L 5 V 750/71

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 750/71
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Im Rahmen der Auslandsversorgung handelt der Beklagte nicht ermessensfehlerhaft, wenn er im Einklang mit den Richtlinien des BAM kroatische Versorgungsberechtigte von der Versorgung ausschließt, deren Einkünfte nicht als sehr geringfügig zu bezeichnen sind.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Main) vom 15. Juni 1971 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der 1923 geborene Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger kroatischer Volkszugehörigkeit. Er stellte am 3. März 1964 Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung wegen Verlustes des linken Beines. Er gab hinsichtlich der Familienverhältnisse an, er sei verheiratet und habe einen 1952 geborenen Sohn. Sein monatliches Einkommen belaufe sich auf 18.000,– Dinar. Die von ihm später vorgelegte Verdienstbescheinigung der Industrie für Baumaterial vom 13. Mai 1968 wies aus, daß er seit dem 15. Mai 1951 als Werkzeugmeister beschäftigt sei und im Verlauf des letzten Jahres ein Einkommen von brutto 738,55 oder netto 500,– neue Dinar bezogen habe.

Der am 10. Februar 1969 erteilte Bescheid stellte fest, die Voraussetzungen hinsichtlich des Personenkreises seien bei dem Kläger für eine Versorgung nicht gegeben. Er sei kroatischer Volksangehöriger und verfüge über nicht geringe Einkünfte als Werkzeugmeister.

Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, als Werkzeugmeister bestiele er nur die Handwerkszeuge für den Steinbruch. Sein Einkommen sei nur als geringfügig zu bezeichnen, da damit die Bedürfnisse einer 3-köpfigen Familie befriedigt werden müßten. Er sei auf die Unterstützung seiner Verwandten noch angewiesen.

Der Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 1969 führte aus, die beim Kläger festgestellten Schädigungsfolgen, die nach hier geltenden Maßstäben eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 v.H. hervorriefen, konnten dem Grunde nach einen Versorgungsanspruch nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) auslösen. Eine Versorgung könne aber nicht gewährt werden, weil der Kläger nicht zu dem berechtigten Personenkreis gehöre. Er habe weder die deutsche Staatsangehörigkeit besessen, noch sei er deutscher Volkszugehöriger. Ihm könne lediglich nach § 8 BVG ausnahmsweise im Einzelfall Teilversorgung gewährt werden. Die für diese Ermessensleistung aufgestellten Grundsätze orientierten sich an den wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers. Sie seien im Falle des Klägers nicht so ungünstig, daß sie eine Versorgung als Ausnahmeregelung rechtfertigen könnten.

In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt (Main) hat der Kläger unter Hinweis auf die Bestätigung der Gemeindeversammlung Ogulin vom 1. Februar 1971 und die Bestätigung der Baumaterialindustrie Tounj vom 1. Februar 1971 vorgetragen, sein Sohn besuche die Schule in Ogulin. Dafür müsse er 300,– neue Dinar monatlich ausgeben. Auf Gerichtsbeschluß vom 19. Januar 1971, der dem Kläger aufgegeben hat, sein erzieltes Einkommen mitzuteilen, über seinen Beruf Auskunft zu geben und nähere Angaben über den Schulbesuch und die dadurch verursachten Ausgaben zu machen, teilte er mit, daß er lediglich Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis habe. Als unqualifizierter Arbeiter habe er den Arbeitsplatz eines Wächters inne und habe vom 1. November 1968 brutto 548,90 netto 370,– neue Dinar, vom 1. Mai 1969 brutto 665,30, netto 450,– neue Dinar, vom 1. April 1970 brutto 793,10, netto 520,– neue Dinar verdient und erhalte ab 1. September 1970 bis heute einen Lohn von brutto 944,– und netto 600,– neue Dinar. Der Sohn besuche keine Schule mehr, da die Einkünfte dafür nicht ausreichten. Er werde demnächst zum aktiven Wehrdienst eingezogen. Er – der Kläger – habe keinen Beruf erlernt.

Unter Verwertung dieser klägerischen Angaben hat der Beklagte ausgeführt, das Einkommen des Klägers liege wesentlich über den Richtsätzen von 100,– und 120,– DM monatlich. Die angegebenen Schulausbildungskosten für den Sohn seien für die zurückliegende Zeit nicht nachgewiesen. Ein besonderes berufliches Betroffensein könne nicht bejaht werden, da der Kläger keinen Beruf erlernt habe. Er übe eine Hilfearbeitertätigkeit als Wächter aus, in welcher er durch die Schädigungsfolgen nicht mehr behindert sei als in ähnlichen Tätigkeit des allgemeinen Erwerbslebens.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 15. Juni 1971 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, ein Anspruch auf Versorgung nach den §§ 7, 64 Abs. 1 BVG stehe dem Kläger nicht zu, weil er weder Deutscher noch deutscher Volkszugehöriger sei. Auch nach § 8 BVG komme eine Versorgungsleistung im Rahmen der Ermessensausübung nicht in Betracht, da er als Beschädigter nicht über sehr geringfügige Einkünfte verfüge. Daß er für den Schulbesuch seines Sohnes 300,– neue Dinar monatlich habe aufbringen müssen, sei nicht nachgewiesen worden.

Gegen das an den Kläger mittels eingeschriebenen Briefes am 20. Juli 1971 abgesandte Urteil ist die Berufung am 26. Juli 1971 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen, zu deren Begründung er vorträgt, es sei ein Lebensstandardminimum zugrundegelegt worden, das auch der Sicht der Bundesrepublik Deutschland nicht akzeptiert werden könne.

Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Main) vom 15. Juni 1971 und den Bescheid vom 10. Februar 1969 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 1969 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, das Einkommen des Klägers liege wesentlich über dem maßgeblichen Richtsatz von 120,– DM was auch dann gelte, wenn für die Familienmitglieder entsprechende Beträge hinzugerechnet würden. Dabei seien die Verbraucher- und Kaufkraftsverhältnisse des Aufenthaltlandes mitberücksichtigt worden. Sie seien aber auch nicht allein maßgebend, sondern finanzpolitische Erwägungen und solche anderer Art. Die Richtsätze habe im übrigen der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung bestimmt.

Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 14. September 1972 weder erschienen noch vertreten war, hat der Senat auf Antrag des Beklagten beschlossen, nach Lage der Akten zu entscheiden.

Die Versorgungsakte mit der Grdl.Nr ... hat vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, über die gemäß §§ 110, 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach Lage der Akten entschieden werden konnte, ist zulässig, sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 148 Nr. 3, 150 Nr. 3, 151 Abs. 1 SGG). Sie ist jedoch unbegründet.

Der Bescheid vom 10. Februar 1969, der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 1969 Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG), ist zu Recht ergangen.

Zutreffend hat das Vordergericht angenommen, daß der Kläger keinen Anspruch auf Versorgung gemäß §§ 1, 7, 64 Abs. 1 BVG hat, sondern allein als Anspruchsgrundlage § 8 Satz 1 BVG in Frage kommt. Denn er gehört nicht zu dem in diesen Vorschriften angesprochenen Personenkreis, der allein einen Rechtsanspruch auf Versorgung hat. Er ist weder Deutscher noch deutscher Volkszugehöriger, wobei auch der Dienst in der Deutschen Wehrmacht im Rahmen einer kroatischen Einheit diese Anspruchsgrundlage nicht begründen kann.

Nach § 8 BVG steht dem Kläger auch keine Versorgung zu. Danach kann in anderen als den in § 7 BVG bezeichneten besonders begründeten Fällen mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Versorgung außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes nach Maßgabe der §§ 64 bis 64 f. BVG gewährt werden. Als Ermessensvorschrift kann die Anwendung dieser Bestimmung nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG nur daraufhin nachgeprüft werden, ob mit der getroffenen Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder in einer dem Zwecke der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Der Senat hat ebenso wie das Sozialgericht in der Ablehnung einer Versorgung Ermessensfehler nicht sehen können. Die Versorgungsbehörde hat vielmehr nach pflichtgemäßer Würdigung des Sachverhalts die Verwaltungsakte erteilt, wobei sie sich auf die Erlasse des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 30. Mai 1968 (Gesch.Z.: V/1-5193. 4 Jugosl. – 1416/68) und 8. September 1969 (Gesch.Z.: V/1-5193. 4 Jugosl. – 1615/69) berufen kann, mit denen dieser seine Zustimmung für die Gewährung von Versorgung an Kriegsopfer kroatischer Volkszugehörigkeit u.a von den dortigen Einkommensverhältnissen abhängig gemacht hat. Daß der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung zu einer solchen Regelung durch den Gesetzgeber berechtigt war, wird durch die Worte "in besonders begründeten Fällen” zum Ausdruck gebracht. Danach können nämlich für die Erweiterung des Personenkreises im Einzelfall Billigkeitserwägungen und hinsichtlich der Einbeziehung von Personengruppen finanzielle, sozialpolitische und außenpolitische Erwägungen maßgebend sein. Damit ist es den beteiligten Behörden überlassen, die Einbeziehung solcher Ausländer in die Versorgung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen der genannten Art abhängig zu machen. Dabei können allgemeine Gesichtspunkte finanzieller und politischer Art oder der Gegenseitigkeit dazu führen, daß bestimmte Gruppen vorläufig ausgeschlossen sind. Das trifft im vorliegenden Falle auf den Kläger zu, dessen Einkünfte nicht "als sehr geringfügig” anzusprechen sind. Denn sie betragen ausweislich der vorgelegten Verdienstbescheinigung der Industrie für Baumaterial Tounj vom 15. Mai 1968 im Jahre 1968 738,55 neue Dinar und machen ab 1. Mai 1969 665,30, ab 1. April 1970 793,70 und ab 1. September 1970 944,– neue Dinar aus. Damit liegt sein Einkommen wesentlich über den Richtsätzen von 120,– DM, was auch dann gilt, wenn man die aufzubringenden Kosten für den 1952 geborenen Sohn mit in Rechnung stellt. Auch der Senat hält es für unwahrscheinlich, daß dafür von dem Kläger monatlich 300,– neue Dinar aufgewendet worden sind, was fast dem vom 1. November 1968 bis 1. Mai 1969 behaupteten Nettoeinkommen von 370,– neue Dinar entsprochen hätte. Daß die hinsichtlich des Schulbesuches gemachten Angaben nicht den Tatsachen entsprechen, wird auch durch den Umstand erhellt, daß der Kläger nicht in der Lage war, der gerichtlichen Auflage bezüglich des Schulbesuches nachzukommen. Er konnte dazu weder Angaben machen, noch dafür amtliche Bescheinigungen vorlegen. Er teilte vielmehr mit, daß sein Sohn keine Schule mehr besuche, da die Einkünfte nicht ausreichten, und er demnächst zum aktiven Wehrdienst einberufen werde.

Bei dieser Sach- und Rechtslage vermag der Senat keinen Ermessensfehler festzustellen. Die Versorgungsbehörde hat mit den Verwaltungsakten vielmehr unter Beachtung der vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung aufgestellten Richtlinien "Ost” eine Versorgung zu Recht abgelehnt, weil die Einkünfte des Klägers nicht als sehr geringfügig zu betrachten sind.

Die Berufung war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved