L 3 U 12/94

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 10 U 1980/91
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 12/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. September 1993 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger streitet um die Anerkennung eines Ereignisses vom 13. Juni 1988 als Arbeitsunfall.

Er war selbständiger Bezirksschornsteinfegermeister mit dem Kehrbezirk St ... In B.-U. hatte er in einem Geschäftshaus zusammen mit seinem Bruder H. F. ein Büro und Wohnräume. In Sch. bewohnten beide zusammen ein Wohnhaus mit Büro. Der Kläger zeigte am 30. Mai 1990 an, daß er am 13. Juni 1988 gegen 17.00 Uhr auf dem Weg zum Briefkasten gestolpert sei, wo er Betriebspost habe einwerfen wollen. Unfallort sei der Parkplatz der Freiwilligen Feuerwehr H. gewesen. Er habe sich den rechten Fuß gebrochen. Prof. V. und Dr. M., Chirurgische Klinik H., stellten in ihren Berichten vom 15. März 1989 und 15. Juni 1990 die Diagnose: Prellung rechtes Sprunggelenk und Fissur am Os naviculare des rechten Mittelfußes. Bei der Erstuntersuchung am 18. Juli 1988 habe der Kläger ihnen gegenüber keinen Arbeitsunfall angegeben. Nach dem Bericht des Hausarztes Dr. St. vom 14. Dezember 1988 sei er mit dem rechten Fuß gegen ein Hindernis geprallt. Laut Bericht des Kreiskrankenhauses S. vom 9. November 1988 habe er zum Unfallhergang angegeben, er sei im Wachlokal der Feuerwehr H. über einen Türaufhalter gestolpert. Nach Mitteilung des Oberarztes der Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses S., Dr. B., vom 13. Juni 1990 war der Kläger nach seinen eigenen Angaben vom Unfalltag am 13. Juni 1988 gegen 17.00 Uhr im Wachlokal der Feuerwehr H. über einen Türhalter gestolpert, als er dort einen leeren Bienenkasten abgeliefert habe. Ein Durchgangsarztbericht sei aus diesem Grunde nicht erstellt worden. Am 19. Juni 1990 gab der Kläger selbst gegenüber der Beklagten an, er habe am Unfalltag in H. einen Geschäftsbrief aufgegeben und habe seinen Pkw auf dem "Parkplatz-Feuerwehrgelände-Wachlokal-H.” abgestellt. Auf dem Weg zum gegenüberliegenden Hauptpostamt sei er über einen daliegenden Türstopper gestolpert. Nach dem Sturz sei er vor Schmerzen umhergehüpft, hinkend in das Postamt gegangen und nachher auch mit dem Auto nach Hause gefahren, wo er gegen 21.30 Uhr den Hausarzt aufgesucht habe. Der Hausarzt Dr. St. berichtete am 22. Juni 1990, daß er den Kläger am Unfalltag um 21.30 Uhr erstmalig behandelt habe. Der habe angegeben, gegen 17.00 Uhr mit dem rechten Fuß gegen ein Hindernis gestoßen zu sein. Mit Schriftsätzen vom 6. Juli und 20. September 1990 hat der Kläger sich unter Vorlage von Ortsskizzen weiter zum Unfallhergang geäußert.

Die Beklagte zog die Unterlagen der Frankfurter Versicherungs-AG, Allianz-Versicherungs-AG, bei. Der Kläger hatte am 1. Juli 1988 gegenüber deren Vertreter W. D. angegeben, er sei zu Boden gestürzt, weil er am Stopper bei der Feuerwehr gestolpert sei. Dr. B., Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses S., berichtete am 9. November 1988, der Kläger habe im Wachlokal, der Feuerwehr H. einen leeren Bienenkasten abgeliefert und sei dabei über einen Türhalter gestolpert, wie er bei der erst- und einmaligen Behandlung am Unfalltag angegeben habe. Dr. St. teilte mit Bericht vom 14. Dezember 1988 der Versicherung mit, der Kläger sei mit dem rechten Fuß gegen ein Hindernis geprallt und weiter zum Röntgen ins Krankenhaus nach S. gegangen. Die Feuerwehr der Stadt H. übermittelte am 20. September 1990, daß ihr von einem Unfall nichts bekannt sei. Mit Bescheid vom 8. November 1990 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall sowie die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab. Die ersten Angaben des Klägers gegenüber den behandelnden Ärzten sowie gegenüber der Allianz seien glaubwürdiger als die späteren Angaben und danach habe er die Verletzung erlitten, als er im Wachlokal der Feuerwehr über einen Türöffner gestolpert sei. Dies sei kein versicherter Arbeitsunfall.

Auf den Widerspruch des Klägers vom 3. Dezember 1990 hin befragte die Beklagte den Feuerwehrmann D. B. schriftlich und hörte den Bruder des Klägers H. F. am 24. April 1991 an. Sie wies sodann mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 1991 den Widerspruch zurück. Auch nach den Angaben des D. B. sowie des Bruders H. F. sei nicht erwiesen, daß der Kläger einen Unfall bei einer versicherten Tätigkeit erlitten habe. Seinen eigenen frühesten Angaben komme der größte Beweiswert zu.

Mit seiner Klage vom 6. August 1991 machte der Kläger vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) geltend, der Unfall habe sich auf einem versicherten Weg, nämlich auf dem Gang vom Pkw zur Hauptpost, ereignet und nicht auf dem Gelände der Feuerwehr, was sein Bruder sowie der Feuerwehrmann B. bestätigt hätten.

Das SG hat eine Auskunft der Stadt H. vom 18. Juni 1993 mit Photos und Lageplänen eingeholt, hat im Kammertermin vom 23. September 1993 den Kläger persönlich sowie seinen Bruder H. F. als Zeugen gehört und die Beklagte anschließend unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, das Ereignis vom 13. Juni 1988 als Arbeitsunfall anzuerkennen und in gesetzlichem Umfang zu entschädigen. Der Kläger sei auf dem Weg vom Parkplatz zur Post verunglückt und damit auf einem versicherten Weg, der der Besorgung von Geschäftpost gedient habe. Dies werde durch die Auskunft samt Anlagen der Stadt H. und die Aussage des Zeugen H. F. bestätigt. Die Erstangaben des Klägers stünden dem nicht entgegen. Keine der beteiligten Personen sei vom Vorliegen eines Arbeitsunfalles ausgegangen und daher habe natürlich niemand großen Wert auf die genaue Bezeichnung des Unfallortes gelegt.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 14. Dezember 1993 zugestellte Urteil am 6. Januar 1994 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und hat zur Begründung vorgetragen, die Erstangaben des Klägers gegenüber den Ärzten und der Versicherung rechtfertigten die Annahme, daß sich der Unfall bei Ablieferung eines Bienenkorbes auf dem Feuerwehrgelände ereignet habe.

Das Postamt H. hat auf Anfrage des Senats am 15. August 1994 angegeben, der Schalter des Postamtes Sch. sei im Juni 1988 von montags bis samstags von 8.00 bis 12.00 Uhr und montags bis freitags von 14.30 bis 17.30 Uhr geöffnet gewesen. Postschlußzeit für Briefsendungen zur Ableitung am Einlieferungstag sei um 17.30 Uhr gewesen. Sodann hat der Senat die kompletten Unterlagen der Allianz-Versicherungs-AG beigezogen, die neben dem Bericht des Dr. B. vom 9. November 1988 Berichte des Hausarztes Dr. St. vom 14. Dezember 1988 und von Prof. V. und Dr. M. vom 15. März 1989 enthalten. Des weiteren hat der Senat die vollständigen Hausarztunterlagen von Dr. St. beigezogen und einen Bericht des Dr. M. vom 21. November 1995. In den vom Senat angeforderten Unterlagen der Bayerischen Beamtenkrankenkasse über den streitigen Unfall hatte der Kläger der Krankenkasse gegenüber am 10. Februar 1989 angegeben, er sei über einen Türstopper gefallen und habe sich dabei den rechten Fuß gebrochen. Unfallort sei gewesen: " H., Feuerwehrhaus”. Der Unfall habe sich nicht während der Berufsausübung ereignet. Der Senat hat die schriftlichen Zeugenaussagen des Prof. V. vom 21. Mai 1996, des Dr. B. und des Dr. B. jeweils vom 22. Mai 1996, des Dr. M. vom 11. Juni 1996, des Arztes T. L. vom 14. August 1996 und des Hausarztes Dr. St. vom 24. Februar 1997 eingeholt. Dres. B. und B. hatten angegeben, sie hätten den Kläger am Unfalltag nicht untersucht, dies habe der Assistenzarzt L. getan. Dieser hat mitgeteilt, der Unfall- bzw. Durchgangsarztbericht dokumentiere im allgemeinen die vom Verletzten selbst stammenden Angaben zum Unfallhergang, wobei er sich an den Fall des Klägers konkret und ohne über die damaligen Unterlagen zu verfügen nicht mehr erinnern könne. Prof. V. hat angegeben, der Kläger habe jedenfalls in der unfallchirurgischen Sprechstunde vom 18. Juli 1988 ihm gegenüber erklärt, was er der Ambulanzkarte wörtlich entnehme: "am 16.6.1988 über hohe Schwelle an einer Tür mit re. Fußinnenrist hängengeblieben, dort Hautabschürfung, dann gestürzt und dabei Fuß verdreht. Es sei danach ein Bluterguß und eine Schwellung sichtbar geworden.” Da der Kläger einen Privatunfall gemeldet habe, habe er keinen Durchgangsarztbericht abgegeben, was er bei Erleiden eines Arbeitsunfalles als Durchgangsarzt selbstverständlich getan hätte. Dr. M. hat geäußert, er habe den Kläger am 3. März 1989 persönlich untersucht. Die Unfallvorgeschichte im Bericht des Dr. B. aus dem Kreiskrankenhaus S. vom 9. November 1988 habe der Kläger ihm gegenüber durch eigene Angaben bestätigt. Dr. St. hat schließlich angegeben, er könne sicher ausschließen, daß er selbst den Kläger nach S. ins Krankenhaus gebracht habe. Schließlich hat Herr L., Stadtbrandrat, Freiwillige Feuerwehr der Stadt H., am 6. August 1996 die Auskunft erteilt, daß der Kläger den Weg bei Abgabe des Bienenkorbes zurückgelegt habe, den er auf der von ihm vor dem SG vorgelegten Skizze beschrieben habe. Er habe genau drei Türen passieren müssen, um in das Wachlokal im ersten Obergeschoß zu gelangen. Der Raum "Wachlokal” weise eine Zugangstür auf. Keine der Türen sei mit einem Türaufhalter versehen. Zwei Türen im ersten Obergeschoß seien mit etwa 1,5 cm hohen abgerundeten Türstoppern bestückt, die allerdings durch Beschaffenheit und Anordnung für einen Normalsterblichen nicht zur Stolperfalle werden könnten. Auf telefonische Rückfrage hat Herr L. am 8. August 1986 erläuternd erklärt, daß es sich bei den mit abgerundeten Türstoppern versehenen beiden Türen im ersten Obergeschoß um zwei der drei Türen handele, die der Kläger auf seinem Weg ins Wachlokal habe passieren müssen. Die Örtlichkeiten seien bis heute unverändert. Der Kläger könne allenfalls über einen der vor dem Gebäude angebrachten Torfeststeller der Ausfahrtstore der Feuerwehr gestolpert sein. Diese seien etwa 80 cm von der Gebäudefront abgesetzt und gut sichtbar, so daß es bisher auch nie zu einem Schadensfall gekommen sei.

Der Kläger hat vor dem Senat persönlich gehört angegeben, er sei erst kurz vor dem Briefkasten über einen Türstopper gestolpert und gegen den Bordstein geprallt. Anschließend sei er nicht mehr ins Postamt hineingehinkt, habe den Brief vielmehr direkt in den vor dem Postamt befindlichen Briefkasten eingeworfen. Auf der Rückfahrt habe sein Bruder am Steuer des Pkw gesessen. Er erkläre sich die Unterschiede in den früheren und heutigen Angaben zum Unfallhergang einfach so, daß er es damals nicht so genau genommen habe. Die Angaben, daß sich der Unfall im Gebäude oder auf dem Grundstück der Feuerwehr ereignet habe, werde durch die Auskünfte der Freiwilligen Feuerwehr H. widerlegt, da dort ein Unfall nie stattgefunden habe und nie gemeldet worden sei. Er sei auch nicht ins Wachlokal der Feuerwehr gelangt, da er zur Rückgabe der Bienenkörbe beim Zeugen B. im Erdgeschoß verblieben sei. Der Kläger überreichte zudem seinen Brief an Herrn J. K. vom 12. Juni 1988, den er in den Briefkasten eingeworfen habe. Es handelte sich dabei um eine Bescheinigung über die Abnahme eines Kachelofens. J. K. erklärte mit eidesstattlicher Versicherung vom 2. Mai 1994 und mit Schreiben vom 8. Juni 1994 gegenüber dem Gericht, er habe die Abnahmebescheinigung dringend gebraucht, damit er den Ofen auch heizen könne. Der Senat hat den Versicherungsvertreter W. und den freiwilligen Feuerwehrmann D. B. und nochmals den Bruder des Klägers, H. F., als Zeugen gehört, wegen deren Aussage auf das Protokoll des Senatstermins vom 21. Mai 1997 verwiesen wird.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. September 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung (§§ 151, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz –SGG–) der Beklagten ist begründet und die erstinstanzliche Entscheidung war aufzuheben, da der Senat sich nicht davon überzeugen konnte, daß alle notwendigen Voraussetzungen vorliegen, um den Unfall des Klägers vom 13. Juni 1988 als Arbeitsunfall (§ 548 Abs. 1 Satz 1 Reichsversicherungsordnung –RVO–) anzuerkennen. Der Senat konnte insbesondere nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, daß der Kläger den Unfall bei einer versicherten Tätigkeit erlitten hatte.

Der geltend gemachte Anspruch des Klägers richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, da das vom Kläger als Arbeitsunfall geltend gemachte Ereignis vor Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches 7. Band (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art. 36 Unfallversicherungseinordnungsgesetz, § 212 SGB VII). Arbeitsunfall im vorgenannten Sinne ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet. Dazu ist in der Regel erforderlich, daß das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist und daß diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat (BSGE 61, 127, 128). Zunächst muß also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der sog. innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 82; BSGE 63, 273, 274). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, in dem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen. Es muß bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit im Unfallzeitpunkt als erbracht angesehen werden können. Es muß also sicher feststehen, daß eine auch zu diesem Zeitpunkt noch versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (BSGE 58, 80, 83; 61, 127, 128). Unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen auch sog. Betriebswege, die im unmittelbaren Betriebsinteresse durchgeführt werden und anders als Wege nach § 550 RVO nicht lediglich der versicherten Tätigkeit vorangehen oder sich ihr anschließen (Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, Ziff. 085, S. 1; Lauterbach-Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, § 548 Anm. 65).

Der Kläger hatte sich am 13. Juni 1988 anläßlich einer Fahrt nach H. eine Prellung des rechten Sprunggelenkes und ein Fissur am Os naviculare des rechten Mittelfußes zugezogen, was in der Chirurgischen Klinik H. festgestellt wurde. Er hatte die Fahrt am Nachmittag angetreten, um einen Geschäftsbrief auf der Hauptpost in H. einzuwerfen und einen Bienenkorb bei der Freiwilligen Feuerwehr H. abzugeben. Die Fahrt des Klägers diente sowohl privaten als auch betrieblichen Zwecken, wobei der private Zweck im Vordergrund gestanden haben und das geschäftliche Vorhaben bloßer Nebenzweck gewesen sein dürfte. Nach den früheren Angaben des Klägers, die sein Bruder H. als Zeuge vor SG und Senat bestätigt hat, hätten sie von dieser Einschätzung abweichend die Fahrt nach H. angetreten, um in erster Linie dort den Geschäftsbrief einzuwerfen und daneben auch den Bienenkorb bei der Feuerwehr abzugeben. Der Brief war an einen gemeinsamen Nachbarn in B. U., Herrn J. K. adressiert und beinhaltete die Abnahmebescheinigung für einen Kachelofen, die Herr K. angeblich dringend benötigte, um den Ofen beheizen zu können. Angesichts seines Inhaltes war für den Senat eine besondere Eilbedürftigkeit des Briefes nicht ohne weiteres erkennbar, da das Anheizen eines Kachelofens mitten im Sommer nicht prima facie als unaufschiebbares Vorhaben zu gelten hat. Mit dieser Einschätzung korrespondiert die Feststellung, daß der Kläger den ihm bereits am Freitag, dem 10. Juni 1988, vom Bruder H. überbrachten Brief bis Montag liegenließ, anstatt ihn am Freitag oder spätestens am Samstag zur Post zu geben, so daß der Adressat K. ihn dann bereits am Samstag oder spätestens Montag in den Händen gehalten hätte. Zudem hätten die Postlaufzeiten in Sch. ausgereicht, um den Brief am Samstag oder noch am Unfalltag übersenden zu können. Postschlußzeit für Briefsendungen in Sch. war nach Auskunft des Postamts H. vom 15. August 1994 samstags um 12.00 Uhr und am Unfalltag, einem Montag, um 17.30 Uhr. Der Unfall ereignete sich in H. bereits gegen 17.00 Uhr. In Wirklichkeit kam es dem Kläger nach seiner eigenen Einlassung vom 21. Mai 1997 vor dem Senat offenbar entscheidend darauf an, den am Morgen entliehenen Bienenkorb schnellstmöglich bei der Freiwilligen Feuerwehr H. wieder abzugeben, nachdem er auf deren Bitte hin einen Bienenschwarm eingefangen hatte und gebeten worden war, den Bienenkorb sofort wieder zurückzubringen. "Nebenbei” und nicht als Hauptzweck der Fahrt hat er den Geschäftsbrief mitgenommen, was aber der Annahme von Versicherungsschutz nicht entgegenstehen würde, wenn er den Unfall auf dem Weg zum Briefkasten nach Rückkehr von der Feuerwehr erlitten hätte.

In derartigen Fällen "gemischter Tätigkeit” – auch auf Betriebswegen – besteht zwar im Allgemeinen nur Versicherungsschutz, wenn die Verrichtung im Einzelfall betrieblichen Interessen wesentlich gedient hat. Sie braucht ihnen nicht überwiegend gedient zu haben (BSGE 3, 240, 245; 20, 215, 216; Urteil des BSG vom 5. Mai 1994, Az.: 2 RU 26/93; Lauterbach-Watermann, a.a.O.). Die Wesentlichkeit des betrieblichen Interesses beurteilt sich in erster Linie nach den aufgrund von objektiven Anhaltspunkten nachvollziehbaren subjektiven Vorstellungen des Versicherten. Entscheidendes Abgrenzungskriterium für die Frage, ob eine gemischte Tätigkeit wesentlich betrieblichen Interessen gedient hat, ist, ob diese Tätigkeit hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre (BSGE 20, 219, BSG Urteil, Az.: 2 RU 26/93). Sind jedoch für die unfallbringende Verrichtung wesentlich allein die privaten Interessen des Verletzten, so ist der Unfall kein Arbeitsunfall. Die ebenfalls vorhandenen betrieblichen Interessen waren dann nur Nebenzweck des Handelns und bildeten für den Unfall lediglich eine Gelegenheitsursache (dazu Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 480 q). Läßt sich der zurückgelegte Weg jedoch eindeutig in mehrere Teile zerlegen, von denen einzelne betrieblichen Zwecken, andere privaten Zwecken gedient haben und wieder andere betrieblichen und privaten Interessen in einem, so erlangen vorgenannte Grundsätze nur für letztgenannte Wegeteile Bedeutung. Im Falle des Klägers hätte Versicherungsschutz zunächst auf dem einer gemischten Tätigkeit dienenden Weg bestanden, hier dem unfallfrei zurückgelegten Hin- und Rückweg nach H., falls die Aufgabe des Briefes mehr als nur unbeachtlicher Nebenzweck der Fahrt gewesen wäre. Unversichert ist immer der davon trennbare zu eigenwirtschaftlichen Zwecken zurückgelegte Weg, hier der Fußmarsch des Klägers vom Pkw zur Feuerwehr und zurück zur Abgabe des Bienenkorbes. Versichert ist dagegen immer die betrieblichen Zwecken dienende Tätigkeit selbst, d.h. der Fußweg vom Pkw zum Briefkasten und zurück zur Aufgabe des Briefes an der Hauptpost in H. – und zwar auch dann, wenn im übrigen keine gemischte Tätigkeit vorgelegen hätte, beispielsweise die Mitnahme des Geschäftsbriefes für die Fahrt insgesamt unbedeutend gewesen und deren Charakter als private Reise nicht berührt hätte (dazu Ricke in Kasseler Komm., Sozialversicherungsrecht, Band 2, Anm. 44 zu § 8 SGB VII; Brackmann, a.a.O., S. 480 q m.w.N.).

Der Senat konnte nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, daß der Kläger den Unfall auf dem danach jedenfalls versicherten Weg vom Pkw zur Briefaufgabe und zurück erlitten hat. Die Anhörung des Feuerwehrmannes D. B. und die nochmalige Vernehmung des H. F. vor dem Senat hat ergeben, daß kein Augenzeuge des Unfalles namhaft gemacht werden kann, so daß der Senat sich allein auf die Angaben des Klägers zu Hergang und Ort des Unfalles stützen mußte, die jedoch nicht eindeutig sind. Noch am Unfalltag gab der Kläger zunächst dem Hausarzt Dr. St. gegenüber an, mit dem rechten Fuß gegen ein Hindernis geprallt zu sein, wie von Dr. St. am 22. Juni 1990 in Auswertung seiner Behandlungsunterlagen der Beklagten gegenüber mitgeteilt und anschließend noch mehrfach von ihm bestätigt. Nach dem Besuch bei Dr. St. gelangte der Kläger noch am Unfalltag zum Röntgen in die Chirurgische Abteilung des Kreiskrankenhauses S., wo er nach Angaben der Dres. B. und B. vom Assistenzarzt L. untersucht und anamnestisch befragt wurde. Nach Auskunft des schriftlich gehörten Zeugen L. dokumentiert der Unfallbericht im allgemeinen die vom Verletzten selbst stammenden Angaben. Auch wenn er sich an den Kläger nicht mehr im einzelnen erinnert konnte, steht doch fest, daß diese Unterlagen zum Unfallhergang wiedergeben, daß der Kläger im Wachlokal der Feuerwehr H. bei Abgabe des Bienenkorbes über einen Türhalter gestolpert sein will. Mit seinen Erstangaben vom Unfalltag stimmen die zeitnächsten Angaben vom 1. Juli 1988 gegenüber dem Versicherungsvertreter W. D. überein, er sei am Stopper der Feuerwehr gestolpert. Der vom Senat als Zeuge gehörte Versicherungsvertreter hat dies so anläßlich eines Telefonats vom Kläger selbst erfahren und unmittelbar in die Schadensanzeige vom 1. Juli 1988 aufgenommen, wie er vor dem Senat im einzelnen bestätigen konnte. Sodann hat der Kläger etwa zwei Wochen später bei Prof. V. in der Sprechstunde vom 18. Juli 1988, wie von Prof. V. schriftlich als Zeuge bestätigt, angegeben, an einer hohen Türschwelle hängengeblieben und gestürzt zu sein, was nur erklärbar ist, wenn der Unfall sich bei der Feuerwehr ereignet hat. Schließlich wiederholte der Kläger am 3. März 1989 Dr. M. gegenüber die Erstangaben im Kreiskrankenhaus S., wie dieser als Zeuge schriftlich bestätigt hat. Auch seiner Krankenkasse, der Bayerischen Beamtenkasse, hatte der Kläger am 10. Februar 1989 geschrieben, über einen Türstopper gefallen zu sein und sich den rechten Fuß gebrochen zu haben. Unfallort sei das Feuerwehrhaus in H. gewesen.

Hätte sich der Unfall in dieser zeitnah zum Schadensereignis geschilderten Weise ereignet, wäre er unversichert, da auf dem privaten Zwecken dienenden Weg zur Abgabe des Bienenkorbes geschehen. Dem gegenüber hat der Kläger erstmals einen gesetzlichen Unfallversicherungsschutz begründenden Geschehensverlauf mit Unfallanzeige vom 30. Mai 1990 und ergänzendem Schreiben vom 19. Juni 1990 der Beklagten gegenüber angezeigt, wonach er bei Aufgabe des Briefes über einen auf der Straße liegenden Türstopper gestolpert sein will, und hat diese Unfallversion im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren aufrechterhalten.

Der Senat konnte nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellen, daß die fast zwei Jahre nach dem Ereignis vom Kläger vorgetragene Unfallversion mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den tatsächlichen Geschehensablauf widergibt, nachdem der Kläger zeitnah zum Unfall und wiederholt andere im wesentlichen übereinstimmende und vom späteren Vortrag abweichende Angaben gemacht hatte. Bei Würdigung seiner Unfallschilderungen hatte der Senat zu berücksichtigen, daß die zeitnächsten Angaben das Unfallgeschehen im allgemeinen besonders wirklichkeitsnah und von irgendwelchen Zweckerwägungen frei wiedergeben, ihnen daher im allgemeinen der höchste Beweiswert zuzumessen ist (Urteile des Senats vom 29. Juni 1977, Az.: L-3/U-295/77 und vom 15. Februar 1978, Az.: L-3/U-828/77; Urteile des BSG vom 14. März 1958, Az.: 2 RU 126/56 und vom 22. Mai 1959, Az.: 5 RKn 51/58).

Sein versicherungsschutzbegründender Vortrag ließe sich noch am ehesten mit der Aussage seines Bruders vor dem SG vereinbaren, wonach er den Kläger erst humpeln sah, als er von der Briefaufgabe zurückkam, wobei er aber das Stolpern selbst nicht gesehen hat. Der Zeuge B. hatte ebenfalls keine Beobachtungen zum Unfallgeschehen gemacht. Die Rückfrage bei der Freiwilligen Feuerwehr in H. hat nach Auskunft des Stadtbrandrates L. vom 6. August 1996 ergeben, daß der Kläger drei Türen passieren mußte, um ins Wachlokal im ersten Obergeschoß zu gelangen, wovon drei Türen mit 1,5 cm hohen abgerundeten Türstoppern versehen waren und noch sind. Die "Erstangaben” des Klägers gegenüber Dr. St., gegen ein Hindernis gestoßen zu sein, sowie im Kreiskrankenhaus S. und gegenüber dem Versicherungsvertreter D., über einen Stopper bei der Feuerwehr bzw. einen Türaufhalter in deren Wachlokal gestolpert zu sein, sind mit dieser Beschreibung der Örtlichkeiten bei der Freiwilligen Feuerwehr vereinbar. Allerdings will der Zeuge B. den Bienenkorb nicht im ersten Stock bzw. in dem der Leitstelle gegenübergelegenen "Wachlokal” entgegengenommen haben. Er hat den Kläger mit dem Bienenkorb nur vor der Eingangstür stehen sehen, dagegen hat er nicht beobachtet, wie der Kläger gekommen und wie er gegangen ist und ob bzw. wohin er sich ins Feuerwehrhaus begeben hat. Seine Angaben zum Unfallort und -geschehen bleiben danach ebenso vage wie die in der Auskunft des Stadtbrandrates L. vom 6. August 1996 geäußerte Vermutung, der Kläger sei – wenn überhaupt – nicht über einen Türstopper im Feuerwehrhaus sondern über einen der vor dem Feuerwehrhaus an den Ausfahrtstoren angebrachten Torfeststeller gestolpert, deren Existenz der Zeuge B. bestätigen konnte. Der Senat mußte nicht aufklären, ob der Unfall sich im oder vor dem Feuerwehrhaus an einem Türstopper oder einem Torfeststeller ereignet hat, denn auf dem Gelände der Feuerwehr wäre der Kläger in jedem Fall im unversicherten Bereich gestürzt.

Der Kläger konnte auch selbst keine plausible Erklärung für die von ihm angegebenen verschiedenen Unfallversionen geben. Eine Unachtsamkeit in Wort oder Schrift hätte möglicherweise eine fehlerhafte Angabe erklärbar gemacht, nicht aber die Vielzahl unterschiedlicher, unfallnaher, im wesentlichen übereinstimmender mündlicher oder schriftlicher Angaben gegenüber verschiedenen Ärzten, Krankenkasse und Versicherung. Die Erstangaben im Krankenhaus S. können nicht von Dr. St. gestammt haben, der als Zeuge schriftlich gehört ausschließen konnte, den Kläger zum Röntgen ins Krankenhaus gebracht zu haben. Auch die anderen als Zeugen schriftlich vernommenen Ärzte haben bekundet, nicht jeweils vom Vorgänger abgeschrieben sondern den Kläger persönlich befragt zu haben. Da letztlich nicht erwiesen ist, daß der Kläger auf einem versicherten Weg vom Pkw zum Briefkasten und zurück verunglückt ist, kam die Beklagten nicht als leistungspflichtig in Betracht. Da der Kläger andererseits seine früheren Angaben, bei der Feuerwehr bei Abgabe des Bienenkorbes verunglückt zu sein, nicht aufrechterhält, er sie vielmehr mittlerweile entschieden in Abrede stellt, konnte der Senat auch nicht zweifelsfrei feststellen, daß er bei Abgabe des Bienenkorbes einen "Arbeitsunfall” erlitten hat, für den unter Umständen der für die Freiwillige Feuerwehr der Stadt H. zuständige Unfallversicherungsträger einstandspflichtig wäre, wenn der Kläger in diesem Zusammenhang arbeitnehmerähnlich im Sinne des § 539 Abs. 2 RVO bei Einfangen des Bienenschwarmes und Transport des Bienenkorbes für die Freiwillige Feuerwehr H. tätig geworden wäre. Genauer Unfallhergang und Unfallort sind letztlich trotz umfangreicher Ermittlungen unaufgeklärt geblieben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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