Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 736/69
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Haben bei einem Sturz Schädigungsfolgen in rechtlich relevanter Weise mitgewirkt, so sind die Folgen des Sturzes mittelbare Schädigungsfolgen.
2. Schafft der Versorgungsberechtigte einen eigenen Gefahrenbereich, dem er erliegt, und ist dieser nach den gesamten Umständen die wesentliche Ursache eines Unfalles, so sind die Schädigungsfolgen keine Mitursache, wenn sie ohne Einfluß auf das Unfallgeschehen waren.
2. Schafft der Versorgungsberechtigte einen eigenen Gefahrenbereich, dem er erliegt, und ist dieser nach den gesamten Umständen die wesentliche Ursache eines Unfalles, so sind die Schädigungsfolgen keine Mitursache, wenn sie ohne Einfluß auf das Unfallgeschehen waren.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 23. September 1965 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1916 geborene Kläger, der vor der Schädigung und auch danach den Beruf des Kellners ausgeübt hatte, erhielt nach der Begutachtung durch Dr. S. mit Bescheid vom 29. Oktober 1954 wegen der Schädigungsfolgen "Starke Herabsetzung der Gebrauchsfähigkeit der linken Hand infolge Lähmung das Mittelnerven nach Granatsplitterverletzung am linken Unterarm” eine Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H., bei der das berufliche Betroffensein gemäß § 30 Bundesversorgungsgesetz (BVG) mit 10 v.H. Berücksichtigung gefunden hatte.
Er beantragte am 24. März 1961 die Neufeststellung der Schädigungsfolgen, da ein am 3. März 1961 erlittener Unfall auf die anerkannte Schädigungsfolge ursächlich zurückgehe. Er sei in der T-Bar in F. die Kellertreppe herabgestürzt, weil er die von der Küche abgehende Tür zum Lokal mit der zum Keller verwechselt habe. Er wäre nicht so unglücklich gestürzt, wenn sein kriegsbeschädigter linker Arm ihn in die Lage versetzt hätte, sich am Handlauf einen Halt zu verschaffen, er Unfall sei daher Folge seiner Kriegsbeschädigung gewesen.
Der dazu gehörte Facharzt für Orthopädie Dr. A. vertrat in dem Gutachten vom 12. Juni 1962 die Ansicht, durch den Unfall sei es zu einer Teilsteife des rechten Handgelenkes mit Einschränkung der Umwendbewegungen des rechten Vorderarmes und zu einer starken Osteoporose des Skelettbereiches der rechten Hand gekommen. Die Gesamt-MdE betrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 66 2/3 %. Es handele sich dabei um ein Nichtschädigungsleiden.
Mit Bescheid vom 16. August 1962 ist hiernach der Antrag abgelehnt worden, da die Unfallschädigung des rechten Armes unter Beteiligung des Handgelenks und Unterarmdrehgelenkes keinen unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit den anerkannten Schädigungsfolgen habe. Wenn der Kläger gegen 6 Uhr morgens trotz Vertrautheit mit den örtlichen Verhältnissen sich in der Tür geirrt habe und versehentlich die Kellertreppe heruntergefallen sei, so seien nicht die Schädigungsfolgen, sondern der Irrtum und evtl. andere Gründe Ursache des Unfalles. Die Armverletzung rechts wäre offensichtlich auch ohne Schädigungsfolgen unter Berücksichtigung des Unfallablaufes eingetreten.
Dazu machte der Kläger mit dem Widerspruch geltend, er sei mit den örtlichen Verhältnissen in dem Hause K-straße vertraut gewesen. Er habe lediglich den Haupteingang des Lokals gekannt, jedoch nicht den vom Inhaber der Gaststätte an dem fraglichen Morgen angewiesenen Weg über den Hof und die Küche. Es sei dunkel gewesen. Ursache des Unfalles sei gewesen, daß er sich beim Sturz nicht an dem auf der linken Seite befindlichen Treppengeländer habe festhalten können. Der Unfall wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht passiert, wenn er sich mit einer unbeschädigten linken Hand am Geländer einen Halt hätte schaffen können.
Mit Bescheid der Landesversicherungsanstalt Hessen vom 4. September 1962 erhielt der Kläger Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit, die mit Bescheid vom 21. Oktober 1971 in eine solche wegen Erwerbsunfähigkeit umgewandelt worden ist.
Der Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 1962 stellte fest, eine wesentliche Mitursache der anerkannten Schädigung an dem erfolgten Unfall könne nicht angenommen werden. Dieser wäre auch dann eingetreten, wenn die Schädigungsfolge nicht bestanden hätte.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt/M. hat der Kläger unter Hinweis auf die ärztliche Bescheinigung des Dr. Sch. vom 8. November 1962 vorgetragen, der Unfall hätte sich mit großer Wahrscheinlichkeit niemals ereignet, wenn er zwei gesunde und gebrauchsfähige Hände gehabt hatte. Bei dem Sturz habe er versucht, sich links festzuhalten. Das sei ihm wegen der Schädigungsfolge nicht gelungen. Diese Tatsache ergebe sich aus dem Bruch der rechten Hand.
Demgegenüber hat der Beklagte ausgeführt, es liege ein überwiegendes Verschulden des Klägers bei dem Unfall vor. Die anerkannten Schädigungsfolgen hätten keine wesentliche Mitursache gespielt, sondern dieser sei allein auf Umstände zurückzuführen die bei einem Nichtbeschädigten die gleichen Folgen hätten eintreten lassen können.
Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Frankfurt/M. am 23. September 1965 gehörte Kläger hat erklärt, er habe in der fraglichen Nacht von abends 8 Uhr bis 5 Uhr morgens Dienst als Oberkellner im C. de P. gemacht. Zwischen 4 Uhr und 5 Uhr habe er während der Aufräumungsarbeiten etwa 2 Flaschen Bier getrunken, dann sei er in die T-Bar gegangen und habe wegen der Kürze der Zeit noch 2 Glas Bier getrunken und ein halbes Hähnchen gegessen. Im Zeitpunkt des Unfalls sei es noch dunkel gewesen. Er habe nur instinktiv mit der linken Hand nach links gegriffen, weil er dort irgendeinen Halt und auch den Lichtschalter vermutet habe. Diesen habe er nicht gefunden und sei bei seinem Vorwärtstasten die Treppe hinuntergestürzt. Bei dem Versuch, sich an dem ertasteten Geländer festzuhalten, sei es zu den Verletzungen nicht nur der linken Hand, sondern auch des rechten Arms gekommen.
Mit Urteil vom 25. September 1965 hat das Sozialgericht die Bescheide vom 16. August und 16. Oktober 1962 aufgehoben und festgestellt, daß die "Teilsteife des rechten Handgelenks mit Einschränkung der Umwendbewegung des rechten Vorderarmes, starke Osteoporose des Skelettbereiches der rechten Hand” weitere Schädigunsfolge sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit für die gesamten Versorgungsleiden werde ab Antragsmonat auf 70 v.H. festgesetzt. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, nach den Ermittlungen und den glaubhaften Angaben des Klägers über das Unfallgeschehen stehe fest, daß es zu dem Unfall nicht gekommen wäre, wenn er durch die starke Herabsetzung der Gebrauchsfähigkeit der linken Hand infolge Lähmung der Mittelnerven in den Greif- und Haltebewegungen mit dieser Hand nicht erheblich beeinträchtigt gewesen wäre. Im vorliegendem Falle komme die überwiegende Bedeutung für den Unfall dem anerkannten Versorgungsleiden zu. Von untergeordneter Bedeutung sei dabei das Verhalten des Klägers selbst.
Gegen das dem Beklagten am 7. Oktober 1965 zugestellte Urteil ist die Berufung am 3. November 1965 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen, zu deren Begründung er ausführt, es sei völlig ausgeschlossen, daß der Kläger instinktiv das Gelände an der linken Kellerseite angefaßt habe, um sich so zu verhalten hätten ihm die Örtlichkeiten bekannt sein müssen. Die beschädigte linke Hand habe bei dem Unfall keine Rolle gespielt. Auch mit einer gesunden linken Hand hätte er sich bei dem plötzlichen Sturz nicht noch an dem nicht sichtbaren Geländer festhalten können. Die Verrenkung des linken Ring- und Mittelfingers sei kein Beweis dafür, daß er versucht habe, sich mit der linken Hand festzuhalten. Diese Verletzung könne genauso wie die Verletzung an der rechten Hand bei dem Sturz entstanden sein.
Demgegenüber hat der Kläger vorgetragen, er sei nicht sofort gefallen. Nach dem Öffnen der Tür, die nach außen aufgegangen sei, habe er mit der linken Hand zum Lichtschalter getastet. Bei diesem Tasten sei er an das links angebrachte Geländer gestoßen, was er mit der linken Hand habe erfassen wollen. Daß dies mißlungen sei, habe an der verletzten Hand gelegen.
Mit Urteil vom 13. Juli 1966 hat das Hessische Landessozialgericht auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 23. September 1965 aufgehoben und die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt nach der Überzeugung des Senats stehe nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest, daß die von dem Kläger bei dem Unfall vom 3. März 1961 erlittenen Verletzungen auf die bei ihm anerkannten Schädigungsfolgen und damit mittelbar auf schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG zurückzuführen seien. Es möge durchaus so gewesen sein, daß er kurz vor dem Unfall und nach dem Öffnen der Kellertür mit der linken Hand nach dem Treppengeländer habe fassen wollen und durch seine Kriegsverletzung dazu nicht mehr in der Lage gewesen sei, sich festzuhalten und sich vor dem Sturz und seinen Folgen zu bewahren. Mindestens mit dem gleichen Grade von Wahrscheinlichkeit sei jedoch auch ein Unfallablauf denkbar, bei dem die Kriegsbeschädigung nicht beteiligt gewesen wäre. Das folge aus der eigenen Unfallschilderung, bei der er zugegeben habe, daß er beim Vorwärtstasten in das Leere getreten sei. Bei einem derartig plötzlichen Sturz hätte auch ein Gesunder die gleichen Verletzungen erleiden können. Dabei sei auffällig, daß bei seiner polizeilichen Vernehmung im Unfallermittlungsverfahren der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten am 19. September 1961 von einer Behinderung durch die geschädigte Hand überhaupt nichts erwähnt worden sei. Bei diesem Sachverhalt könne weder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß der Kläger vor seinem Sturz überhaupt noch mit der linken Hand nach dem Treppengeländer gefaßt habe, um einen Halt zu finden noch – ein solches Zufassen unterstellt – daß er ohne seine Kriegsverletzung sich tatsächlich hätte festhalten und vor dem Sturz bewahren können.
Auf die Revision des Klägers hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 29. April 1969 das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. Juli 1969 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen. In den Gründen hat es ausgeführt, die Rüge der Verletzung des § 62 Sozialgerichtsgesetz (SGG) greife durch. Nach dieser Vorschrift sei den Beteiligten vor jeder Entscheidung rechtliches Gehör zu gewähren. Das sei nicht geschehen, da der Kläger in der Sitzung am 13. Juli 1966 keine Gelegenheit erhalten habe, sich zu den in den Akten der Berufsgenossenschaft befindlichen Protokollen über seine polizeiliche Vernehmung zu äußern. Dadurch sei der Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 23. September 1965 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und erklärt: Am 3. März 1961 sei er nach seinem Dienst als Oberkellner gegen 5.30 Uhr in der T-Bar eingekehrt, die er gegen 6.00 Uhr wieder verlassen habe. Nach kurzer Strecke habe er bemerkt, daß er die Aktentasche vergessen habe. Die Bar sei bereits geschlossen gewesen. Auf sein Schellen habe der Gastwirt K. den elektrischen Türöffner bedient und ihm zugerufen, er müsse über den Hof durch die Küche in den Barraum gehen. In der Küche in der es ebenso wie draußen völlig dunkel gewesen sei, habe er nach Tasten eine Türklinke auf der linken Seite der Tür gefunden, die er geöffnet habe. Er habe versucht, einen Lichtschalter zu ertasten, was nicht gelungen sei. Ein Geländer habe er mit der linken Hand getastet und sei in das Leere getreten, da er beim öffnen der Tür einen Raum zu ebener Erde und keine Treppe vermutet habe. Er habe vermutlich, was er nicht mehr mit Bestimmtheit sagen könne, erst den Tritt gemacht und im Fallen nach dem Geländer gegriffen. Es habe sich alles in Sekundenschnelle abgespielt. Beim Fallen sei er mit der Hand an das Geländer gekommen. Bei dem Sturz sei er auf die rechte Seite gefallen. Die Verletzung der linken Hand, eine Luxation von zwei Fingern, führe er auf den Halteversuch am Geländer zurück.
Die Versorgungsakte mit der Grdl.Nr. XXXXX, die Akte der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten XYXYXY, die Akte der Landesversicherungsanstalt Hessen ZZZZZZ, die Akte des Sozialgerichts Frankfurt/M. S-3/U-26/62 und die Gerichtsakten beider Instanzen haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakte beider Rechtszüge, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 148 Nr. 3, 150 Nr. 3, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –). Sie ist auch begründet.
Der Bescheid vom 16. August 1962, der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 1962 Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG), ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts zu Recht ergangen, wobei der Senat darüber zu entscheiden hatte, ob die "Teilsteife des rechten Handgelenkes mit Einschränkung der Umwendbewegungen des rechten Vorderarmes, die starke Osteoporose des Skelettbereichs der rechten Hand” als mittelbare Schädigungsfolge im Sinne des § 1 BVG anzuerkennen ist. Als mittelbare Folge einer Schädigung gelten Gesundheitsstörungen, die zwar unabhängig von dem schädigenden Vorgang und seinen Folgen entstehen, bei deren Zustandekommen die anerkannten Schädigungsfolgen aber wesentlich mitgewirkt haben. Darunter fallen auch die Fälle, bei denen die Versorgungsleiden die Ursache für eine weitere gesundheitliche Schädigung bilden die ohne sie wahrscheinlich nicht eingetreten wäre. Das behauptet der Kläger, indem er vorträgt, daß er wegen der starken Herabsetzung der Gebrauchsfähigkeit der linken Hand infolge Lähmung des Mittelnerven nach Granatsplitterverletzung am linken Unterarm” als Schädigungsfolge nicht die Möglichkeit gehabt habe, sich bei dem Sturz auf der Kellertreppe in der T-Bar am 3. März 1961 einen Halt zu verschaffen. Es fragt sich deshalb ob die anerkannten Gesundheitsstörungen ursächlich für den Unfall waren oder ob das Verhalten des Klägers oder andere Umstände dafür ursächlich gewesen sind. Sein Verhalten ist dabei nicht nach Grad und Art irgendeines Verschuldens, sondern danach zu beurteilen, ob und inwieweit es für den Erfolg wesentlich gewesen ist.
Nach dem Ergebnis der persönlichen Befragung des Klägers und seinen Bekundungen bei der polizeilichen Vernehmung und im Fragebogen der Vereinigten Innungskrankenkasse (Bl. 15 BG Akten) ist der Senat der Ansicht, daß die dunkle und vom Kläger nicht vermutete Kellertreppe die überragende Bedingung des Unfalls gewesen ist. Die Handbehinderung links kann dagegen nicht als eine gleichwertige Bedingung angesehen werden, weil sie an dem Zustandekommen des Unfalls nicht wesentlich mitgewirkt hat. Durch sein eigenes Verhalten hat der Kläger vielmehr eine besondere Gefahrenquelle geschaffen, die ursächlich für den Treppensturz und damit für die Verletzung gewesen ist. Diese Feststellung ist aufgrund der Unfallschilderungen des Klägers vom 7. März 1961, vom 19. September 1961, 23. September 1965 und 2. August 1972 zu treffen, die übereinstimmend erkennen lassen, daß er wegen der herrschenden Dunkelheit die Lokaltür mit der Kellertür verwechselt hat und deshalb die Kellertreppe hinuntergestürzt ist. Um eine vergessene Aktentasche zu holen, betrat er nämlich nochmals das Anwesen der T-Bar und konnte wegen der herrschenden Dunkelheit die von der Küche abgehende Gaststättentür nicht ausfindig machen, wobei er beim Öffnen der nach rechts aufgehenden Tür der Annahme war, es handele sich um diejenige des Gastraumes, und er werde in diesen eintreten. Dabei vermutete er natürlich nicht, daß sich unmittelbar hinter der Tür eine Treppe befand, die er wegen der Dunkelheit ebensowenig wahrnehmen konnte wie den Treppenhandlauf, so daß er in das Leere trat und die Kellertreppe herunterstürzte. Bei einem derartigen, plötzlichen Sturz widerspricht es jeder Lebenserfahrung, worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat, das man bei Berücksichtigung der Schrecksekunde an einem Handlauf einen Halt finden kann. Diesen hatte der Kläger zwar ertastet er wisse aber nicht mehr genau, ob er zuerst den Handlauf ertastet und dann in das Leere getreten ist oder aber erst den Tritt gemacht und schon im Fallen den Handlauf noch gefühlt hatte. Es kann im übrigen dahingestellt bleiben, ob er den Handlauf mit der linken Hand vor dem Sturz oder während desselben ertastet hat, da sich auch ein Gesunder mit einer unverletzten Hand bei einem plötzlichen Fall, der sich in Bruchteilen von Sekunden abspielt und nach eigenen Gesetzen verläuft, keinen Halt mehr hätte verschaffen können. Was anderes wäre nur dann anzunehmen, wenn der Kläger einen festen Halt bereits gefunden gehabt hätte und diesen dann wegen der verletzten Hand hätte aufgeben müssen. Ein solcher Geschehensablauf ist nach den gesamten Umständen nicht wahrscheinlich und auch nicht zu beweisen. Hiergegen sprechen einmal die klaren und unbefangenen Angaben des Klägers in den Akten der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten sowie der Vereinigten Innungskrankenkasse sowie bei der eingehenden Befragung in der mündlichen Verhandlung vom 2. August 1972.
Bei Abwägung aller Umstände ist der Senat deshalb zu dem Ergebnis gelangt, daß die anerkannten Schädigungsfolgen nicht an dem Zustandekommen des Unfalls mitgewirkt haben. Der Kläger ist vielmehr den Gefahren erlegen, die er selbst durch sein Fortbewegen und Tasten in einem ihm völlig unbekannten Raum geschaffen hat. Dieser selbständig geschaffene Gefahrenbereich stellt die alleinige und wesentliche Ursache des Unfalls dar. Den Schädigungsfolgen kommt nicht die Bedeutung einer Mitursache zu, weil sie für das Unfallgeschehen rechtlich ohne relevante Bedeutung waren. Sie können damit weder als wesentliche Ursache noch als Mitursache angesehen werden. Dagegen sprechen auch nicht die Folgen des Unfalls, da die Verrenkung des linken Ring- und Mittelfingers kein Beweis dafür ist, daß der Kläger wegen der Schädigungsfolge der linken Hand keinen Halt am Handlauf finden konnte. Diese Verletzung kann ebenso wie die Verletzung an der rechten Hand bei dem Sturz die Treppe hinunter entstanden sein. Es bedurfte damit auch nicht der angeregten Ortsbesichtigung oder der Anfertigung einer Skizze da die Örtlichkeiten aufgrund der Schilderung des Klägers bekannt sind und nicht in Zweifel gezogen werden.
Der Berufung war daher stattzugeben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1916 geborene Kläger, der vor der Schädigung und auch danach den Beruf des Kellners ausgeübt hatte, erhielt nach der Begutachtung durch Dr. S. mit Bescheid vom 29. Oktober 1954 wegen der Schädigungsfolgen "Starke Herabsetzung der Gebrauchsfähigkeit der linken Hand infolge Lähmung das Mittelnerven nach Granatsplitterverletzung am linken Unterarm” eine Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H., bei der das berufliche Betroffensein gemäß § 30 Bundesversorgungsgesetz (BVG) mit 10 v.H. Berücksichtigung gefunden hatte.
Er beantragte am 24. März 1961 die Neufeststellung der Schädigungsfolgen, da ein am 3. März 1961 erlittener Unfall auf die anerkannte Schädigungsfolge ursächlich zurückgehe. Er sei in der T-Bar in F. die Kellertreppe herabgestürzt, weil er die von der Küche abgehende Tür zum Lokal mit der zum Keller verwechselt habe. Er wäre nicht so unglücklich gestürzt, wenn sein kriegsbeschädigter linker Arm ihn in die Lage versetzt hätte, sich am Handlauf einen Halt zu verschaffen, er Unfall sei daher Folge seiner Kriegsbeschädigung gewesen.
Der dazu gehörte Facharzt für Orthopädie Dr. A. vertrat in dem Gutachten vom 12. Juni 1962 die Ansicht, durch den Unfall sei es zu einer Teilsteife des rechten Handgelenkes mit Einschränkung der Umwendbewegungen des rechten Vorderarmes und zu einer starken Osteoporose des Skelettbereiches der rechten Hand gekommen. Die Gesamt-MdE betrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 66 2/3 %. Es handele sich dabei um ein Nichtschädigungsleiden.
Mit Bescheid vom 16. August 1962 ist hiernach der Antrag abgelehnt worden, da die Unfallschädigung des rechten Armes unter Beteiligung des Handgelenks und Unterarmdrehgelenkes keinen unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit den anerkannten Schädigungsfolgen habe. Wenn der Kläger gegen 6 Uhr morgens trotz Vertrautheit mit den örtlichen Verhältnissen sich in der Tür geirrt habe und versehentlich die Kellertreppe heruntergefallen sei, so seien nicht die Schädigungsfolgen, sondern der Irrtum und evtl. andere Gründe Ursache des Unfalles. Die Armverletzung rechts wäre offensichtlich auch ohne Schädigungsfolgen unter Berücksichtigung des Unfallablaufes eingetreten.
Dazu machte der Kläger mit dem Widerspruch geltend, er sei mit den örtlichen Verhältnissen in dem Hause K-straße vertraut gewesen. Er habe lediglich den Haupteingang des Lokals gekannt, jedoch nicht den vom Inhaber der Gaststätte an dem fraglichen Morgen angewiesenen Weg über den Hof und die Küche. Es sei dunkel gewesen. Ursache des Unfalles sei gewesen, daß er sich beim Sturz nicht an dem auf der linken Seite befindlichen Treppengeländer habe festhalten können. Der Unfall wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht passiert, wenn er sich mit einer unbeschädigten linken Hand am Geländer einen Halt hätte schaffen können.
Mit Bescheid der Landesversicherungsanstalt Hessen vom 4. September 1962 erhielt der Kläger Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit, die mit Bescheid vom 21. Oktober 1971 in eine solche wegen Erwerbsunfähigkeit umgewandelt worden ist.
Der Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 1962 stellte fest, eine wesentliche Mitursache der anerkannten Schädigung an dem erfolgten Unfall könne nicht angenommen werden. Dieser wäre auch dann eingetreten, wenn die Schädigungsfolge nicht bestanden hätte.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt/M. hat der Kläger unter Hinweis auf die ärztliche Bescheinigung des Dr. Sch. vom 8. November 1962 vorgetragen, der Unfall hätte sich mit großer Wahrscheinlichkeit niemals ereignet, wenn er zwei gesunde und gebrauchsfähige Hände gehabt hatte. Bei dem Sturz habe er versucht, sich links festzuhalten. Das sei ihm wegen der Schädigungsfolge nicht gelungen. Diese Tatsache ergebe sich aus dem Bruch der rechten Hand.
Demgegenüber hat der Beklagte ausgeführt, es liege ein überwiegendes Verschulden des Klägers bei dem Unfall vor. Die anerkannten Schädigungsfolgen hätten keine wesentliche Mitursache gespielt, sondern dieser sei allein auf Umstände zurückzuführen die bei einem Nichtbeschädigten die gleichen Folgen hätten eintreten lassen können.
Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Frankfurt/M. am 23. September 1965 gehörte Kläger hat erklärt, er habe in der fraglichen Nacht von abends 8 Uhr bis 5 Uhr morgens Dienst als Oberkellner im C. de P. gemacht. Zwischen 4 Uhr und 5 Uhr habe er während der Aufräumungsarbeiten etwa 2 Flaschen Bier getrunken, dann sei er in die T-Bar gegangen und habe wegen der Kürze der Zeit noch 2 Glas Bier getrunken und ein halbes Hähnchen gegessen. Im Zeitpunkt des Unfalls sei es noch dunkel gewesen. Er habe nur instinktiv mit der linken Hand nach links gegriffen, weil er dort irgendeinen Halt und auch den Lichtschalter vermutet habe. Diesen habe er nicht gefunden und sei bei seinem Vorwärtstasten die Treppe hinuntergestürzt. Bei dem Versuch, sich an dem ertasteten Geländer festzuhalten, sei es zu den Verletzungen nicht nur der linken Hand, sondern auch des rechten Arms gekommen.
Mit Urteil vom 25. September 1965 hat das Sozialgericht die Bescheide vom 16. August und 16. Oktober 1962 aufgehoben und festgestellt, daß die "Teilsteife des rechten Handgelenks mit Einschränkung der Umwendbewegung des rechten Vorderarmes, starke Osteoporose des Skelettbereiches der rechten Hand” weitere Schädigunsfolge sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit für die gesamten Versorgungsleiden werde ab Antragsmonat auf 70 v.H. festgesetzt. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, nach den Ermittlungen und den glaubhaften Angaben des Klägers über das Unfallgeschehen stehe fest, daß es zu dem Unfall nicht gekommen wäre, wenn er durch die starke Herabsetzung der Gebrauchsfähigkeit der linken Hand infolge Lähmung der Mittelnerven in den Greif- und Haltebewegungen mit dieser Hand nicht erheblich beeinträchtigt gewesen wäre. Im vorliegendem Falle komme die überwiegende Bedeutung für den Unfall dem anerkannten Versorgungsleiden zu. Von untergeordneter Bedeutung sei dabei das Verhalten des Klägers selbst.
Gegen das dem Beklagten am 7. Oktober 1965 zugestellte Urteil ist die Berufung am 3. November 1965 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen, zu deren Begründung er ausführt, es sei völlig ausgeschlossen, daß der Kläger instinktiv das Gelände an der linken Kellerseite angefaßt habe, um sich so zu verhalten hätten ihm die Örtlichkeiten bekannt sein müssen. Die beschädigte linke Hand habe bei dem Unfall keine Rolle gespielt. Auch mit einer gesunden linken Hand hätte er sich bei dem plötzlichen Sturz nicht noch an dem nicht sichtbaren Geländer festhalten können. Die Verrenkung des linken Ring- und Mittelfingers sei kein Beweis dafür, daß er versucht habe, sich mit der linken Hand festzuhalten. Diese Verletzung könne genauso wie die Verletzung an der rechten Hand bei dem Sturz entstanden sein.
Demgegenüber hat der Kläger vorgetragen, er sei nicht sofort gefallen. Nach dem Öffnen der Tür, die nach außen aufgegangen sei, habe er mit der linken Hand zum Lichtschalter getastet. Bei diesem Tasten sei er an das links angebrachte Geländer gestoßen, was er mit der linken Hand habe erfassen wollen. Daß dies mißlungen sei, habe an der verletzten Hand gelegen.
Mit Urteil vom 13. Juli 1966 hat das Hessische Landessozialgericht auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 23. September 1965 aufgehoben und die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt nach der Überzeugung des Senats stehe nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest, daß die von dem Kläger bei dem Unfall vom 3. März 1961 erlittenen Verletzungen auf die bei ihm anerkannten Schädigungsfolgen und damit mittelbar auf schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG zurückzuführen seien. Es möge durchaus so gewesen sein, daß er kurz vor dem Unfall und nach dem Öffnen der Kellertür mit der linken Hand nach dem Treppengeländer habe fassen wollen und durch seine Kriegsverletzung dazu nicht mehr in der Lage gewesen sei, sich festzuhalten und sich vor dem Sturz und seinen Folgen zu bewahren. Mindestens mit dem gleichen Grade von Wahrscheinlichkeit sei jedoch auch ein Unfallablauf denkbar, bei dem die Kriegsbeschädigung nicht beteiligt gewesen wäre. Das folge aus der eigenen Unfallschilderung, bei der er zugegeben habe, daß er beim Vorwärtstasten in das Leere getreten sei. Bei einem derartig plötzlichen Sturz hätte auch ein Gesunder die gleichen Verletzungen erleiden können. Dabei sei auffällig, daß bei seiner polizeilichen Vernehmung im Unfallermittlungsverfahren der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten am 19. September 1961 von einer Behinderung durch die geschädigte Hand überhaupt nichts erwähnt worden sei. Bei diesem Sachverhalt könne weder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß der Kläger vor seinem Sturz überhaupt noch mit der linken Hand nach dem Treppengeländer gefaßt habe, um einen Halt zu finden noch – ein solches Zufassen unterstellt – daß er ohne seine Kriegsverletzung sich tatsächlich hätte festhalten und vor dem Sturz bewahren können.
Auf die Revision des Klägers hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 29. April 1969 das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. Juli 1969 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen. In den Gründen hat es ausgeführt, die Rüge der Verletzung des § 62 Sozialgerichtsgesetz (SGG) greife durch. Nach dieser Vorschrift sei den Beteiligten vor jeder Entscheidung rechtliches Gehör zu gewähren. Das sei nicht geschehen, da der Kläger in der Sitzung am 13. Juli 1966 keine Gelegenheit erhalten habe, sich zu den in den Akten der Berufsgenossenschaft befindlichen Protokollen über seine polizeiliche Vernehmung zu äußern. Dadurch sei der Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 23. September 1965 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und erklärt: Am 3. März 1961 sei er nach seinem Dienst als Oberkellner gegen 5.30 Uhr in der T-Bar eingekehrt, die er gegen 6.00 Uhr wieder verlassen habe. Nach kurzer Strecke habe er bemerkt, daß er die Aktentasche vergessen habe. Die Bar sei bereits geschlossen gewesen. Auf sein Schellen habe der Gastwirt K. den elektrischen Türöffner bedient und ihm zugerufen, er müsse über den Hof durch die Küche in den Barraum gehen. In der Küche in der es ebenso wie draußen völlig dunkel gewesen sei, habe er nach Tasten eine Türklinke auf der linken Seite der Tür gefunden, die er geöffnet habe. Er habe versucht, einen Lichtschalter zu ertasten, was nicht gelungen sei. Ein Geländer habe er mit der linken Hand getastet und sei in das Leere getreten, da er beim öffnen der Tür einen Raum zu ebener Erde und keine Treppe vermutet habe. Er habe vermutlich, was er nicht mehr mit Bestimmtheit sagen könne, erst den Tritt gemacht und im Fallen nach dem Geländer gegriffen. Es habe sich alles in Sekundenschnelle abgespielt. Beim Fallen sei er mit der Hand an das Geländer gekommen. Bei dem Sturz sei er auf die rechte Seite gefallen. Die Verletzung der linken Hand, eine Luxation von zwei Fingern, führe er auf den Halteversuch am Geländer zurück.
Die Versorgungsakte mit der Grdl.Nr. XXXXX, die Akte der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten XYXYXY, die Akte der Landesversicherungsanstalt Hessen ZZZZZZ, die Akte des Sozialgerichts Frankfurt/M. S-3/U-26/62 und die Gerichtsakten beider Instanzen haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakte beider Rechtszüge, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 148 Nr. 3, 150 Nr. 3, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –). Sie ist auch begründet.
Der Bescheid vom 16. August 1962, der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 1962 Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG), ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts zu Recht ergangen, wobei der Senat darüber zu entscheiden hatte, ob die "Teilsteife des rechten Handgelenkes mit Einschränkung der Umwendbewegungen des rechten Vorderarmes, die starke Osteoporose des Skelettbereichs der rechten Hand” als mittelbare Schädigungsfolge im Sinne des § 1 BVG anzuerkennen ist. Als mittelbare Folge einer Schädigung gelten Gesundheitsstörungen, die zwar unabhängig von dem schädigenden Vorgang und seinen Folgen entstehen, bei deren Zustandekommen die anerkannten Schädigungsfolgen aber wesentlich mitgewirkt haben. Darunter fallen auch die Fälle, bei denen die Versorgungsleiden die Ursache für eine weitere gesundheitliche Schädigung bilden die ohne sie wahrscheinlich nicht eingetreten wäre. Das behauptet der Kläger, indem er vorträgt, daß er wegen der starken Herabsetzung der Gebrauchsfähigkeit der linken Hand infolge Lähmung des Mittelnerven nach Granatsplitterverletzung am linken Unterarm” als Schädigungsfolge nicht die Möglichkeit gehabt habe, sich bei dem Sturz auf der Kellertreppe in der T-Bar am 3. März 1961 einen Halt zu verschaffen. Es fragt sich deshalb ob die anerkannten Gesundheitsstörungen ursächlich für den Unfall waren oder ob das Verhalten des Klägers oder andere Umstände dafür ursächlich gewesen sind. Sein Verhalten ist dabei nicht nach Grad und Art irgendeines Verschuldens, sondern danach zu beurteilen, ob und inwieweit es für den Erfolg wesentlich gewesen ist.
Nach dem Ergebnis der persönlichen Befragung des Klägers und seinen Bekundungen bei der polizeilichen Vernehmung und im Fragebogen der Vereinigten Innungskrankenkasse (Bl. 15 BG Akten) ist der Senat der Ansicht, daß die dunkle und vom Kläger nicht vermutete Kellertreppe die überragende Bedingung des Unfalls gewesen ist. Die Handbehinderung links kann dagegen nicht als eine gleichwertige Bedingung angesehen werden, weil sie an dem Zustandekommen des Unfalls nicht wesentlich mitgewirkt hat. Durch sein eigenes Verhalten hat der Kläger vielmehr eine besondere Gefahrenquelle geschaffen, die ursächlich für den Treppensturz und damit für die Verletzung gewesen ist. Diese Feststellung ist aufgrund der Unfallschilderungen des Klägers vom 7. März 1961, vom 19. September 1961, 23. September 1965 und 2. August 1972 zu treffen, die übereinstimmend erkennen lassen, daß er wegen der herrschenden Dunkelheit die Lokaltür mit der Kellertür verwechselt hat und deshalb die Kellertreppe hinuntergestürzt ist. Um eine vergessene Aktentasche zu holen, betrat er nämlich nochmals das Anwesen der T-Bar und konnte wegen der herrschenden Dunkelheit die von der Küche abgehende Gaststättentür nicht ausfindig machen, wobei er beim Öffnen der nach rechts aufgehenden Tür der Annahme war, es handele sich um diejenige des Gastraumes, und er werde in diesen eintreten. Dabei vermutete er natürlich nicht, daß sich unmittelbar hinter der Tür eine Treppe befand, die er wegen der Dunkelheit ebensowenig wahrnehmen konnte wie den Treppenhandlauf, so daß er in das Leere trat und die Kellertreppe herunterstürzte. Bei einem derartigen, plötzlichen Sturz widerspricht es jeder Lebenserfahrung, worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat, das man bei Berücksichtigung der Schrecksekunde an einem Handlauf einen Halt finden kann. Diesen hatte der Kläger zwar ertastet er wisse aber nicht mehr genau, ob er zuerst den Handlauf ertastet und dann in das Leere getreten ist oder aber erst den Tritt gemacht und schon im Fallen den Handlauf noch gefühlt hatte. Es kann im übrigen dahingestellt bleiben, ob er den Handlauf mit der linken Hand vor dem Sturz oder während desselben ertastet hat, da sich auch ein Gesunder mit einer unverletzten Hand bei einem plötzlichen Fall, der sich in Bruchteilen von Sekunden abspielt und nach eigenen Gesetzen verläuft, keinen Halt mehr hätte verschaffen können. Was anderes wäre nur dann anzunehmen, wenn der Kläger einen festen Halt bereits gefunden gehabt hätte und diesen dann wegen der verletzten Hand hätte aufgeben müssen. Ein solcher Geschehensablauf ist nach den gesamten Umständen nicht wahrscheinlich und auch nicht zu beweisen. Hiergegen sprechen einmal die klaren und unbefangenen Angaben des Klägers in den Akten der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten sowie der Vereinigten Innungskrankenkasse sowie bei der eingehenden Befragung in der mündlichen Verhandlung vom 2. August 1972.
Bei Abwägung aller Umstände ist der Senat deshalb zu dem Ergebnis gelangt, daß die anerkannten Schädigungsfolgen nicht an dem Zustandekommen des Unfalls mitgewirkt haben. Der Kläger ist vielmehr den Gefahren erlegen, die er selbst durch sein Fortbewegen und Tasten in einem ihm völlig unbekannten Raum geschaffen hat. Dieser selbständig geschaffene Gefahrenbereich stellt die alleinige und wesentliche Ursache des Unfalls dar. Den Schädigungsfolgen kommt nicht die Bedeutung einer Mitursache zu, weil sie für das Unfallgeschehen rechtlich ohne relevante Bedeutung waren. Sie können damit weder als wesentliche Ursache noch als Mitursache angesehen werden. Dagegen sprechen auch nicht die Folgen des Unfalls, da die Verrenkung des linken Ring- und Mittelfingers kein Beweis dafür ist, daß der Kläger wegen der Schädigungsfolge der linken Hand keinen Halt am Handlauf finden konnte. Diese Verletzung kann ebenso wie die Verletzung an der rechten Hand bei dem Sturz die Treppe hinunter entstanden sein. Es bedurfte damit auch nicht der angeregten Ortsbesichtigung oder der Anfertigung einer Skizze da die Örtlichkeiten aufgrund der Schilderung des Klägers bekannt sind und nicht in Zweifel gezogen werden.
Der Berufung war daher stattzugeben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved