Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 1b U 86/94
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 97/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 17. November 1994 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger streitet um die Anerkennung und Entschädigung eines Insektenstiches vom 25. August 1988 als Arbeitsunfall.
Nach der Unfallanzeige des Klägers vom 5. November 1990 mit Ergänzung vom 28. Januar 1991 war er als Textilmeister und Kontrolleur in der Auslandsfertigung der Firma Bekleidung GmbH, , eingesetzt und nach Mitteilung der Beschäftigungsfirma vom 11. Januar und 19. Juli 1991 dauerte der Auslandseinsatz vom 15. August bis 2. September 1988. Es war Aufgabe des Klägers, die Produktion der bei der Firma in Split in Auftrag gegebenen Fertigung von Bekleidungsteilen zu überwachen. Der Kläger gab an, er sei am 25. August 1988 gegen 12.30 Uhr in Split auf dem Weg zum Hotel von einem Insekt gestochen worden. Die Arbeitszeit habe zwei Schichten von 6.00 bis 14.00 Uhr und von 14.00 bis 22.00 Uhr umfaßt und die Mittagspause habe er in der Zeit von 12.00 bis 15.00 Uhr im Hotel verbracht. Der Kläger fügte einen Bericht des Dr. J. Städtische Kliniken vom 25. Oktober 1990 bei, der als Diagnosen eine Thrombozytose bei Verdacht auf myeloproliferatives Syndrom, eine abgelaufene Borreliose mit Verdacht auf Nervenbefall, einen Zustand nach Pankreatitis sowie Hypercholesterinämie enthielt.
Die Beklagte zog Berichte des Prof. L. von derselben Klinik vom 31. Mai 1989 und 13. Mai 1991 bei, die ebenfalls die Verdachtsdiagnose einer Polyneuropathie ungeklärter Herkunft bei Nachweis einer serumpositiven Borreliose aufstellten. Prof. L. vertrat im zweiten Bericht die Auffassung, aufgrund der Anamnese und der Vorbefunde sei davon auszugehen, daß die Beschwerden des Klägers seit September 1988 in Form von Gliederschmerzen, Gelenkbeschwerden und zeitweisen Lähmungserscheinungen des rechten Beines auf die im August 1989 diagnostizierte Neuroborreliose zurückzuführen seien. Eine Verursachung durch einen Insektenstich am 25. August 1988 komme durchaus in Frage. Auch die Symptomschilderung mit schmerzhafter Rötung an der Stichstelle und die weitere Symptomentwicklung innerhalb von drei Wochen sei mit einer damals übertragenen Borrelieninfektion vereinbar. Inwieweit eine seit August 1989 bekannte Thrombozytose von der Neuroborreliose unabhängig sei, müsse internistischerseits überprüft werden. Auch der Hausarzt Dr. W. vertrat im Bericht vom 14. Februar 1991 die Auffassung, ein Zusammenhang zwischen dem Entstehen der Neuroborreliose und einem Zeckenbiß am 25. August 1988 sei wahrscheinlich. Der am 15. März 1991 vor der Gemeinde gehörte Arbeitskollege G. F. gab an, er habe mit dem Kläger gemeinsam den Rückweg zur Mittagspause durch einen kleinen Park in Richtung einer Bushaltestelle zurückgelegt. Der Kläger habe sich plötzlich beklagt, von einem Insekt im Nacken gestochen worden zu sein. Er habe den Kläger am folgenden Tag darauf aufmerksam gemacht, daß der Nacken im Bereich der Einstichstelle gerötet und etwas angeschwollen sei.
Der Neurologe Dr. H. vertrat im von der Beklagten eingeholten Aktengutachten vom 5. Mai 1992 die Auffassung, beim Kläger seien keine Diagnosen gesichert und auch kein Leiden auf den Insektenstich vom 25. August 1988 zurückzuführen. Dres. L. und G. von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik vertraten im Aktengutachten vom 8. Juli 1992 die Auffassung, eine Neuroborreliose sei durch die vorgelegten Befunde beim Kläger nicht ausreichend belegt. Als einzig gesicherter Überträger für die Lyme-Borreliose seien Zecken bekannt, während keine gesicherten Erkenntnisse für Stechfliegen, Mücken und Flöhe als Überträger bestünden. Es sei willkürlich, einen Insektenstich vom 25. August 1988 als Borrelioseinfizierung anzuschuldigen. Die Inkubationszeit für die Neuroborreliose betrage einen bis vier Monate. Berücksichtige man, daß der Kläger sich erstmals am 15. September 1988 krank gemeldet habe, sei mit Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, daß er sich vor dem Beginn seines Jugoslawienaufenthaltes Mitte August 1988 bereits infiziert habe. Mit Bescheid vom 4. Februar 1993 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab, da die Diagnose einer Neuroborreliose nicht gesichert sei und selbst bei Annahme einer Neuroborreliose diese nicht mit Wahrscheinlichkeit auf das angeschuldigte Ereignis vom 25. August 1988 zurückgeführt werden könne. Ihren Bescheid stützte sich auf die Gutachten des Dr. H.- und der Dres. und.
Mit Widerspruch vom 1. September 1993 legte der Kläger einen Bericht des ihn ab 1991 behandelnden Internisten S. vom 22. Juni 1993 vor, der sich kritisch mit dem Gutachten der Dres. L. und G. auseinandersetzte. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 1994 verblieb die Beklagte bei ihrer Entscheidung.
Der Kläger legte am 17. Februar vor dem Sozialgericht Fulda (SG) Klage ein und trug vor, er leide unter typischen Beschwerden im Sinne einer Neuroborreliose, wobei sie zu einem myeloproliferativen Syndrom mit erhöhten Thrombozyten und Leukozyten geführt habe.
Mit Urteil vom 17. November 1991 hat das SG die Klage abgewiesen, da nicht feststellbar sei, von welchem Insekt der Kläger am 25. August 1988 gestochen worden sei. Die Hergangsschilderung spreche gegen das Erleiden eines Zeckenbisses und für den Stich eines anderen Insekts. Die Sicherung einer Diagnose sei danach nicht nötig.
Gegen das ihm am 19. Januar 1995 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. Februar 1995 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und vorgetragen, die Erkrankung des Knochenmarks bestehe fort verbunden mit Müdigkeit, Konzentrationsmangel, Gedächtnisausfällen und Nervenschmerzen in Beinen und Füßen. Der Kläger hat einen Bericht des Internisten S. vom 8. September 1996 vorgelegt und im Erörterungstermin vom 13. September 1996 persönlich gehört angegeben, der Weg von der Firma zur Bushaltestelle habe durch eine Allee und einen kleinen Park geführt. Als er sich zusammen mit dem Vorgesetzten G. F. im Park befunden habe, habe er einen Pieks im Nacken verspürt und dies seinem Vorgesetzten berichtet. Zwei oder drei Tage später habe der Stich mehr und mehr angefangen zu jucken und er habe den Vorgesetzten nachsehen lassen. Er habe ihm berichtet, daß sich um die Einstichstelle herum eine Rötung gebildet habe und der Bereich etwas geschwollen gewesen sei. Ihm sei weder vorher noch nachher ein Insektenstich in Erinnerung, der zu derartigen Folgen geführt hätte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 17. November 1994 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Februar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 1994 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Unfalles vom 25. August 1988 Verletztenrente in gesetzlichem Umfange zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und hat eine beratungsärztliche Stellungnahme des Chirurgen Dr. S. vom 1. Februar 1996 vorgelegt, die sich den im Verwaltungsverfahren erstatteten Gutachten anschließt.
Der Senat hat einen Bericht des Hautarztes Dr. K. vom 26. Juli 1995, einen Bericht des Internisten S. vom 26. September 1995 mit Eigen- und Fremdbefunden sowie die kompletten Hausarztunterlagen des Dr. W. und des Internisten S. sowie dieselben der Städtischen Klinik beigezogen. Sodann hat er ein neurologisches Gutachten des Prof. H. eingeholt, welches am 19. Dezember 1996 bei Gericht einging. Prof. H. gelangte darin zu dem Ergebnis, seine Untersuchung des Klägers habe Hinweise auf eine leichte Polyneuropathie mit abgeschwächten Muskeleigenreflexen an den unteren Extremitäten und Gefühlsstörungen an den Füßen ergeben, wobei die Krankheitserscheinungen insgesamt als geringgradig einzustufen seien. Diese Beschwerden seien nicht mit Wahrscheinlichkeit auf eine Borrelieninfektion zurückzuführen, ebenso wenig auf einen Insektenstich im August 1988. Zu diesem Ergebnis gelangte er nach detaillierter Würdigung von Krankengeschichte und Leidensentwicklung des Klägers bei nochmaliger Auswertung der früher erhobenen serologischen Befunde unter Mitberücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse zur Entstehung von Neuroborreliosen.
Beide Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß der Rechtsstreit durch den Berichterstatter als Einzelrichter entschieden wird.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers (§§ 151, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz –SGG–), über die der Berichterstatter im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senats entschieden hat (§ 155 Abs. 3 und 4 SGG), ist nicht begründet, da das SG im Ergebnis zutreffend erkannt hat, daß dem Kläger aus Anlaß des Ereignisses vom 25. August 1988 eine Verletztenrente nicht zusteht.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da das vom Kläger als Arbeitsunfall geltend gemachte Ereignis vor Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches – 7. Band (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art. 36 UVEG, § 212 SGB VII). Nach § 581 Abs. 1 Ziff. 2 RVO erhält ein Versicherter Verletztenrente, solange seine Erwerbsfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalles um wenigstens ein Fünftel (20 v.H.) gemindert ist. Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Nach der in Rechtsprechung und Schrifttum seit längerem vertretenen Auffassung ist unter einem Unfall ein von außen auf den Menschen einwirkendes, körperlich schädigendes Ereignis zu verstehen, das sich innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraums, höchstens innerhalb einer Arbeitsschicht zugetragen hat (BSG in SozR 2200 § 550 Nr. 35; BSG, Urteil vom 11. Juni 1990, Az.: 2 RU 53/89; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 479). Dabei muß für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ein zweifacher ursächlicher Zusammenhang gegeben sein, nämlich einmal zwischen der unfallbringenden Tätigkeit und dem Unfallereignis (sog. haftungsbegründende Kausalität) und zum anderen zwischen dem Unfallereignis und der Gesundheitsschädigung (sog. haftungsausfüllende Kausalität; zu allem vgl. Lauterbach-Watermann, Komm. zur gesetzlichen Unfallversicherung, § 548 Anm. 5). Während es für die Bejahung dieses ursächlichen Zusammenhangs ausreicht, daß eine hinreichende Wahrscheinlichkeit vorliegt, d.h. bei vernünftiger Abwägung aller Umstände muß den Umständen ein deutliches Übergewicht zukommen, die für den Zusammenhang sprechen, so daß darauf die richterliche Überzeugung begründet werden kann, ist für die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen der Vollbeweis erforderlich. Das heißt allerdings nicht, daß diese Tatsachen mit absoluter Gewißheit festgestellt werden müssen, so daß jede nur denkbare andere Möglichkeit ausgeschlossen ist. Es reicht auch hier ein der Gewißheit nahekommender Grad der Wahrscheinlichkeit (BSGE 45, 285, 287; 58, 80, 83). Als Arbeitsunfälle sind schon immer sog. Unfälle des täglichen Lebens anerkannt worden, wenn im übrigen die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalles vorlagen – beispielsweise beim Erleiden eines Wespen- oder Insektenstiches (Lauterbach-Watermann, a.a.O., Anm. 26 zu § 548; Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, Anm. 7–25 zu § 8 SGB VII; Ricke in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band 2, Anm. 47 zu § 8 SGB VII; Urteile des BSG vom 29. Oktober 1981, Az.: 8/8 a RU 54/88 sowie in SozR 3-2200 Nr. 4 zu § 548 RVO). Dabei genügt der persönliche, örtliche und zeitliche Zusammenhang der Schädigung mit der beruflichen Beschäftigung nicht. Der Versicherte muß durch seine versicherte Tätigkeit an die Stelle geführt worden sein, an der zu dieser Zeit die Gefahr wirksam wurde, der er erlegen ist, und der er sonst wahrscheinlich nicht erlegen wäre. Diese Gefahr muß aber keine durch das Wesen des Betriebes bedingte ihm eigentümliche Gefahr gewesen sein, denn der Unfallversicherungsschutz erstreckt sich nicht nur auf derartige Gefahren sondern auf alle Gefahren, auch die des täglichen Lebens, denen der Versicherte durch die versicherte Tätigkeit ausgesetzt war (BSGE 6, 164, 168, 169; 21, 101).
Entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Kläger am 25. August 1988 einen Arbeitsunfall im Sinne des § 548 Abs. 1 RVO erlitten hat. Der Kläger war als Textilmeister und Kontrolleur in der Auslandsfertigung der Firma V. Bekleidung GmbH in nach Mitteilungen der Beschäftigungsfirma vom 11. Januar und 19. Juli 1991 im Zeitraum vom 15. August bis 2. September 1988 eingesetzt. Bei dieser in der Firma in Split ausgeübten beruflichen Tätigkeit war der Kläger im Wege der Ausstrahlung (§ 4 Abs. 1 SGB IV) weiterhin bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert. Der Unfallversicherungsschutz erstreckte sich auch auf den am Unfalltag angetretenen Rückweg von der Arbeitsstätte zur Unterkunft im Hotel, um dort das Mittagessen einzunehmen und die von 12.00 bis 15.00 Uhr dauernde Mittagspause zu verbringen (zum Versicherungsschutz auf derartigen Wegen zur Mittagspause vgl. Lauterbach-Watermann, a.a.O., Anm. 65 zu § 548 RVO und 8 zu § 550 RVO zum Stichwort "Einnahme von Mahlzeiten” m.w.N.; BSGE 50, 100, 101; 63, 273, 274). Auf diesem Weg, der den Kläger durch einen kleinen Park führte, verspürte er "einen Pieks” im Nacken, wie er bereits in der Unfallschilderung vom 28. Januar 1991 angegeben und im Erörterungstermin vom 13. Mai 1996 im Berufungsverfahren wiederholt hat. Dem ihn begleitenden Vorgesetzten G. F. teilte er noch unterwegs mit, von einem Insekt gestochen worden zu sein, was der Mitarbeiter am 15. März 1991 vor der Gemeinde als Zeuge gehört bestätigt hat. Der Stich führte zu einer Rötung und Schwellung im Bereich der Einstichstelle am Nacken, worauf der Vorgesetzte F. den Kläger in den nächsten Tagen aufmerksam machte und was der Kläger auch verspürte. Der Kläger wurde infolge seiner versicherten Tätigkeit an die Stelle geführt, wo ihn das Insekt stach. Es sind keine Anhaltspunkte erkennbar, daß er der Gefahr auch erlegen wäre, wenn er nicht beruflich veranlaßt worden wäre, im ehemaligen Jugoslawien den durch einen Park führenden und mit einer erhöhten Insektenstichgefahr verbundenen Weg in die Mittagspause zurückzulegen. Letztlich sind keine anderen, dem unversicherten Bereich entstammenden Bedingungen bekannt geworden, die die Wirksamkeit der versicherten Tätigkeit so in den Hintergrund hätten drängen können, daß sie wegen ihrer geringen Wirkung für den eingetretenen Unfall praktisch außer Betracht bleiben müßte (dazu BSG in SozR 3-200 Nr. 4 zu § 548 RVO).
Während somit im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität feststellbar ist, daß den Kläger am 25. August 1988 ein im inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehendes, von außen auf ihn einwirkendes Ereignis traf und ihn in Gestalt einer Rötung und Schwellung an der Einstichstelle im Nacken körperlich schädigte, ist die haftungsausfüllende Kausalität nicht zu bejahen. Denn es ist nicht erwiesen, daß die den Kläger dauerhaft belastende Gesundheitsstörung, insbesondere die auch im Gutachten des Prof. H. im November 1996 noch immer beschriebene, 1989 in den Städtischen Kliniken erstmals diagnostizierte Polyneuropathie, mit überwiegenden medizinischen Gründen auf den als Arbeitsunfall anzuerkennenden Insektenstich vom 25. August 1988 ursächlich zurückgeführt werden kann. Die beim Kläger fortbestehende Polyneuropathie könnte nur dann mit dem Insektenstich in einen wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang gebracht werden, wenn diese Erkrankung durch eine Borreliose entstanden wäre, mit der der Kläger anläßlich des Insektenstiches vom 25. August 1988 infiziert worden wäre. Weder der vom Kläger geschilderte Geschehensablauf noch medizinische Gründe im übrigen führen zum Beweis dieser Vorgabe.
Wie Dres. L. und G. von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Im Aktengutachten vom 8. Juli 1992, welches im Verwaltungsverfahren von der Beklagten veranlaßt und vom Senat im Wege des Urkundenbeweises zu verwerten ist, bereits dargelegt haben, sind allein Zecken als gesicherte Überträger für die Lyme-Borreliose bekannt, nicht aber Stechfliegen, Mücken oder Flöhe. Der vom Kläger geschilderte Hergang des Ereignisses vom 25. August 1988 – das Erleiden eines Piekses bzw. eines Einstiches – spricht nicht dafür, daß er von einer Zecke gebissen worden ist, abgesehen davon, daß weder der Kläger noch der Zeuge F. oder eine andere Person das Insekt zu Gesicht bekommen hat. In Übereinstimmung mit den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen sowie Dres. L. und G. ist allgemein bekannt, daß Zecken zunächst über den befallenen Körper krabbeln und sich erst an einer ihnen günstig erscheinenden Stelle festbeißen, wobei der Biß zunächst nicht schmerzhaft ist. Auch die für die Neuroborreliose zu beachtende Inkubationszeit von ein bis vier Monaten macht es eher unwahrscheinlich, daß der Kläger bei erstmaliger Meldung der Erkrankung Mitte September 1988 sich erst am 25. August 1988 infiziert hat, worauf Dres. L. und G. zutreffend hinweisen.
Die Annahme der haftungsausfüllenden Kausalität im Sinne des Klägers scheitert weiter daran, daß die bei ihm fortbestehende Polyneuropathie nicht mit überwiegenden medizinischen Gründen Folge einer Neuroborreliose ist, wie das Gutachten des Prof. H. zur Überzeugung des Berufungsgerichts ergeben hat. Das im Juli 1989 beim Kläger untersuchte Nervenwasser wies keine Entzündungszeichen auf, was typischerweise für eine Borreliose am peripheren Nervensystem zu fordern ist. Bei Auswertung des serologischen Befundes der Städtischen Kliniken hat der Sachverständige Borrelienantikörper nicht oder nur im Grenzgenauigkeitsbereich der Meßmethode nachweisen können, so daß die Berechnung eines Borrelienindex letztlich nicht verwertbar ist. Selbst der angebliche Nachweis eines positiven Borrelienindex, der im allgemeinen als Zeichen für eine immunologische Auseinandersetzung des Körpers mit einer Borrelieninfektion des Nervensystems gilt, würde keine Entscheidung im Sinne des Klägers rechtfertigen, da eine damit regelhaft verbundene Immunglobulinsythese beim Kläger nicht nachweisbar war. Zudem reicht der alleinige Antikörpernachweis nicht für die Annahme, daß polyneuropathische Krankheitserscheinungen Folgen einer Borrelieninfektion sind, da 5 bis 10 % der Bevölkerung derartige Antikörper im Serum aufweisen, ohne tatsächlich an einer Borreliose erkrankt (gewesen) zu sein. Art und Entwicklung der Antikörper – zunächst wurden Antikörper der IgK-Klasse und erst ab 1993 solche der IgM-Klasse festgestellt – sprechen gegen das Bestehen einer klinisch aktiven Borreliose beim Kläger. Auch die von ihm angegebene Symptomatik von Lähmungserscheinungen im rechten Bein drei Wochen nach dem Insektenstich stellt kein typisches Symptom einer Neuroborreliose dar. Schließlich haben die vom Kläger aktuell geäußerten Schmerzen in Füßen, Beinen und Gelenken keinen radikulären Charakter, wie bei einer Neuroborreliose zu erwarten. Das Krankheitsbild des Klägers kann schließlich nicht als isolierte Polyneuropathie ohne entzündliche Veränderungen des Nervenwassers infolge einer Borrelieninfektion aufgefaßt werden, die in seltenen Fällen beobachtet wird. Dieser Erkrankungstyp tritt nach Prof. H. meist zusammen mit einer beim Kläger nicht beobachteten Hauterkrankung – der Acrodermatitis chronica atrophicans – auf und die Krankheit manifestiert sich erst in einem chronischen Stadium der Infektion Monate oder Jahre nach der eingetretenen Infektion und damit nicht bereits kurze Zeit nach dem angeschuldigten Insektenstich wie beim Kläger. Für das Bestehen einer chronischen Borrelienencephalitis, die als Folge von Entzündungsherden im Gehirn oder Rückenmark ein schweres klinisches Bild ergeben müßte, bestehen angesichts nur leichter Beschwerden beim Kläger in Form von Müdigkeit, Gedächtnisstörungen und Angstgefühlen keine Anhaltspunkte. Schließlich kann mit Prof. H. die beim Kläger nachgewiesene Thrombozytose nicht als Folge einer Borrelieninfektion wahrscheinlich gemacht werden, da es ungewöhnlich wäre, daß eine solche ohne sonstige gesicherte manifeste Krankheitserscheinungen aufträte.
Nach weitergehenden umfassenden Ermittlungen im Berufungsverfahren erlaubt daher weder der vom Kläger selbst geschilderte Ablauf des Arbeitsunfallereignisses noch die fachmedizinische Beurteilung seiner Krankheitsgeschichte durch Prof. H., mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die bei ihm fortbestehende leichtgradige Polyneuropathie mit überwiegenden medizinischen Gründen auf eine durch Insektenstich hervorgerufene Borreliose zurückzuführen ist. Da die akuten arbeitsunfallbedingten Gesundheitsstörungen, die Rötung und Schwellung der Einstichstelle, belanglos und kurzfristig abgeheilt waren und Dauerfolgen nicht wahrscheinlich zu machen sind, war eine durch Arbeitsunfall bedingte dauerhafte MdE beim Kläger als Voraussetzung für die Zuerkennung der begehrten Verletztenrente nicht festzustellen. Die gegen die im Ergebnis zutreffende erstinstanzliche Entscheidung gerichtete Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger streitet um die Anerkennung und Entschädigung eines Insektenstiches vom 25. August 1988 als Arbeitsunfall.
Nach der Unfallanzeige des Klägers vom 5. November 1990 mit Ergänzung vom 28. Januar 1991 war er als Textilmeister und Kontrolleur in der Auslandsfertigung der Firma Bekleidung GmbH, , eingesetzt und nach Mitteilung der Beschäftigungsfirma vom 11. Januar und 19. Juli 1991 dauerte der Auslandseinsatz vom 15. August bis 2. September 1988. Es war Aufgabe des Klägers, die Produktion der bei der Firma in Split in Auftrag gegebenen Fertigung von Bekleidungsteilen zu überwachen. Der Kläger gab an, er sei am 25. August 1988 gegen 12.30 Uhr in Split auf dem Weg zum Hotel von einem Insekt gestochen worden. Die Arbeitszeit habe zwei Schichten von 6.00 bis 14.00 Uhr und von 14.00 bis 22.00 Uhr umfaßt und die Mittagspause habe er in der Zeit von 12.00 bis 15.00 Uhr im Hotel verbracht. Der Kläger fügte einen Bericht des Dr. J. Städtische Kliniken vom 25. Oktober 1990 bei, der als Diagnosen eine Thrombozytose bei Verdacht auf myeloproliferatives Syndrom, eine abgelaufene Borreliose mit Verdacht auf Nervenbefall, einen Zustand nach Pankreatitis sowie Hypercholesterinämie enthielt.
Die Beklagte zog Berichte des Prof. L. von derselben Klinik vom 31. Mai 1989 und 13. Mai 1991 bei, die ebenfalls die Verdachtsdiagnose einer Polyneuropathie ungeklärter Herkunft bei Nachweis einer serumpositiven Borreliose aufstellten. Prof. L. vertrat im zweiten Bericht die Auffassung, aufgrund der Anamnese und der Vorbefunde sei davon auszugehen, daß die Beschwerden des Klägers seit September 1988 in Form von Gliederschmerzen, Gelenkbeschwerden und zeitweisen Lähmungserscheinungen des rechten Beines auf die im August 1989 diagnostizierte Neuroborreliose zurückzuführen seien. Eine Verursachung durch einen Insektenstich am 25. August 1988 komme durchaus in Frage. Auch die Symptomschilderung mit schmerzhafter Rötung an der Stichstelle und die weitere Symptomentwicklung innerhalb von drei Wochen sei mit einer damals übertragenen Borrelieninfektion vereinbar. Inwieweit eine seit August 1989 bekannte Thrombozytose von der Neuroborreliose unabhängig sei, müsse internistischerseits überprüft werden. Auch der Hausarzt Dr. W. vertrat im Bericht vom 14. Februar 1991 die Auffassung, ein Zusammenhang zwischen dem Entstehen der Neuroborreliose und einem Zeckenbiß am 25. August 1988 sei wahrscheinlich. Der am 15. März 1991 vor der Gemeinde gehörte Arbeitskollege G. F. gab an, er habe mit dem Kläger gemeinsam den Rückweg zur Mittagspause durch einen kleinen Park in Richtung einer Bushaltestelle zurückgelegt. Der Kläger habe sich plötzlich beklagt, von einem Insekt im Nacken gestochen worden zu sein. Er habe den Kläger am folgenden Tag darauf aufmerksam gemacht, daß der Nacken im Bereich der Einstichstelle gerötet und etwas angeschwollen sei.
Der Neurologe Dr. H. vertrat im von der Beklagten eingeholten Aktengutachten vom 5. Mai 1992 die Auffassung, beim Kläger seien keine Diagnosen gesichert und auch kein Leiden auf den Insektenstich vom 25. August 1988 zurückzuführen. Dres. L. und G. von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik vertraten im Aktengutachten vom 8. Juli 1992 die Auffassung, eine Neuroborreliose sei durch die vorgelegten Befunde beim Kläger nicht ausreichend belegt. Als einzig gesicherter Überträger für die Lyme-Borreliose seien Zecken bekannt, während keine gesicherten Erkenntnisse für Stechfliegen, Mücken und Flöhe als Überträger bestünden. Es sei willkürlich, einen Insektenstich vom 25. August 1988 als Borrelioseinfizierung anzuschuldigen. Die Inkubationszeit für die Neuroborreliose betrage einen bis vier Monate. Berücksichtige man, daß der Kläger sich erstmals am 15. September 1988 krank gemeldet habe, sei mit Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, daß er sich vor dem Beginn seines Jugoslawienaufenthaltes Mitte August 1988 bereits infiziert habe. Mit Bescheid vom 4. Februar 1993 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab, da die Diagnose einer Neuroborreliose nicht gesichert sei und selbst bei Annahme einer Neuroborreliose diese nicht mit Wahrscheinlichkeit auf das angeschuldigte Ereignis vom 25. August 1988 zurückgeführt werden könne. Ihren Bescheid stützte sich auf die Gutachten des Dr. H.- und der Dres. und.
Mit Widerspruch vom 1. September 1993 legte der Kläger einen Bericht des ihn ab 1991 behandelnden Internisten S. vom 22. Juni 1993 vor, der sich kritisch mit dem Gutachten der Dres. L. und G. auseinandersetzte. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 1994 verblieb die Beklagte bei ihrer Entscheidung.
Der Kläger legte am 17. Februar vor dem Sozialgericht Fulda (SG) Klage ein und trug vor, er leide unter typischen Beschwerden im Sinne einer Neuroborreliose, wobei sie zu einem myeloproliferativen Syndrom mit erhöhten Thrombozyten und Leukozyten geführt habe.
Mit Urteil vom 17. November 1991 hat das SG die Klage abgewiesen, da nicht feststellbar sei, von welchem Insekt der Kläger am 25. August 1988 gestochen worden sei. Die Hergangsschilderung spreche gegen das Erleiden eines Zeckenbisses und für den Stich eines anderen Insekts. Die Sicherung einer Diagnose sei danach nicht nötig.
Gegen das ihm am 19. Januar 1995 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. Februar 1995 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und vorgetragen, die Erkrankung des Knochenmarks bestehe fort verbunden mit Müdigkeit, Konzentrationsmangel, Gedächtnisausfällen und Nervenschmerzen in Beinen und Füßen. Der Kläger hat einen Bericht des Internisten S. vom 8. September 1996 vorgelegt und im Erörterungstermin vom 13. September 1996 persönlich gehört angegeben, der Weg von der Firma zur Bushaltestelle habe durch eine Allee und einen kleinen Park geführt. Als er sich zusammen mit dem Vorgesetzten G. F. im Park befunden habe, habe er einen Pieks im Nacken verspürt und dies seinem Vorgesetzten berichtet. Zwei oder drei Tage später habe der Stich mehr und mehr angefangen zu jucken und er habe den Vorgesetzten nachsehen lassen. Er habe ihm berichtet, daß sich um die Einstichstelle herum eine Rötung gebildet habe und der Bereich etwas geschwollen gewesen sei. Ihm sei weder vorher noch nachher ein Insektenstich in Erinnerung, der zu derartigen Folgen geführt hätte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 17. November 1994 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Februar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 1994 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Unfalles vom 25. August 1988 Verletztenrente in gesetzlichem Umfange zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und hat eine beratungsärztliche Stellungnahme des Chirurgen Dr. S. vom 1. Februar 1996 vorgelegt, die sich den im Verwaltungsverfahren erstatteten Gutachten anschließt.
Der Senat hat einen Bericht des Hautarztes Dr. K. vom 26. Juli 1995, einen Bericht des Internisten S. vom 26. September 1995 mit Eigen- und Fremdbefunden sowie die kompletten Hausarztunterlagen des Dr. W. und des Internisten S. sowie dieselben der Städtischen Klinik beigezogen. Sodann hat er ein neurologisches Gutachten des Prof. H. eingeholt, welches am 19. Dezember 1996 bei Gericht einging. Prof. H. gelangte darin zu dem Ergebnis, seine Untersuchung des Klägers habe Hinweise auf eine leichte Polyneuropathie mit abgeschwächten Muskeleigenreflexen an den unteren Extremitäten und Gefühlsstörungen an den Füßen ergeben, wobei die Krankheitserscheinungen insgesamt als geringgradig einzustufen seien. Diese Beschwerden seien nicht mit Wahrscheinlichkeit auf eine Borrelieninfektion zurückzuführen, ebenso wenig auf einen Insektenstich im August 1988. Zu diesem Ergebnis gelangte er nach detaillierter Würdigung von Krankengeschichte und Leidensentwicklung des Klägers bei nochmaliger Auswertung der früher erhobenen serologischen Befunde unter Mitberücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse zur Entstehung von Neuroborreliosen.
Beide Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß der Rechtsstreit durch den Berichterstatter als Einzelrichter entschieden wird.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers (§§ 151, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz –SGG–), über die der Berichterstatter im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senats entschieden hat (§ 155 Abs. 3 und 4 SGG), ist nicht begründet, da das SG im Ergebnis zutreffend erkannt hat, daß dem Kläger aus Anlaß des Ereignisses vom 25. August 1988 eine Verletztenrente nicht zusteht.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da das vom Kläger als Arbeitsunfall geltend gemachte Ereignis vor Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches – 7. Band (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art. 36 UVEG, § 212 SGB VII). Nach § 581 Abs. 1 Ziff. 2 RVO erhält ein Versicherter Verletztenrente, solange seine Erwerbsfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalles um wenigstens ein Fünftel (20 v.H.) gemindert ist. Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Nach der in Rechtsprechung und Schrifttum seit längerem vertretenen Auffassung ist unter einem Unfall ein von außen auf den Menschen einwirkendes, körperlich schädigendes Ereignis zu verstehen, das sich innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraums, höchstens innerhalb einer Arbeitsschicht zugetragen hat (BSG in SozR 2200 § 550 Nr. 35; BSG, Urteil vom 11. Juni 1990, Az.: 2 RU 53/89; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 479). Dabei muß für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ein zweifacher ursächlicher Zusammenhang gegeben sein, nämlich einmal zwischen der unfallbringenden Tätigkeit und dem Unfallereignis (sog. haftungsbegründende Kausalität) und zum anderen zwischen dem Unfallereignis und der Gesundheitsschädigung (sog. haftungsausfüllende Kausalität; zu allem vgl. Lauterbach-Watermann, Komm. zur gesetzlichen Unfallversicherung, § 548 Anm. 5). Während es für die Bejahung dieses ursächlichen Zusammenhangs ausreicht, daß eine hinreichende Wahrscheinlichkeit vorliegt, d.h. bei vernünftiger Abwägung aller Umstände muß den Umständen ein deutliches Übergewicht zukommen, die für den Zusammenhang sprechen, so daß darauf die richterliche Überzeugung begründet werden kann, ist für die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen der Vollbeweis erforderlich. Das heißt allerdings nicht, daß diese Tatsachen mit absoluter Gewißheit festgestellt werden müssen, so daß jede nur denkbare andere Möglichkeit ausgeschlossen ist. Es reicht auch hier ein der Gewißheit nahekommender Grad der Wahrscheinlichkeit (BSGE 45, 285, 287; 58, 80, 83). Als Arbeitsunfälle sind schon immer sog. Unfälle des täglichen Lebens anerkannt worden, wenn im übrigen die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalles vorlagen – beispielsweise beim Erleiden eines Wespen- oder Insektenstiches (Lauterbach-Watermann, a.a.O., Anm. 26 zu § 548; Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, Anm. 7–25 zu § 8 SGB VII; Ricke in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band 2, Anm. 47 zu § 8 SGB VII; Urteile des BSG vom 29. Oktober 1981, Az.: 8/8 a RU 54/88 sowie in SozR 3-2200 Nr. 4 zu § 548 RVO). Dabei genügt der persönliche, örtliche und zeitliche Zusammenhang der Schädigung mit der beruflichen Beschäftigung nicht. Der Versicherte muß durch seine versicherte Tätigkeit an die Stelle geführt worden sein, an der zu dieser Zeit die Gefahr wirksam wurde, der er erlegen ist, und der er sonst wahrscheinlich nicht erlegen wäre. Diese Gefahr muß aber keine durch das Wesen des Betriebes bedingte ihm eigentümliche Gefahr gewesen sein, denn der Unfallversicherungsschutz erstreckt sich nicht nur auf derartige Gefahren sondern auf alle Gefahren, auch die des täglichen Lebens, denen der Versicherte durch die versicherte Tätigkeit ausgesetzt war (BSGE 6, 164, 168, 169; 21, 101).
Entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Kläger am 25. August 1988 einen Arbeitsunfall im Sinne des § 548 Abs. 1 RVO erlitten hat. Der Kläger war als Textilmeister und Kontrolleur in der Auslandsfertigung der Firma V. Bekleidung GmbH in nach Mitteilungen der Beschäftigungsfirma vom 11. Januar und 19. Juli 1991 im Zeitraum vom 15. August bis 2. September 1988 eingesetzt. Bei dieser in der Firma in Split ausgeübten beruflichen Tätigkeit war der Kläger im Wege der Ausstrahlung (§ 4 Abs. 1 SGB IV) weiterhin bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert. Der Unfallversicherungsschutz erstreckte sich auch auf den am Unfalltag angetretenen Rückweg von der Arbeitsstätte zur Unterkunft im Hotel, um dort das Mittagessen einzunehmen und die von 12.00 bis 15.00 Uhr dauernde Mittagspause zu verbringen (zum Versicherungsschutz auf derartigen Wegen zur Mittagspause vgl. Lauterbach-Watermann, a.a.O., Anm. 65 zu § 548 RVO und 8 zu § 550 RVO zum Stichwort "Einnahme von Mahlzeiten” m.w.N.; BSGE 50, 100, 101; 63, 273, 274). Auf diesem Weg, der den Kläger durch einen kleinen Park führte, verspürte er "einen Pieks” im Nacken, wie er bereits in der Unfallschilderung vom 28. Januar 1991 angegeben und im Erörterungstermin vom 13. Mai 1996 im Berufungsverfahren wiederholt hat. Dem ihn begleitenden Vorgesetzten G. F. teilte er noch unterwegs mit, von einem Insekt gestochen worden zu sein, was der Mitarbeiter am 15. März 1991 vor der Gemeinde als Zeuge gehört bestätigt hat. Der Stich führte zu einer Rötung und Schwellung im Bereich der Einstichstelle am Nacken, worauf der Vorgesetzte F. den Kläger in den nächsten Tagen aufmerksam machte und was der Kläger auch verspürte. Der Kläger wurde infolge seiner versicherten Tätigkeit an die Stelle geführt, wo ihn das Insekt stach. Es sind keine Anhaltspunkte erkennbar, daß er der Gefahr auch erlegen wäre, wenn er nicht beruflich veranlaßt worden wäre, im ehemaligen Jugoslawien den durch einen Park führenden und mit einer erhöhten Insektenstichgefahr verbundenen Weg in die Mittagspause zurückzulegen. Letztlich sind keine anderen, dem unversicherten Bereich entstammenden Bedingungen bekannt geworden, die die Wirksamkeit der versicherten Tätigkeit so in den Hintergrund hätten drängen können, daß sie wegen ihrer geringen Wirkung für den eingetretenen Unfall praktisch außer Betracht bleiben müßte (dazu BSG in SozR 3-200 Nr. 4 zu § 548 RVO).
Während somit im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität feststellbar ist, daß den Kläger am 25. August 1988 ein im inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehendes, von außen auf ihn einwirkendes Ereignis traf und ihn in Gestalt einer Rötung und Schwellung an der Einstichstelle im Nacken körperlich schädigte, ist die haftungsausfüllende Kausalität nicht zu bejahen. Denn es ist nicht erwiesen, daß die den Kläger dauerhaft belastende Gesundheitsstörung, insbesondere die auch im Gutachten des Prof. H. im November 1996 noch immer beschriebene, 1989 in den Städtischen Kliniken erstmals diagnostizierte Polyneuropathie, mit überwiegenden medizinischen Gründen auf den als Arbeitsunfall anzuerkennenden Insektenstich vom 25. August 1988 ursächlich zurückgeführt werden kann. Die beim Kläger fortbestehende Polyneuropathie könnte nur dann mit dem Insektenstich in einen wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang gebracht werden, wenn diese Erkrankung durch eine Borreliose entstanden wäre, mit der der Kläger anläßlich des Insektenstiches vom 25. August 1988 infiziert worden wäre. Weder der vom Kläger geschilderte Geschehensablauf noch medizinische Gründe im übrigen führen zum Beweis dieser Vorgabe.
Wie Dres. L. und G. von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Im Aktengutachten vom 8. Juli 1992, welches im Verwaltungsverfahren von der Beklagten veranlaßt und vom Senat im Wege des Urkundenbeweises zu verwerten ist, bereits dargelegt haben, sind allein Zecken als gesicherte Überträger für die Lyme-Borreliose bekannt, nicht aber Stechfliegen, Mücken oder Flöhe. Der vom Kläger geschilderte Hergang des Ereignisses vom 25. August 1988 – das Erleiden eines Piekses bzw. eines Einstiches – spricht nicht dafür, daß er von einer Zecke gebissen worden ist, abgesehen davon, daß weder der Kläger noch der Zeuge F. oder eine andere Person das Insekt zu Gesicht bekommen hat. In Übereinstimmung mit den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen sowie Dres. L. und G. ist allgemein bekannt, daß Zecken zunächst über den befallenen Körper krabbeln und sich erst an einer ihnen günstig erscheinenden Stelle festbeißen, wobei der Biß zunächst nicht schmerzhaft ist. Auch die für die Neuroborreliose zu beachtende Inkubationszeit von ein bis vier Monaten macht es eher unwahrscheinlich, daß der Kläger bei erstmaliger Meldung der Erkrankung Mitte September 1988 sich erst am 25. August 1988 infiziert hat, worauf Dres. L. und G. zutreffend hinweisen.
Die Annahme der haftungsausfüllenden Kausalität im Sinne des Klägers scheitert weiter daran, daß die bei ihm fortbestehende Polyneuropathie nicht mit überwiegenden medizinischen Gründen Folge einer Neuroborreliose ist, wie das Gutachten des Prof. H. zur Überzeugung des Berufungsgerichts ergeben hat. Das im Juli 1989 beim Kläger untersuchte Nervenwasser wies keine Entzündungszeichen auf, was typischerweise für eine Borreliose am peripheren Nervensystem zu fordern ist. Bei Auswertung des serologischen Befundes der Städtischen Kliniken hat der Sachverständige Borrelienantikörper nicht oder nur im Grenzgenauigkeitsbereich der Meßmethode nachweisen können, so daß die Berechnung eines Borrelienindex letztlich nicht verwertbar ist. Selbst der angebliche Nachweis eines positiven Borrelienindex, der im allgemeinen als Zeichen für eine immunologische Auseinandersetzung des Körpers mit einer Borrelieninfektion des Nervensystems gilt, würde keine Entscheidung im Sinne des Klägers rechtfertigen, da eine damit regelhaft verbundene Immunglobulinsythese beim Kläger nicht nachweisbar war. Zudem reicht der alleinige Antikörpernachweis nicht für die Annahme, daß polyneuropathische Krankheitserscheinungen Folgen einer Borrelieninfektion sind, da 5 bis 10 % der Bevölkerung derartige Antikörper im Serum aufweisen, ohne tatsächlich an einer Borreliose erkrankt (gewesen) zu sein. Art und Entwicklung der Antikörper – zunächst wurden Antikörper der IgK-Klasse und erst ab 1993 solche der IgM-Klasse festgestellt – sprechen gegen das Bestehen einer klinisch aktiven Borreliose beim Kläger. Auch die von ihm angegebene Symptomatik von Lähmungserscheinungen im rechten Bein drei Wochen nach dem Insektenstich stellt kein typisches Symptom einer Neuroborreliose dar. Schließlich haben die vom Kläger aktuell geäußerten Schmerzen in Füßen, Beinen und Gelenken keinen radikulären Charakter, wie bei einer Neuroborreliose zu erwarten. Das Krankheitsbild des Klägers kann schließlich nicht als isolierte Polyneuropathie ohne entzündliche Veränderungen des Nervenwassers infolge einer Borrelieninfektion aufgefaßt werden, die in seltenen Fällen beobachtet wird. Dieser Erkrankungstyp tritt nach Prof. H. meist zusammen mit einer beim Kläger nicht beobachteten Hauterkrankung – der Acrodermatitis chronica atrophicans – auf und die Krankheit manifestiert sich erst in einem chronischen Stadium der Infektion Monate oder Jahre nach der eingetretenen Infektion und damit nicht bereits kurze Zeit nach dem angeschuldigten Insektenstich wie beim Kläger. Für das Bestehen einer chronischen Borrelienencephalitis, die als Folge von Entzündungsherden im Gehirn oder Rückenmark ein schweres klinisches Bild ergeben müßte, bestehen angesichts nur leichter Beschwerden beim Kläger in Form von Müdigkeit, Gedächtnisstörungen und Angstgefühlen keine Anhaltspunkte. Schließlich kann mit Prof. H. die beim Kläger nachgewiesene Thrombozytose nicht als Folge einer Borrelieninfektion wahrscheinlich gemacht werden, da es ungewöhnlich wäre, daß eine solche ohne sonstige gesicherte manifeste Krankheitserscheinungen aufträte.
Nach weitergehenden umfassenden Ermittlungen im Berufungsverfahren erlaubt daher weder der vom Kläger selbst geschilderte Ablauf des Arbeitsunfallereignisses noch die fachmedizinische Beurteilung seiner Krankheitsgeschichte durch Prof. H., mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die bei ihm fortbestehende leichtgradige Polyneuropathie mit überwiegenden medizinischen Gründen auf eine durch Insektenstich hervorgerufene Borreliose zurückzuführen ist. Da die akuten arbeitsunfallbedingten Gesundheitsstörungen, die Rötung und Schwellung der Einstichstelle, belanglos und kurzfristig abgeheilt waren und Dauerfolgen nicht wahrscheinlich zu machen sind, war eine durch Arbeitsunfall bedingte dauerhafte MdE beim Kläger als Voraussetzung für die Zuerkennung der begehrten Verletztenrente nicht festzustellen. Die gegen die im Ergebnis zutreffende erstinstanzliche Entscheidung gerichtete Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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