Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 3b U 124/80
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 139/85
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 19. Juli 1984 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger wegen einer Berufskrankheit von der Beklagten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung beanspruchen kann.
Der 1917 geborene Kläger war seit 1966 Pächter einer "T.-Tankstelle”. Die Tankstellenanlage wurde täglich in der Zeit von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr von ihm, einer Tankwartsgehilfin und gelegentlich auch von seiner Ehefrau betreut. Es fielen die üblichen Pflegedienstleistungen an, wie Autowaschen, Scheibenwaschen, Luftdruckprüfungen, Ölstand- und Kühlwasserkontrolle, darüber hinaus wurden aber vor allem die Personenkraftwagen von Hand betankt. In den letzten Jahren – der Kläger gab die Tankstelle zum 31. März 1980 auf – wurden monatlich etwa 100.000 Liter Treibstoff in ca. 100 bis 120 PKW pro Tag abgefüllt.
Am 27. Mai 1980 meldete der Kläger der Beklagten, er leide seit April 1976 an Schluckbeschwerden und Brennen im Hals und Rachen infolge der Einwirkung der beim Betanken ausströmenden Gase (Benzin und Benzol). In der ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit vom 18. Juni 1980 führte der Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO) Dr. N. eine starke Rötung im Pharynx-Larynx-Bereich und permanentes Brennen auf die langjährige Tätigkeit des Klägers mit Benzin- oder Benzoldämpfen zurück. Demgegenüber vertrat der Landesgewerbearzt im Hessischen Sozialministerium in der Stellungnahme vom 2. Oktober 1980 die Ansicht, bei den Symptomen im Hals- und Rachenbereich des Klägers handele es sich um keine Berufskrankheit im Sinne der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO), weil ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der ausgeübten beruflichen Tätigkeit und den Beschwerden im Hals- und Rachenbereich nicht anzunehmen sei. Hierauf gestützt lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 5. November 1980 ab, die Erkrankung des Klägers im Mund- und Rachenbereich als Berufskrankheit zu entschädigen.
Hiergegen hat der Kläger am 28. November 1980 Klage erhöben.
Das Sozialgericht (SG) Fulda hat die Auskunft der Fa. T. vom 26. Mai 1981 über die Zusammensetzung der verschiedenen der von ihr gelieferten Benzinarten eingeholt und sodann Prof. Dr. W., Leiter des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der J.-Universität G. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt, das dieser am 12. November 1981 unter Berücksichtigung eines Zusatzgutachtens des Prof. Dr. F., Universitäts-HNO-Klinik G., vom 1. Oktober 1981 und eines röntgenologischen Zusatzgutachtens des Arztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. B. vom 22. Juli 1981 erstellt hat. Das SG hat ferner eine Stellungnahme des Hessischen Landesgewerbearztes vom 22. Dezember 1981 sowie das Gutachten des Prof. Dr. v. I., Universitäts-HNO-Kliniken in F., vom 13. März 1984 eingeholt. Mit Urteil vom 19. Juli 1984 hat es den Bescheid der Beklagten vom 5. November 1980 aufgehoben und diese verurteilt, dem Kläger wegen einer berufsbedingten Mund- und Rachenhöhlenerkrankung Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. zu zahlen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, beim Kläger bestehe eine Erkrankung durch Benzol und seine Homologe, die nach der Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKVO eine Berufskrankheit sei. Nach den übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen Prof. Dr. v. I., Prof. Dr. F. und Prof. Dr. W. bestehe bei ihm eine Erkrankung der Schleimhäute des Mundes, des Rachens, des Nasenraumes sowie des Kehlkopfes und eine Beeinträchtigung des Geruchs- und Geschmacksinnes. Überzeugend hätten Prof. Dr. W. und Prof. Dr. v. I. diese Erkrankung auf den beruflichen Umgang des Klägers mit Benzin zurückgeführt. Es treffe zwar zu, daß das Berufsgenossenschaftliche Institut für Arbeitssicherheit in seinem von der Beklagten vorgelegten Bericht vom 29. Oktober 1982 für Benzol Konzentrations-Durchschnittswerte und Konzentrations-Spitzenwerte unterhalb des sogenannten TRK-Wertes und für die Homologe Toluol und Xylol-Werte unterhalb der MAK-Werte (maximale Arbeitsplatzkonzentrationen) gemessen habe. Die Kammer sei jedoch mit dem Sachverständigen Prof. Dr. v. I. der Meinung, daß es für Benzol als carzinogenem Stoff eine tolerable Konzentration nicht geben könne. Davon gingen auch die "Technischen Regeln für gefährliche Arbeitsstoffe (TRgA 900)” in der Bekanntmachung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 11. August 1983 – III b 4 – 35107 (BABl 1983 10/45) aus, die Benzol den eindeutig als krebserzeugend ausgewiesenen Arbeitsstoffen zuordneten und einen MAK-Wert nicht festsetzten. Die Einhaltung der TRK-Werte sage dagegen über die Gefährdung nichts aus, sie dienten lediglich der Verminderung des Krankheitsrisikos und gäben nicht eine gesundheitlich unschädliche Konzentration an. Die Einhaltung der MAK- und TRK-Werte spreche im übrigen auch deshalb nicht gegen das Vorliegen einer Berufskrankheit, weil diese Werte als 8-Stunden-Mittelwert konzipiert seien, der Kläger jedoch wesentlich länger, nämlich 12 Stunden täglich, gearbeitet habe. Wenn für die Erkrankung des Klägers auch sicherlich andere Ursachen vorstellbar seien, so spreche für die berufliche Verursachung zum einen die Dauer der Einwirkung, zum anderen die Tatsache, daß die frühere Mitarbeiterin des Klägers gleichfalls an einer Erkrankung des Mund- und Rachenraumes leide.
Gegen dieses ihr am 17. Januar 1985 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 7. Februar 1985 eingelegten Berufung, die sie im wesentlichen darauf stützt, der Hessische Landesgewerbearzt habe in seiner Stellungnahme vom 22. Dezember 1981 zu Recht darauf hingewiesen, daß die Annahme einer Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKVO voraussetze, daß die Einwirkung dieser Stoffe (Benzol oder seine Homologe) unter Arbeitsplatzbedingungen nachgewiesen sei. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Vielmehr hätten die von dem Berufsgenossenschaftlichen Institut für Arbeitssicherheit an der T.-Tankstelle durchgeführten Messungen ergeben, daß für die Stoffe Bleitetraethyl, Bleitetramethyl, Ethylbenzol, iso-Propylbenzol, Toluol und Xylol festgestellten Konzentrationsdurchschnittswerte in keinem Fall einen Wert von 0,1 des MAK-Wertes überschritten hätten. Auch bei den nicht aromatischen Kohlenwasserstoffen, wie Butan, Hexan, Pentan und Propan sei ein Wert von 0,1 des zugeordneten MAK-Wertes nicht überschritten worden. Insgesamt hätten bei der Schadstoffmessung Benzol und seine Homologe in der Atemluft weit unterhalb der Grenzwerte gelegen. Es sei zwar zutreffend, daß für Benzol als einem krebserzeugenden Stoff ein MAK-Wert nicht ermittelt werden könne; es würden jedoch für derartige krebserzeugende Stoffe in den technischen Regeln für gefährliche Arbeitsstoffe technische Richtkonzentrationen (TRK) festgesetzt. Bei der durchgeführten Messung hätte die Benzolkonzentration sicher unter dem TRK-Wert gelegen, so daß eine Gesundheitsschädigung unwahrscheinlich sei. Es sei in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, daß der Kläger nicht seit 1966 der Einwirkung von Benzol ausgesetzt gewesen sei, vielmehr sei nach der Auskunft der Fa. T. vom 26. Mai 1981 dieser Stoff erst ab 1976 im Benzin enthalten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 19. Juli 1984 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und bezieht sich im übrigen auf ein ärztliches Attest des Dr. L. vom 8. Oktober 1988.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts die Auskünfte des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 1. September 1988 und des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 24. Oktober 1988 eingeholt sowie Prof. Dr. H., Direktor der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkranke in B. und Prof. Dr. K., Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der J.-Universität M., mit der Erstellung von Gutachten beauftragt. Der Sachverständige Prof. Dr. H. gelangt in seinem Gutachten vom 3. September 1986 zu dem Ergebnis, daß keine überwiegenden Gründe dafür sprächen, eine berufsbedingte Ursache für die Erkrankung des Klägers anzunehmen; vielmehr stünden mit Wahrscheinlichkeit mehrere anlagebedingte und berufsunabhängige Ursachen nebeneinander, eine berufsbedingte Ursache spiele eine untergeordnete Rolle. Die MdE auf HNO-ärztlichem Gebiet werde auf 15 v.H. eingeschätzt. Der Sachverständige Prof. Dr. K. führt in seinem Gutachten vom 10. April 1989 zusammenfassend aus, es sei aufgrund der Arbeitsbedingungen, Benzinemissionen und insbesondere des bisherigen Krankheitsverlaufes unwahrscheinlich, daß die von dem Kläger angegebenen und HNO-fachärztlich bestätigten chronischen Entzündungen der oberen Atemwege auf seinen jahrelangen Umgang mit Benzin zurückzuführen seien. Als Ursachen der Gesundheitsstörungen seien in erster Linie Infekte und Allergien anzuschuldigen. Darüber hinaus gebe es zahlreiche weitere Ursachen, die qualitativ und in ihrer möglichen Rangordnung oder ihrem Grade der Wahrscheinlichkeit durch ein HNO-fachärztliches Zusatzgutachten geklärt werden könnten. Überwiegende Gründe dafür, daß eine berufsbedingte Ursache anzunehmen sei, lägen jedoch nicht vor. Die durch die Gesundheitsstörungen insgesamt bedingte MdE werde auf 15. v.H. geschätzt.
Im übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt der Akte der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 145, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) und auch in der Sache begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten erweist sich im Ergebnis als zutreffend. Entgegen der Auffassung des SG hat der Kläger keinen Anspruch auf Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung, weil er nicht an einer Berufskrankheit leidet.
Nach § 551 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ist eine Erkrankung dann eine Berufskrankheit, wenn sie in einer Rechtsverordnung der Bundesregierung als solche bezeichnet ist und der Versicherte sie bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Zu den Berufskrankheiten gehören nach Nr. 1303 der Anlage 1 zur 7. BKVO vom 6. Juni 1968 (BGBl. I Seite 721) in der Fassung der Verordnung vom 8. Dezember 1976 (BGBl. I Seite 3329) Erkrankungen durch Benzol oder seine Homologe; des weiteren gehören nach Nr. 4302 dieser Anlage durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen und nach Nr. 5101 schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen zu den Berufskrankheiten, wenn die Atemwegs- oder Hauterkrankungen zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen habe, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Es kann dahingestellt bleiben, ob im vorliegenden Falle das Leiden des Klägers nach Nrn. 1303, 4302 oder 5101 der Anlage 1 zur 7. BKVO zu beurteilen ist. In jedem Falle ist Voraussetzung für die Anerkennung der Erkrankung als Berufskrankheit, daß sie der Kläger bei seiner beruflichen Tätigkeit als Tanksteilenwart erlitten hat. Davon kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden.
Die vom Kläger insbesondere geltend gemachten Beschwerden im Mund- und Rachenbereich sind nicht mit der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf seinen beruflichen Umgang mit Benzin zurückzuführen. Die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhanges ist nämlich nur dann gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, daß die dagegen gerichteten billigerweise für die Bildung einer Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (Bundessozialgericht – BSG – SozR § 542 RVO a.F. Nr. 20; Lauterbach-Watermann, Unfallversicherung, 3. Auflage, Anm. 17 zu § 548). Demgegenüber reicht die bloße Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zur Anspruchsbegründung nicht aus. Allenfalls von einer solchen Möglichkeit kann im Falle des Klägers aber ausgegangen werden. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht zur Überzeugung des Senates fest, daß berufliche Ursachen für das Auftreten der in Rede stehenden Erkrankung unwahrscheinlich sind. Dies haben sowohl der Sachverständige Prof. Dr. H. als auch der Sachverständige Prof. Dr. K. übereinstimmend ausgeführt. Letzterer hat im Gutachten vom 10. April 1989 schlüssig darauf hingewiesen, daß bei der Wirkung von Benzin auf den Menschen zwischen einer unspezifischen Sofortwirkung und einer dauerhaften Organwirkung zu unterscheiden ist. Die unspezifische Sofortwirkung besteht in einer Reizung von Haut und Schleimhäuten und in einer Reizung oder Lähmung des Nervensystems. Schleimhautreizungen wurden vorwiegend bei versehentlichem Verschlucken von Benzin beobachtet. Die unspezifischen Sofortwirkungen stehen in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Benzineinwirkung, klingen jedoch mit zunehmender Benzinausscheidung ab, sind also reversibel und hinterlassen keine Dauerschäden. Eine chronische Schleimhautschädigung durch langjährige Einwirkung von Benzin ist zwar grundsätzlich denkbar, aber bisher trotz des weltweit hohen Benzinverbrauchs nicht beschrieben worden. Organische Dauerschäden betreffen dagegen ganz überwiegend das periphere und zentrale Nervensystem; solche liegen jedoch beim Kläger nicht vor. Der Sachverständige Prof. Dr. K. hat zwar eingeräumt, daß Benzin grundsätzlich zu rezidivierenden Reizzuständen von Haut, Schleimhäuten und Nervensystem führen kann, jedoch einleuchtend darauf hingewiesen, daß diese Wirkungen dosisabhängig seien und nur bei hohen Benzinbelastungen, bei Unglücksfällen oder suizidalen Vergiftungen beobachtet wurden. Bei niedrigen Benzinemissionen sind solche Wirkungen aber unwahrscheinlich. Aufgrund der allgemeinen Erfahrungen beim Betanken und aufgrund des Meßberichtes des Berufsgenossenschaftlichen Instituts für Arbeitssicherheit vom 29. Oktober 1982 ist davon auszugehen, daß die Belastung durch die im Benzin enthaltenen relevanten Schadstoffe gering war, nämlich maximal ein Zehntel des jeweiligen MAK-Wertes und nur ausnahmsweise für wenige Sekunden höhere Spitzenkonzentrationen erreicht hat. Selbst wenn bei dem Kläger eine besondere individuelle Empfindlichkeit gegenüber Benzindämpfen anzunehmen wäre, ist es unwahrscheinlich, daß die von ihm geschilderten Reiz zustände des oberen Atemtraktes durch die rezidivierenden Benzinemissionen hervorgerufen worden sind. Wohl ist anzunehmen, daß es gelegentlich zu Reaktionen im Sinne eines sogenannten Pränarkosesyndroms mit Übelkeit, Magenbeschwerden und Appetitlosigkeit gekommen ist, da diese unspezifischen Sofortreaktionen jedoch reversibel sind und bereits wenige Stunden bis Tage nach Expositionsende sich wieder zurückbilden, erscheint es unwahrscheinlich, daß die nach Aufgabe der Tankstelle weiterbestehenden subjektiven Beschwerden des Klägers mit den Benzinemissionen in Zusammenhang zu bringen sind.
Auch der Sachverständige Prof. Dr. H. geht in einem Gutachten vom 3. September 1986 davon aus, daß keine überwiegenden Gründe dafür sprechen, eine berufsbedingte Ursache, insbesondere das Einatmen von Benzol und seinen Homologen, für die vom Kläger angegebenen Beschwerden anzunehmen. Zwar hat er eingeräumt, daß für die Annahme eines Kausalzusammenhanges die Anamnese und der Umstand sprechen könnte, daß sich die Anosmie (völliger Geruchsverlust) nach Angaben des Klägers langsam entwickelt habe, ohne daß sich in der Vorgeschichte andere Ursachen hätten eruieren lassen. Gegen die Annahme eines Kausalzusammenhanges spricht allerdings nach der keine Fehlbeurteilung erkennen lassenden Auffassung des Sachverständigen der Meßbericht des Berufsgenossenschaftlichen Instituts für Arbeitssicherheit vom 29. Oktober 1982, in dem festgestellt wird, daß die an als vergleichbar angenommenen Tankstellen gewonnenen Luftproben Konzentrationen von Schadstoffen unterhalb der MAK-Werte ergaben. Gegen eine benzolbedingte Schädigung spricht weiter, daß die Beschwerden lokal auf den oberen Aerodigestivtrakt beschränkt sind und Zeichen einer, für chronische Benzolintoxikationen typischen Blutbildveränderung auch im Gutachten des Prof. Dr. W. vom 12. November 1981 nicht objektiviert wurden. Deshalb können die vom Kläger angegebenen Beschwerden lediglich als entzündliche-irritative Veränderungen an der unmittelbaren Eintrittsstelle der inhalierten Substanzen gewertet werden. Solche Veränderungen sind jedoch nach Schadstoffkarenz in der Regel als reversibel zu betrachten. Die Tatsache, daß der Kläger nach Aufgabe seines Berufes – wenn auch in abgeschwächter Form – immer noch über Beschwerden klagt, muß an andere Faktoren als die berufsbedingten denken lassen. Die Bandbreite dieser Faktoren reicht von trockener Umgebungsluft bis hin zu altersatrophischen Schleimhautveränderungen, die alle als arbeitsplatzunabhängig zu werten sind.
Dies gilt auch bezüglich des vom Sachverständigen Prof. Dr. H. beim Kläger festgestellten Verlusts des Riech- und Schmeckvermögens. Der Sachverständige hat auch insoweit überzeugend darauf hingewiesen, daß die Folgerung "chronische Benzolintoxikation-Riechverlust” in Anbetracht dessen, daß beim Kläger auch eine Septumdeviation mit Zeichen einer chronisch-katarrhalischen Nasennebenhöhlenentzündung beiderseits besteht, nicht zwingend ist. Ein wesentliches Argument gegen einen entsprechenden Schluß ist vor allem, daß der Geschmacksverlust auf diesem Wege nicht erklärbar ist. Deshalb müssen völlig andere internistisch-neurologische Ursachen für den Geruchs- bzw. Geschmacksverlust diskutiert werden. Jedenfalls ist dem Sachverständigen Prof. Dr. H. darin beizupflichten, daß nicht deshalb, weil andere Ursachen nicht erkennbar sind, eine berufsbedingte Schädigung anzunehmen ist. Eine derartige Argumentation findet sich jedoch im Gutachten des Prof. Dr. F., vom 1. Oktober 1981, dem sich Prof. Dr. W. im Gutachten vom 12. November 1981 und Prof. Dr. v. I. im Gutachten vom 13. März 1984 angeschlossen haben.
Dem zuletzt genannten Gutachten des Prof. Dr. v. I. vermag der Senat auch deshalb nicht zu folgen, weil er ohne nähere Begründung und ohne Abwägen der für und wider einen Ursachenzusammenhang sprechenden Gesichtspunkte lediglich behauptet, es spreche mehr für als gegen eine berufliche Verursachung der bei dem Kläger festgestellten Erkrankung. Nähere Darlegungen hätte es aber bereits schon deshalb bedurft, weil Prof. Dr. v. I. selbst darauf hingewiesen hat, daß sich die Fragen nach der Ursache der chronisch athrophischen Schleimhautveränderungen niemals mit letzter Sicherheit beantworten lassen werde und daß etwa 30 v.H. der Patienten, die in seine Ambulanz kämen, unter ähnlichen Symptomen litten, ohne daß eine Exposition gegenüber chemischen Stoffen in nennenswertem Ausmaß gefunden werden könne. Der Sachverständige weist selbst auf die zunehmende Umweltverschmutzung sowie auch die im Winter vorherrschende sehr trockene Heizungsluft hin, die als Ursache in Betracht zu ziehen seien. Daß zusätzliche Umwelteinflüsse auf den Kläger eingewirkt hätten, zeige die Tatsache, daß an seiner Tankstelle Trichlorethen gemessen worden sei, ein Stoff, der in Benzin nicht enthalten sei. Weshalb angesichts dieser Sachlage der Gutachter eine berufliche Verursachung der in Rede stehenden Erkrankung des Klägers bejaht, bleibt letztlich unerfindlich. Auch in seiner Stellungnahme vom 7. Oktober 1987 hat Prof. Dr. v. I. keine nähere Begründung seiner Beurteilung zu geben vermocht, sondern lediglich ausgeführt, die Tatsache, daß Prof. Dr. H. zu einem anderen Ergebnis als er komme, zeige nur die große Spannweite der subjektiven Beurteilungsfaktoren der einzelnen Gutachter.
Schließlich vermag auch das ärztliche Attest des Dr. L. vom 3. Oktober 1988 die überzeugenden Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. H. und Prof. Dr. K. nicht zu erschüttern. Die bloße Behauptung, die Beschwerden des Klägers seien "sicherlich” auf die langjährige Tätigkeit des Klägers als Tankwart und das Arbeiten mit Benzol und Formaldehyt zurückzuführen, gibt dem Senat insbesondere keine Veranlassung, von Amts wegen ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Dessen bedurfte es auch nicht aus anderen Gründen. Zwar hat Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 10. April 1989 gemeint, welche tatsächlichen Ursachen der Erkrankung des Klägers zugrunde lägen, lasse sich nur durch ein HNO-fachärztliches Gutachten klären. Einer solchen Klärung bedarf es vorliegend jedoch nicht, weil – auch nach Auffassung dieses Sachverständigen – jedenfalls eine berufliche Verursachung unwahrscheinlich ist. Welche sonstigen (außerberuflichen) Ursachen für die Erkrankung verantwortlich zu machen sind, ist für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger wegen einer Berufskrankheit von der Beklagten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung beanspruchen kann.
Der 1917 geborene Kläger war seit 1966 Pächter einer "T.-Tankstelle”. Die Tankstellenanlage wurde täglich in der Zeit von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr von ihm, einer Tankwartsgehilfin und gelegentlich auch von seiner Ehefrau betreut. Es fielen die üblichen Pflegedienstleistungen an, wie Autowaschen, Scheibenwaschen, Luftdruckprüfungen, Ölstand- und Kühlwasserkontrolle, darüber hinaus wurden aber vor allem die Personenkraftwagen von Hand betankt. In den letzten Jahren – der Kläger gab die Tankstelle zum 31. März 1980 auf – wurden monatlich etwa 100.000 Liter Treibstoff in ca. 100 bis 120 PKW pro Tag abgefüllt.
Am 27. Mai 1980 meldete der Kläger der Beklagten, er leide seit April 1976 an Schluckbeschwerden und Brennen im Hals und Rachen infolge der Einwirkung der beim Betanken ausströmenden Gase (Benzin und Benzol). In der ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit vom 18. Juni 1980 führte der Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO) Dr. N. eine starke Rötung im Pharynx-Larynx-Bereich und permanentes Brennen auf die langjährige Tätigkeit des Klägers mit Benzin- oder Benzoldämpfen zurück. Demgegenüber vertrat der Landesgewerbearzt im Hessischen Sozialministerium in der Stellungnahme vom 2. Oktober 1980 die Ansicht, bei den Symptomen im Hals- und Rachenbereich des Klägers handele es sich um keine Berufskrankheit im Sinne der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO), weil ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der ausgeübten beruflichen Tätigkeit und den Beschwerden im Hals- und Rachenbereich nicht anzunehmen sei. Hierauf gestützt lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 5. November 1980 ab, die Erkrankung des Klägers im Mund- und Rachenbereich als Berufskrankheit zu entschädigen.
Hiergegen hat der Kläger am 28. November 1980 Klage erhöben.
Das Sozialgericht (SG) Fulda hat die Auskunft der Fa. T. vom 26. Mai 1981 über die Zusammensetzung der verschiedenen der von ihr gelieferten Benzinarten eingeholt und sodann Prof. Dr. W., Leiter des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der J.-Universität G. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt, das dieser am 12. November 1981 unter Berücksichtigung eines Zusatzgutachtens des Prof. Dr. F., Universitäts-HNO-Klinik G., vom 1. Oktober 1981 und eines röntgenologischen Zusatzgutachtens des Arztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. B. vom 22. Juli 1981 erstellt hat. Das SG hat ferner eine Stellungnahme des Hessischen Landesgewerbearztes vom 22. Dezember 1981 sowie das Gutachten des Prof. Dr. v. I., Universitäts-HNO-Kliniken in F., vom 13. März 1984 eingeholt. Mit Urteil vom 19. Juli 1984 hat es den Bescheid der Beklagten vom 5. November 1980 aufgehoben und diese verurteilt, dem Kläger wegen einer berufsbedingten Mund- und Rachenhöhlenerkrankung Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. zu zahlen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, beim Kläger bestehe eine Erkrankung durch Benzol und seine Homologe, die nach der Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKVO eine Berufskrankheit sei. Nach den übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen Prof. Dr. v. I., Prof. Dr. F. und Prof. Dr. W. bestehe bei ihm eine Erkrankung der Schleimhäute des Mundes, des Rachens, des Nasenraumes sowie des Kehlkopfes und eine Beeinträchtigung des Geruchs- und Geschmacksinnes. Überzeugend hätten Prof. Dr. W. und Prof. Dr. v. I. diese Erkrankung auf den beruflichen Umgang des Klägers mit Benzin zurückgeführt. Es treffe zwar zu, daß das Berufsgenossenschaftliche Institut für Arbeitssicherheit in seinem von der Beklagten vorgelegten Bericht vom 29. Oktober 1982 für Benzol Konzentrations-Durchschnittswerte und Konzentrations-Spitzenwerte unterhalb des sogenannten TRK-Wertes und für die Homologe Toluol und Xylol-Werte unterhalb der MAK-Werte (maximale Arbeitsplatzkonzentrationen) gemessen habe. Die Kammer sei jedoch mit dem Sachverständigen Prof. Dr. v. I. der Meinung, daß es für Benzol als carzinogenem Stoff eine tolerable Konzentration nicht geben könne. Davon gingen auch die "Technischen Regeln für gefährliche Arbeitsstoffe (TRgA 900)” in der Bekanntmachung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 11. August 1983 – III b 4 – 35107 (BABl 1983 10/45) aus, die Benzol den eindeutig als krebserzeugend ausgewiesenen Arbeitsstoffen zuordneten und einen MAK-Wert nicht festsetzten. Die Einhaltung der TRK-Werte sage dagegen über die Gefährdung nichts aus, sie dienten lediglich der Verminderung des Krankheitsrisikos und gäben nicht eine gesundheitlich unschädliche Konzentration an. Die Einhaltung der MAK- und TRK-Werte spreche im übrigen auch deshalb nicht gegen das Vorliegen einer Berufskrankheit, weil diese Werte als 8-Stunden-Mittelwert konzipiert seien, der Kläger jedoch wesentlich länger, nämlich 12 Stunden täglich, gearbeitet habe. Wenn für die Erkrankung des Klägers auch sicherlich andere Ursachen vorstellbar seien, so spreche für die berufliche Verursachung zum einen die Dauer der Einwirkung, zum anderen die Tatsache, daß die frühere Mitarbeiterin des Klägers gleichfalls an einer Erkrankung des Mund- und Rachenraumes leide.
Gegen dieses ihr am 17. Januar 1985 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 7. Februar 1985 eingelegten Berufung, die sie im wesentlichen darauf stützt, der Hessische Landesgewerbearzt habe in seiner Stellungnahme vom 22. Dezember 1981 zu Recht darauf hingewiesen, daß die Annahme einer Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKVO voraussetze, daß die Einwirkung dieser Stoffe (Benzol oder seine Homologe) unter Arbeitsplatzbedingungen nachgewiesen sei. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Vielmehr hätten die von dem Berufsgenossenschaftlichen Institut für Arbeitssicherheit an der T.-Tankstelle durchgeführten Messungen ergeben, daß für die Stoffe Bleitetraethyl, Bleitetramethyl, Ethylbenzol, iso-Propylbenzol, Toluol und Xylol festgestellten Konzentrationsdurchschnittswerte in keinem Fall einen Wert von 0,1 des MAK-Wertes überschritten hätten. Auch bei den nicht aromatischen Kohlenwasserstoffen, wie Butan, Hexan, Pentan und Propan sei ein Wert von 0,1 des zugeordneten MAK-Wertes nicht überschritten worden. Insgesamt hätten bei der Schadstoffmessung Benzol und seine Homologe in der Atemluft weit unterhalb der Grenzwerte gelegen. Es sei zwar zutreffend, daß für Benzol als einem krebserzeugenden Stoff ein MAK-Wert nicht ermittelt werden könne; es würden jedoch für derartige krebserzeugende Stoffe in den technischen Regeln für gefährliche Arbeitsstoffe technische Richtkonzentrationen (TRK) festgesetzt. Bei der durchgeführten Messung hätte die Benzolkonzentration sicher unter dem TRK-Wert gelegen, so daß eine Gesundheitsschädigung unwahrscheinlich sei. Es sei in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, daß der Kläger nicht seit 1966 der Einwirkung von Benzol ausgesetzt gewesen sei, vielmehr sei nach der Auskunft der Fa. T. vom 26. Mai 1981 dieser Stoff erst ab 1976 im Benzin enthalten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 19. Juli 1984 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und bezieht sich im übrigen auf ein ärztliches Attest des Dr. L. vom 8. Oktober 1988.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts die Auskünfte des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 1. September 1988 und des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 24. Oktober 1988 eingeholt sowie Prof. Dr. H., Direktor der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkranke in B. und Prof. Dr. K., Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der J.-Universität M., mit der Erstellung von Gutachten beauftragt. Der Sachverständige Prof. Dr. H. gelangt in seinem Gutachten vom 3. September 1986 zu dem Ergebnis, daß keine überwiegenden Gründe dafür sprächen, eine berufsbedingte Ursache für die Erkrankung des Klägers anzunehmen; vielmehr stünden mit Wahrscheinlichkeit mehrere anlagebedingte und berufsunabhängige Ursachen nebeneinander, eine berufsbedingte Ursache spiele eine untergeordnete Rolle. Die MdE auf HNO-ärztlichem Gebiet werde auf 15 v.H. eingeschätzt. Der Sachverständige Prof. Dr. K. führt in seinem Gutachten vom 10. April 1989 zusammenfassend aus, es sei aufgrund der Arbeitsbedingungen, Benzinemissionen und insbesondere des bisherigen Krankheitsverlaufes unwahrscheinlich, daß die von dem Kläger angegebenen und HNO-fachärztlich bestätigten chronischen Entzündungen der oberen Atemwege auf seinen jahrelangen Umgang mit Benzin zurückzuführen seien. Als Ursachen der Gesundheitsstörungen seien in erster Linie Infekte und Allergien anzuschuldigen. Darüber hinaus gebe es zahlreiche weitere Ursachen, die qualitativ und in ihrer möglichen Rangordnung oder ihrem Grade der Wahrscheinlichkeit durch ein HNO-fachärztliches Zusatzgutachten geklärt werden könnten. Überwiegende Gründe dafür, daß eine berufsbedingte Ursache anzunehmen sei, lägen jedoch nicht vor. Die durch die Gesundheitsstörungen insgesamt bedingte MdE werde auf 15. v.H. geschätzt.
Im übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt der Akte der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 145, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) und auch in der Sache begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten erweist sich im Ergebnis als zutreffend. Entgegen der Auffassung des SG hat der Kläger keinen Anspruch auf Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung, weil er nicht an einer Berufskrankheit leidet.
Nach § 551 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ist eine Erkrankung dann eine Berufskrankheit, wenn sie in einer Rechtsverordnung der Bundesregierung als solche bezeichnet ist und der Versicherte sie bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Zu den Berufskrankheiten gehören nach Nr. 1303 der Anlage 1 zur 7. BKVO vom 6. Juni 1968 (BGBl. I Seite 721) in der Fassung der Verordnung vom 8. Dezember 1976 (BGBl. I Seite 3329) Erkrankungen durch Benzol oder seine Homologe; des weiteren gehören nach Nr. 4302 dieser Anlage durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen und nach Nr. 5101 schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen zu den Berufskrankheiten, wenn die Atemwegs- oder Hauterkrankungen zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen habe, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Es kann dahingestellt bleiben, ob im vorliegenden Falle das Leiden des Klägers nach Nrn. 1303, 4302 oder 5101 der Anlage 1 zur 7. BKVO zu beurteilen ist. In jedem Falle ist Voraussetzung für die Anerkennung der Erkrankung als Berufskrankheit, daß sie der Kläger bei seiner beruflichen Tätigkeit als Tanksteilenwart erlitten hat. Davon kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden.
Die vom Kläger insbesondere geltend gemachten Beschwerden im Mund- und Rachenbereich sind nicht mit der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf seinen beruflichen Umgang mit Benzin zurückzuführen. Die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhanges ist nämlich nur dann gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, daß die dagegen gerichteten billigerweise für die Bildung einer Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (Bundessozialgericht – BSG – SozR § 542 RVO a.F. Nr. 20; Lauterbach-Watermann, Unfallversicherung, 3. Auflage, Anm. 17 zu § 548). Demgegenüber reicht die bloße Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zur Anspruchsbegründung nicht aus. Allenfalls von einer solchen Möglichkeit kann im Falle des Klägers aber ausgegangen werden. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht zur Überzeugung des Senates fest, daß berufliche Ursachen für das Auftreten der in Rede stehenden Erkrankung unwahrscheinlich sind. Dies haben sowohl der Sachverständige Prof. Dr. H. als auch der Sachverständige Prof. Dr. K. übereinstimmend ausgeführt. Letzterer hat im Gutachten vom 10. April 1989 schlüssig darauf hingewiesen, daß bei der Wirkung von Benzin auf den Menschen zwischen einer unspezifischen Sofortwirkung und einer dauerhaften Organwirkung zu unterscheiden ist. Die unspezifische Sofortwirkung besteht in einer Reizung von Haut und Schleimhäuten und in einer Reizung oder Lähmung des Nervensystems. Schleimhautreizungen wurden vorwiegend bei versehentlichem Verschlucken von Benzin beobachtet. Die unspezifischen Sofortwirkungen stehen in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Benzineinwirkung, klingen jedoch mit zunehmender Benzinausscheidung ab, sind also reversibel und hinterlassen keine Dauerschäden. Eine chronische Schleimhautschädigung durch langjährige Einwirkung von Benzin ist zwar grundsätzlich denkbar, aber bisher trotz des weltweit hohen Benzinverbrauchs nicht beschrieben worden. Organische Dauerschäden betreffen dagegen ganz überwiegend das periphere und zentrale Nervensystem; solche liegen jedoch beim Kläger nicht vor. Der Sachverständige Prof. Dr. K. hat zwar eingeräumt, daß Benzin grundsätzlich zu rezidivierenden Reizzuständen von Haut, Schleimhäuten und Nervensystem führen kann, jedoch einleuchtend darauf hingewiesen, daß diese Wirkungen dosisabhängig seien und nur bei hohen Benzinbelastungen, bei Unglücksfällen oder suizidalen Vergiftungen beobachtet wurden. Bei niedrigen Benzinemissionen sind solche Wirkungen aber unwahrscheinlich. Aufgrund der allgemeinen Erfahrungen beim Betanken und aufgrund des Meßberichtes des Berufsgenossenschaftlichen Instituts für Arbeitssicherheit vom 29. Oktober 1982 ist davon auszugehen, daß die Belastung durch die im Benzin enthaltenen relevanten Schadstoffe gering war, nämlich maximal ein Zehntel des jeweiligen MAK-Wertes und nur ausnahmsweise für wenige Sekunden höhere Spitzenkonzentrationen erreicht hat. Selbst wenn bei dem Kläger eine besondere individuelle Empfindlichkeit gegenüber Benzindämpfen anzunehmen wäre, ist es unwahrscheinlich, daß die von ihm geschilderten Reiz zustände des oberen Atemtraktes durch die rezidivierenden Benzinemissionen hervorgerufen worden sind. Wohl ist anzunehmen, daß es gelegentlich zu Reaktionen im Sinne eines sogenannten Pränarkosesyndroms mit Übelkeit, Magenbeschwerden und Appetitlosigkeit gekommen ist, da diese unspezifischen Sofortreaktionen jedoch reversibel sind und bereits wenige Stunden bis Tage nach Expositionsende sich wieder zurückbilden, erscheint es unwahrscheinlich, daß die nach Aufgabe der Tankstelle weiterbestehenden subjektiven Beschwerden des Klägers mit den Benzinemissionen in Zusammenhang zu bringen sind.
Auch der Sachverständige Prof. Dr. H. geht in einem Gutachten vom 3. September 1986 davon aus, daß keine überwiegenden Gründe dafür sprechen, eine berufsbedingte Ursache, insbesondere das Einatmen von Benzol und seinen Homologen, für die vom Kläger angegebenen Beschwerden anzunehmen. Zwar hat er eingeräumt, daß für die Annahme eines Kausalzusammenhanges die Anamnese und der Umstand sprechen könnte, daß sich die Anosmie (völliger Geruchsverlust) nach Angaben des Klägers langsam entwickelt habe, ohne daß sich in der Vorgeschichte andere Ursachen hätten eruieren lassen. Gegen die Annahme eines Kausalzusammenhanges spricht allerdings nach der keine Fehlbeurteilung erkennen lassenden Auffassung des Sachverständigen der Meßbericht des Berufsgenossenschaftlichen Instituts für Arbeitssicherheit vom 29. Oktober 1982, in dem festgestellt wird, daß die an als vergleichbar angenommenen Tankstellen gewonnenen Luftproben Konzentrationen von Schadstoffen unterhalb der MAK-Werte ergaben. Gegen eine benzolbedingte Schädigung spricht weiter, daß die Beschwerden lokal auf den oberen Aerodigestivtrakt beschränkt sind und Zeichen einer, für chronische Benzolintoxikationen typischen Blutbildveränderung auch im Gutachten des Prof. Dr. W. vom 12. November 1981 nicht objektiviert wurden. Deshalb können die vom Kläger angegebenen Beschwerden lediglich als entzündliche-irritative Veränderungen an der unmittelbaren Eintrittsstelle der inhalierten Substanzen gewertet werden. Solche Veränderungen sind jedoch nach Schadstoffkarenz in der Regel als reversibel zu betrachten. Die Tatsache, daß der Kläger nach Aufgabe seines Berufes – wenn auch in abgeschwächter Form – immer noch über Beschwerden klagt, muß an andere Faktoren als die berufsbedingten denken lassen. Die Bandbreite dieser Faktoren reicht von trockener Umgebungsluft bis hin zu altersatrophischen Schleimhautveränderungen, die alle als arbeitsplatzunabhängig zu werten sind.
Dies gilt auch bezüglich des vom Sachverständigen Prof. Dr. H. beim Kläger festgestellten Verlusts des Riech- und Schmeckvermögens. Der Sachverständige hat auch insoweit überzeugend darauf hingewiesen, daß die Folgerung "chronische Benzolintoxikation-Riechverlust” in Anbetracht dessen, daß beim Kläger auch eine Septumdeviation mit Zeichen einer chronisch-katarrhalischen Nasennebenhöhlenentzündung beiderseits besteht, nicht zwingend ist. Ein wesentliches Argument gegen einen entsprechenden Schluß ist vor allem, daß der Geschmacksverlust auf diesem Wege nicht erklärbar ist. Deshalb müssen völlig andere internistisch-neurologische Ursachen für den Geruchs- bzw. Geschmacksverlust diskutiert werden. Jedenfalls ist dem Sachverständigen Prof. Dr. H. darin beizupflichten, daß nicht deshalb, weil andere Ursachen nicht erkennbar sind, eine berufsbedingte Schädigung anzunehmen ist. Eine derartige Argumentation findet sich jedoch im Gutachten des Prof. Dr. F., vom 1. Oktober 1981, dem sich Prof. Dr. W. im Gutachten vom 12. November 1981 und Prof. Dr. v. I. im Gutachten vom 13. März 1984 angeschlossen haben.
Dem zuletzt genannten Gutachten des Prof. Dr. v. I. vermag der Senat auch deshalb nicht zu folgen, weil er ohne nähere Begründung und ohne Abwägen der für und wider einen Ursachenzusammenhang sprechenden Gesichtspunkte lediglich behauptet, es spreche mehr für als gegen eine berufliche Verursachung der bei dem Kläger festgestellten Erkrankung. Nähere Darlegungen hätte es aber bereits schon deshalb bedurft, weil Prof. Dr. v. I. selbst darauf hingewiesen hat, daß sich die Fragen nach der Ursache der chronisch athrophischen Schleimhautveränderungen niemals mit letzter Sicherheit beantworten lassen werde und daß etwa 30 v.H. der Patienten, die in seine Ambulanz kämen, unter ähnlichen Symptomen litten, ohne daß eine Exposition gegenüber chemischen Stoffen in nennenswertem Ausmaß gefunden werden könne. Der Sachverständige weist selbst auf die zunehmende Umweltverschmutzung sowie auch die im Winter vorherrschende sehr trockene Heizungsluft hin, die als Ursache in Betracht zu ziehen seien. Daß zusätzliche Umwelteinflüsse auf den Kläger eingewirkt hätten, zeige die Tatsache, daß an seiner Tankstelle Trichlorethen gemessen worden sei, ein Stoff, der in Benzin nicht enthalten sei. Weshalb angesichts dieser Sachlage der Gutachter eine berufliche Verursachung der in Rede stehenden Erkrankung des Klägers bejaht, bleibt letztlich unerfindlich. Auch in seiner Stellungnahme vom 7. Oktober 1987 hat Prof. Dr. v. I. keine nähere Begründung seiner Beurteilung zu geben vermocht, sondern lediglich ausgeführt, die Tatsache, daß Prof. Dr. H. zu einem anderen Ergebnis als er komme, zeige nur die große Spannweite der subjektiven Beurteilungsfaktoren der einzelnen Gutachter.
Schließlich vermag auch das ärztliche Attest des Dr. L. vom 3. Oktober 1988 die überzeugenden Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. H. und Prof. Dr. K. nicht zu erschüttern. Die bloße Behauptung, die Beschwerden des Klägers seien "sicherlich” auf die langjährige Tätigkeit des Klägers als Tankwart und das Arbeiten mit Benzol und Formaldehyt zurückzuführen, gibt dem Senat insbesondere keine Veranlassung, von Amts wegen ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Dessen bedurfte es auch nicht aus anderen Gründen. Zwar hat Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 10. April 1989 gemeint, welche tatsächlichen Ursachen der Erkrankung des Klägers zugrunde lägen, lasse sich nur durch ein HNO-fachärztliches Gutachten klären. Einer solchen Klärung bedarf es vorliegend jedoch nicht, weil – auch nach Auffassung dieses Sachverständigen – jedenfalls eine berufliche Verursachung unwahrscheinlich ist. Welche sonstigen (außerberuflichen) Ursachen für die Erkrankung verantwortlich zu machen sind, ist für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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