Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 68/80
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1386/83
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 28. Oktober 1983 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte dem Kläger wegen einer berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. zu gewähren hat.
Der 1935 geborene Kläger durchlief von 1949 bis 1952 eine Lehre als Stellmacher im Fahrzeugbau. Von Februar 1953 bis Februar 1956 arbeitete er als Gedingeschlepper im Bergbau. Von März 1956 bis 1980 war er bis auf geringfügige Unterbrechungen bei der Firma , im Basaltsteinbruch tätig, davon in der Zeit von 1959 bis 1973 als Führer eines Seilbaggers R 18 und von 1973 bis 1979 als Führer eines Hydraulik-Baggers RH 25. Seit Februar 1980 ist er als Baggerführer im Hoch- und Tiefbau bei der Firma , beschäftigt und fährt einen Raupenbagger vom Typ Poclain MC 100.
Im Januar 1976 erstatteten Ärzte der HNO-Universitätsklinik unter Vorlage eines Tonschwellenaudiogramms vom 27. November 1975 und im März 1976 die Firma Anzeigen über das Vorliegen einer Berufskrankheit (BK) in Form einer Lärmschwerhörigkeit, verursacht durch Motorenlärm und Maschinengeräusche bei der Tätigkeit als Baggerführer. Messungen in den Führerhäusern der vom Kläger bei der Firma gefahrenen Bagger ergaben laut Arbeitsplatz-Lärmanalyse des Technischen Aufsichtsbeamten vom 19. Oktober 1976 einen Lärmpegel von 100 bis 102 dB (A) für den Seilbagger und von 88 bis 94 dB (A) bei geschlossener und 92 bis 98 dB (A) bei offener Tür für den Hydraulik-Bagger. Nach einer späteren Messung vom 2. März 1982 wurde für den vom Kläger bei der Firma seit März 1982 gefahrenen Raupenbagger ein durchschnittlicher Schallpegel von 86 dB (A) während des fünfstündigen Baggereinsatzes und unter Einbeziehung von Wartungs- und Umrüstungszeiten von drei Stunden ein Beurteilungspegel von 84 dB (A) ermittelt. In einer weiteren Messung vom 23. Juli 1986 wurde ein Beurteilungspegel zwischen 84 und 85 dB (A) angenommen.
Durch formlosen Bescheid vom 20. Januar 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 1980 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß eine BK nach der Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) vom 8. Dezember 1976 – Lärmschwerhörigkeit – bislang noch nicht vorliege. Sie stützte sich dabei auf Gutachten des Prof. Dr. , Städtisches Krankenhaus , vom 27. September 1977 mit zustimmender Stellungnahme des Landesgewerbearztes im Hess. Sozialministerium vom 6. Januar 1978 und des Dr. , HNO-Universitätsklinik vom 1. Oktober 1979 sowie auf das Aktengutachten vom 18. August 1978 des Prof. Dr. , Medizinische Hochschule und eine gutachterliche Stellungnahme vom 29. Januar 1979 des Prof. Dr. , HNO-Universitätsklinik der sich angesichts nicht abschließender Untersuchungsergebnisse nur unter Vorbehalt äußerte. Im Ergebnis war von den Ärzten eine Schwerhörigkeit des Klägers beiderseits (bds.) mit einem lärmunabhängigen Anteil angenommen worden, wobei letzterer vor allem aus einem atypischen Hörkurvenverlauf im Tonschwellenaudiogramm in den tiefen Frequenzen seit der Hörprüfung im Jahre 1975 abgeleitet wurde. Für den lärmbedingten Anteil wurde eine MdE um 15 v.H. – geringgradige Schwerhörigkeit bds. – vorgeschlagen. Die Gesamt-MdE schätzten Prof. Dr. und Prof. Dr. auf 20 v.H.
Am 12. Juni 1980 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Marburg Klage erhoben. Dieses hat Befundunterlagen des HNO-Arztes Dr. und des Hausarztes Dr. mit Audiogramm vom 13. Juni 1972 beigezogen. Von der Beklagten ist ein weiteres hno-ärztliches Gutachten des Prof. Dr. vom 10. November 1981 vorgelegt worden, in dem eine geringe – fragliche – Hörverschlechterung insbesondere im tiefen Frequenzbereich bescheinigt wurde, die jedoch keine lärmbedingte Ursache haben könne; die MdE betrage weiterhin 15 v.H. Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist ferner das Gutachten vom 21. Juni 1983 des Prof. Dr. von der HNO-Universitätsklinik eingeholt worden, der eine Zunahme des Hörverlustes gegenüber 1977 und 1979 verneinte und quantitativ bds. eine gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit mit einer MdE um 20 v.H. annahm, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit insgesamt lärmbedingt sei. Das atypische Audiogrammbild erkläre sich durch die dreijährige Tätigkeit des Klägers im Bergbau sowie dadurch, daß er bei seiner Tätigkeit als Baggerführer nicht nur Lara, sondern auch Vibrationsschwingungen ausgesetzt gewesen sei, durch die das Innenohr auf andere Weise als durch Lärm belastet werde. Durch Urteil vom 28. Oktober 1983 hat das SG gestützt darauf die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Anerkennung einer gering- bis mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit bds. als Lärmschwerhörigkeit bei Eintritt des Versicherungsfalls am 27. November 1975 eine Entschädigung nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren; auch soweit die Lärmeinwirkung teilweise auf Vibrationen beruhen sollte, könne daraus keine andere Ursache für die Lärmschwerhörigkeit konstruiert werden.
Gegen das ihr am 9. November 1983 zugestellte Urteil hat die Beklagte in 6. Dezember 1983 Berufung eingelegt und geltend gemacht, daß ein Hörverlust durch Vibrationseinflüsse nicht von der BK "Lärmschwerhörigkeit” verursacht durch Schall/Geräusch erfaßt werde, so daß dadurch bedingte Tieftonstörungen bei der MdE-Bemessung nicht berücksichtigt werden könnten. In übrigen sei aber auch für den Gesamthörschaden nach den Befunden des Prof. Dr. N. nur eine MdE um 15 v.H. anzusetzen. Die Beklagte hat sich insoweit auf ein weiteres Aktengutachten vom 5. März 1984 des Prof. Dr. L. bezogen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 28. Oktober 1983 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Im Berufungsverfahren sind von Amts wegen das Gutachten vom 4. Februar 1986 des Prof. Dr. , HNO-Universitätsklinik mit ergänzender Stellungnahme vom 29. Dezember 1987 und die gutachterlichen Stellungnahmen vom 19. Juni 1985 und 5. August 1987 des Prof. Dr. eingeholt und das für ein anderes Verfahren erstattete Gutachten des Prof. Dr. , HNO-Universitätsklinik , beigezogen worden. Prof. Dr. kommt zu dem Ergebnis, daß die gesamte Schwerhörigkeit des Klägers, wie sie sich in den Befunden von 1975 bis 1983 darstelle, ursächlich auf die berufsbedingte Lärmeinwirkung zurückzuführen sei. Bei "strikter” Anwendung der Tabelle von Boennighaus und Röser zur Ermittlung des prozentualen Hörverlustes aus dem Sprachaudiogramm liege der Fall des Klägers im Grenzbereich zwischen einer geringgradigen und gering- bis mittelgradigen Schwerhörigkeit. Aufgrund von Untersuchungsbefunden des Prof. Dr. nach dem "Marburger Satztest” und unter Berücksichtigung des Umstandes, daß sich der Kläger trotz zwischenzeitlich nachweisbarer Zunahme der Schwerhörigkeit seit 1983 nicht um die Anpassung eines Hörgeräts bemüht habe, sei er jedoch der Auffassung, daß die Schwerhörigkeit bis 1983 als geringgradig einzustufen und eine MdE um 15 v.H. angemessen sei. Die jetzt vorliegende Schwerhörigkeit sei zwar bds. mittelgradig und mit einer MdE um 30 v.H. zu bewerten; die Verschlechterung seit 1983 könne jedoch nicht mehr auf Lärmeinwirkung am Arbeitsplatz zurückgeführt werden, da eine Gefährdung des Gehörs seit Februar 1980 praktisch nicht mehr bestehe. Demgegenüber hat Prof. Dr. an seiner Beurteilung festgehalten und u.a. darauf verwiesen, daß die Boennighaus-Röser’sche Tabelle für den prozentualen Hörverlust aus dem Sprachaudiogramm den Hörverlust bei geringer Schwerhörigkeit grundsätzlich zu niedrig bewerte und eine "strikte” Anwendung auch im Widerspruch zu den "Empfehlungen des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit”, dem sog. Königsteiner Merkblatt, 2. Auflage, 1986, stehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Das SG hat zutreffend entschieden, daß dem Kläger ab 1975 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. wegen einer berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit (Innenohrschwerhörigkeit) bds. zusteht (§§ 551 Abs. 3, 581 Abs. 1 Nr. 2 Reichsversicherungsordnung –RVO–). Daß eine BK nach der Nr. 26 der Anlage 1 zur 7. BKVO bzw. der Nr. 2101 der Anlage zur BKVO vom 8. Dezember 1976 (BGBl. I 3329) vorliegt, ist von den im vorliegenden Verfahren gehörten zahlreichen Audiologen einwandfrei nachgewiesen und überstimmend bejaht worden. Auch die Beklagte bestreitet dies im Grunde nicht. Soweit sie den Kläger dahin beschieden hat, daß eine BK bei ihm noch nicht vorliege, beruht dies offensichtlich auf der unzutreffenden Auffassung, daß eine Lärmschwerhörigkeit als BK nach der BKVO erst bei einem Grad Der MdE um 20 v.H. festzustellen sei.
Das SG hat im Ergebnis auch zu Recht angenommen, daß die Lärmschwerhörigkeit des Klägers in einem Umfang besteht, der als bds. gering- bis mittelgradig zu bewerten ist, woraus sich unter Anwendung der MdE-Tabelle (Feldmann) gemäß Ziff. 4 des Königsteiner Merkblatts, in der Fassung der 2. Auflage 1986 ein zum Rentenbezug berechtigender Grad der MdE um 20 v.H. ergibt. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, bedarf es keiner Erörterung sog. Vibrationsschäden an den Ohren und der Möglichkeit ihrer Zuordnung zur BK. "Lärmschwerhörigkeit”. Denn aufgrund des von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Gutachtens vom 5. März 1984 des Prof. Dr. und insbesondere der eingehenden und schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. im Gutachten vom 4. Februar 1986 steht zur Überzeugung des Senats fest, daß die für die Zeit von 1975 bis 1983 beim Kläger nachgewiesene Schwerhörigkeit bds. entgegen der von den im Verwaltungsverfahren gehörten Ärztin vertretenen Auffassung in vollem Umfang durch Lärmeinwirkung bei der Arbeit verursache worden ist, wie Prof. Dr. im einzelnen dargelegt hat, spricht dafür die vorangegangene erhebliche Lärmexposition des Klägers während seines Berufslebens, insbesondere während seiner. Tätigkeit als Baggerführer in der Zeit von 1959 bis 1973, in der er sogar einem Lärmpegel von 100 bis 102 dB (A) ausgesetzt war, sowie der nicht progrediente Verlauf der Schwerhörigkeit von 1975 bis 1983. Der Sachverständige hat insoweit anhand einer eigenen Übersichttabelle dokumentiert und erläutert, daß die Hörwerte der durchgeführten ton- und sprachaudiometrischen Untersuchungen zwar etwas schwankten, eine nennenswerte Zunahme der Schwerhörigkeit jedoch nicht zu verzeichnen ist und insbesondere auch die tonaudiometrischen Befunde der HNO-Universitäts-Klinik vom 27. November 1975 und 21. Juni 1983 bei anzunehmenden konstanten Untersuchungsbedingungen in keiner Frequenz eine Verschlechterung aufweisen. Auch der tonaudiometrische Kurvenverlauf und das Ergebnis überschwelliger Prüfungen sind seinen Ausführungen zufolge durchaus mit der Annahme einer ausschließlich lärmbedingten Schwerhörigkeit vereinbar. Sie weisen ganz überwiegend auf einen Sitz der Hörstörung in der Hörschnecke hin und sind gekennzeichnet durch ein sog. positives Recruitment, wie aus den 1983 gemessenen Stapedius Reflexschwellen und dem positiven Ausfall des SISI-Tests 1979 und 1983 hervorgeht. Erst seit dem Gutachten des Prof. Dr. aus dem Jahre 1983 bis zur Untersuchung des Klägers durch Prof. Dr. im Dezember 1985 ist eine Verschlechterung aller relevanten Hörwerte bei auf beiden Seiten negativem SISI-Test zu verzeichnen, was nach Auffassung des Sachverständigen darauf hindeuten kann, daß nunmehr eine retrocochleare Komponente der Hörstörung aufgetreten ist. Nach Aussage des Prof. Dr. trifft es entgegen der Ansicht der Beklagten vor allem auch nicht zu, daß sich Lärmschäden nur in Hochtonverlusten äußern, sondern es ist das gesamte Frequenzspektrum des Lärms zu berücksichtigen. Da der Lärm von Baggern, u.a. der vom Kläger gefahrenen Bagger (vgl. Bericht des Technischen Aufsichtsbeamten vom 5. Januar 1984), auch viele tiefe Frequenzen enthält, ist es insoweit ohne weiteres verständlich, daß auch die mittleren Frequenzen des Tongehörs in Mitleidenschaft gezogen wurden und es auf diese Weise zu einer "Variante” der Lärmschwerhörigkeit mit nicht ganz typischer Hörschwellenkurve im Tonaudiogramm gekommen ist. Zusammenfassend ist mit Prof. Dr. und auch Prof. Dr. festzustellen, daß für die Annahme einer ausschließlich berufs- und lärmbedingten Innenohrschwerhörigkeit bds. hier letztlich die Tatsache genügt, daß der Kläger als Baggerführer jahrelang von 1959 bis 1973 ohne jeden Hörschutz oder allenfalls ab Anfang der 70er Jahre mit Hörschutzwatte einem Beurteilungspegel von 100 bis 102 dB (A) ausgesetzt war, weil die reine nachgewiesene Lärmexposition den entstandenen Schaden völlig ausreichend erklärt.
Hinsichtlich der Einstufung der für die Zeit von 1975 bis 1983 festgestellten, ausschließlich berufs- und lärmbedingten Innenohrschwerhörigkeit des Klägers als geringgradig kann Prof. Dr. und Prof. Dr. hingegen nicht gefolgt werden. Bei Anwendung der Tabelle von Boennighaus und Röser gemäß Ziff. 4 des Königsteiner Merkblatts zur Ermittlung des prozentualen Hörverlusts aus dem Sprachaudiogramm nach dem sog. Freiburger Sprachtest ergibt sich nach der Übersichtstabelle des Sachverständigen Prof. Dr. für 1977 (Gutachten Prof. Dr. ) ein Hörverlust des Klägers von bds. 40 %, für 1979 (Gutachten Prof. Dr. ) von bds. 30 % und für 1983 (Gutachten Prof. Dr. ) von 40 % rechts und 30 % links, wobei ein prozentualer Hörverlust von 30 % allgemein als geringgradig und ein solcher von 40 % als gering- bis mittelgradig eingestuft wird. Nach der MdE-Tabelle (Feldmann) gemäß Ziff. 4 des Königsteiner Merkblatts ist für eine bds. geringgradige Schwerhörigkeit im allgemeinen eine MdE von 15 v.H. und für eine bds. gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit eine MdE von 20 v.H. vorgesehen. Der Fall des Klägers liegt – wie auch Prof. Dr. einräumt – somit nach dem sprachaudiometrischen Befund aus dem sog. Freiburger Sprachtest, bei dem das Verstehen von zweistelligen Zahlwörtern und das Verständnis für einsilbige Hauptwörter über Kopfhörer unter "labormäßigen” Bedingungen geprüft wird, im Grenzbereich. Die weitere Beurteilung hängt deshalb jedoch nicht von der Frage ab, ob die Boennighaus-Röser’sche Tabelle für den prozentualen Hörverlust aus dem Sprachaudiogramm grundsätzlich oder jedenfalls bei beginnenden bzw. geringgradigeren Hörstörungen Hörverluste zu niedrig bewertet und ob sie aus diesem Grunde teilweise oder überhaupt nicht mehr angewandt und statt dessen in erster Linie der sog. Marburger Satztest mit beidohriger Prüfung im freien Sprachfeld unter Zumischung eines umweltsimulierenden Störgeräusches zur Bestimmung des Hörverlustes herangezogen werden soll (vgl. dazu u.a. Husmann im SozVers. 1988, Seite 69 ff.). Denn der sprachaudiometrische Befund nach dem "Freiburger Sprachtest” ist nach Ziffer 3.6 des Königsteiner Merkblatts jedenfalls nicht die alleinige, sondern nur die "wichtigste” bzw. vorrangige (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts – BSG – vom 15. Dezember 1982 – 2 RU 55/81) Grundlage für die Bemessung der MdE. Das gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – die ermittelten Hörverluste aus dem Sprachaudiogramm bei anzunehmender konstanter Schwerhörigkeit nur geringfügige Schwankungen aufweisen und allein danach eine geringgradige Lärmschwerhörigkeit bds. ebenso wahrscheinlich ist wie eine gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit bds. und außerdem noch eine gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit rechts und geringgradige Schwerhörigkeit links in Betracht kommt. Vielmehr ist die Heranziehung weiterer Untersuchungsergebnisse in einem solchen Fall unumgänglich, da andernfalls überhaupt nicht begründet werden kann, warum einer der verschiedenen Untersuchungsergebnisse aus dem "Freiburger Sprachtest” nun repräsentativ für das Ausmaß der von 1975 bis 1983 unveränderten Lärmschwerhörigkeit sein soll, es sei denn, man ginge von einer non liquet Situation aus und sähe das für den Kläger günstigste Untersuchungsergebnis als nicht erwiesen an. Das ist jedoch nicht zulässig, sofern es weitere medizinisch anerkannte Untersuchungsmethoden zur Ermittlung des quantitativen Hörverlustes als Grundlage für die Bemessung der MdE gibt, was der Fall ist. Denn andere Grundlagen für die Bewertung der MdE außer dem sprachaudiometrischen Befund als der "wichtigsten” Grundlage sind – wie Prof. Dr. zutreffend eingewandt hat – im Königsteiner Merkblatt selbst ausdrücklich genannt. So hat nach Ziff. 3.7 die Hörweitenprüfung mit viersilbigen Zahlwörtern in Umgangs- und Flüstersprache als Ergänzung und Kontrolle der sprachaudiometrischen Untersuchung Bedeutung. Nach Ziff. 3.8 sind weitere Untersuchungen bzw. Simulations-Tests und der "Marburger Satztest” angezeigt, wenn nach den Ziff. 3.1 bis 3.8, u.a. also der sprachaudiometrischen Untersuchung nach dem Freiburger Sprachtest, eine abschließende Beurteilung der BK nicht möglich ist. Eine Einschränkung dahin, daß diese Untersuchungen nur dann in Betracht kommen, soweit es um das Vorliegen einer Lärmschwerhörigkeit als BK geht, nicht aber dann, wenn deren Ausmaß nicht abschließend geklärt ist, ist dem Merkblatt nicht zu entnehmen. Ziff. 4 sieht ferner ausdrücklich vor, daß "immer mehrere Untersuchungsmethoden” zur MdE-Bewertung herangezogen werden sollen und nennt besonders die von Prof. Dr. überhaupt nicht berücksichtigte Hörweitenprüfung und den aus der entsprechenden Tabelle von Boennighaus und Röser daraus zu ermittelnden Hörverlust. Schließlich wird in Ziff. 3.4 des Königsteiner Merkblatts auch dem Tonschwellenaudiogramm nicht nur differentialdiagnostisch zur Klärung der Ursachen einer Schwerhörigkeit, sondern auch für die Beurteilung von Grenzfällen "zum Beispiel” an der Grenze zwischen Normalhörigkeit und geringgradiger Schwerhörigkeit Bedeutung beigemessen, weil eine Entscheidung hierüber nach dem Sprachaudiogramm gelegentlich strittig ist. Zwar heißt es dann weiter, daß der Befund des Tonaudiogramms bei der Festsetzung der MdB mit zu berücksichtigen ist, wenn das Sprachaudiogramm "noch keinen zu bewertenden Hörverlust”, das Tonaudiogramm aber einen stärkeren Verlust im Hochtonbereich zeige. Daraus kann jedoch nicht entnommen werden, daß das Tonschwellenaudiogramm nur für den als "Beispiel” genannten Grenzfall zwischen Normalhörigkeit und geringgradiger Schwerhörigkeit, nicht aber auch für andere Grenzfälle wie dem zwischen geringgradiger und gering- bis mittelgradiger Schwerhörigkeit herangezogen werden kann, wie Prof. Dr. offenbar meint. Auch von einem Abweichen von allgemeinen Bewertungstabellen und der ihnen nach dem Königsteiner Merkblatt zugewiesenen Rangordnung kann jedenfalls dann keine Rede sein, wenn der Befund aus dem Sprachaudiogramm nicht durch den des Tonaudiogramms ersetzt wird, sondern letzterer nur neben anderen Untersuchungsergebnissen zur Klärung der Frage herangezogen wird, welcher von verschiedenen sprachaudiometrischen Befunden nach dem sog. Freiburger Sprachtest nun mit Wahrscheinlichkeit der Wirklichkeit am nächsten kommt. Dazu ist u.a. das Tonschwellenaudiogramm mindestens ebenso geeignet wie der von Prof. Dr. zur Feststellung einer bds. geringgradigen Schwerhörigkeit des Klägers letztendlich herangezogene Gesichtspunkt, daß der Kläger – trotz zwischenzeitlich nachgewiesener Zunahme seiner Schwerhörigkeit – kein Hörgerät benutzt habe, ganz abgesehen davon, daß der Kläger seinem eigenen Vortrag zufolge bis zur Untersuchung durch Prof. Dr. aufgrund einer Bemerkung seines Hausarztes davon ausgegangen ist, daß ein Hörgerät bei einer Lärmschwerhörigkeit keine nennenswerte Besserung bringe. Dieser vom Sachverständigen angeführte Gesichtspunkt sowie die Bezugnahme auch auf Untersuchungsergebnisse des "Marburger Satztests” von Prof. Dr. zeigen im übrigen, daß die zunächst befürwortete "strikte” Anwendung der Boennighaus-Röser’schen Tabelle für den Hörverlust auf dem Sprachaudiogramm angesichts der etwas schwankenden Untersuchungsergebnisse hier eben keine abschließende Beurteilung des quantitativen Hörverlustes des Klägers als Voraussetzung für die Anwendung der MdE-Tabelle (Feldmann) erlaubt, sondern noch auf andere Überlegungen und Untersuchungsergebnisse zurückgegriffen werden muß.
Die danach notwendige und nach dem Königsteiner Merkblatt auch zulässige Berücksichtigung weiterer Untersuchungsergebnisse zur Ermittlung des quantitativen Hörverlustes als Grundlage der MdE-Bemessung hat zur Folge, daß beim Kläger für die Zeit von 1975 bis 1983 von einer bds. gering- bis mittelgradigen Lärmschwerhörigkeit auszugehen ist, aus der bei Anwendung der MdE-Tabelle (Feldmann) gemäß Ziff. 4 des Königsteiner Merkblatts eine MdE von 20 v.H. resultiert. Soweit Prof. Dr. und Prof. Dr. in seinem zweiten Gutachten vom 5. März 1984 das Vorliegen einer bds. geringgradigen Schwerhörigkeit gerade auch mit den Ergebnissen des von Prof. Dr. durchgeführten und vom Kläger als maßgeblich erachteten "Marburger Satztests”, also der Prüfung des beidohrigen Satzverständnisses unter umweltsimulierendem Rauschen begründen, ist dies nicht überzeugend. Zum einen geht Prof. Dr. irrtümlich davon aus, daß vom Kläger im Marburger Testverfahren bei einem Sprachschallpegel von 55 dB (A), der leiser Umgangssprache bzw. normaler Unterhaltungssprache aus etwa 6 m Entfernung entspricht, Sätze zu 86 % richtig verstanden wurden. Eine derartige Verständigungsrate wurde nach dem Gutachten des Prof. Dr. vom 21. Juni 1983 nämlich nur unter unnatürlich umweltschallarmen Bedingungen im sprachaudiometrischen Labor erreicht.
Bei umweltsimulierendem Rauschen ergab sie sich hingegen erst bei einem Sprachpegel von 65 dB (A). Zum anderen entspricht dieses Prüfungsergebnis aus dem "Marburger Satztest” nach den Ausführungen des Prof. Dr. in seinen ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen zwar einem ausreichenden, wenn auch nicht mehr vollständigem Satzverständnis unter wirklichkeitsnahen Bedingungen; dies jedoch nur bei einer Hörweite von 1 m, die grundsätzlich nicht die Grenze zwischen gering- und mittelgradiger, sondern zwischen mittel- und hochgradiger Schwerhörigkeit markiert (vgl. auch MdE-Tabelle (Feldmann) gemäß Ziff. 4 des Königsteiner Merkblatts). Der weitere Einwand des Prof. Dr. , daß die Hörweite für Zahlwörter in Umgangssprache 1983 rechts mehr als 7 m und links 7 m betragen habe, ist ebenfalls nicht stichhaltig. Prof. Dr. hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf verwiesen, daß auch die Hörweite für geflüsterte Zahlwörter, die in der Tabelle von Boennighaus und Röser für den prozentualen Hörverlust aus der Hörweitenprüfung ausdrücklich einbezogen ist, berücksichtigt werden muß. Dann aber errechnet sich nach den Befunden des Prof. Dr. aus dem Jahre 1983 unter Anwendung der Tabelle Boennighaus und Röser für den prozentualen Hörverlust aus der Hörweitenprüfung für das rechte Ohr einen Hörverlust von 40 % und für das linke Ohr von 40 bis 50 % und damit eine gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit rechts und eine mittelgradige Schwerhörigkeit links. Im übrigen ergab nicht nur die Hörweitenprüfung nach Ziff. 3.7 des Königsteiner Merkblatts und ihre Auswertung nach der Tabelle Boennighaus und Röser genau Ziff. 4 eine gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit rechts und eine mittelgradige Schwerhörigkeit links. Entsprechend war auch der prozentuale Hörverlust aus dem Tonaudiogramm nach der Röser’schen Tabelle 1973 und bei der Hörweitenprüfung mit Sätzen für das rechte Ohr und bei beiderseitiger Prüfung, Die sprachaudiometrische Prüfung des beidohrigen Satzverständnisses nach dem "Marburger Satztest” erbrachte sogar eine mittelgradige Schwerhörigkeit bds.
Die von Prof. Dr. im Ergebnis vorgenommene Einstufung der Lärmschwerhörigkeit des Klägers als bds. gering- bis mittelgradig, die auch dem sprachaudiometrischen Befund nach dem "Freiburger Sprachtest” aus dem Jahre 1977 entspricht, ist von daher aber ohne weiteres gerechtfertigt und überzeugend. Sie deckt sich im übrigen letztendlich auch mit der Beurteilung der von der Beklagten im Verwaltungsverfahren gehörten Ärzte, einschließlich der des Prof. Dr. in seinem ersten Aktengutachten vom 18. August 1978, worin aufgrund der damaligen Untersuchungsergebnisse in Übereinstimmung mit der späteren Einschätzung des Prof. Dr. im Gutachten vom 1. Oktober 1979 der gesamte Hörschaden des Klägers mit einer MdE um 20 v.H. bewertet wurde. Eine MdE von 15 v.H. wurde seinerzeit nur deshalb vorgeschlagen, weil einem lärmunabhängigen Anteil der Schwerhörigkeit Rechnung getragen werden sollte, der tatsächlich aber nicht vorliegt, wie ausgeführt wurde. Da außerdem von einen konstanten Ausmaß der Schwerhörigkeit des Klägers in der Zeit von 1975 bis 1983 auszugehen ist, ist die von Prof. Dr. nunmehr im Aktengutachten vom 5. März 1984 geäußerte und sich auf Einzelbefunde des Prof. Dr. aus dem Jahre 1983 stutzende abweichende Meinung noch weniger verständlich. Auch die von Prof. Dr. im Gutachten vom 27. September 1977 vorgeschlagene MdE von 15 v.H. ist anhand der von ihm selbst erhobenen audiometrischen Befunde (Sprachaudiogramn nach dem Freiburger Sprachtest, Hörweitenprüfung und Tonaudiogramm) nicht nachvollziehbar, worauf Prof. Dr. schon in seinem Gutachten vom 21. Juli 1983 zu Recht hingewiesen hat, und ebenfalls nur bei Annahme eines lärmunabhängigen Anteils der Schwerhörigkeit zu rechtfertigen, der jedenfalls damals und bis zur Begutachtung durch Prof. Dr. im Jahre 1983 nicht vorlag. Ob nun die von Prof. Dr. erstmals im Dezember 1985 festgestellte Zunahme der Schwerhörigkeit lärmunabhängig ist oder nicht, hatte der Senat nicht zu prüfen, da sich das Ausmaß der von 1975 bis 1983 nachgewiesenen Lärmschwerhörigkeit des Klägers und der vom SG dafür im Urteil vom 22. Oktober 1983 zu Recht festgestellte Grad der MdE von 20 v.H. dadurch zumindest nicht verringern können und (Anschluß-)Berufung vom Kläger nicht eingelegt wurde.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte dem Kläger wegen einer berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. zu gewähren hat.
Der 1935 geborene Kläger durchlief von 1949 bis 1952 eine Lehre als Stellmacher im Fahrzeugbau. Von Februar 1953 bis Februar 1956 arbeitete er als Gedingeschlepper im Bergbau. Von März 1956 bis 1980 war er bis auf geringfügige Unterbrechungen bei der Firma , im Basaltsteinbruch tätig, davon in der Zeit von 1959 bis 1973 als Führer eines Seilbaggers R 18 und von 1973 bis 1979 als Führer eines Hydraulik-Baggers RH 25. Seit Februar 1980 ist er als Baggerführer im Hoch- und Tiefbau bei der Firma , beschäftigt und fährt einen Raupenbagger vom Typ Poclain MC 100.
Im Januar 1976 erstatteten Ärzte der HNO-Universitätsklinik unter Vorlage eines Tonschwellenaudiogramms vom 27. November 1975 und im März 1976 die Firma Anzeigen über das Vorliegen einer Berufskrankheit (BK) in Form einer Lärmschwerhörigkeit, verursacht durch Motorenlärm und Maschinengeräusche bei der Tätigkeit als Baggerführer. Messungen in den Führerhäusern der vom Kläger bei der Firma gefahrenen Bagger ergaben laut Arbeitsplatz-Lärmanalyse des Technischen Aufsichtsbeamten vom 19. Oktober 1976 einen Lärmpegel von 100 bis 102 dB (A) für den Seilbagger und von 88 bis 94 dB (A) bei geschlossener und 92 bis 98 dB (A) bei offener Tür für den Hydraulik-Bagger. Nach einer späteren Messung vom 2. März 1982 wurde für den vom Kläger bei der Firma seit März 1982 gefahrenen Raupenbagger ein durchschnittlicher Schallpegel von 86 dB (A) während des fünfstündigen Baggereinsatzes und unter Einbeziehung von Wartungs- und Umrüstungszeiten von drei Stunden ein Beurteilungspegel von 84 dB (A) ermittelt. In einer weiteren Messung vom 23. Juli 1986 wurde ein Beurteilungspegel zwischen 84 und 85 dB (A) angenommen.
Durch formlosen Bescheid vom 20. Januar 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 1980 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß eine BK nach der Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) vom 8. Dezember 1976 – Lärmschwerhörigkeit – bislang noch nicht vorliege. Sie stützte sich dabei auf Gutachten des Prof. Dr. , Städtisches Krankenhaus , vom 27. September 1977 mit zustimmender Stellungnahme des Landesgewerbearztes im Hess. Sozialministerium vom 6. Januar 1978 und des Dr. , HNO-Universitätsklinik vom 1. Oktober 1979 sowie auf das Aktengutachten vom 18. August 1978 des Prof. Dr. , Medizinische Hochschule und eine gutachterliche Stellungnahme vom 29. Januar 1979 des Prof. Dr. , HNO-Universitätsklinik der sich angesichts nicht abschließender Untersuchungsergebnisse nur unter Vorbehalt äußerte. Im Ergebnis war von den Ärzten eine Schwerhörigkeit des Klägers beiderseits (bds.) mit einem lärmunabhängigen Anteil angenommen worden, wobei letzterer vor allem aus einem atypischen Hörkurvenverlauf im Tonschwellenaudiogramm in den tiefen Frequenzen seit der Hörprüfung im Jahre 1975 abgeleitet wurde. Für den lärmbedingten Anteil wurde eine MdE um 15 v.H. – geringgradige Schwerhörigkeit bds. – vorgeschlagen. Die Gesamt-MdE schätzten Prof. Dr. und Prof. Dr. auf 20 v.H.
Am 12. Juni 1980 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Marburg Klage erhoben. Dieses hat Befundunterlagen des HNO-Arztes Dr. und des Hausarztes Dr. mit Audiogramm vom 13. Juni 1972 beigezogen. Von der Beklagten ist ein weiteres hno-ärztliches Gutachten des Prof. Dr. vom 10. November 1981 vorgelegt worden, in dem eine geringe – fragliche – Hörverschlechterung insbesondere im tiefen Frequenzbereich bescheinigt wurde, die jedoch keine lärmbedingte Ursache haben könne; die MdE betrage weiterhin 15 v.H. Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist ferner das Gutachten vom 21. Juni 1983 des Prof. Dr. von der HNO-Universitätsklinik eingeholt worden, der eine Zunahme des Hörverlustes gegenüber 1977 und 1979 verneinte und quantitativ bds. eine gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit mit einer MdE um 20 v.H. annahm, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit insgesamt lärmbedingt sei. Das atypische Audiogrammbild erkläre sich durch die dreijährige Tätigkeit des Klägers im Bergbau sowie dadurch, daß er bei seiner Tätigkeit als Baggerführer nicht nur Lara, sondern auch Vibrationsschwingungen ausgesetzt gewesen sei, durch die das Innenohr auf andere Weise als durch Lärm belastet werde. Durch Urteil vom 28. Oktober 1983 hat das SG gestützt darauf die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Anerkennung einer gering- bis mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit bds. als Lärmschwerhörigkeit bei Eintritt des Versicherungsfalls am 27. November 1975 eine Entschädigung nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren; auch soweit die Lärmeinwirkung teilweise auf Vibrationen beruhen sollte, könne daraus keine andere Ursache für die Lärmschwerhörigkeit konstruiert werden.
Gegen das ihr am 9. November 1983 zugestellte Urteil hat die Beklagte in 6. Dezember 1983 Berufung eingelegt und geltend gemacht, daß ein Hörverlust durch Vibrationseinflüsse nicht von der BK "Lärmschwerhörigkeit” verursacht durch Schall/Geräusch erfaßt werde, so daß dadurch bedingte Tieftonstörungen bei der MdE-Bemessung nicht berücksichtigt werden könnten. In übrigen sei aber auch für den Gesamthörschaden nach den Befunden des Prof. Dr. N. nur eine MdE um 15 v.H. anzusetzen. Die Beklagte hat sich insoweit auf ein weiteres Aktengutachten vom 5. März 1984 des Prof. Dr. L. bezogen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 28. Oktober 1983 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Im Berufungsverfahren sind von Amts wegen das Gutachten vom 4. Februar 1986 des Prof. Dr. , HNO-Universitätsklinik mit ergänzender Stellungnahme vom 29. Dezember 1987 und die gutachterlichen Stellungnahmen vom 19. Juni 1985 und 5. August 1987 des Prof. Dr. eingeholt und das für ein anderes Verfahren erstattete Gutachten des Prof. Dr. , HNO-Universitätsklinik , beigezogen worden. Prof. Dr. kommt zu dem Ergebnis, daß die gesamte Schwerhörigkeit des Klägers, wie sie sich in den Befunden von 1975 bis 1983 darstelle, ursächlich auf die berufsbedingte Lärmeinwirkung zurückzuführen sei. Bei "strikter” Anwendung der Tabelle von Boennighaus und Röser zur Ermittlung des prozentualen Hörverlustes aus dem Sprachaudiogramm liege der Fall des Klägers im Grenzbereich zwischen einer geringgradigen und gering- bis mittelgradigen Schwerhörigkeit. Aufgrund von Untersuchungsbefunden des Prof. Dr. nach dem "Marburger Satztest” und unter Berücksichtigung des Umstandes, daß sich der Kläger trotz zwischenzeitlich nachweisbarer Zunahme der Schwerhörigkeit seit 1983 nicht um die Anpassung eines Hörgeräts bemüht habe, sei er jedoch der Auffassung, daß die Schwerhörigkeit bis 1983 als geringgradig einzustufen und eine MdE um 15 v.H. angemessen sei. Die jetzt vorliegende Schwerhörigkeit sei zwar bds. mittelgradig und mit einer MdE um 30 v.H. zu bewerten; die Verschlechterung seit 1983 könne jedoch nicht mehr auf Lärmeinwirkung am Arbeitsplatz zurückgeführt werden, da eine Gefährdung des Gehörs seit Februar 1980 praktisch nicht mehr bestehe. Demgegenüber hat Prof. Dr. an seiner Beurteilung festgehalten und u.a. darauf verwiesen, daß die Boennighaus-Röser’sche Tabelle für den prozentualen Hörverlust aus dem Sprachaudiogramm den Hörverlust bei geringer Schwerhörigkeit grundsätzlich zu niedrig bewerte und eine "strikte” Anwendung auch im Widerspruch zu den "Empfehlungen des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit”, dem sog. Königsteiner Merkblatt, 2. Auflage, 1986, stehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Das SG hat zutreffend entschieden, daß dem Kläger ab 1975 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. wegen einer berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit (Innenohrschwerhörigkeit) bds. zusteht (§§ 551 Abs. 3, 581 Abs. 1 Nr. 2 Reichsversicherungsordnung –RVO–). Daß eine BK nach der Nr. 26 der Anlage 1 zur 7. BKVO bzw. der Nr. 2101 der Anlage zur BKVO vom 8. Dezember 1976 (BGBl. I 3329) vorliegt, ist von den im vorliegenden Verfahren gehörten zahlreichen Audiologen einwandfrei nachgewiesen und überstimmend bejaht worden. Auch die Beklagte bestreitet dies im Grunde nicht. Soweit sie den Kläger dahin beschieden hat, daß eine BK bei ihm noch nicht vorliege, beruht dies offensichtlich auf der unzutreffenden Auffassung, daß eine Lärmschwerhörigkeit als BK nach der BKVO erst bei einem Grad Der MdE um 20 v.H. festzustellen sei.
Das SG hat im Ergebnis auch zu Recht angenommen, daß die Lärmschwerhörigkeit des Klägers in einem Umfang besteht, der als bds. gering- bis mittelgradig zu bewerten ist, woraus sich unter Anwendung der MdE-Tabelle (Feldmann) gemäß Ziff. 4 des Königsteiner Merkblatts, in der Fassung der 2. Auflage 1986 ein zum Rentenbezug berechtigender Grad der MdE um 20 v.H. ergibt. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, bedarf es keiner Erörterung sog. Vibrationsschäden an den Ohren und der Möglichkeit ihrer Zuordnung zur BK. "Lärmschwerhörigkeit”. Denn aufgrund des von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Gutachtens vom 5. März 1984 des Prof. Dr. und insbesondere der eingehenden und schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. im Gutachten vom 4. Februar 1986 steht zur Überzeugung des Senats fest, daß die für die Zeit von 1975 bis 1983 beim Kläger nachgewiesene Schwerhörigkeit bds. entgegen der von den im Verwaltungsverfahren gehörten Ärztin vertretenen Auffassung in vollem Umfang durch Lärmeinwirkung bei der Arbeit verursache worden ist, wie Prof. Dr. im einzelnen dargelegt hat, spricht dafür die vorangegangene erhebliche Lärmexposition des Klägers während seines Berufslebens, insbesondere während seiner. Tätigkeit als Baggerführer in der Zeit von 1959 bis 1973, in der er sogar einem Lärmpegel von 100 bis 102 dB (A) ausgesetzt war, sowie der nicht progrediente Verlauf der Schwerhörigkeit von 1975 bis 1983. Der Sachverständige hat insoweit anhand einer eigenen Übersichttabelle dokumentiert und erläutert, daß die Hörwerte der durchgeführten ton- und sprachaudiometrischen Untersuchungen zwar etwas schwankten, eine nennenswerte Zunahme der Schwerhörigkeit jedoch nicht zu verzeichnen ist und insbesondere auch die tonaudiometrischen Befunde der HNO-Universitäts-Klinik vom 27. November 1975 und 21. Juni 1983 bei anzunehmenden konstanten Untersuchungsbedingungen in keiner Frequenz eine Verschlechterung aufweisen. Auch der tonaudiometrische Kurvenverlauf und das Ergebnis überschwelliger Prüfungen sind seinen Ausführungen zufolge durchaus mit der Annahme einer ausschließlich lärmbedingten Schwerhörigkeit vereinbar. Sie weisen ganz überwiegend auf einen Sitz der Hörstörung in der Hörschnecke hin und sind gekennzeichnet durch ein sog. positives Recruitment, wie aus den 1983 gemessenen Stapedius Reflexschwellen und dem positiven Ausfall des SISI-Tests 1979 und 1983 hervorgeht. Erst seit dem Gutachten des Prof. Dr. aus dem Jahre 1983 bis zur Untersuchung des Klägers durch Prof. Dr. im Dezember 1985 ist eine Verschlechterung aller relevanten Hörwerte bei auf beiden Seiten negativem SISI-Test zu verzeichnen, was nach Auffassung des Sachverständigen darauf hindeuten kann, daß nunmehr eine retrocochleare Komponente der Hörstörung aufgetreten ist. Nach Aussage des Prof. Dr. trifft es entgegen der Ansicht der Beklagten vor allem auch nicht zu, daß sich Lärmschäden nur in Hochtonverlusten äußern, sondern es ist das gesamte Frequenzspektrum des Lärms zu berücksichtigen. Da der Lärm von Baggern, u.a. der vom Kläger gefahrenen Bagger (vgl. Bericht des Technischen Aufsichtsbeamten vom 5. Januar 1984), auch viele tiefe Frequenzen enthält, ist es insoweit ohne weiteres verständlich, daß auch die mittleren Frequenzen des Tongehörs in Mitleidenschaft gezogen wurden und es auf diese Weise zu einer "Variante” der Lärmschwerhörigkeit mit nicht ganz typischer Hörschwellenkurve im Tonaudiogramm gekommen ist. Zusammenfassend ist mit Prof. Dr. und auch Prof. Dr. festzustellen, daß für die Annahme einer ausschließlich berufs- und lärmbedingten Innenohrschwerhörigkeit bds. hier letztlich die Tatsache genügt, daß der Kläger als Baggerführer jahrelang von 1959 bis 1973 ohne jeden Hörschutz oder allenfalls ab Anfang der 70er Jahre mit Hörschutzwatte einem Beurteilungspegel von 100 bis 102 dB (A) ausgesetzt war, weil die reine nachgewiesene Lärmexposition den entstandenen Schaden völlig ausreichend erklärt.
Hinsichtlich der Einstufung der für die Zeit von 1975 bis 1983 festgestellten, ausschließlich berufs- und lärmbedingten Innenohrschwerhörigkeit des Klägers als geringgradig kann Prof. Dr. und Prof. Dr. hingegen nicht gefolgt werden. Bei Anwendung der Tabelle von Boennighaus und Röser gemäß Ziff. 4 des Königsteiner Merkblatts zur Ermittlung des prozentualen Hörverlusts aus dem Sprachaudiogramm nach dem sog. Freiburger Sprachtest ergibt sich nach der Übersichtstabelle des Sachverständigen Prof. Dr. für 1977 (Gutachten Prof. Dr. ) ein Hörverlust des Klägers von bds. 40 %, für 1979 (Gutachten Prof. Dr. ) von bds. 30 % und für 1983 (Gutachten Prof. Dr. ) von 40 % rechts und 30 % links, wobei ein prozentualer Hörverlust von 30 % allgemein als geringgradig und ein solcher von 40 % als gering- bis mittelgradig eingestuft wird. Nach der MdE-Tabelle (Feldmann) gemäß Ziff. 4 des Königsteiner Merkblatts ist für eine bds. geringgradige Schwerhörigkeit im allgemeinen eine MdE von 15 v.H. und für eine bds. gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit eine MdE von 20 v.H. vorgesehen. Der Fall des Klägers liegt – wie auch Prof. Dr. einräumt – somit nach dem sprachaudiometrischen Befund aus dem sog. Freiburger Sprachtest, bei dem das Verstehen von zweistelligen Zahlwörtern und das Verständnis für einsilbige Hauptwörter über Kopfhörer unter "labormäßigen” Bedingungen geprüft wird, im Grenzbereich. Die weitere Beurteilung hängt deshalb jedoch nicht von der Frage ab, ob die Boennighaus-Röser’sche Tabelle für den prozentualen Hörverlust aus dem Sprachaudiogramm grundsätzlich oder jedenfalls bei beginnenden bzw. geringgradigeren Hörstörungen Hörverluste zu niedrig bewertet und ob sie aus diesem Grunde teilweise oder überhaupt nicht mehr angewandt und statt dessen in erster Linie der sog. Marburger Satztest mit beidohriger Prüfung im freien Sprachfeld unter Zumischung eines umweltsimulierenden Störgeräusches zur Bestimmung des Hörverlustes herangezogen werden soll (vgl. dazu u.a. Husmann im SozVers. 1988, Seite 69 ff.). Denn der sprachaudiometrische Befund nach dem "Freiburger Sprachtest” ist nach Ziffer 3.6 des Königsteiner Merkblatts jedenfalls nicht die alleinige, sondern nur die "wichtigste” bzw. vorrangige (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts – BSG – vom 15. Dezember 1982 – 2 RU 55/81) Grundlage für die Bemessung der MdE. Das gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – die ermittelten Hörverluste aus dem Sprachaudiogramm bei anzunehmender konstanter Schwerhörigkeit nur geringfügige Schwankungen aufweisen und allein danach eine geringgradige Lärmschwerhörigkeit bds. ebenso wahrscheinlich ist wie eine gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit bds. und außerdem noch eine gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit rechts und geringgradige Schwerhörigkeit links in Betracht kommt. Vielmehr ist die Heranziehung weiterer Untersuchungsergebnisse in einem solchen Fall unumgänglich, da andernfalls überhaupt nicht begründet werden kann, warum einer der verschiedenen Untersuchungsergebnisse aus dem "Freiburger Sprachtest” nun repräsentativ für das Ausmaß der von 1975 bis 1983 unveränderten Lärmschwerhörigkeit sein soll, es sei denn, man ginge von einer non liquet Situation aus und sähe das für den Kläger günstigste Untersuchungsergebnis als nicht erwiesen an. Das ist jedoch nicht zulässig, sofern es weitere medizinisch anerkannte Untersuchungsmethoden zur Ermittlung des quantitativen Hörverlustes als Grundlage für die Bemessung der MdE gibt, was der Fall ist. Denn andere Grundlagen für die Bewertung der MdE außer dem sprachaudiometrischen Befund als der "wichtigsten” Grundlage sind – wie Prof. Dr. zutreffend eingewandt hat – im Königsteiner Merkblatt selbst ausdrücklich genannt. So hat nach Ziff. 3.7 die Hörweitenprüfung mit viersilbigen Zahlwörtern in Umgangs- und Flüstersprache als Ergänzung und Kontrolle der sprachaudiometrischen Untersuchung Bedeutung. Nach Ziff. 3.8 sind weitere Untersuchungen bzw. Simulations-Tests und der "Marburger Satztest” angezeigt, wenn nach den Ziff. 3.1 bis 3.8, u.a. also der sprachaudiometrischen Untersuchung nach dem Freiburger Sprachtest, eine abschließende Beurteilung der BK nicht möglich ist. Eine Einschränkung dahin, daß diese Untersuchungen nur dann in Betracht kommen, soweit es um das Vorliegen einer Lärmschwerhörigkeit als BK geht, nicht aber dann, wenn deren Ausmaß nicht abschließend geklärt ist, ist dem Merkblatt nicht zu entnehmen. Ziff. 4 sieht ferner ausdrücklich vor, daß "immer mehrere Untersuchungsmethoden” zur MdE-Bewertung herangezogen werden sollen und nennt besonders die von Prof. Dr. überhaupt nicht berücksichtigte Hörweitenprüfung und den aus der entsprechenden Tabelle von Boennighaus und Röser daraus zu ermittelnden Hörverlust. Schließlich wird in Ziff. 3.4 des Königsteiner Merkblatts auch dem Tonschwellenaudiogramm nicht nur differentialdiagnostisch zur Klärung der Ursachen einer Schwerhörigkeit, sondern auch für die Beurteilung von Grenzfällen "zum Beispiel” an der Grenze zwischen Normalhörigkeit und geringgradiger Schwerhörigkeit Bedeutung beigemessen, weil eine Entscheidung hierüber nach dem Sprachaudiogramm gelegentlich strittig ist. Zwar heißt es dann weiter, daß der Befund des Tonaudiogramms bei der Festsetzung der MdB mit zu berücksichtigen ist, wenn das Sprachaudiogramm "noch keinen zu bewertenden Hörverlust”, das Tonaudiogramm aber einen stärkeren Verlust im Hochtonbereich zeige. Daraus kann jedoch nicht entnommen werden, daß das Tonschwellenaudiogramm nur für den als "Beispiel” genannten Grenzfall zwischen Normalhörigkeit und geringgradiger Schwerhörigkeit, nicht aber auch für andere Grenzfälle wie dem zwischen geringgradiger und gering- bis mittelgradiger Schwerhörigkeit herangezogen werden kann, wie Prof. Dr. offenbar meint. Auch von einem Abweichen von allgemeinen Bewertungstabellen und der ihnen nach dem Königsteiner Merkblatt zugewiesenen Rangordnung kann jedenfalls dann keine Rede sein, wenn der Befund aus dem Sprachaudiogramm nicht durch den des Tonaudiogramms ersetzt wird, sondern letzterer nur neben anderen Untersuchungsergebnissen zur Klärung der Frage herangezogen wird, welcher von verschiedenen sprachaudiometrischen Befunden nach dem sog. Freiburger Sprachtest nun mit Wahrscheinlichkeit der Wirklichkeit am nächsten kommt. Dazu ist u.a. das Tonschwellenaudiogramm mindestens ebenso geeignet wie der von Prof. Dr. zur Feststellung einer bds. geringgradigen Schwerhörigkeit des Klägers letztendlich herangezogene Gesichtspunkt, daß der Kläger – trotz zwischenzeitlich nachgewiesener Zunahme seiner Schwerhörigkeit – kein Hörgerät benutzt habe, ganz abgesehen davon, daß der Kläger seinem eigenen Vortrag zufolge bis zur Untersuchung durch Prof. Dr. aufgrund einer Bemerkung seines Hausarztes davon ausgegangen ist, daß ein Hörgerät bei einer Lärmschwerhörigkeit keine nennenswerte Besserung bringe. Dieser vom Sachverständigen angeführte Gesichtspunkt sowie die Bezugnahme auch auf Untersuchungsergebnisse des "Marburger Satztests” von Prof. Dr. zeigen im übrigen, daß die zunächst befürwortete "strikte” Anwendung der Boennighaus-Röser’schen Tabelle für den Hörverlust auf dem Sprachaudiogramm angesichts der etwas schwankenden Untersuchungsergebnisse hier eben keine abschließende Beurteilung des quantitativen Hörverlustes des Klägers als Voraussetzung für die Anwendung der MdE-Tabelle (Feldmann) erlaubt, sondern noch auf andere Überlegungen und Untersuchungsergebnisse zurückgegriffen werden muß.
Die danach notwendige und nach dem Königsteiner Merkblatt auch zulässige Berücksichtigung weiterer Untersuchungsergebnisse zur Ermittlung des quantitativen Hörverlustes als Grundlage der MdE-Bemessung hat zur Folge, daß beim Kläger für die Zeit von 1975 bis 1983 von einer bds. gering- bis mittelgradigen Lärmschwerhörigkeit auszugehen ist, aus der bei Anwendung der MdE-Tabelle (Feldmann) gemäß Ziff. 4 des Königsteiner Merkblatts eine MdE von 20 v.H. resultiert. Soweit Prof. Dr. und Prof. Dr. in seinem zweiten Gutachten vom 5. März 1984 das Vorliegen einer bds. geringgradigen Schwerhörigkeit gerade auch mit den Ergebnissen des von Prof. Dr. durchgeführten und vom Kläger als maßgeblich erachteten "Marburger Satztests”, also der Prüfung des beidohrigen Satzverständnisses unter umweltsimulierendem Rauschen begründen, ist dies nicht überzeugend. Zum einen geht Prof. Dr. irrtümlich davon aus, daß vom Kläger im Marburger Testverfahren bei einem Sprachschallpegel von 55 dB (A), der leiser Umgangssprache bzw. normaler Unterhaltungssprache aus etwa 6 m Entfernung entspricht, Sätze zu 86 % richtig verstanden wurden. Eine derartige Verständigungsrate wurde nach dem Gutachten des Prof. Dr. vom 21. Juni 1983 nämlich nur unter unnatürlich umweltschallarmen Bedingungen im sprachaudiometrischen Labor erreicht.
Bei umweltsimulierendem Rauschen ergab sie sich hingegen erst bei einem Sprachpegel von 65 dB (A). Zum anderen entspricht dieses Prüfungsergebnis aus dem "Marburger Satztest” nach den Ausführungen des Prof. Dr. in seinen ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen zwar einem ausreichenden, wenn auch nicht mehr vollständigem Satzverständnis unter wirklichkeitsnahen Bedingungen; dies jedoch nur bei einer Hörweite von 1 m, die grundsätzlich nicht die Grenze zwischen gering- und mittelgradiger, sondern zwischen mittel- und hochgradiger Schwerhörigkeit markiert (vgl. auch MdE-Tabelle (Feldmann) gemäß Ziff. 4 des Königsteiner Merkblatts). Der weitere Einwand des Prof. Dr. , daß die Hörweite für Zahlwörter in Umgangssprache 1983 rechts mehr als 7 m und links 7 m betragen habe, ist ebenfalls nicht stichhaltig. Prof. Dr. hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf verwiesen, daß auch die Hörweite für geflüsterte Zahlwörter, die in der Tabelle von Boennighaus und Röser für den prozentualen Hörverlust aus der Hörweitenprüfung ausdrücklich einbezogen ist, berücksichtigt werden muß. Dann aber errechnet sich nach den Befunden des Prof. Dr. aus dem Jahre 1983 unter Anwendung der Tabelle Boennighaus und Röser für den prozentualen Hörverlust aus der Hörweitenprüfung für das rechte Ohr einen Hörverlust von 40 % und für das linke Ohr von 40 bis 50 % und damit eine gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit rechts und eine mittelgradige Schwerhörigkeit links. Im übrigen ergab nicht nur die Hörweitenprüfung nach Ziff. 3.7 des Königsteiner Merkblatts und ihre Auswertung nach der Tabelle Boennighaus und Röser genau Ziff. 4 eine gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit rechts und eine mittelgradige Schwerhörigkeit links. Entsprechend war auch der prozentuale Hörverlust aus dem Tonaudiogramm nach der Röser’schen Tabelle 1973 und bei der Hörweitenprüfung mit Sätzen für das rechte Ohr und bei beiderseitiger Prüfung, Die sprachaudiometrische Prüfung des beidohrigen Satzverständnisses nach dem "Marburger Satztest” erbrachte sogar eine mittelgradige Schwerhörigkeit bds.
Die von Prof. Dr. im Ergebnis vorgenommene Einstufung der Lärmschwerhörigkeit des Klägers als bds. gering- bis mittelgradig, die auch dem sprachaudiometrischen Befund nach dem "Freiburger Sprachtest” aus dem Jahre 1977 entspricht, ist von daher aber ohne weiteres gerechtfertigt und überzeugend. Sie deckt sich im übrigen letztendlich auch mit der Beurteilung der von der Beklagten im Verwaltungsverfahren gehörten Ärzte, einschließlich der des Prof. Dr. in seinem ersten Aktengutachten vom 18. August 1978, worin aufgrund der damaligen Untersuchungsergebnisse in Übereinstimmung mit der späteren Einschätzung des Prof. Dr. im Gutachten vom 1. Oktober 1979 der gesamte Hörschaden des Klägers mit einer MdE um 20 v.H. bewertet wurde. Eine MdE von 15 v.H. wurde seinerzeit nur deshalb vorgeschlagen, weil einem lärmunabhängigen Anteil der Schwerhörigkeit Rechnung getragen werden sollte, der tatsächlich aber nicht vorliegt, wie ausgeführt wurde. Da außerdem von einen konstanten Ausmaß der Schwerhörigkeit des Klägers in der Zeit von 1975 bis 1983 auszugehen ist, ist die von Prof. Dr. nunmehr im Aktengutachten vom 5. März 1984 geäußerte und sich auf Einzelbefunde des Prof. Dr. aus dem Jahre 1983 stutzende abweichende Meinung noch weniger verständlich. Auch die von Prof. Dr. im Gutachten vom 27. September 1977 vorgeschlagene MdE von 15 v.H. ist anhand der von ihm selbst erhobenen audiometrischen Befunde (Sprachaudiogramn nach dem Freiburger Sprachtest, Hörweitenprüfung und Tonaudiogramm) nicht nachvollziehbar, worauf Prof. Dr. schon in seinem Gutachten vom 21. Juli 1983 zu Recht hingewiesen hat, und ebenfalls nur bei Annahme eines lärmunabhängigen Anteils der Schwerhörigkeit zu rechtfertigen, der jedenfalls damals und bis zur Begutachtung durch Prof. Dr. im Jahre 1983 nicht vorlag. Ob nun die von Prof. Dr. erstmals im Dezember 1985 festgestellte Zunahme der Schwerhörigkeit lärmunabhängig ist oder nicht, hatte der Senat nicht zu prüfen, da sich das Ausmaß der von 1975 bis 1983 nachgewiesenen Lärmschwerhörigkeit des Klägers und der vom SG dafür im Urteil vom 22. Oktober 1983 zu Recht festgestellte Grad der MdE von 20 v.H. dadurch zumindest nicht verringern können und (Anschluß-)Berufung vom Kläger nicht eingelegt wurde.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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