum volle Lohnersatzleistungen (z.B. Krankengeld von der Krankenkasse), so kann er Übergangsleistungen innerhalb des Fünfjahreszeitraumes nur für diejenigen Zeiten erhalten, in denen keine vollen Lohnersatzleistungen oder aber geringerer Lohn als zuvor in der gefährdenden Tätigkeit gezahlt wird (vgl. BSG, Urteile vom 15.12.1971 – 5 RKnU 9/70 – in Breithaupt 1972, 659; 22.8.1975 – 5 RKnU 5/74 – in E 40, 146; 28.2.1980 – 8 a RU 66/78 – in SozR 5677 § 3 BKVO Nr. 2; 29.8.1980 – 8 a RU 6/80 – in HVGBG RdSchr VB 281/80). Da § 3 Abs. 2 BKVO auf das tatsächliche Einstellen der gefährdenden Beschäftigung abstellt, beginnt die Fünfjahresfrist nicht erst mit der Aufnahme der neuen, nicht mehr gefährdenden Tätigkeit, sondern auch dann, wenn das Einstellen der alten zunächst auf einer Arbeitsunfähigkeit beruht, während der Krankengeld oder Übergangsgeld gezahlt wird (vgl. auch Drexel in BG 1977, 271). So ist es hier. Nach den persönlichen Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren und den dazu erteilten Auskünften seines Arbeitgebers hat Arbeitsunfähigkeit wegen der BK ab dem 16. September 1980 bis zum 1. Februar 1981 bestanden. Während dieses Zeitraumes ist zunächst der Lohn fort- und sodann Krankengeld von der Krankenkasse ab dem 6. Oktober 1980 gezahlt worden. Hierbei handelte es sich um volle Lohnersatzleistungen, so daß kein Anspruch auf die Gewährung von Übergangsleistungen bestand. Diese sind vielmehr ab dem 2. Februar 1981 der Höhe nach, was unter den Beteiligten nicht streitig ist, zutreffend berechnet worden.
Ferner war es unzulässig, die Beklagte zu verurteilen, im voraus für fünf Jahre Übergangsleistungen zu zahlen. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BKVO wird die Übergangsleistung entweder als ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder als eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe der Vollrente, längstens jedoch für die Dauer von fünf Jahren, gewährt. Dabei kommt es darauf an, ob innerhalb dieses Fünfjahreszeitraumes wegen der durch die Einstellung der gefährdenden Tätigkeit verursachten Minderung des Verdienstes oder eines sonstigen wirtschaftlichen Nachteiles ein finanzieller Ausgleich zu schaffen ist. Dies hängt zunächst davon ab, ob dem Versicherten Lohn fortgezahlt wird oder er volle Lohnersatzleistungen erhält oder aber er durch andere Beschäftigungen gleichwertige Verdienste gegenüber der früheren Tätigkeit erzielt. Ist dies nicht der Fall, hat der Unfallversicherungsträger die Übergangsleistungen festzustellen. Dies ist nur in abgrenzbaren Zeiträumen möglich und wird von den Unfallversicherungsträgern in aller Regel, wie auch hier von der Beklagten, innerhalb des Fünfjahreszeitraumes für einzelne Jahre festgestellt. Demgegenüber enthält das sozialgerichtliche Urteil eine – im übrigen nicht beantragte – innerhalb des Fünfjahreszeitraumes liegende zeitlich unbegrenzte Verurteilung zur Zahlung der Übergangsleistung, ohne daß für diese Entscheidung im voraus die notwendigen Feststellungen getroffen werden können. Ein solches Urteil, in dem die notwendigen Feststellungen fehlen, beruht auf einem wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne von § 150 Nr. 2 SGG (BSG, Urteil vom 29.10.1980 – 2 RU 99/79 –).
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 193, 160 SGG.
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