L 3 U 1394/87

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 252/84
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1394/87
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Unfallversicherungsschutz des Arbeitslosen nach § 539 Abs. 1 Nr. 4 RVO auf dem Weg zur persönlichen Rückgabe der Antragsunterlagen für Arbeitslosengeld zu einem vom Arbeitsamt vergebenen Termin.
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. September 1987 sowie der Bescheid der Beklagten vom 23. August 1984 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, den Unfall des Klägers vom 2. November 1981 in gesetzlichem Umfang als Arbeitsunfall zu entschädigen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Verletztenrente aus Anlaß eines Verkehrsunfalls vom 2. November 1981.

Der 1938 geborene Kläger meldete sich erstmals am 16. Juni 1981 und nach Abmeldung in Arbeit zum 23. Juni 1981 erneut am 13. Oktober 1981 beim , arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). In der zuständigen Vermittlungsstelle wurde ihm ein Antragsvordruck für Alg für die Zelt vom 16. bis 22. Juni 1981 und ein Antrag auf Wiederbewilligung des Alg ab 13. Oktober 1981 ausgehändigt. Anschließend wurde ihm bei der Information des Arbeitsamtes (Pförtner) ein Termin zur Rückgabe des Antrags gegeben und auf dem Antragsvordruck für Alg eingetragen. Dort hieß es dann: "Rückgabe des sorgfältig ausgefüllten Antrags Datum 2.11.81, Uhrzeit 12.30, Zimmer 9. Bei Einhaltung des oben genannten Termins vermeiden Sie unnötiges Warten und eine Verzögerung der Auszahlung!”. Danach folgte der Hinweis: "Das Arbeitsamt benötigt nachstehend erfragte Angaben für die Beurteilung ihres Leistungsanspruchs nach §§ 100 ff. des Arbeitsförderungsgesetzes; Ihre Mitwirkungspflicht ergibt sich aus § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch”.

Am 2. November 1981 begab sich der Kläger mit dem Fahrrad von Seiner Wohnung in zum Zwecke der Antragsrückgabe zum Arbeitsamt. Kurz vor Erreichen seines Ziels stieß er gegen 11.43 Uhr in der R.straße/Einmündung M.straße mit einer Straßenbahn zusammen. Dabei zog er sich u.a. ein Schädelhirntrauma mit Contusio cerebri und nachfolgender Hirnleistungsschwäche sowie eine Oberschenkelfraktur links zu. Die von ihm selbst noch ausgefüllten und am 26. Oktober 1981 unterschriebenen Antragsvordrucke mit Arbeitsbescheinigungen früherer Arbeitgeber wurden dem Arbeitsamt am 12. November 1981 von seinem Bruder per Post mit der Bemerkung übersandt, daß der Kläger wegen seines schweren Verkehrsunfalls leider nicht persönlich habe erscheinen können, um seinen Antrag auf Alg abzugeben. Das Arbeitsamt bewilligte dem Kläger Alg für die Zeit vom 19. Juni bis 22. Juni 1981 und vom 13. Oktober bis 12. Dezember 1981. Anschließend erhielt er Krankengeld und Übergangsgeld. Seit dem 19. Mai 1983 bezieht er von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen wegen eines am 2. November 1981 eingetretenen Versicherungsfalls Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid vom 5. August 1983).

Im Dezember 1983 erkundigte sich der Kläger bei der Beklagten nach dem Sachstand, da eine Unfallrente noch nicht bewilligt worden sei. Bei dem Unfall am 2. November 1981 habe es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt, da er zur Arbeitsvermittlung bestellt gewesen sei. Jedenfalls sei er nach § 539 Abs. 1 Nr. 4 b Reichsversicherungsordnung (RVO) versichert gewesen, da er aufgefordert worden sei, das Arbeitsamt aufzusuchen und er der Ansicht gewesen sei, er müsse den Termin am 2. November 1981, 12.30 Uhr, unbedingt einhalten. Durch Bescheid vom 23. August 1984 lehnte die Beklagte eine Entschädigung mit der Begründung ab, daß der Kläger zur Zeit des Unfalls nicht nach § 539 Abs. 1 Nr. 4 RVO versichert gewesen sei. Zwar habe er am Unfalltag der Meldepflicht gemäß § 132 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) unterlegen; er habe das Arbeitsamt jedoch nicht zur Erfüllung dieser Meldepflicht, sondern zur Abgabe seines Antrags aufsuchen wollen. Der Weg, der unternommen werde, um Alg zu beantragen, stehe jedoch nicht unter Versicherungsschutz.

Gegen den seiner Prozeßbevollmächtigten am 29. August 1984 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 1. Oktober 1984 (Montag) beim Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main Klage erhoben. Er hat schriftliche Erklärungen seines Bruders sowie des und der vorgelegt, worin es heißt, daß der Kläger am 2. November 1981 vom Arbeitsamt Frankfurt/Main schriftlich vorgeladen worden und deshalb von seiner Wohnung mit dem Fahrrad dorthin gefahren sei. Wenn das Arbeitsamt den Eindruck vermittle, er müsse zu einem bestimmten Zeitpunkt bei der Behörde erscheinen, so müsse der Versicherungsschutz auch dann gegeben sein, wenn er nur zur Abgabe seines Antrags auf Alg bestellt worden sei. Ein Hinweis darauf, daß der Antrag auch per Post habe zugesandt werden können, sei ihm nicht gegeben worden. Er habe auch damit rechnen müssen, daß über die Behandlung seines Alg-Antrags hinaus ein Gespräch, z.B. wegen evtl. Arbeitsvermittlung, mit ihm beabsichtigt gewesen sei, welches er zur Vermeidung von Nachteilen nicht versäumen dürfe.

Das SG hat zur weiteren Sachaufklärung die Auskunft vom 20. November 1986 des Arbeitsamtes Frankfurt am Main eingeholt, in der u.a. mitgeteilt wird, daß die Terminvergabe für die Abgabe des Antrags keine Fristsetzung, sondern lediglich eine Andrangsregelung zur Vermeidung von Wartezeiten darstelle. Fragen einer etwaigen Arbeitsvermittlung würden dabei nicht erörtert. Der Antrag müsse auch nicht persönlich abgegeben werden, sondern könne per Post zugeschickt werden. Allerdings werde der Antragsteller darauf in der Regel nicht ausdrücklich hingewiesen. Durch Urteil vom 8. September 1987 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 539 Abs. 1 Nr. 4 a RVO seien nicht erfüllt, weil der Kläger sich am 2. November 1981 nicht zur Erfüllung seiner Meldepflicht nach § 132 AFG zum Arbeitsamt begeben habe. Nach der Art und Weise der Terminvergabe und dem klaren Wortlaut des Antragsvordrucks habe der Termin am 2. November 1981 gar nicht mit einem möglichen Arbeitsvermittlungsgespräch oder dergleichen in Verbindung stehen können. Wenn der Kläger dies angenommen habe, so handele es sich um eine subjektive Fehleinschätzung, die durch das Arbeitsamt nicht veranlaßt worden sei. Vielmehr habe der Kläger dem Antragsvordruck unmißverständlich entnehmen können, daß die Terminvergabe lediglich seinem Interesse gedient habe, unnötiges Warten bei der Abgabe des Antrags und Verzögerungen bei der Auszahlung der Leistung zu vermeiden. Daß ein Hinweis auf die Möglichkeit der Zusendung per Post nicht gegeben worden sei, lasse keine andere Beurteilung zu, da jeder Antrag schriftlich mit der Post oder durch Boten eingereicht werden könne.

Gegen das seiner Prozeßbevollmächtigten am 27. November 1987 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. Dezember 1987 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bezieht er sich im wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen. Da ihm ein konkreter Termin zur Vorsprache bestimmt worden sei, sei er so zu stellen, als ob er zur Arbeitsvermittlung vorgeladen worden wäre.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. September 1987 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. August 1984 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Unfall vom 2. November 1981 als Arbeitsunfall in gesetzlichem Umfang zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Allerdings sei entgegen der Ansicht des SG davon auszugehen, daß der Kläger der Meldepflicht gemäß § 132 AFG zur Zeit des Unfalls noch nicht unterlegen habe, da der Antrag auf Alg zu dieser Zeit noch nicht gestellt gewesen sei, sondern erst habe gestellt werden sollen. Sie bezieht sich insoweit auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8. Dezember 1988 – 2 RU 47/87.

Der Senat hat ergänzend die Auskunft des Arbeitsamts vom 7. Dezember 1988 eingeholt. Darin heißt es u.a., daß alle Antragsteller bei der Aushändigung des Antragsvordrucks aufgefordert werden, wegen des Termins zur Abgabe der Antragsunterlagen bei der Information des Arbeitsamts vorzusprechen. Entgegne der Antragsteller jedoch, Termine aus bestimmten Gründen nicht einhalten zu können, ergehe der Hinweis, den Antrag durch eine Person seines Vertrauens oder per Post einzureichen. Während der Antragsabgabe könnten eventuelle Fragen beantwortet und das richtige Ausfüllen des Antragsvordrucks sowie die Vollständigkeit der Unterlagen geprüft werden. Eine Vorsprache in der Vermittlungsstelle nach Abgabe des Antrags sei nicht vorgesehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere auch auf den der beigezogenen Akte des Arbeitsamtes , Stamm-Nr. XXXXX, Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung (§§ 143 ff., 151 SGG) ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus Anlaß des am 2. November 1981 erlittenen Verkehrsunfalls, weil es sich hierbei um einen Arbeitsunfall/Wegeunfall gehandelt hat (§ 547 i.V.m. §§ 550 Abs. 1, 539 Abs. 1 Nr. 4 b RVO).

Nach den Angaben des Klägers und dem polizeilichen Verkehrsunfallbericht vom 1. September 1983 befand sich der Kläger am 2. November 1981 mit dem Fahrrad auf dem Weg von seiner Wohnung in Arbeitsamt in der , als er gegen 11.43 Uhr auf der R.straße/Einmündung M.straße kurz vor dem Arbeitsamt mit einer Straßenbahn zusammenstieß und sich hierbei u.a. ein schweres Schädelhirntrauma mit Contusio cerebri und nachfolgender Hirnleistungsschwäche sowie eine Oberschenkelfraktur links zuzog. Das ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG stand der Kläger im Zeltpunkt des Unfalls auch gemäß § 165 AFG i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 4 RVO unter Versicherungsschutz. Nach dieser Vorschrift sind u.a. Personen versichert, die nach den Vorschriften des APG der Meldepflicht unterliegen, wenn sie a) zur Erfüllung Ihrer Meldepflicht die hierfür bestimmte Stelle aufsuchen oder b) auf Aufforderung einer Dienststelle der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung diese oder andere Stellen aufsuchen. Der Kläger hat am 2. November 1981 der Meldepflicht nach dem APG unterlegen. Diese Ist in § 132 AFG i.V.m. der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die Meldepflicht – Meldeanordnung – vom 14. Dezember 1972 (ANBA 1973, S. 245) geregelt. Nach § 132 Abs. 1 AFG hat sich der Arbeitslose während der Zeit, für die er einen Anspruch auf Alg erhebt, beim Arbeitsamt, einer sonstigen Dienststelle der Bundesanstalt oder einer mit der Arbeitsvermittlung beauftragten Stelle zu melden, wenn das Arbeitsamt ihn dazu auffordert, gleichgültig, ob der Anspruch auf Alg nach den §§ 116, 117, 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder § 119 AFG ruht. Danach sind Arbeitslose bereits dann meldepflichtig, wenn sie Alg beantragt haben, unabhängig davon, ob die Leistung später bewilligt oder abgelehnt wird (BSGE 25, 214; 36, 39; Gagel, Kommentar zum AFG, Rdnr. 11 zu § 132 und Rdnr. 1 zu § 165). Dabei ist die Antragstellung als materielle Voraussetzung des Anspruchs auf Alg (§ 100 Abs. 1 AFG) an keine bestimmte Form gebunden. Ein rechtswirksamer Antrag liegt vor, wenn der Arbeitslose – schriftlich, mündlich oder fernmündlich – seinen Willen zum Ausdruck bringt, Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zu erhalten. Das hatte der Kläger hier bereits am 16. Juni 1981 und – nach Abmeldung in Arbeit ohne Arbeitsaufnahme – erneut am 13. Oktober 1981 anläßlich seiner wiederholten Arbeitslosmeldung getan, wie sich aus dem Antragsvordruck für die Wiederbewilligung von Alg zweifelsfrei ergibt. Denn nach der Eintragung der zuständigen Vermittlungsstelle war der 13. Oktober 1981 nicht nur der Tag der erneuten Arbeitslosmeldung, sondern auch der der Antragstellung. Demgemäß wurde dem Kläger das Alg später u.a. für die Zeit vom 13. Oktober 1981 bis 12. Dezember 1981 bewilligt. Auf die Abgabe des dem Kläger am 13. Oktober 1981 ausgehändigten Antragsvordrucks kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht an (Gagel-Steinmeyer, a.a.O., Rdnr. 6 ff. zu § 100; Hennig/Kühl/Heuer, Kommentar zum AFG, Anm. 6 zu § 100). Vielmehr unterlag der Kläger entsprechend der im angefochtenen Bescheid ursprünglich noch vertretenen Auffassung spätestens seit dem 13. Oktober 1981 und damit auch im Zeitpunkt des Unfalls am 2. November 1981 wiederum der Meldepflicht. Das von der Beklagten für ihre gegenteilige Ansicht angeführte Urteil des BSG vom 8. Dezember 1988 – 2 RU 47/87 – betrifft erkennbar einen völlig anderen Sachverhalt.

Der Weg wurde vom Kläger auch aufgrund einer Aufforderung des , dieses aufzusuchen, unternommen. Dem Kläger wären bei seiner erneuten Arbeitslosmeldung und Antragstellung am 13. Oktober 1981 Antragsformulare für Alg für die Zeit ab 16. Juni 1981 sowie für die Zeit ab 13. Oktober 1981 von der zuständigen Vermittlungsstelle ausgehändigt worden. Außerdem wurde ihm am Informationsstand des Arbeitsamts ausweislich der Eintragungen auf dem Antragsvordruck ein Termin zu ihrer persönlichen Rückgabe für den 2. November 1981, 12.30 Uhr, Zimmer 9, gegeben. Anhaltspunkte dafür, daß diese Terminvergabe auf Wunsch und Initiative des Klägers erfolgte, gibt es nicht. Vielmehr wurde er laut Mitteilung des Arbeitsamts vom 7. Dezember 1988 wie alle Antragsteller bei Aushändigung des Antragsvordrucks von der zuständigen Vermittlungsstelle aufgefordert, wegen des Termins zur persönlichen Rückgabe der Antragsunterlagen bei der Information vorzusprechen. Dabei wurde ihm den Umständen nach auch nicht gesagt, daß es ihm freistand, diesen Termin wahrzunehmen bzw. die Antragsrückgabe genausogut per Post erfolgen könne. Nach den Auskünften des Arbeitsamts 22. Januar 1987 und 7. Dezember 1988 wird der Antragsteller auf die "im Prinzip” bestehende Möglichkeit der Übersendung des Antrags per Post in der Regel nicht ausdrücklich aufmerksam gemacht; nur wenn der Antragsteller erklärt, den Termin aus bestimmten Gründen (Arbeitsaufnahme, Kur, Wehrdienst, Zivildienst usw.) nicht einhalten zu können, ergeht der Hinweis, den Antrag durch eine Person des Vertrauens oder per Post einzureichen. Ein Hinweis auf die Möglichkeit einer postalischen Übersendung findet sich auch im Antragsvordruck nicht. Ob er allgemein im Merkblatt für Arbeitslose enthalten ist und dem Kläger dieses Merkblatt entsprechend der formularmäßigen Erklärung in dem von ihm unterschriebenen Antragsvordruck tatsächlich ausgehändigt wurde, ist letztlich unerheblich, da es auf das Verhalten des Arbeitsamts im konkreten Fall und Insoweit darauf ankommt, daß dem Kläger tatsächlich ein Termin für die persönliche Rückgabe des Antrags im Arbeitsamt genannt wurde und dies nicht auf seine eigene Initiative und seine persönlichen Wünsche zurückging. Bei einer derartigen Sachlage kann die Terminvergabe auch nicht so verstanden werden, daß das Arbeitsamt sich lediglich mit einer eventuellen persönlichen Vorsprache am 2. November 1981 zum Zwecke der Antragsrückgabe einverstanden erklärte, sofern der Kläger sich dazu ggf. anstelle einer Zusendung per Post entschloß, sondern der Kläger konnte und mußte davon ausgehen, daß von ihm eine persönliche Meldung und Antragsrückgabe zu dem angegebenen Zeitpunkt erwartet wurde. Demgemäß hat er sich mit den von ihm schon am 26. Oktober 1981 ausgefüllten und unterschriebenen Antragsvordrucken und den bei früheren Arbeitgebern beschafften Arbeitsbescheinigungen am 2. November 1981 auch auf den Weg zum Arbeitsamt gemacht, um die Unterlagen abzugeben. Damit sind die Voraussetzungen des § 539 Abs. 1 Nr. 4 b RVO erfüllt. Für die Anerkennung eines Versicherungsschutzes ist es demgegenüber nicht erforderlich, daß es sich um eine Aufforderung des Arbeitsamts zum Zwecke der Arbeitsvermittlung (§ 13 AFG) handelte. Zum einen kann der Meldepflichtige nach § 132 AFG i.V.m. § 2 der Meldeanordnung vom 14. Dezember 1972 nicht nur zum Zwecke der Vermittlung in Arbeit, sondern u.a. auch "zur Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren” aufgefordert werden, sich zu melden. Zum anderen ist der Versicherungsschutz nicht auf Wege beschränkt, die vom Meldepflichtigen in Erfüllung der Meldepflicht zurückgelegt werden, wie sich aus § 539 Abs. 1 Nr. 4 b RVO ergibt. Diese Vorschrift enthält keine Einschränkung hinsichtlich der Gründe und des Zwecks der Aufforderung und umfaßt z.B. auch Aufforderungen zur Arbeitsberatung nach § 15 AFG (vgl. BSG SozR 2200 § 539 Nr. 78), zur Rückmeldung nach Abschluß einer Bildungsmaßnahme (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 76) oder zu anderen für erforderlich gehaltenen persönlichen Kontakten, u.a. solchen, die der Erfüllung der Mitwirkungspflicht des Antragstellers nach § 60 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB 1) oder zur mündlichen Erörterung seines Antrags (§ 61 SGB 1) dienen. Dabei ist es auch nicht notwendig, daß z.B. im Rahmen der Befugnisse der Meldeanordnung oder des § 61 SGB 1 ergehende Aufforderungen nach Form und Inhalt ausreichen, um die leistungsrechtlichen Sanktionen des § 120 AFG oder des § 66 SGB 1 auszulösen bzw. es sich um rechtswirksame Meldeaufforderungen oder ein rechtswirksames Verlangen zur Mitwirkung im Sinne des § 61 SGB 1 (vgl. dazu BSG SozR 4100 § 132 Nr. 1) handelt. Es ist nicht einmal erforderlich, daß für die Aufforderung überhaupt eine Rechtsgrundlage bestand. Sie muß nur im Zusammenhang mit den Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit stehen und es muß sich um eine Willensäußerung handeln, die erkennen läßt, daß die Arbeitsverwaltung ein bestimmtes Verhalten – die persönliche Vorsprache/Meldung – vom Arbeitslosen erwartet (vgl. dazu Gagel, a.a.O., Rdnrn. 2 und 3 zu § 165 und Rdnrn. 15 und 26 zu § 132). In diesem Sinne kann auch eine Bitte oder Empfehlung des Arbeitsamts eine "Aufforderung” sein. So hat das BSG entschieden, daß die Bitte oder Empfehlung, nach Beendigung einer Bildungsmaßnahme im Falle der Arbeitslosigkeit zur Vermeidung von finanziellen Nachteilen umgehend bei der Arbeitsvermittlung vorzusprechen, um die notwendigen Antragsvordrucke entgegenzunehmen, einer Aufforderung gleichkommt (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 76). Ebenso wurde ein Hinweis des Arbeitsamts an den Arbeitslosen, noch vor einem in etwa acht bis zehn Tagen geplanten Umzug zu einem nicht genau bestimmten Termin beim Arbeitsamt vorzusprechen, um dort einen Antrag auf Zuständigkeitserklärung zu stellen, als Aufforderung zur Meldung im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 4 b RVO gewertet (vgl. Urteil des BSG vom 26. Oktober 1983 – 9 b RU 6/82). Die Wertung der Terminvergabe für die persönliche Rückgabe des Antragsvordrucks für Alg als Aufforderung zur Meldung wird danach im vorliegenden Fall auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß für den Fall des Nichterscheinens keine Rechtsfolgen im Sinne des § 120 AFG oder § 66 SGB 1 angedroht wurden und es im Antragsvordruck lediglich heißt, daß der Kläger bei Einhaltung des Termins unnötiges Warten und eine Verzögerung der Auszahlung vermeide. Dies ändert nichts daran, daß dem Kläger die persönliche Vorsprache zur Antragsrückgabe am 2. November 1981 um 12.30 Uhr im Zimmer 9 vom Arbeitsamt angetragen und empfohlen wurde und er der Aufforderung zu dem genau bestimmten Zeitpunkt nachkommen konnte und zur reibungslosen Bearbeitung seines Antrags auch nachkommen sollte (vgl. dazu auch Urteil des BSG vom 26. Oktober 1983 – 9 b RU 6/82). Insbesondere konnte der Kläger auch diesem Zusatz nicht entnehmen, daß die persönliche Rückgabe der Antragsvordrucke überhaupt entbehrlich sei und vom Arbeitsamt allenfalls gebilligt werde. Vielmehr mußte und durfte er nach den Gesamtumständen davon ausgehen, daß das Arbeitsamt aus mit der Leistungsgewährung zusammenhängenden Gründen oder sonstigen Erwägungen, die im einzelnen zu erforschen nicht seine Aufgabe war, auf sein persönliches Erscheinen im Zusammenhang mit der Antragsrückgabe Wert legte und ihn deshalb unter Angabe eines bestimmten Termins dazu aufforderte. Im übrigen ergibt sich aus der Auskunft des Arbeitsamts Frankfurt am Main vom 7. Dezember 1988 auch, daß mit der Terminvergabe zur persönlichen Rückgabe der Antragsunterlagen durch den Antragsteller tatsächlich zumindest bestimmte leistungsrechtliche Zwecke verfolgt werden, d.h. der persönliche Kontakt z.B. dazu dient, eventuelle Fragen zu beantworten und das richtige Ausfüllen des Antragsvordrucks und die Vollständigkeit der Unterlagen zu prüfen.

Soweit die Beklagte im angefochtenen Bescheid den zur Rückgabe eines Antragsvordrucks für Alg unternommenen Weg eines meldepflichtigen Arbeitslosen zum Arbeitsamt ohne weiteres dem Weg zur Arbeitslosmeldung und Antragstellung gleichstellt und wie diesen als eigenwirtschaftliche Betätigung wertet, verkennt sie, daß Arbeitslose, die sich zum Arbeitsamt begeben, um sich dort arbeitslos zu melden und Leistungen zu beantragen, der Meldepflicht noch nicht unterliegen, sondern erst die Rechtsgrundlage dafür schaffen und deshalb nach § 539 Abs. 1 Nr. 4 RVO nicht versichert sind (BSGE 25, 214; 36, 39; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Auflage, Bd. II, S. 472 s unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Davon zu unterscheiden ist der Weg eines schon meldepflichtigen Arbeitslosen zum Arbeitsamt zur persönlichen Rückgabe des ihm zuvor vom Arbeitsamt ausgehändigten Antragsvordrucks für Alg. Dieser steht vielmehr nach § 539 Abs. 1 Nr. 4 b RVO unter Versicherungsschutz, wenn er aufgrund einer Aufforderung des Arbeitsamts und zu ihrer Erfüllung unternommen wird. Davon ist im Falle des Klägers aber auszugehen.

Da nach der Schwere der durch den Unfall vom 2. November 1981 erlittenen Verletzungen, wie sie durch das Gutachten des Arbeitsamtsarztes aus dem Jahre 1983 und die im Berufungsverfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen dokumentiert sind, feststeht, daß der Kläger Mindestleistungen beanspruchen kann, konnte der Senat auch ein Grundurteil erlassen (§ 130 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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