Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 1397/93
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1101/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 20. September 1994 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger streitet um die Entschädigung eines Verkehrsunfalles vom 26. Juni 1991 als Wegeunfall.
Der in H. wohnhafte Kläger arbeitete bei der Firma Tiefbauspezialfacharbeiter auf einer Mülldeponie in A ... Ausweislich der Unfallanzeige der Firma vom 20. September 1991 erlitt er am Mittwoch, dem 26. Juni 1991, gegen 19.00 Uhr einen Verkehrsunfall auf dem Weg vom Heimatort zur Baustelle auf der B 27 in der Gemarkung Wehretal in Fahrtrichtung Sontra. Er hatte in einer Rechtskurve einen Autotransporter mit Anhänger überholt und wollte einen weiteren davor fahrenden Lkw überholen, als er mit einem entgegenkommenden Tanklastzug kollidierte. Der Durchgangsarzt Dr. Kreiskrankenhaus E., stellte im Bericht vom 18. September 1992 als Folge des Unfalles beim Kläger einen Trümmerbruch des linken Fußes fest.
Der Kläger sprach am 16. November 1992 bei der Beklagten vor und gab zum Hergang des Unfalles sowie zur Vorgeschichte an, er sei wegen einer Vergiftung, die er sich auf der Baustelle in Aßlar zugezogen habe, vom 20. bis 28. Juni 1991 krankgeschrieben gewesen. Der Vorarbeiter habe sich am 24. oder 25. Juni bei ihm zu Hause telefonisch nach seinem Gesundheitszustand erkundigt und habe wissen wollen, ob er nicht vorzeitig die Arbeit wieder aufnehmen könne. Er habe am 27. Juni die Arbeit wieder aufnehmen und am Vorabend anreisen wollen. Seine Frau, sein Sohn und seine Tochter hätten sich im Fahrzeug befunden, da sie sich voraussichtlich bis Freitag auf der Baustelle hätten aufhalten und dann mit ihm zurückfahren wollen. Sie hätten in seinem Wohnwagen übernachten können. Da er am Unfalltag im Radio gehört habe, daß sich auf der Autobahn Kassel/Frankfurt am Main vor dem Hattenbacherdreieck infolge mehrerer Unfälle ein Stau gebildet habe sei er über die B 27 gefahren. Die Beklagte zog die Akte des gegen den Kläger betriebenen Strafverfahrens von der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Kassel bei (Az.: 220 Js 2927.5/91), wonach der Kläger vom Amtsgericht – Schöffengericht – in Eschwege am 9. Juli 1992 wegen Straßenverkehrsgefährdung zu einer Freiheitsstrafe von 25 Tagessätzen gemäß § 315 c Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) verurteilt und diese Entscheidung durch Berufungsurteil des Landgerichts Kassel vom 8. September 1992 bestätigt worden war. Laut Auskunft der Polizeiautobahnstation Kassel vom 3. und 28. Dezember 1992 war dort eine Verkehrsbehinderung auf der Autobahn Kassel/Bad Hersfeld am Unfalltag gegen 17.00 bzw. 18.00 Uhr zwischen den Anschlußstellen Lutterberg und Homberg/Efze nicht bekannt. Die Arbeitgeberfirma bestätigte am 21. Januar 1993, der Kläger sei vom 20. bis 28. Juni 1991 ärztlich arbeitsunfähig geschrieben worden. Die übrigen Angaben des Klägers wurden angezweifelt und es wurde angemerkt, er sei nicht aus dem Krankenstand zurückbeordert worden. Mit Bescheid vom 7. Mai 1993 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlaß des Unfalles vom 26. Juni 1991 ab, da der Arbeitgeber nicht habe bestätigen können, daß er den Kläger aus dem Krankenstand vorzeitig zurückbeordert habe. Zudem habe der Kläger nicht den direkten Weg über die Autobahn zur Arbeitsstelle befahren sondern einen nicht versicherten Umweg, zumal eine Verkehrsbehinderung auf der Autobahn von der Autobahnpolizeistation Kassel nicht habe bestätigt werden können.
Der Kläger machte mit Widerspruch vom 9. Juni 1993 geltend, es habe sich nicht um einen unversicherten Umweg gehandelt, woraufhin die Beklagte seinen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. September 1993 zurückwies, da Zweifel am Vorliegen eines versicherten Wegeunfalles fortbestünden. Der Kläger habe sich nicht auf dem direkten Weg von der Wohnung zur Baustelle befunden, seine gesamte Familie sei im Auto mitgefahren, er habe bei der erstmaligen ärztlichen Behandlung keinen Wegeunfall geltend gemacht und habe diesen erst sehr verspätet dem Arbeitgeber gemeldet. Zudem habe er sich zum Unfallzeitpunkt im Krankenstand befunden. Weder für eine frühzeitige Arbeitsaufnahme noch für ein Abweichen vom üblichen Arbeitsweg hätten sich triftige Gründe nachweisen lassen.
Auf die am 22. Oktober 1993 vor dem Sozialgericht Kassel (SG) erhobene Klage hin wurden der Vorarbeiter des Klägers sowie seine Ehefrau Marianne als Zeugen gehört, wegen deren Aussagen auf das Protokoll des Kammertermins vom 20. September 1994 Bezug genommen wird. Mit Urteil vom 20. September 1994 hat das SG die Klage abgewiesen und ist zugunsten des Klägers davon ausgegangen, daß er sich auf dem Weg zur Arbeitsstelle befunden habe, als es zum Unfall gekommen sei. Dennoch habe es sich um einen nicht gesetzlich unfallversicherten Umweg gehandelt, der bedeutend länger gewesen sei, als der direkte Weg von Hofgeismar über die Autobahn oder die Bundesstraße 3 nach Aßlar. Dieser Umweg sei auch nicht verkehrsgünstiger gewesen.
Gegen das ihm am 20. Oktober 1994 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. November 1994 Berufung eingelegt und hat vorgetragen, er habe sich mit seiner Frau und den beiden Kindern zum Arbeitsort begeben, habe sein Essen sowie die Bettwäsche für die folgenden beiden Arbeitstage dabei gehabt. Seine Frau habe den Wohnwagen herrichten sollen und anschließend mit seinem zweiten Pkw wieder nach Hause zurückfahren und die Kinder mitnehmen sollen. Dieser Pkw sei in Wetzlar abgestellt gewesen, da er wegen Schwindelbeschwerden nach der Vergiftung die Heimfahrt mit der Bundesbahn habe zurücklegen müssen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 20. September 1994 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Mai 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. September 1993 zu verurteilen, den Verkehrsunfall vom 26. Juni 1991 als Wegeunfall in gesetzlichem Umfang zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat eine Auskunft der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Kassel vom 15. Februar 1996 eingeholt, wonach das Berufungsurteil des Landgerichts Kassel gegen den Kläger vom 8. September 1992 seit 5. Februar 1993 rechtskräftig ist.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte Bezug genommen, die Gegenstand des Verfahrens gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hält die zulässige Berufung des Klägers einstimmig für nicht begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich, so daß er nach Anhörung der Beteiligten mit Schreiben vom 21. Februar 1996 durch Beschluss entschieden hat (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Das SG hat im Ergebnis zutreffend erkannt, daß der Verkehrsunfall des Klägers vom 26. Juni 1991 nicht als Wegeunfall anerkannt und deswegen Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung von der Beklagten nicht zu erbringen sind. Als Arbeitsunfall (§ 548 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung –RVO–) gilt auch ein Unfall auf einem mit einer der in § 539 RVO genannten Tätigkeit zusammenhängendem Weg nach dem oder von dem Ort der Tätigkeit (§ 550 Abs. 1 RVO). Der Senat konnte dahinstehen lassen, ob der Kläger sich – wie vom SG zu seinen Gunsten angenommen – tatsächlich auf einem nach § 550 Abs. 1 RVO grundsätzlich unter gesetzlichem Unfallversicherungsschutz stehenden Weg zur Arbeit befand, als er am 26. Juni 1991 gegen 19.00 Uhr auf der Bundesstraße 27 in der Gemarkung Wehretal in Richtung Sontra fahrend einen schweren Verkehrsunfall erlitt. Auf die insofern bestehenden Bedenken ist der Kläger im Schreiben des Berufungsgerichts vom 4. März 1995 hingewiesen worden. Auch der Einvernahme weiterer Zeugen zu Einzelheiten und zum Zweck der Fahrt – wie noch im Erörterungstermin vom 5. Dezember 1995 vorgesehen – bedurfte es nicht, worauf der Kläger im Anhörungsschreiben vom 21. Februar 1996 ebenfalls hingewiesen worden ist.
Denn wesentliche Ursache für das Erleiden des Unfalles waren nicht die von § 550 Abs. 1 RVO versicherten Wegegefahren sondern eine grob verkehrswidrige und rücksichtslose Fahrweise des Klägers, die der Zuerkennung gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes entgegensteht. Auf Nachfrage des Senats hat die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Kassel am 15. Februar 1996 mitgeteilt, daß die Verurteilung des Klägers wegen Straßenverkehrsgefährdung zu einer Freiheitsstrafe von 25 Tagessätzen durch Urteile des Amtsgerichts – Schöffengericht – Eschwege vom 9. Juli 1992 und des Landgerichts Kassel im Berufungsverfahren vom 8. September 1992, Az.: 220 Js 2927.5/91, seit 5. Februar 1993 rechtskräftig ist. Der Kläger hat sich damit einer Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315 c Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 1 StGB schuldig gemacht, da er im Straßenverkehr grob verkehrswidrig und rücksichtslos falsch überholt und dadurch fahrlässig Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer und fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet hat. Er hat in einem unübersichtlichen Kurvenbereich mit überhöhter Geschwindigkeit auf der stark befahrenen B 27 überholt ohne übersehen zu können, ob ihm während des Überholvorgangs ein Kraftfahrzeug entgegen kam, und hat sich um seines eigenen schnelleren Fortkommenswillen über seine Pflichten den anderen Verkehrsteilnehmern gegenüber rücksichtslos hinweggesetzt. Da er absichtlich in dem unübersichtlichen Kurvenbereich überholt hat, hat er vorsätzlich gehandelt, wobei er die dadurch geschaffene Gefahr möglicherweise nicht billigend in Kauf genommen aber jedenfalls fahrlässig herbeigeführt hat. Der Senat entnimmt diese Feststellungen dem Berufungsurteil des Landgerichts Kassel vom 8. September 1992, die weder vom Kläger bestritten noch sonstwie in Zweifel zu ziehen waren und vom Senat daher seiner Entscheidung zugrunde gelegt worden sind.
Ein verbotswidriges oder sogar mit Kriminalstrafe geahndetes Verhalten (§§ 548 Abs. 3, 554 Abs. 1 RVO) führt zwar nicht generell zum Ausschluß des Unfallversicherungsschutzes. Kommt es aber zu einer rechtskräftigen Verurteilung eines Versicherten auf einem nach § 550 RVO geschützten Weg wegen einer Straßenverkehrsgefährdung nach § 315 c Abs. 1 Nr. 2 b StGB, so sind nicht mehr die geschützten allgemeinen Straßenverkehrsgefahren als wesentliche Bedingung für den Unfall anzusehen sondern allein das grob verkehrswidrige und rücksichtslose Verhalten des Versicherten im Verkehr. Dieses Verhalten führt wie die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB zu einer Auflösung des inneren Zusammenhangs zwischen dem zurückgelegten Weg zum oder von der Arbeitsstätte und betrieblichen Belangen. Ebenso wie der wegen Alkoholisierung nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB verurteilte Kraftfahrer nicht mehr fahrtüchtig ist, weil der Alkohol seine Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit herabsetzt, ist der nach § 315 c Abs. 1 Nr. 2 b StGB verurteilte Kraftfahrer nicht mehr fahrtüchtig, weil er sich eigensüchtig über elementare Regeln und Vorschriften des Straßenverkehrs hinwegsetzt. Selbst wenn es dem Kläger bei seiner verkehrswidrigen Fahrweise darum gegangen sein sollte, die Arbeitsstelle möglichst schnell zu erreichen, wofür nichts vorgetragen oder erkennbar geworden ist, läge darin kein Versicherungsschutz begründendes Interesse, das höher zu bewerten wäre als das Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs. Der Kläger hat damit nicht mehr in erster Linie seinem Beschäftigungsverhältnis dienende Zwecke verfolgt sondern hat rücksichtslos Eigeninteressen vorangestellt und dadurch die Verletzungen selbst verursacht, wofür er Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung verlangt, aber nach der der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Wertentscheidung nicht verlangen kann.
Diese vom Bundessozialgericht für den Bereich der Soldatenversorgung herausgearbeiteten Grundsätze sind in gleicher Weise für das Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung von Bedeutung, da die Grundentscheidungen des Rechts der Soldatenversorgung als Teil des sozialen Entschädigungsrechts auch im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung Bedeutung erlangen (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts; vgl. Urteil des BSG vom 10. Oktober 1994, Az.: 9 RV 8/94; BSG in SozR 3200 Nrn. 7 und 16 zu § 81 Soldatenversorgungsgesetz). Die Berufung des Klägers war daher ohne weitere Beweiserhebung zu der vom SG diskutierten Umwegeproblematik oder zum fehlenden inneren Zusammenhang der Fahrt mit betrieblichen Zwecken aus anderen Gründen, auf die es nicht mehr ankommt, zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger streitet um die Entschädigung eines Verkehrsunfalles vom 26. Juni 1991 als Wegeunfall.
Der in H. wohnhafte Kläger arbeitete bei der Firma Tiefbauspezialfacharbeiter auf einer Mülldeponie in A ... Ausweislich der Unfallanzeige der Firma vom 20. September 1991 erlitt er am Mittwoch, dem 26. Juni 1991, gegen 19.00 Uhr einen Verkehrsunfall auf dem Weg vom Heimatort zur Baustelle auf der B 27 in der Gemarkung Wehretal in Fahrtrichtung Sontra. Er hatte in einer Rechtskurve einen Autotransporter mit Anhänger überholt und wollte einen weiteren davor fahrenden Lkw überholen, als er mit einem entgegenkommenden Tanklastzug kollidierte. Der Durchgangsarzt Dr. Kreiskrankenhaus E., stellte im Bericht vom 18. September 1992 als Folge des Unfalles beim Kläger einen Trümmerbruch des linken Fußes fest.
Der Kläger sprach am 16. November 1992 bei der Beklagten vor und gab zum Hergang des Unfalles sowie zur Vorgeschichte an, er sei wegen einer Vergiftung, die er sich auf der Baustelle in Aßlar zugezogen habe, vom 20. bis 28. Juni 1991 krankgeschrieben gewesen. Der Vorarbeiter habe sich am 24. oder 25. Juni bei ihm zu Hause telefonisch nach seinem Gesundheitszustand erkundigt und habe wissen wollen, ob er nicht vorzeitig die Arbeit wieder aufnehmen könne. Er habe am 27. Juni die Arbeit wieder aufnehmen und am Vorabend anreisen wollen. Seine Frau, sein Sohn und seine Tochter hätten sich im Fahrzeug befunden, da sie sich voraussichtlich bis Freitag auf der Baustelle hätten aufhalten und dann mit ihm zurückfahren wollen. Sie hätten in seinem Wohnwagen übernachten können. Da er am Unfalltag im Radio gehört habe, daß sich auf der Autobahn Kassel/Frankfurt am Main vor dem Hattenbacherdreieck infolge mehrerer Unfälle ein Stau gebildet habe sei er über die B 27 gefahren. Die Beklagte zog die Akte des gegen den Kläger betriebenen Strafverfahrens von der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Kassel bei (Az.: 220 Js 2927.5/91), wonach der Kläger vom Amtsgericht – Schöffengericht – in Eschwege am 9. Juli 1992 wegen Straßenverkehrsgefährdung zu einer Freiheitsstrafe von 25 Tagessätzen gemäß § 315 c Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) verurteilt und diese Entscheidung durch Berufungsurteil des Landgerichts Kassel vom 8. September 1992 bestätigt worden war. Laut Auskunft der Polizeiautobahnstation Kassel vom 3. und 28. Dezember 1992 war dort eine Verkehrsbehinderung auf der Autobahn Kassel/Bad Hersfeld am Unfalltag gegen 17.00 bzw. 18.00 Uhr zwischen den Anschlußstellen Lutterberg und Homberg/Efze nicht bekannt. Die Arbeitgeberfirma bestätigte am 21. Januar 1993, der Kläger sei vom 20. bis 28. Juni 1991 ärztlich arbeitsunfähig geschrieben worden. Die übrigen Angaben des Klägers wurden angezweifelt und es wurde angemerkt, er sei nicht aus dem Krankenstand zurückbeordert worden. Mit Bescheid vom 7. Mai 1993 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlaß des Unfalles vom 26. Juni 1991 ab, da der Arbeitgeber nicht habe bestätigen können, daß er den Kläger aus dem Krankenstand vorzeitig zurückbeordert habe. Zudem habe der Kläger nicht den direkten Weg über die Autobahn zur Arbeitsstelle befahren sondern einen nicht versicherten Umweg, zumal eine Verkehrsbehinderung auf der Autobahn von der Autobahnpolizeistation Kassel nicht habe bestätigt werden können.
Der Kläger machte mit Widerspruch vom 9. Juni 1993 geltend, es habe sich nicht um einen unversicherten Umweg gehandelt, woraufhin die Beklagte seinen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. September 1993 zurückwies, da Zweifel am Vorliegen eines versicherten Wegeunfalles fortbestünden. Der Kläger habe sich nicht auf dem direkten Weg von der Wohnung zur Baustelle befunden, seine gesamte Familie sei im Auto mitgefahren, er habe bei der erstmaligen ärztlichen Behandlung keinen Wegeunfall geltend gemacht und habe diesen erst sehr verspätet dem Arbeitgeber gemeldet. Zudem habe er sich zum Unfallzeitpunkt im Krankenstand befunden. Weder für eine frühzeitige Arbeitsaufnahme noch für ein Abweichen vom üblichen Arbeitsweg hätten sich triftige Gründe nachweisen lassen.
Auf die am 22. Oktober 1993 vor dem Sozialgericht Kassel (SG) erhobene Klage hin wurden der Vorarbeiter des Klägers sowie seine Ehefrau Marianne als Zeugen gehört, wegen deren Aussagen auf das Protokoll des Kammertermins vom 20. September 1994 Bezug genommen wird. Mit Urteil vom 20. September 1994 hat das SG die Klage abgewiesen und ist zugunsten des Klägers davon ausgegangen, daß er sich auf dem Weg zur Arbeitsstelle befunden habe, als es zum Unfall gekommen sei. Dennoch habe es sich um einen nicht gesetzlich unfallversicherten Umweg gehandelt, der bedeutend länger gewesen sei, als der direkte Weg von Hofgeismar über die Autobahn oder die Bundesstraße 3 nach Aßlar. Dieser Umweg sei auch nicht verkehrsgünstiger gewesen.
Gegen das ihm am 20. Oktober 1994 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. November 1994 Berufung eingelegt und hat vorgetragen, er habe sich mit seiner Frau und den beiden Kindern zum Arbeitsort begeben, habe sein Essen sowie die Bettwäsche für die folgenden beiden Arbeitstage dabei gehabt. Seine Frau habe den Wohnwagen herrichten sollen und anschließend mit seinem zweiten Pkw wieder nach Hause zurückfahren und die Kinder mitnehmen sollen. Dieser Pkw sei in Wetzlar abgestellt gewesen, da er wegen Schwindelbeschwerden nach der Vergiftung die Heimfahrt mit der Bundesbahn habe zurücklegen müssen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 20. September 1994 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Mai 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. September 1993 zu verurteilen, den Verkehrsunfall vom 26. Juni 1991 als Wegeunfall in gesetzlichem Umfang zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat eine Auskunft der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Kassel vom 15. Februar 1996 eingeholt, wonach das Berufungsurteil des Landgerichts Kassel gegen den Kläger vom 8. September 1992 seit 5. Februar 1993 rechtskräftig ist.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte Bezug genommen, die Gegenstand des Verfahrens gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hält die zulässige Berufung des Klägers einstimmig für nicht begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich, so daß er nach Anhörung der Beteiligten mit Schreiben vom 21. Februar 1996 durch Beschluss entschieden hat (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Das SG hat im Ergebnis zutreffend erkannt, daß der Verkehrsunfall des Klägers vom 26. Juni 1991 nicht als Wegeunfall anerkannt und deswegen Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung von der Beklagten nicht zu erbringen sind. Als Arbeitsunfall (§ 548 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung –RVO–) gilt auch ein Unfall auf einem mit einer der in § 539 RVO genannten Tätigkeit zusammenhängendem Weg nach dem oder von dem Ort der Tätigkeit (§ 550 Abs. 1 RVO). Der Senat konnte dahinstehen lassen, ob der Kläger sich – wie vom SG zu seinen Gunsten angenommen – tatsächlich auf einem nach § 550 Abs. 1 RVO grundsätzlich unter gesetzlichem Unfallversicherungsschutz stehenden Weg zur Arbeit befand, als er am 26. Juni 1991 gegen 19.00 Uhr auf der Bundesstraße 27 in der Gemarkung Wehretal in Richtung Sontra fahrend einen schweren Verkehrsunfall erlitt. Auf die insofern bestehenden Bedenken ist der Kläger im Schreiben des Berufungsgerichts vom 4. März 1995 hingewiesen worden. Auch der Einvernahme weiterer Zeugen zu Einzelheiten und zum Zweck der Fahrt – wie noch im Erörterungstermin vom 5. Dezember 1995 vorgesehen – bedurfte es nicht, worauf der Kläger im Anhörungsschreiben vom 21. Februar 1996 ebenfalls hingewiesen worden ist.
Denn wesentliche Ursache für das Erleiden des Unfalles waren nicht die von § 550 Abs. 1 RVO versicherten Wegegefahren sondern eine grob verkehrswidrige und rücksichtslose Fahrweise des Klägers, die der Zuerkennung gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes entgegensteht. Auf Nachfrage des Senats hat die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Kassel am 15. Februar 1996 mitgeteilt, daß die Verurteilung des Klägers wegen Straßenverkehrsgefährdung zu einer Freiheitsstrafe von 25 Tagessätzen durch Urteile des Amtsgerichts – Schöffengericht – Eschwege vom 9. Juli 1992 und des Landgerichts Kassel im Berufungsverfahren vom 8. September 1992, Az.: 220 Js 2927.5/91, seit 5. Februar 1993 rechtskräftig ist. Der Kläger hat sich damit einer Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315 c Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 1 StGB schuldig gemacht, da er im Straßenverkehr grob verkehrswidrig und rücksichtslos falsch überholt und dadurch fahrlässig Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer und fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet hat. Er hat in einem unübersichtlichen Kurvenbereich mit überhöhter Geschwindigkeit auf der stark befahrenen B 27 überholt ohne übersehen zu können, ob ihm während des Überholvorgangs ein Kraftfahrzeug entgegen kam, und hat sich um seines eigenen schnelleren Fortkommenswillen über seine Pflichten den anderen Verkehrsteilnehmern gegenüber rücksichtslos hinweggesetzt. Da er absichtlich in dem unübersichtlichen Kurvenbereich überholt hat, hat er vorsätzlich gehandelt, wobei er die dadurch geschaffene Gefahr möglicherweise nicht billigend in Kauf genommen aber jedenfalls fahrlässig herbeigeführt hat. Der Senat entnimmt diese Feststellungen dem Berufungsurteil des Landgerichts Kassel vom 8. September 1992, die weder vom Kläger bestritten noch sonstwie in Zweifel zu ziehen waren und vom Senat daher seiner Entscheidung zugrunde gelegt worden sind.
Ein verbotswidriges oder sogar mit Kriminalstrafe geahndetes Verhalten (§§ 548 Abs. 3, 554 Abs. 1 RVO) führt zwar nicht generell zum Ausschluß des Unfallversicherungsschutzes. Kommt es aber zu einer rechtskräftigen Verurteilung eines Versicherten auf einem nach § 550 RVO geschützten Weg wegen einer Straßenverkehrsgefährdung nach § 315 c Abs. 1 Nr. 2 b StGB, so sind nicht mehr die geschützten allgemeinen Straßenverkehrsgefahren als wesentliche Bedingung für den Unfall anzusehen sondern allein das grob verkehrswidrige und rücksichtslose Verhalten des Versicherten im Verkehr. Dieses Verhalten führt wie die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB zu einer Auflösung des inneren Zusammenhangs zwischen dem zurückgelegten Weg zum oder von der Arbeitsstätte und betrieblichen Belangen. Ebenso wie der wegen Alkoholisierung nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB verurteilte Kraftfahrer nicht mehr fahrtüchtig ist, weil der Alkohol seine Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit herabsetzt, ist der nach § 315 c Abs. 1 Nr. 2 b StGB verurteilte Kraftfahrer nicht mehr fahrtüchtig, weil er sich eigensüchtig über elementare Regeln und Vorschriften des Straßenverkehrs hinwegsetzt. Selbst wenn es dem Kläger bei seiner verkehrswidrigen Fahrweise darum gegangen sein sollte, die Arbeitsstelle möglichst schnell zu erreichen, wofür nichts vorgetragen oder erkennbar geworden ist, läge darin kein Versicherungsschutz begründendes Interesse, das höher zu bewerten wäre als das Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs. Der Kläger hat damit nicht mehr in erster Linie seinem Beschäftigungsverhältnis dienende Zwecke verfolgt sondern hat rücksichtslos Eigeninteressen vorangestellt und dadurch die Verletzungen selbst verursacht, wofür er Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung verlangt, aber nach der der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Wertentscheidung nicht verlangen kann.
Diese vom Bundessozialgericht für den Bereich der Soldatenversorgung herausgearbeiteten Grundsätze sind in gleicher Weise für das Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung von Bedeutung, da die Grundentscheidungen des Rechts der Soldatenversorgung als Teil des sozialen Entschädigungsrechts auch im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung Bedeutung erlangen (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts; vgl. Urteil des BSG vom 10. Oktober 1994, Az.: 9 RV 8/94; BSG in SozR 3200 Nrn. 7 und 16 zu § 81 Soldatenversorgungsgesetz). Die Berufung des Klägers war daher ohne weitere Beweiserhebung zu der vom SG diskutierten Umwegeproblematik oder zum fehlenden inneren Zusammenhang der Fahrt mit betrieblichen Zwecken aus anderen Gründen, auf die es nicht mehr ankommt, zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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