L 3 U 586/82

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 4 U 326/80
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 586/82
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. April 1982 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erhöhung der Teilrente auf die Vollrente (§ 587 Reichsversicherungsordnung – RVO –) ab 23. November 1976 und die Gewährung von Berufshilfe.

Der 1928 geborene Kläger absolvierte von 1942 bis 1944 eine Ausbildung zum Elektroinstallateur. Ab 1. April 1955 war er bei der Firma F. H. AG in F. beschäftigt. Er arbeitete zunächst als Betriebs-, Labor-, Hilfshandwerker und Elektromonteur und nach erfolgreicher Beendigung eines werksinternen Laborfachwerkerkurses – Fachrichtung Physik – seit 1961 als Physikfacharbeiter. Im Oktober 1968 wurde bei ihm eine toxische Hepatose festgestellt. Seit Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 10. März 1969 erhält er von der Beklagten wegen einer mäßigen Lebervergrößerung und Anzeichen einer vermehrten Eisenspeicherung als Folge chronischer Einwirkungen von Tetrachlorkohlenstoff Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. (Berufskrankheit – BK – nach der Nr. 9 der Anlage zur 7. Berufskrankheiten-Verordnung – BKVO –). Als BK nicht anerkannt wurde eine fibrös-knotige Obergeschoßlungentuberkulose mit Verschwartungen und Verwachsungen und eingeschränkter Atemverschieblichkeit der linken Zwerchfellhälfte (Bescheid vom 25. August 1969; Dauerrentenbescheid vom 25. Januar 1971). Der Kläger nahm seinerzeit zunächst seine alte Tätigkeit bei der Firma H. AG in der gleichen Abteilung (Gasanalysenlabor) wieder auf. Später wurde er in das Flüssigkeitslabor versetzt. Dort soll es seinen Angaben zufolge am 26. Januar 1971 wieder zu einer Einwirkung von Tetrachlorkohlenstoff gekommen sein. Am 13. September 1971 erlitt er durch das Einatmen von Schwefelsäuredämpfen einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall. Der Antrag auf Gewährung von Verletztenrente wegen einer vom Kläger als Unfallfolge geltend gemachten chronisch-spastischen Bronchitis blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 24. Mai 1973; Urteil des SG Frankfurt am Main vom 26. Oktober 1973; Urteil des Hess. Landessozialgerichts – HLSG – vom 20. August 1975, Az. S-3/U – 224/73/L-3/U – 1154/73). Unter dem 2. November 1971 unterbreitete das Arbeitsamt F. – Dienststelle H. –, bei dem der Kläger am 9. Februar 1971 unter Hinweis auf noch vorhandene schädigende Einflüsse am Arbeitsplatz eine Umschulung beantragt hatte, der Beklagten einen Eingliederungsvorschlag. Darin wurde gestützt auf ein Gutachten vom 4. Oktober 1971 des Arbeitsamtsarztes eine Umschulung des Klägers zum Elektrotechniker an der Privaten Technischen Lehranstalt E. in R. für den Fall befürwortet, daß eine Umsetzung als Physikfacharbeiter nicht möglich sei. Unter Hinweis auf eine Auskunft des werksärztlichen Dienstes der Firma H. AG vom 30. November 1971 lehnte die Beklagte gegenüber dem Arbeitsamt die Gewährung von Berufsförderungsmaßnahmen ab, weil für einen Arbeitsplatz- und Berufswechsel des Klägers kein Anlaß bestehe. Aufgrund einer Bescheinigung der Universitätsklinik F. vom 3. November 1971, wonach wegen einer rezidivierenden Bronchitis Staub- und Witterungseinflüsse sowie die Inhalation von reizenden Dämpfen möglichst zu meiden seien, wurde der Kläger am 22. Dezember 1971 vorübergehend unter Belassung seiner Bezüge in das Postbüro der Firma H. AG umgesetzt. Ende Januar/Anfang Februar 1972 erhielt er vom Maßnahmeträger die Einbestellung zum Ausbildungsantritt am 1. März 1972. Zu der vom Kläger gewünschten Beurlaubung für die Dauer dieser Maßnahme fand sich die Firma H. AG mit Rücksicht auf Umsetzungsangebote als Physikfacharbeiter nicht bereit. Am 11. Februar 1972 wurde dem Kläger zum 31. März 1972 gekündigt. Das Arbeitsverhältnis wurde schließlich einvernehmlich zum 29. Februar 1972 aufgelöst.

Ab 1. März 1972 nahm der Kläger dann an der Maßnahme zum Elektrotechniker an der Privaten Technischen Lehranstalt E. R. teil. Diese wurde am 22. Februar 1974 abgebrochen, weil ein erfolgreicher Abschluß u.a. wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten nicht mehr gewährleistet war. Vom 23. Februar 1974 bis 7. April 1975 war der Kläger mit Ausnahme der Zeit vom 12. August 1974 bis 13. September 1974 arbeitslos. Vom 8. April 1975 bis 22. November 1976 besuchte er eine weitere Maßnahme zum Staatlich geprüften Techniker – Fachrichtung Elektrotechnik – am P.-R.-Technikum F. die er im Alter von 48 Jahren mit Erfolg abschloß. Die Teilnahme an den beiden Maßnahmen wurde von der Bundesanstalt für Arbeit (BA) nach den Vorschriften über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter vorbehaltlich einer Zuständigkeit der Beklagten gefördert. Diese lehnte durch förmlichen Bescheid vom 25. April 1973 (Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 1974) gestützt auf die Auskunft des werksärztlichen Dienstes der Firma H. AG vom 23. November 1971 sowie weiterer Auskünfte vom 25. Februar 1972 und 30. Mai 1972 auch gegenüber dem Kläger die Gewährung von Berufshilfe ab, weil er durch die BK bei Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit keine Nachteile gehabt habe und negative Einwirkungen auch hinsichtlich der beruflichen Weiterentwicklung nicht zu erwarten gewesen seien. Für die Zeit zwischen beiden Maßnahmen bewilligte sie dem Kläger lediglich vom 19. März 1974 bis 7. Mai 1974 Verletztengeld wegen BK-bedingter Arbeitsunfähigkeit (Bescheid vom 25. Juli 1974). Die beantragte Erhöhung der Teilrente auf die Vollrente gemäß § 587 RVO lehnte sie hingegen durch einen weiteren Bescheid vom 25. Juli 1974 (Az.: BK 719034/1/68) ab 8. Mai 1974 mit der Begründung ab, daß der Kläger nicht durch die BK, sondern infolge einer selbst gewollten Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der Firma H. AG, der aus persönlichen Gründen angestrebten Umschulung und der schlechten regionalen Arbeitsmarktlage ohne Einkommen sei. Die vom Kläger gegen den Bescheid vom 25. April 1973 sowie die Bescheide vom 25. Juli 1974 erhobenen Klagen, mit denen er u.a. Berufshilfe für die Umschulung zum Elektrotechniker sowie die Erhöhung der Teilrente auf die Vollrente gemäß § 587 RVO begehrte, blieben erfolglos (Urteil des SG Frankfurt am Main vom 3. Dezember 1976 – Az.: S-3/U – 175/73/S-3/U – 262/74). Nach Erlangung des Abschlusses als Elektrotechniker am 22. November 1976 war der Kläger nur noch vom 1. Juli 1978 bis 21. Juli 1978 in Arbeit bzw. nach eigenen Angaben vom 6. August 1978 bis 5. September 1978 selbständig tätig. Vom Arbeitsamt bezog er bis 3. Januar 1977 Übergangsgeld und bis 3. Oktober 1977 Arbeitslosengeld. Ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe im Anschluß daran wurde verneint. Zur Zeit bezieht der Kläger Sozialhilfe. Vom Versorgungsamt F. wurde eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) wegen "inaktiver Obergeschoßtuberkulose mit Pleuraschwarte, toxischem Leberschaden, chronischer Bronchitis und degenerativer Wirbelsäulenveränderungen mit Lumbalsyndrom” festgestellt (Bescheid vom 30. November 1981). Den am 9. Februar 1981 gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente lehnte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit der Begründung ab, daß der Kläger trotz der bereits genannten gesundheitlichen Einschränkungen sowie Kreislaufdysregulationsstörungen in der Lage sei, in seinem Beruf vollschichtig zu arbeiten (Bescheid vom 9. September 1981; Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 1982). Insoweit ist noch beim SG Frankfurt am Main ein Verfahren anhängig (Az.: S-14/An – 252/82).

Am 15. Oktober 1979 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Gewährung von Berufshilfe und die Erhöhung der Teilrente auf die Vollrente gemäß § 587 RVO mit der Begründung, daß die Firma H. AG seinerzeit das Arbeitsverhältnis gekündigt habe, was unberücksichtig geblieben sei. Am 5. November 1979 erhob er gegen das Urteil des SG Frankfurt am Main vom 3. Dezember 1976 Restitutionsklage, die er am 11. März 1981 zurücknahm (Az.: S-4/U – 292/79). Zugleich beantragte er bei der Beklagten, ihm bei der Beschaffung eines Arbeitsplatzes behilflich zu sein und ihm entsprechende Berufshilfe zu gewähren. Die Beklagte verpflichtete sich, dem zu entsprechen. Sie holte infolgedessen die Auskunft des Arbeitsamtes F. – Dienststelle H. – vom 27. April 1981 ein und ersuchte das Arbeitsamt unter dem 6. Mai 1981, dem Kläger einen geeigneten Arbeitsplatz als Elektrotechniker, Elektriker oder Physikfacharbeiter zu vermitteln. Weitere Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation lehnte sie ab, ebenso eine Erhöhung der Teilrente auf die Vollrente nach § 587 RVO. Zur Begründung verwies sie auf ihre früheren Bescheide vom 25. April 1973 und 25. Juli 1974 und das rechtskräftige Urteil des SG Frankfurt am Main vom 3. Dezember 1976. In den für diese Entscheidungen maßgebenden Tatsachen und Rechtsvorschriften sei auch keine Änderung eingetreten, so daß eine andere Beurteilung nicht möglich sei (Bescheid vom 24. Juni 1981; Widerspruchsbescheid vom 24. August 1981).

Hiergegen hat der Kläger am 8. September 1981 beim SG Frankfurt am Main Klage erhoben und die Erhöhung der Teilrente auf die Vollrente für die Zeit vom 8. Mai 1974 bis 7. April 1975 (Unterbrechungszeit zwischen den Maßnahmen,) und ab 23. November 1976 (Tag nach Beendigung der zweiten Maßnahme), hilfsweise die Gewährung von Berufshilfemaßnahmen beantragt (Az.: S-4/U – 214/81). Zuvor – am 13. November 1980 – hatte er beim SG Frankfurt am Main ferner Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 24. November 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1980 erhoben (Az.: S-4/U – 326/80). Darin war Übergangsgeld für die Zeit einer von der Beklagten veranlaßten Untersuchung und Begutachtung im Stadtkrankenhaus K. vom 3. Oktober 1977 bis 22. Oktober 1977 mit der Begründung versagt worden, daß der Kläger bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit kein Einkommen aus einem Arbeitsverhältnis gehabt und vor bzw. während der Arbeitsunfähigkeit auch keine Lohnersatzleistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (APG) bezogen habe. Das SG hat die Verfahren S-4/U – 214/81 und S-4/U – 326/80 durch Beschluss vom 2. November 1981 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Durch Urteil vom 28. April 1982 hat es die Klagen aus den Gründen der angefochtenen Bescheide abgewiesen. Zu dem Anspruch auf Erhöhung der Teilrente auf die Vollrente hat es ergänzend ausgeführt, daß der Kläger als Elektromonteur, Physikfacharbeiter und Elektrotechniker auf einer Vielzahl von Arbeitsstellen eingesetzt werden könne, ohne daran durch die Art seiner BK gehindert zu sein. Die fehlende Eingliederung müsse danach ganz überwiegend auf anderen Gründen beruhen. Im übrigen sei § 587 RVO auf Fälle vorübergehender Arbeitseinkommenslosigkeit beschränkt. Über die bereits angebotene Hilfe bei der Beschaffung eines Arbeitsplatzes hinaus seien auch weitere Berufshilfemaßnahmen nicht erforderlich.

Gegen das ihm am 19. Mai 1982 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. Juni 1982 Berufung eingelegt.

Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte durch Bescheid vom 25. April 1983 dem Kläger in Abänderung ihres Bescheides vom 24. November 1977 für den 3. Oktober 1977 Verletztengeld in Höhe des Arbeitslosengeldes bewilligt und im übrigen ihre frühere Entscheidung bestätigt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 8. Februar 1984 hat der Kläger die Klage gegen diesen Bescheid und die Berufung hinsichtlich des Begehrens auf Gewährung von Übergangsgeld sowie auf Erhöhung der Teilrente auf die Vollrente für die Zeit vom 8. Mai 1974 bis 7. April 1975 zurückgenommen. Im übrigen ist er der Ansicht, daß seine Berufung zulässig und begründet sei. Insbesondere sei allein die BK der Grund dafür, daß er von Arbeitgebern nicht eingestellt worden sei. Der Kläger hat dazu zahlreiche Antwortschreiben von Firmen vorgelegt.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. April 1982 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Juni 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 1981 zu verurteilen, unter Rücknahme des Bescheides vom 25. Juli 1974 (Az.: BK 719034/1/68) ab 23. November 1976 gemäß § 587 RVO die Teilrente auf die Vollrente zu erhöhen und ihm Berufshilfe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Der Senat hat zur weiteren Sachaufklärung die Auskunft des Arbeitsamtes F. – Dienststelle H. – vom 26. Oktober 1982 eingeholt. Darin wird mitgeteilt, daß der Kläger nach Erlangung des Abschlusses als Elektrotechniker insgesamt 25 Arbeitgebern erfolglos zur Einstellung vorgeschlagen worden sei. Als Ursache für die Nichteinstellung seien überwiegend fachliche Gründe (z.B. mangelnde spezielle Berufserfahrung) angeführt worden. Lediglich die Firma H. AG habe den Kläger wegen gesundheitlicher Einschränkungen nicht eingestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere auf den der Unfallakten der Beklagten (5 Bände) Bezug genommen. Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren im übrigen folgende Akten: SG Frankfurt am Main S-3/U – 157/73 verbunden mit S-3/U – 262/74, S-3/U – 224/73, S-8/U – 228/82, S-3/4/U – 350/69, S-4/U – 292/79, S-4/U – 81/79, S-3/4/U – 184/70, S-15/Ar – 30/79, S-15/Ar – 474/77 verbunden mit S-15/Ar – 628/77, S-20/Ar – 199/83 mit Leistungsakte, S-14/Ar – 236/74, Akte des Arbeitsamtes F. Dienststelle F. – H. Stamm-Nr. xxxx des Sozialgerichts Frankfurt S-14/An – 252/82 mit Akte der BfA Berlin, des Sozialgerichts Frankfurt S-3/Vsb – 467/80 mit Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes F. Nr. yyyy.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –)eingelegte Berufung ist in dem nach teilweiser Rücknahme der Berufung noch streitigem Umfang zulässig (§§ 143, 144, 145 SGG). Das gilt auch für den Anspruch auf Erhöhung der Teilrente auf die Vollrente wegen Arbeitseinkommenslosigkeit gemäß § 587 RVO ab 23. November 1976, d.h. für die Zeit nach Beendigung der zweiten Bildungsmaßnahme und Wegfall des während dieser Zeit bezogenen und als Arbeitseinkommen im Sinne von § 587 RVO geltenden Übergangsgeldes (vgl. dazu Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9. Aufl., Band II, S. 578 i). Zwar wurde über den Anspruch auf Erhöhung der Teilrente gemäß § 587 RVO für die Zeit ab 8. Mai 1974 durch den mit Rechtskraft des Urteils des SG Frankfurt am Main vom 3. Dezember 1976 (Az. S-3/U – 157/73/S-3/U – 262/74) bindend (§ 77 SGG) gewordenen Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 1974 (Az: ) schon zum Nachteil des Klägers entschieden. Gleichwohl steht mit dem Anspruch auf den Erhöhungsbetrag gemäß § 587 RVO ab 23. November 1976 keine Neufeststellung der Dauerrente wegen Änderung der für den bindend gewordenen Bescheid vom 25. Juli 1974 maßgebend gewesenen Verhältnis im Sinne von § 48 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren, SGB 10 (§ 622 Abs. 1 RVO a.F.) im Streit, für die gegebenenfalls der Ausschließungsgrund des § 145 Nr. 4 SGG eingreifen würde (vgl. dazu Bundessozialgericht – BSG – SozR 1500 Nr. 5 zu § 145 SGG; SozR Nr. 18 zu § 145 SGG; HLSG vom 9. Juni 1982 – L-3/U – 786/81). Dabei kann dahinstehen, ob die Wirkung – negativer – Erstentscheidungen unter dem Gesichtspunkt des § 587 RVO nicht überhaupt längstens auf die Zeit der jeweils zu beurteilenden Arbeitseinkommenslosigkeit beschränkt ist oder in welchem Umfang ihnen darüber hinaus Dauerwirkung zukommt und inwieweit später getroffene Entscheidungen nach § 587 RVO dementsprechend Elemente einer Erst- oder aber einer Neufeststellung beinhalten, für die die frühere – negative – Entscheidung gemäß § 587 RVO als "Vergleichsgrundlage” heranziehbar wäre. Denn der Kläger verlangt hier die Vollrente für die Zeit ab 23. November 1976 nicht mit der Begründung, daß in den Verhältnissen, die für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen bei der ersten Feststellung im Bescheid vom 25. Juli 1974 maßgebend gewesen sind, im Sinne von § 48 SGB 10 (§ 622 Abs. 1 RVO a.F.) eine Änderung eingetreten sei und ihm deshalb nunmehr die Vollrente zustehe. Er macht vielmehr geltend, daß die Sach- und Rechtslage von Anfang an, d.h. seit 8. Mai 1974 durchgehend unzutreffend beurteilt worden sei, weil die Beklagte ausgehend u.a. von einer freiwilligen Lösung des Arbeitsverhältnisses bei der Firma H. AG einen Zusammenhang zwischen den BK-Folgen und dem Verlust des Arbeitsplatzes sowie der Umschulung unzutreffend verneint habe. Damit stützt der Kläger sein Begehren allenfalls auf einen Neufeststellungsanspruch im Sinne von § 44 SGB 10 (§ 627 RVO a.F.). Das ist im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Berufung entscheidend (vgl. BSGE 10, 282; BSG SozR 1500 Nr. 2 zu § 145 SGG; SozR Nr. 14 zu § 145 SGG).

In dem zulässigen Umfang ist die Berufung jedoch unbegründet. Der Kläger hat ab 23. November 1976 keinen Anspruch auf Erhöhung der ihm nach einer MdE von 30 v.H. gewährten Teilrente auf die Vollrente gemäß § 587 RVO. Dem steht zwar nicht der bindend gewordene Bescheid vom 25. Juli 1974 entgegen, so daß auch im Rahmen der Sachprüfung offen bleiben kann, wie weit die regelnde Wirkung einer negativen Entscheidung gemäß § 587 RVO reicht. Denn nach der am 1. Januar 1981 in Kraft getretenen und anstelle des § 627 RVO a.F. ggf. anzuwendenden Bestimmung des § 44 SGB 10 (vgl. Beschluss des Großen Senats des BSG vom 15. Dezember 1982 – GS 2/80; Urteil des BSG vom 23. Juni 1983 – 2 RU 2/82) ist auch ein bindender (§ 77 SGG) Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit (sh. hierzu § 44 Abs. 4 SGB 10) zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, daß bei seinem Erlaß das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Selbst die Tatsache der gerichtlichen Überprüfung der früheren Entscheidung schließt dies entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aus (vgl. BSG SozR 1500 Nr. 2 zu § 141 SGG; SozR 3900 Nrn. 2, 3 zu § 40 VerwVG). Die Ablehnung der Erhöhung der Teilrente auf die Vollrente im Bescheid vom 25. Juli 1974 war indes nicht rechtswidrig, so daß die Verweigerung des Erhöhungsbetrages bei im wesentlichen gleichbleibenden Verhältnissen ab 23. November 1976 ebenfalls nicht zu beanstanden ist.

Gemäß § 587 Abs. 1 RVO in der bis 31. Dezember 1981 geltenden Fassung ist die Teilrente auf die Vollrente zu erhöhen, solange der Verletzte infolge des Arbeitsunfalls bzw. einer als Arbeitsunfall geltenden BK ohne Arbeitseinkommen ist. Nach der für das Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung allgemein geltenden und auch für § 587 RVO maßgebenden Kausalitätsnorm braucht die BK danach zwar nicht die alleinige oder allein wesentliche Ursache der Arbeitseinkommenslosigkeit zu sein, sondern es genügt, wenn sie eine von mehreren wesentlichen Ursachen ist (BSG SozR 2200 Nr. 2 zu § 587 RVO; Brackmann, a.a.O., Band II, S. 578 i m.w.N.). Beim Kläger können die BK-Folgen aber auch in diesem Sinne nicht für den Eintritt der zu beurteilenden Arbeitseinkommenslosigkeit ab 23. November 1976 verantwortlich gemacht werden. Dabei ist es letztlich unerheblich, aus welchem Grunde und in welcher Weise (Kündigung oder Auflösungsvertrag) die Tätigkeit des Klägers bei der Firma H. AG seinerzeit ein Ende fand. Denn auch eine BK-bedingte Kündigung des Arbeitgebers zum 29. Februar 1972 könnte einen Zusammenhang zwischen einer BK und der Arbeitseinkommenslosigkeit in den Jahren 1974/1975 und ab November 1976 nicht begründen, wenn die sich unmittelbar an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anschließende Weiterbildungsmaßnahme zum Elektrotechniker aus hiervon unabhängigen Gründen durchgeführt wurde. Davon ist entgegen der Ansicht des Klägers aber auszugehen, so daß für die Beklagte auch kein Anlaß bestand, ihre durch Urteil des SG vom 3. Dezember 1976 bestätigte Ablehnung, diese Maßnahme im Rahmen der Berufshilfe zu fördern, zurückzunehmen (§ 44 SGB 10). Die Notwendigkeit dieser Maßnahme unter dem Gesichtspunkt der BK läßt sich nicht bereits daraus herleiten, daß der Kläger nach Feststellung der berufsbedingten toxischen Hepatose und Wiederaufnahme der früheren Arbeit zum 10. März 1969 am 13. September 1971 und möglicherweise schon zuvor am 26. Januar 1971 erneut schädigenden Einwirkungen ausgesetzt war und im Dezember 1971 in das Postbüro der Firma H. AG umgesetzt wurde, zumal für letzteres der Bescheinigung der Universitätsklinik F. vom 3. November 1971 zufolge eine chronisch-spastische Bronchitis maßgebend war, die weder als Arbeitsunfall- noch als BK-Folge anerkannt ist. Voraussetzung wäre vielmehr gewesen, daß der Kläger infolge der BK auf andere Weise als durch Umschulung entsprechend seiner Leistungsfähigkeit und unter Berücksichtigung seiner Eignung und Neigung und bisherigen Tätigkeit auf Dauer nicht beruflich hätte eingegliedert werden können (vgl. § 556 Abs. 1 Nr. 2 RVO). Der Eingliederungsvorschlag des Arbeitsamtes F. – Dienststelle H. – wurde demgemäß auch unter dem Vorbehalt abgegeben, daß eine Umsetzung als Physikfacharbeiter nicht möglich sein sollte. Eine solche Umsetzung war vom Kläger den Umständen nach wegen seiner frühzeitigen Festlegung auf die Umschulung erkennbar aber ernsthaft gar nicht erstrebt bzw. laut Feststellungen des Arbeitsamtes gar nicht gewünscht worden. Daß diese Möglichkeit objektiv bei der Firma H. AG oder bei einem anderen Arbeitgeber nicht bestand, ist jedenfalls nicht nur nach den Auskünften der Firma H. AG gegenüber der Beklagten vom 23. November 1971, 25. Februar 1972 und 30. Mai 1972 sowie gegenüber dem Arbeitsamt vom 25. Mai 1971, sondern auch nach den Aufzeichnungen und Äußerungen des Arbeitsamtes und des Klägers auszuschließen. So hat der Kläger selbst eingeräumt, daß ihm von der Firma H. AG nach der Umsetzung in das Postbüro ein Arbeitsplatz als Physikfacharbeiter angeboten wurde. Die Anmeldung des Klägers zur Umschulung wurde vom Arbeitsamt gegenüber der Beklagten letztendlich auch nur noch damit begründet, daß man den Kläger aus psychologischen Gründen aus dem Betrieb habe herausnehmen wollen. Das mag zwar ein allgemein anzuerkennender Gesichtspunkt sein; daraus folgt jedoch nicht, daß die Tätigkeit als Physikfacharbeiter für den Kläger BK-bedingt nicht mehr oder nur noch mit erheblichen Einschränkungen ausübbar war und die Umschulung deshalb geboten war. Dem entspricht es, daß der Kläger gemäß ärztlicher Feststellung auch nach erfolgreicher Umschulung u.a. weiter auf eine vollschichtige Tätigkeit als Physikfacharbeiter verweisbar ist. Es kann auch nicht angenommen werden, daß die nach einer BK-unabhängigen Umschulung eingetretene und in der Entstehung deshalb ebenfalls nicht wesentlich auf die BK zurückführbare Arbeitseinkommenslosigkeit des Klägers durch die BK-Folgen zumindest wesentlich mit aufrechterhalten wurde, weil eine Arbeitsaufnahme hierdurch wesentlich erschwert worden ist. Der Kläger ist nach ärztlicher Beurteilung – teilweise bedingt allerdings auch durch die chronisch-spastische Bronchitis – lediglich von Arbeiten unter Einwirkung von Stäuben, chemischen Gasen und Dämpfen und mit Kontakt zu technischen Lösungsmitteln und anderen Chemikalien, die eine leberschädigende Wirkung haben können, ausgeschlossen. Besondere Einschränkungen bei der Verrichtung der in Betracht kommenden Arbeiten aufgrund der Art der BK sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Eine wesentliche Beeinträchtigung der Vermittlungsmöglichkeiten durch die BK ist danach aber nicht zu erkennen. Das gilt vornehmlich für die Zeit nach Erlangung des Abschlusses als Elektrotechniker, da dieser den Kreis der Einsatzmöglichkeiten des Klägers noch erheblich erweiterte und seiner Einlassung nach ja gerade deshalb erstrebt worden war, um durch die BK-Folgen nicht benachteiligt zu werden. Wenn die Unterbringung des Klägers trotz der erkennbar intensiven Bemühungen des Arbeitsamtes und des Klägers selbst dennoch nicht gelang, so kann der maßgebliche Grund dafür nur in der allgemeinen Arbeitsmarktlage in Verbindung mit dem Alter des Klägers, dem Fehlen einer besonderen Qualifizierung und berufspraktischen Tätigkeit im neu erlernten Beruf sowie in dem zunehmenden Abstand zu jeglicher Erwerbstätigkeit überhaupt erblickt werden, die praktisch mit Beginn der ersten Maßnahme zum Elektrotechniker am 1. März 1972 endete. Im Vergleich hierzu und den außerdem noch vorhandenen BK-unabhängigen gesundheitlichen Einschränkungen in Form von Kreislaufdysregulationsstörungen, degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit Lumbalsyndrom und eines Zustandes nach Tuberkulose ist der BK für die andauernde Arbeitslosigkeit des Klägers jedenfalls nur eine völlig untergeordnete Bedeutung beizumessen.

Nach der Auskunft des Arbeitsamtes F. – Dienststelle H. – vom 26. Oktober 1982, wurden für die Nichteinstellung des Klägers von Seiten der Arbeitgeber – mit Ausnahme der Firma H. AG – regelmäßig auch fachliche Gründe angeführt. Aus den vom Kläger eingereichten Ablehnungsschreiben ergibt sich nichts anderes. Insbesondere werden auch darin in keinem Fall gesundheitliche Einschränkungen - speziell die Leberschädigung - als Hinderungsgrund einer Beschäftigung genannt. Das entspricht zwar einer häufig geübten Praxis; die Gesamtumstände im Falle des Klägers sprechen indes dafür, daß hier die BK auch in Wirklichkeit nicht wesentlich für das Desinteresse der Arbeitgeber an einer Einstellung des Klägers war.

Abgesehen hiervon besteht ein Leistungsanspruch nach § 587 Abs. 1 RVO nicht bereits dann, wenn der ursächliche Zusammenhang zwischen BK und dem Verlust des Arbeitseinkommens gegeben ist. Die Anwendung der Vorschrift ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung vielmehr auf Fälle beschränkt, in denen die Aussicht besteht, daß der Verletzte in absehbarer Zeit trotz seiner Unfallfolgen wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen wird, bzw. in denen der Verletzte nur für eine vorübergehende Zeit unfallbedingt einkommenslos ist, wobei für die Beurteilung des vorübergehenden Zeitraums nach Erhebung der Anfechtungs- und Leistungsklage auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist (vgl. HLSG vom 23. Mai 1979, L-3/U – 1426/78, und vom 25. Februar 1980 L-3/U – 728/79; Urteil des BSG vom 11. Februar 1981, 2 RU 57/79). Das Erfordernis eines absehbaren Zeitraumes folgt, wie der Kläger zu Recht einwendet, zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 587 RVO a.F.; diese Auslegung der Vorschrift ergibt sich indes aus ihrer geschichtlichen Entwicklung und dem rechtssystematischen Zusammenhang, in den sie gestellt ist (vgl. ausführlich BSG SozR Nr. 5 zu § 587 RVO; vgl. im übrigen BSG SozR 2200 Nrn. 2, 3, 4 zu § 587 RVO; Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 2 zu § 587 RVO m.w.N.). Angesichts der beim Kläger – selbst gerechnet vom Abschluß der zweiten Maßnahme an – nun schon länger als acht Jahre andauernden Arbeitseinkommenslosigkeit kann von einem absehbaren, vorübergehenden Zustand indes keine Rede mehr sein, zumal konkrete Anhaltspunkte für seine Beendigung fehlen. Daß der Arbeitseinkommenslosigkeit des Verletzten bei einem derart langen Zeitraum selbst bei der gebotenen Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse ein vorübergehender Charakter regelmäßig nicht mehr beigelegt werden kann, wird dabei auch durch die ab 1. Januar 1982 geltende Neufassung des § 587 RVO unterstrichen, die in Beseitigung früherer Rechtsunsicherheiten nunmehr eine klare Zeitbestimmung trifft. Danach ist die Erhöhung der Teilrente auf die Vollrente längstens auf zwei Jahre begrenzt, und zwar ab dem Beginn der Rente.

Die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Berufshilfemaßnahmen in der gegenwärtigen Situation des Klägers hat das SG ebenfalls mit zutreffender Begründung verneint. Zu Hilfen bei der Beschaffung eines Arbeitsplatzes (§ 567 Abs. 1 Nr. 1 RVO) hat die Beklagte sich bereit erklärt. Welche anderen Maßnahmen i.S.d. § 567 Abs. 1 RVO darüber hinaus vom Kläger erstrebt werden, ist nicht ersichtlich. Sie scheiden auch von vornherein aus, da der Kläger durch die BK in den erlernten und bereits ausgeübten Berufen nicht wesentlich behindert ist, wie schon ausgeführt wurde.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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