Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 2974/90
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 355/93
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 2. Februar 1993 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat dem Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten; im übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin (Bau-Berufsgenossenschaft) oder der Beklagte (Hessischer Gemeindeunfallversicherungsverband) für die Entschädigung eines Unfalls des Beigeladenen vom 29. Juni 1989 zuständig ist, den dieser bei Arbeiten am Haus seines Bruders R. R. (R.) erlitt.
R. hatte laut dem bei der Klägerin am 3. Juli 1989 eingegangen Meldebogen am 22. Juni 1989 mit den Arbeiten zum Umbau bzw. zur Aufstockung seines Eigenheims in S. begonnen, die am 23. Februar 1989 vom Kreisbauamt M. genehmigt worden waren und durch die zusätzlicher Wohnraum für ihn und seine Familie geschaffen werden sollte. Zimmerer- und Schreinerarbeiten sowie Wasser- und Heizungsinstallation sollten durch beauftragte Unternehmen durchgeführt werden. Beton-, Maurer-, Dachdecker-, Maler-, Tapezier- und Fliesenlegerarbeiten und die Elektroinstallation sollten in Eigenleistung durch R., Verwandte und Freunde erbracht werden und betrugen mindestens 1,5 % der gesamten Herstellungskosten des Bauvorhabens von 175.000,00 DM.
Der Unfall des Beigeladenen ereignete sich am 29. Juni 1989, als er mit R. – nach Abtragen des Daches – die offenen Räume mit einer Plane abdecken wollte, das Gleichgewicht verlor und von einer Mauer sprang. Dadurch zog er sich einen Fersenbeinbruch zu, der Arbeitsunfähigkeit bis zum 25. März 1990 und danach aufgrund Vorläufer Schätzung eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. verursachte.
Aufgrund des von R. am 4. September 1989 gestellten Antrags erkannte der Kreisausschuß des Landkreises BM. mit Bescheid vom 11. September 1989 die Erweiterung des bestehenden Familienheims von 75,32 qm um 93,33 qm neu zu schaffende Wohnfläche im Obergeschoß und Erdgeschoß – Bezugsfertigkeit Dezember 1989 – als steuerbegünstigte Wohnung nach § 82 Zweites Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG) an. Im Bescheid hieß es ferner: "Da die Anerkennung als steuerbegünstigt nach § 82 Abs. 1 des Zweites Wohnungsbaugesetzes in der durch das Steuerreformgesetz 1990 geänderten Fassung nur möglich ist, wenn die Wohnung/en vor dem 1. Januar 1990 bezugsfertig geworden ist/sind, wird Ihnen zur Auflage gemacht, die rechtzeitige Bezugsfertigkeit bis spätestens 31. März 1990 nachzuweisen Sofern Sie dieser Auflage nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen, kann der Anerkennungsbescheid widerrufen werden”.
Nachdem R. auch im Eigenbaunachweis vom 19. August 1989 noch angegeben hatte, daß der neugeschaffene Wohnraum voraussichtlich im Januar 1990 bezogen werde, erklärten er und der Beigeladene anläßlich ihrer vom Beklagten veranlaßten ortspolizeilichen Vernehmung am 26. Oktober 1989, daß die Bauarbeiten voraussichtlich im März 1990 beendet sein würden. Unter dem 8. Dezember 1989 bestätigte R. schriftlich, daß die Wohnung derzeit noch nicht bezugsfertig sei und dies spätestens bis März 1990 der Fall sein werde. Nachdem der Beklagte dies dem Kreisausschuß des Landkreises BM. mitgeteilt und um Überprüfung des Anerkennungsbescheides gebeten hatte, widerrief dieser mit Bescheid vom 16. Februar 1990 den Anerkennungsbescheid vom 11. September 1989 gestützt auf den gemachten Vorbehalt mit der Begründung, daß das Merkmal der Bezugsfertigkeit der Wohnraumerweiterung nicht bis zum 31. Dezember 1989 erfüllt sei. Der Beklagte verneinte daraufhin seine Zuständigkeit, so daß die Klägerin als erstangegangener Versicherungsträger die weitere Bearbeitung wieder übernahm.
Am 17. September 1990 hat die Klägerin beim Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage auf Feststellung der Zuständigkeit des Beklagten erhoben. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, daß Anerkennungsbescheide nach der Rechtsprechung für die Unfallversicherungsträger und die Sozialgerichte grundsätzlich bindend seien. Hier sei der Anerkennungsbescheid aufgrund des gemachten Vorbehalts zwar widerrufen worden; gemäß § 49 Abs. 2 des Hess. Verwaltungsverfahrensgesetzes (HVwVfG) sei dies – auch nach Ansicht des Hess. Ministeriums des Innern – jedoch nur für die Zukunft möglich gewesen mit der Folge, daß der Anerkennungsbescheid erst mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam geworden und bis dahin der Beklagte der zustände Versicherungsträger gewesen sei.
Demgegenüber hat der Beklagte – unter Bezugnahme auf den Regierungspräsidenten in Darmstadt – die Auffassung vertreten, daß der Widerruf einen rein deklaratorischen Akt darstelle, da bei Eintritt der Bezugsfertigkeit erst nach dem 31. Dezember 1989 eine Steuerbegünstigung kraft Gesetzes nicht gegeben sei und eine vor dem 1. Januar 1990 erteilte Anerkennung überhaupt keine Wirkung entfalte, die nachträglich beseitigt werden müsse. Zudem sei eine Bindung an den Anerkennungsbescheid von der Rechtsprechung nur bejaht worden, wenn sich der Unfall nach dessen Erlaß ereigne. Im übrigen könne eine Bindungswirkung nur bezüglich der Gesichtspunkte bestehen, die die Anerkennungsbehörde bei Erlaß des Bescheides auch geprüft habe. Auf Anfrage habe die Anerkennungsbehörde insoweit jedoch mitgeteilt, daß sie sich wegen der erteilten Auflage keine Gedanken gemacht habe, ob R. in der Lage sein werde, sein Bauvorhaben bis zum 31. Februar 1989 bezugsfertig herzustellen. Die damit in jedem Fall zulässige eigene Prüfung ergebe aber, daß angesichts der Größe des Bauvorhabens und des erheblichen Anteils an Eigenleistungen bereits im Unfallzeitpunkt am 29. Juni 1989 festgestanden habe oder jedenfalls offensichtlich gewesen sei, daß die Bezugsfertigkeit bis zum 31. Dezember 1989 nicht erreicht werde. Selbst bei ausschließlichem Einsatz von gewerblichen Unternehmen sei dies nicht zu erwarten gewesen.
Durch Urteil vom 2. Februar 1993 hat das SG festgestellt, daß der Beklagte der für den Unfall des Beigeladenen zuständige Unfallversicherungsträger ist. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Zwar habe der Anerkennungsbescheid im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Steuerbegünstigung kraft Gesetzes keine Rechtswirkungen entfalten können, da die durch das Steuerreformgesetz 1990 zusätzlich eingeführte tatbestandsmäßige Voraussetzung "Bezugsfertigkeit bis zum 31. Dezember 1989” nicht eingetreten sei. Da die Wirkung der Anerkennung von dieser Bedingung abhängig gewesen sei, habe es auch keines Widerrufsvorbehalts bedurft; dieser habe lediglich deklaratorischen Charakter gehabt. Ob ein derart bedingter – im vorliegenden Fall bezüglich der Steuerbegünstigung wirkungsloser – Anerkennungsbescheid während seines Bestehens im Hinblick auf die Zuständigkeit im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung Rechtswirkungen habe entfalten können, sei mangels einer dazu getroffenen gesetzlichen Regelung durch Auslegung zu ermitteln. Da das Steuerreformgesetz schon im August 1988 verkündet worden sei, die Bezugsfertigkeitsvoraussetzung jedoch erst auf den 1. Januar 1990 festgesetzt worden sei, müsse davon ausgegangen werden, daß zumindest in den Fällen, in denen wegen der Zeitvorgabe mit einer Bezugsfertigkeit bis zum 31. Dezember 1989 gerechnet werden könne bzw. in denen nicht offensichtlich sei, daß diese bis zum Stichtag nicht erzielt werden könne, weiterhin ein beitragsloser Versicherungsschutz gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 15 Reichsversicherungsordnung (RVO) beim Beklagten bestehe. Auf dieses Kriterium werde auch in der Vereinbarung zwischen den gemeindlichen Unfallversicherungsträgern und den Bau-Berufsgenossenschaften vom 10. März 1989 für die Fälle ohne rechtswirksame Anerkennungsbescheide abgestellt. Im vorliegenden Fall sei nicht zu prüfen, ob der bedingte Anerkennungsbescheid vom 11. September 1989 rechtmäßig und für die Sozialgerichte ebenso bindend sei wie die früheren unbedingten, da die Frage der voraussichtlichen Bezugsfertigkeit bis zum Stichtag für den Unfallzeitpunkt – 29. Juni 1989 – zu beurteilen sei. Sie sei auch zu bejahen, da zu diesem Zeitpunkt nicht offensichtlich gewesen sei, daß die Bezugsfertigkeit bis zum 31. Dezember 1989 nicht erzielt werden könne.
Gegen das ihm am 23. März 1993 zustellte Urteil hat der Beklagte am 16. April 1993 Berufung eingelegt und vorgetragen: Da für die Steuerbegünstigung objektives Merkmal allein die "Bezugsfertigkeit vor dem 1. Januar 1990” sei, könne für die Unfallversicherung nicht statt dessen darauf abgestellt werden, ob "mit der Bezugsfertigkeit vor dem 1. Januar 1990” gerechnet werden könne. Dies überschreite die Grenzen der zulässigen Gesetzesauslegung. Außerdem werde die Annahme des SG, die fristgerechte Bezugsfertigkeit hätte im Unfallzeitpunkt noch erreicht werden können, den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 2. Februar 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Die Beanstandungen des Beklagten bezüglich der Auslegung des Merkmals der Bezugsfertigkeit durch das SG seien angesichts der gleichlautenden Festlegung in der gemeinsamen Vereinbarung vom 10. März 1989 unverständlich. Außerdem sei sie weiterhin der Ansicht, daß die Zuständigkeit des Beklagten bereits aus den in erster Instanz dargelegten Gründen gegeben sei. Das ergebe sich auch aus dem Zusammenhang des § 83 Abs. 2 und Abs. 5 II. WoBauG. Danach bleibe in Fällen, in denen der Bauherr entgegen seinen ursprünglichen Angaben die für die Anerkennung der Steuerbegünstigung bestimmten Wohnflächengrenzen überschreite, der Anerkennungsbescheid ebenfalls bis zu seiner Aufhebung wirksam und sei für den Zeitpunkt zu widerrufen, von dem ab die zum Widerruf berechtigenden Voraussetzungen gegeben seien. Der Widerruf eines Anerkennungsbescheides wegen Fehlens der Anerkennungsvoraussetzung "Bezugsfertigkeit” müsse im Ergebnis die gleiche Rechtswirkung haben, auch wenn insoweit eine spezialgesetzliche Widerrufsregelung nicht geschaffen worden sei. Dem entspreche auch die Auffassung des Hess. Innenministeriums, daß ein Widerruf lediglich gemäß § 49 HVwVfG erfolgen könne.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Klägerin und des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß die gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Feststellungsklage der Klägerin begründet ist, weil der Beklagte und nicht die Klägerin für die Entschädigung des Unfalls des Beigeladenen zuständig ist, den dieser am 29. Juni 1989 im Zusammenhang mit Hilfsarbeiten für das Bauvorhaben seines Bruders erlitten hat.
Der Beigeladene war bei dem für das Bauvorhaben des R. seit dessen Beginn etwa im Juni 1989 laut Eigenbaunachweis vom 19. August 1989 erbrachten Hilfsarbeiten (Abräumarbeiten) und der zum Unfall am 29. Juni 1989 führenden Verrichtung nicht gemäß § 539 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 RVO wie ein Beschäftigter bei der Durchführung einer nicht gewerbsmäßigen, länger (mehr als sechs Tage) dauernden Bauarbeit versichert, für die die Zuständigkeit der Klägerin gegeben ist (§ 646 i.V.m. § 657 Abs. 1 Nr. 7 RVO). Vielmehr bestand – beitragsfreier – Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO, für den der Beklagte nach §§ 657 Abs. 1 Nr. 8, 656 Abs. 2 RVO zuständig ist. Nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO sind gegen Arbeitsunfall Personen versichert, die beim Bau eines Familienheims (u.a. Eigenheims) im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind, wenn durch das Bauvorhaben öffentlich geförderte oder steuerbegünstigte Wohnungen geschaffen werden. Für die Begriffsbestimmungen sind nach Satz 3 des § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO die §§ 5, 7 bis 10, 12, 13 und 36 II. WoBauG in der jeweils gültigen Fassung maßgebend.
Der Beigeladene ist beim "Bau eines Familienheims” (§ 7 Abs. 1 II. WoBauG) bzw. bei der baulichen Erweiterung des bestehenden Eigenheims/Familienheims des R. um 93,33 qm durch Erd- und Obergeschoßumbau (vgl. Bundessozialgericht –BSG– SozR 2200 § 539 Nrn. 27, 124) im Rahmen der Selbsthilfe tätig gewesen und dabei, nämlich bei dem Versuch, eine Plane über die nach Abtragen des Daches offenen Räumen anzubringen, verunglückt. Zur Selbsthilfe gehören nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO i.V.m. § 36 Abs. 2 II. WoBauG neben den Arbeitsleistungen des Bauherrn die – unentgeltlichen oder auch entgeltlichen – Arbeitsleistungen seiner Angehörigen sowie die unentgeltlichen oder auf Gegenseitigkeit erbrachten Arbeitsleistungen anderer Personen (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 85). Nach den Angaben des R. gegenüber der Klägerin im Eigenbaunachweis vom 19. August 1989 betrug der Wert der bis zum Unfalltag ausgeführten und noch geplanten Eigenbauarbeiten auch zweifellos mindestens 1,5 % der gesamten Herstellungskosten von ca. 175.00,00 DM (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 128).
Das Bauvorhaben zur Erweiterung eines Familienheims hat im Unfallzeitpunkt auch den Voraussetzungen für eine Steuerbegünstigung nach § 82 II. WoBauG entsprochen. Auf den Antrag des R. vom 4. September 1989 hatte der Kreisausschuß des Landkreises M. mit Bescheid vom 11. September 1989 die Erweiterung des Familienheims im Erdgeschoß und Obergeschoß um 93,33 qm nach § 82 II. WoBauG als steuerbegünstigt anerkannt. Damit galt die Wohnung von der Anerkennung an als steuerbegünstigte Wohnung im Sinne des Gesetzes, auch wenn sie noch nicht bezugsfertig war (§ 83 Abs. 3 Satz 1 II. WoBauG). Die Anerkennung als steuerbegünstigt im Bescheid vom 11. September 1989 stand nach dem eindeutigen und uneingeschränkten Verfügungssatz des Bescheides auch unter keiner Bedingung, u.a. nicht unter der Bedingung, daß der Eintritt der Steuerbegünstigung – abweichend von § 83 Abs. 3 Satz 1 II. WoBauG – von dem zukünftigen Ereignis der Herstellung der Bezugsfertigkeit vor dem 1. Januar 1990 abhängt (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 HVwVfG). Der im Anschluß an den unbedingten Bescheidtenor u.a. angebrachte Hinweis "Bezugsfertigkeit Dezember 1989” kennzeichnete lediglich die Voraussetzungen, von denen die Anerkennungsbehörde bei ihrer Entscheidung aufgrund der Angaben des R. ausgegangen ist. Im übrigen hat sie dem Bauherrn R. im Hinblick und unter Hinweis auf das durch Artikel 22 Nr. 7 des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl. I 1093) mit Wirkung vom 26. Juli 1988 (s. Artikel 29) neu eingeführte Erfordernis für die Steuerbegünstigung – Bezugsfertigkeit vor dem 1. Januar 1990 – lediglich zur Auflage gemacht, die rechtzeitige Bezugsfertigkeit bis spätestens zum 31. März 1990 nachzuweisen und für den Fall der Nichterfüllung der Auflage darauf hingewiesen, daß der Anerkennungsbescheid widerrufen werden könne. Diese Auflage verbunden mit einem Widerrufsvorbehalt (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 und 4 HVwVfG) hatte für die Wirkung des Bescheides – bindende Anerkennung der Wohnungen im Erdgeschoß und Obergeschoß als steuerbegünstigt ex nunc – ebensowenig Bedeutung wie die dem R. außerdem noch bezüglich der Wohnflächengrenzen und Nutzung der Wohnung als weitere Voraussetzungen der Steuerbegünstigung gemäß § 82 II. WoBauG erteilten Auflagen und der insoweit aufgrund des § 83 Abs. 5 II. WoBauG angebrachte Widerrufsvorbehalt. Es wurde eine endgültige, uneingeschränkte Entscheidung über die Steuerbegünstigung getroffen und nur die Möglichkeit eines Eingriffs in die Wirksamkeit oder den Regelungsinhalt des Bescheides in Aussicht gestellt, die in den gesetzlich geregelten Fällen (§ 85 Abs. 5 II. WoBauG, §§ 48, 49 HVwVfG) ohnehin auch immer besteht.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG sind Verwaltungsakte der zuständigen Fachbehörde sowohl über die Anerkennung als auch über die Ablehnung bzw. Aberkennung der Steuerbegünstigung für ein Bauvorhaben nach den Bestimmungen des II. WoBauG u.a. zur Vermeidung divergierender Entscheidungen für die Unfallversicherungsträger und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bei der Entscheidung über den Unfallversicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO grundsätzlich im positiven oder negativen Sinne bindend. Das hat zur Folge, daß in diesen Fällen eine eigene selbständige Prüfung sämtlicher Merkmale, die nach § 82 II. WoBauG eine steuerbegünstigte Wohnung kennzeichnen, nicht stattfindet. Diese Bindungswirkung wird angenommen, obgleich es sich bei den Entscheidungen nach §§ 82, 83 II. WoBauG nicht um rechtsgestaltende, sondern ausschließlich um feststellende Verwaltungsakte handelt, die lediglich klarstellen, daß eine Rechtsposition wegen des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen gegeben oder nicht gegeben ist (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 23; BSG SozR 2200 § 539 Nrn. 42, 109, 124, 128; BSG, Urteile vom 14. August 1986 – 2 RU 33/85, 11. August 1988 – 2 RU 75/87 und 26. April 1990 – 2 RU 46/89). Es ist auch nicht ersichtlich, daß und ggf. warum die Frage der Bindungswirkung an die Entscheidung der zuständigen Behörde über die Anerkennung einer Wohnung als steuerbegünstigt nach der Einführung der Anspruchsvoraussetzung "Bezugsfertigkeit vor dem 1. Januar 1990” statt des früheren Merkmals "Bezugsfertigkeit nach dem 30. Juni 1956” anders zu beurteilen sein sollte als zuvor. Eine andere Betrachtung wäre auch hier nur dann möglich, wenn der Verwaltungsakt nichtig wäre, wovon bei dem Bescheid vom 11. September 1989 eindeutig keine Rede sein kann. Ob die Kreisverwaltung M. bei Erlaß des Bescheides vom 11. September 1989 zu Recht davon ausgegangen ist, daß die Bezugsfertigkeit vor dem 1. Januar 1990 bzw. im Dezember 1989 hergestellt sein wurde, ist unerheblich. Eine evtl. im Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen stehende prognostische Erwartung der Behörde, daß dies der Fall sein werde, machte den Verwaltungsakt über die Anerkennung der Steuerbegünstigung allenfalls rechtswidrig, nicht aber nichtig. Anhaltspunkte dafür, daß die zuständige Behörde den Verwaltungsakt vom 11. September 1989 "bewußt” unrichtig erlassen hat, ihn in Kenntnis oder der sicheren Erwartung, daß die Bezugsfertigkeit vor dem 1. Januar 1990 nicht hergestellt werden würde, erteilt hat, gibt es nicht, so daß dahinstehen kann, ob allein dies zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führen würde (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 42). Daß – wie der Beklagte meint – die zuständige Behörde das für die Steuerbegünstigung nach § 82 II. WoBauG u.a. vorgesehene Merkmal "Bezugsfertigkeit vor dem 1. Januar 1990” überhaupt nicht geprüft hat, kann schon nach dem Inhalt des Bescheides nicht angenommen werden. Außerdem kann eine unterlassene oder gar – was hier allein in Betracht zu ziehen ist – eine nur nicht hinreichende Prüfung von einzelnen für die Steuerbegünstigung nach § 82 II. WoBauG vorausgesetzten Merkmalen, die den erteilten Bescheid über die Anerkennung der Steuerbegünstigung allenfalls rechtswidrig und nicht nichtig macht, entgegen der Ansicht des Beklagten nicht dazu führen, den Unfallversicherungsträgern und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eine sachliche Überprüfung in eigener Zuständigkeit bezüglich dieses Merkmals und damit letztlich bezüglich der Steuerbegünstigung als solche zuzubilligen. Insbesondere ist ein solcher Sachverhalt nicht dem Fall vergleichbar, in dem die zuständige Wohnungsbaubehörde im Rahmen der Entscheidung über die Steuerbegünstigung nicht außerdem noch eine Entscheidung über die Eigenschaft des Bauvorhabens als Familienheim trifft, weil es darauf für die Frage der Steuerbegünstigung als solche nicht ankommt, und in dem dann – lediglich – die von der zuständigen Behörde nicht entschiedene Frage der Wohnraumeigenschaft als "Familienheim”, nicht aber die getroffene – möglicherweise rechtswidrige – Entscheidung über die Anerkennung der Steuerbegünstigung durch die Unfallversicherungsträger und die Gerichte eigenständig zu überprüfen ist (s. dazu BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 23). Die Bindungswirkung besteht entgegen der Ansicht des Beklagten schließlich auch dann, wenn die Anerkennung erst nach dem Arbeitsunfall erfolgt, sofern sich die Entscheidung der zuständigen Stelle entweder rückwirkend auch auf die Zeit des Unfalls erstreckt oder, falls dies – wie hier – nicht der Fall ist, die Anerkennung aufgrund der im Unfallzeitpunkt bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse erfolgte (u.a. BSG, Urteil vom 14. August 1986 – 2 RU 33/85). Daß dies hier nicht geschehen ist, ist jedoch nicht ersichtlich, da das Bauvorhaben aufgrund des bereits am 23. Februar 1989 genehmigten Bauplans durchgeführt wurde. Es kommt auch nicht darauf an, wann der Antrag auf Steuerbegünstigung gestellt wurde und ob der Bauherr zur Zeit des Unfalls zumindest Kenntnis von der Möglichkeit eines Antrags auf Steuerbegünstigung und den Willen hatte, einen solchen anzubringen (u.a. BSG SozR 2200 § 539 Nr. 128). Entscheidend ist allein, ob das Bauvorhaben bereits im Unfallzeitpunkt nachweisbar den Anforderungen des § 82 II. WoBauG für die spätere Anerkennung als steuerbegünstigt durch die zuständige Stelle entsprochen hat.
Die Bindung an einen Anerkennungsbescheid der zuständigen Stelle, der – wie der Bescheid vom 11. September 1989 – nicht nichtig (§ 43 Abs. 3 HVwVfG), sondern allenfalls rechtswidrig ist, besteht solange und soweit, wie dieser Bescheid von der Anerkennungsbehörde nicht zurückgenommen/widerrufen oder durch ein Gericht aufgehoben worden ist (BSG, Urteil vom 26. April 1990 – 2 RU 46/89). Auch insoweit gilt im Hinblick auf das Merkmal "Bezugsfertigkeit vor dem 1. Januar 1990” nichts anderes. Der Umstand, daß dieses Merkmal evtl. von Anfang an nicht vorgelegen hat oder nachträglich weggefallen ist bzw. sich entsprechend einer früheren prognostischen Erwartung nicht erfüllt hat, bringt einen durch die zuständige Behörde erlassenen – deklaratorischen – Verwaltungsakt über die Anerkennung der Steuerbegünstigung ebensowenig einfach in Wegfall wie z.B. das Fehlen oder der Wegfall anderer bei der Anerkennung vorausgesetzter Gegebenheiten (Wohnraumgrenzen, zulässige Benutzung – § 83 Abs. 5 II. WoBauG). Vielmehr ist, da es auch im Hinblick auf das Merkmal "Bezugsfertigkeit vor dem 1. Januar 1990”, über dessen Erfüllung im Sinne des § 23 i.V.m. § 13 Abs. 4 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) im Einzelfall durchaus gestritten werden kann, keinen gesetzlich geregelten Wegfalltatbestand für die Steuerbegünstigung gibt, zur Beseitigung einer anerkannten Steuerbegünstigung stets ein darauf gerichtetes Verwaltungshandeln erforderlich (s. auch § 43 Abs. 2 HVwVfG).
Im vorliegenden Fall hat die Anerkennungsbehörde ihren Bescheid vom 11. September 1989 durch den Bescheid vom 16. Februar 1990 zwar widerrufen, weil das Merkmal der Bezugsfertigkeit nicht bis zum 31. Dezember 1989 erfüllt worden sei. Damit wurde die Anerkennung jedoch nicht mit Wirkung vom 11. September 1989 und somit rückwirkend auch für den Zeitpunkt des Unfalls vom 29. Juni 1989 widerrufen, weil die Voraussetzungen des § 82 II. WoBauG zu keinem Zeitpunkt vorgelegen hatten (für diesen Fall s. BSG, Urteil vom 14. August 1986 – 2 RU 33/85). Es fehlt sowohl an einem entsprechenden zeitlichen Ausspruch des Widerrufs für die Vergangenheit als auch an einer dazu passenden eindeutigen Begründung. Eine Vorschrift, auf die sich der Widerruf stützen sollte, wurde nicht genannt. Die grundsätzlich in Betracht zu ziehenden Bestimmungen der §§ 49 Abs. 2, 48 HVwVfG, § 83 Abs. 5 II. WoBauG sehen den Zeitpunkt der Anerkennung durchaus nicht stets und zwingend als den Zeitpunkt vor, von dem an ein entsprechender Verwaltungsakt von der Behörde – ex tunc – zu widerrufen oder zurückzunehmen ist. Es gibt auch – quasi als Gegenstück zu § 83 Abs. 3 Satz 1 II. WoBauG – keine Vorschrift, wonach bei Widerruf der Steuerbegünstigung noch vor Bezugsfertigkeit der Wohnung die Wohnung kraft Gesetzes ohne ausdrückliche Bestimmung von Seiten der Verwaltung von Anfang an als nicht steuerbegünstigt gilt, wie es in derartigen Fällen für die Bewilligung von öffentlichen Mitteln in § 13 Abs. 2 Satz 1 WoBindG vorgesehen ist. Da die Anerkennung der Wohnungen des R. als steuerbegünstigt im Bescheid vom 11. September 1989 durch die zuständige Stelle von dieser mit Bescheid vom 16. Februar 1990 nicht rückwirkend durch Widerruf/Rücknahme beseitigt wurde, steht folglich – weiterhin – fest, daß auch im Zeitpunkt des Unfalls des Beigeladenen die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung – noch – bestanden haben und die Voraussetzungen des § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO gegeben waren. Ob ein Widerruf durch die Anerkennungsbehörde rückwirkend hätte erfolgen können oder müssen, ist nicht zu prüfen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Der Beklagte hat dem Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten; im übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin (Bau-Berufsgenossenschaft) oder der Beklagte (Hessischer Gemeindeunfallversicherungsverband) für die Entschädigung eines Unfalls des Beigeladenen vom 29. Juni 1989 zuständig ist, den dieser bei Arbeiten am Haus seines Bruders R. R. (R.) erlitt.
R. hatte laut dem bei der Klägerin am 3. Juli 1989 eingegangen Meldebogen am 22. Juni 1989 mit den Arbeiten zum Umbau bzw. zur Aufstockung seines Eigenheims in S. begonnen, die am 23. Februar 1989 vom Kreisbauamt M. genehmigt worden waren und durch die zusätzlicher Wohnraum für ihn und seine Familie geschaffen werden sollte. Zimmerer- und Schreinerarbeiten sowie Wasser- und Heizungsinstallation sollten durch beauftragte Unternehmen durchgeführt werden. Beton-, Maurer-, Dachdecker-, Maler-, Tapezier- und Fliesenlegerarbeiten und die Elektroinstallation sollten in Eigenleistung durch R., Verwandte und Freunde erbracht werden und betrugen mindestens 1,5 % der gesamten Herstellungskosten des Bauvorhabens von 175.000,00 DM.
Der Unfall des Beigeladenen ereignete sich am 29. Juni 1989, als er mit R. – nach Abtragen des Daches – die offenen Räume mit einer Plane abdecken wollte, das Gleichgewicht verlor und von einer Mauer sprang. Dadurch zog er sich einen Fersenbeinbruch zu, der Arbeitsunfähigkeit bis zum 25. März 1990 und danach aufgrund Vorläufer Schätzung eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. verursachte.
Aufgrund des von R. am 4. September 1989 gestellten Antrags erkannte der Kreisausschuß des Landkreises BM. mit Bescheid vom 11. September 1989 die Erweiterung des bestehenden Familienheims von 75,32 qm um 93,33 qm neu zu schaffende Wohnfläche im Obergeschoß und Erdgeschoß – Bezugsfertigkeit Dezember 1989 – als steuerbegünstigte Wohnung nach § 82 Zweites Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG) an. Im Bescheid hieß es ferner: "Da die Anerkennung als steuerbegünstigt nach § 82 Abs. 1 des Zweites Wohnungsbaugesetzes in der durch das Steuerreformgesetz 1990 geänderten Fassung nur möglich ist, wenn die Wohnung/en vor dem 1. Januar 1990 bezugsfertig geworden ist/sind, wird Ihnen zur Auflage gemacht, die rechtzeitige Bezugsfertigkeit bis spätestens 31. März 1990 nachzuweisen Sofern Sie dieser Auflage nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen, kann der Anerkennungsbescheid widerrufen werden”.
Nachdem R. auch im Eigenbaunachweis vom 19. August 1989 noch angegeben hatte, daß der neugeschaffene Wohnraum voraussichtlich im Januar 1990 bezogen werde, erklärten er und der Beigeladene anläßlich ihrer vom Beklagten veranlaßten ortspolizeilichen Vernehmung am 26. Oktober 1989, daß die Bauarbeiten voraussichtlich im März 1990 beendet sein würden. Unter dem 8. Dezember 1989 bestätigte R. schriftlich, daß die Wohnung derzeit noch nicht bezugsfertig sei und dies spätestens bis März 1990 der Fall sein werde. Nachdem der Beklagte dies dem Kreisausschuß des Landkreises BM. mitgeteilt und um Überprüfung des Anerkennungsbescheides gebeten hatte, widerrief dieser mit Bescheid vom 16. Februar 1990 den Anerkennungsbescheid vom 11. September 1989 gestützt auf den gemachten Vorbehalt mit der Begründung, daß das Merkmal der Bezugsfertigkeit der Wohnraumerweiterung nicht bis zum 31. Dezember 1989 erfüllt sei. Der Beklagte verneinte daraufhin seine Zuständigkeit, so daß die Klägerin als erstangegangener Versicherungsträger die weitere Bearbeitung wieder übernahm.
Am 17. September 1990 hat die Klägerin beim Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage auf Feststellung der Zuständigkeit des Beklagten erhoben. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, daß Anerkennungsbescheide nach der Rechtsprechung für die Unfallversicherungsträger und die Sozialgerichte grundsätzlich bindend seien. Hier sei der Anerkennungsbescheid aufgrund des gemachten Vorbehalts zwar widerrufen worden; gemäß § 49 Abs. 2 des Hess. Verwaltungsverfahrensgesetzes (HVwVfG) sei dies – auch nach Ansicht des Hess. Ministeriums des Innern – jedoch nur für die Zukunft möglich gewesen mit der Folge, daß der Anerkennungsbescheid erst mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam geworden und bis dahin der Beklagte der zustände Versicherungsträger gewesen sei.
Demgegenüber hat der Beklagte – unter Bezugnahme auf den Regierungspräsidenten in Darmstadt – die Auffassung vertreten, daß der Widerruf einen rein deklaratorischen Akt darstelle, da bei Eintritt der Bezugsfertigkeit erst nach dem 31. Dezember 1989 eine Steuerbegünstigung kraft Gesetzes nicht gegeben sei und eine vor dem 1. Januar 1990 erteilte Anerkennung überhaupt keine Wirkung entfalte, die nachträglich beseitigt werden müsse. Zudem sei eine Bindung an den Anerkennungsbescheid von der Rechtsprechung nur bejaht worden, wenn sich der Unfall nach dessen Erlaß ereigne. Im übrigen könne eine Bindungswirkung nur bezüglich der Gesichtspunkte bestehen, die die Anerkennungsbehörde bei Erlaß des Bescheides auch geprüft habe. Auf Anfrage habe die Anerkennungsbehörde insoweit jedoch mitgeteilt, daß sie sich wegen der erteilten Auflage keine Gedanken gemacht habe, ob R. in der Lage sein werde, sein Bauvorhaben bis zum 31. Februar 1989 bezugsfertig herzustellen. Die damit in jedem Fall zulässige eigene Prüfung ergebe aber, daß angesichts der Größe des Bauvorhabens und des erheblichen Anteils an Eigenleistungen bereits im Unfallzeitpunkt am 29. Juni 1989 festgestanden habe oder jedenfalls offensichtlich gewesen sei, daß die Bezugsfertigkeit bis zum 31. Dezember 1989 nicht erreicht werde. Selbst bei ausschließlichem Einsatz von gewerblichen Unternehmen sei dies nicht zu erwarten gewesen.
Durch Urteil vom 2. Februar 1993 hat das SG festgestellt, daß der Beklagte der für den Unfall des Beigeladenen zuständige Unfallversicherungsträger ist. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Zwar habe der Anerkennungsbescheid im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Steuerbegünstigung kraft Gesetzes keine Rechtswirkungen entfalten können, da die durch das Steuerreformgesetz 1990 zusätzlich eingeführte tatbestandsmäßige Voraussetzung "Bezugsfertigkeit bis zum 31. Dezember 1989” nicht eingetreten sei. Da die Wirkung der Anerkennung von dieser Bedingung abhängig gewesen sei, habe es auch keines Widerrufsvorbehalts bedurft; dieser habe lediglich deklaratorischen Charakter gehabt. Ob ein derart bedingter – im vorliegenden Fall bezüglich der Steuerbegünstigung wirkungsloser – Anerkennungsbescheid während seines Bestehens im Hinblick auf die Zuständigkeit im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung Rechtswirkungen habe entfalten können, sei mangels einer dazu getroffenen gesetzlichen Regelung durch Auslegung zu ermitteln. Da das Steuerreformgesetz schon im August 1988 verkündet worden sei, die Bezugsfertigkeitsvoraussetzung jedoch erst auf den 1. Januar 1990 festgesetzt worden sei, müsse davon ausgegangen werden, daß zumindest in den Fällen, in denen wegen der Zeitvorgabe mit einer Bezugsfertigkeit bis zum 31. Dezember 1989 gerechnet werden könne bzw. in denen nicht offensichtlich sei, daß diese bis zum Stichtag nicht erzielt werden könne, weiterhin ein beitragsloser Versicherungsschutz gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 15 Reichsversicherungsordnung (RVO) beim Beklagten bestehe. Auf dieses Kriterium werde auch in der Vereinbarung zwischen den gemeindlichen Unfallversicherungsträgern und den Bau-Berufsgenossenschaften vom 10. März 1989 für die Fälle ohne rechtswirksame Anerkennungsbescheide abgestellt. Im vorliegenden Fall sei nicht zu prüfen, ob der bedingte Anerkennungsbescheid vom 11. September 1989 rechtmäßig und für die Sozialgerichte ebenso bindend sei wie die früheren unbedingten, da die Frage der voraussichtlichen Bezugsfertigkeit bis zum Stichtag für den Unfallzeitpunkt – 29. Juni 1989 – zu beurteilen sei. Sie sei auch zu bejahen, da zu diesem Zeitpunkt nicht offensichtlich gewesen sei, daß die Bezugsfertigkeit bis zum 31. Dezember 1989 nicht erzielt werden könne.
Gegen das ihm am 23. März 1993 zustellte Urteil hat der Beklagte am 16. April 1993 Berufung eingelegt und vorgetragen: Da für die Steuerbegünstigung objektives Merkmal allein die "Bezugsfertigkeit vor dem 1. Januar 1990” sei, könne für die Unfallversicherung nicht statt dessen darauf abgestellt werden, ob "mit der Bezugsfertigkeit vor dem 1. Januar 1990” gerechnet werden könne. Dies überschreite die Grenzen der zulässigen Gesetzesauslegung. Außerdem werde die Annahme des SG, die fristgerechte Bezugsfertigkeit hätte im Unfallzeitpunkt noch erreicht werden können, den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 2. Februar 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Die Beanstandungen des Beklagten bezüglich der Auslegung des Merkmals der Bezugsfertigkeit durch das SG seien angesichts der gleichlautenden Festlegung in der gemeinsamen Vereinbarung vom 10. März 1989 unverständlich. Außerdem sei sie weiterhin der Ansicht, daß die Zuständigkeit des Beklagten bereits aus den in erster Instanz dargelegten Gründen gegeben sei. Das ergebe sich auch aus dem Zusammenhang des § 83 Abs. 2 und Abs. 5 II. WoBauG. Danach bleibe in Fällen, in denen der Bauherr entgegen seinen ursprünglichen Angaben die für die Anerkennung der Steuerbegünstigung bestimmten Wohnflächengrenzen überschreite, der Anerkennungsbescheid ebenfalls bis zu seiner Aufhebung wirksam und sei für den Zeitpunkt zu widerrufen, von dem ab die zum Widerruf berechtigenden Voraussetzungen gegeben seien. Der Widerruf eines Anerkennungsbescheides wegen Fehlens der Anerkennungsvoraussetzung "Bezugsfertigkeit” müsse im Ergebnis die gleiche Rechtswirkung haben, auch wenn insoweit eine spezialgesetzliche Widerrufsregelung nicht geschaffen worden sei. Dem entspreche auch die Auffassung des Hess. Innenministeriums, daß ein Widerruf lediglich gemäß § 49 HVwVfG erfolgen könne.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Klägerin und des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß die gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Feststellungsklage der Klägerin begründet ist, weil der Beklagte und nicht die Klägerin für die Entschädigung des Unfalls des Beigeladenen zuständig ist, den dieser am 29. Juni 1989 im Zusammenhang mit Hilfsarbeiten für das Bauvorhaben seines Bruders erlitten hat.
Der Beigeladene war bei dem für das Bauvorhaben des R. seit dessen Beginn etwa im Juni 1989 laut Eigenbaunachweis vom 19. August 1989 erbrachten Hilfsarbeiten (Abräumarbeiten) und der zum Unfall am 29. Juni 1989 führenden Verrichtung nicht gemäß § 539 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 RVO wie ein Beschäftigter bei der Durchführung einer nicht gewerbsmäßigen, länger (mehr als sechs Tage) dauernden Bauarbeit versichert, für die die Zuständigkeit der Klägerin gegeben ist (§ 646 i.V.m. § 657 Abs. 1 Nr. 7 RVO). Vielmehr bestand – beitragsfreier – Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO, für den der Beklagte nach §§ 657 Abs. 1 Nr. 8, 656 Abs. 2 RVO zuständig ist. Nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO sind gegen Arbeitsunfall Personen versichert, die beim Bau eines Familienheims (u.a. Eigenheims) im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind, wenn durch das Bauvorhaben öffentlich geförderte oder steuerbegünstigte Wohnungen geschaffen werden. Für die Begriffsbestimmungen sind nach Satz 3 des § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO die §§ 5, 7 bis 10, 12, 13 und 36 II. WoBauG in der jeweils gültigen Fassung maßgebend.
Der Beigeladene ist beim "Bau eines Familienheims” (§ 7 Abs. 1 II. WoBauG) bzw. bei der baulichen Erweiterung des bestehenden Eigenheims/Familienheims des R. um 93,33 qm durch Erd- und Obergeschoßumbau (vgl. Bundessozialgericht –BSG– SozR 2200 § 539 Nrn. 27, 124) im Rahmen der Selbsthilfe tätig gewesen und dabei, nämlich bei dem Versuch, eine Plane über die nach Abtragen des Daches offenen Räumen anzubringen, verunglückt. Zur Selbsthilfe gehören nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO i.V.m. § 36 Abs. 2 II. WoBauG neben den Arbeitsleistungen des Bauherrn die – unentgeltlichen oder auch entgeltlichen – Arbeitsleistungen seiner Angehörigen sowie die unentgeltlichen oder auf Gegenseitigkeit erbrachten Arbeitsleistungen anderer Personen (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 85). Nach den Angaben des R. gegenüber der Klägerin im Eigenbaunachweis vom 19. August 1989 betrug der Wert der bis zum Unfalltag ausgeführten und noch geplanten Eigenbauarbeiten auch zweifellos mindestens 1,5 % der gesamten Herstellungskosten von ca. 175.00,00 DM (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 128).
Das Bauvorhaben zur Erweiterung eines Familienheims hat im Unfallzeitpunkt auch den Voraussetzungen für eine Steuerbegünstigung nach § 82 II. WoBauG entsprochen. Auf den Antrag des R. vom 4. September 1989 hatte der Kreisausschuß des Landkreises M. mit Bescheid vom 11. September 1989 die Erweiterung des Familienheims im Erdgeschoß und Obergeschoß um 93,33 qm nach § 82 II. WoBauG als steuerbegünstigt anerkannt. Damit galt die Wohnung von der Anerkennung an als steuerbegünstigte Wohnung im Sinne des Gesetzes, auch wenn sie noch nicht bezugsfertig war (§ 83 Abs. 3 Satz 1 II. WoBauG). Die Anerkennung als steuerbegünstigt im Bescheid vom 11. September 1989 stand nach dem eindeutigen und uneingeschränkten Verfügungssatz des Bescheides auch unter keiner Bedingung, u.a. nicht unter der Bedingung, daß der Eintritt der Steuerbegünstigung – abweichend von § 83 Abs. 3 Satz 1 II. WoBauG – von dem zukünftigen Ereignis der Herstellung der Bezugsfertigkeit vor dem 1. Januar 1990 abhängt (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 HVwVfG). Der im Anschluß an den unbedingten Bescheidtenor u.a. angebrachte Hinweis "Bezugsfertigkeit Dezember 1989” kennzeichnete lediglich die Voraussetzungen, von denen die Anerkennungsbehörde bei ihrer Entscheidung aufgrund der Angaben des R. ausgegangen ist. Im übrigen hat sie dem Bauherrn R. im Hinblick und unter Hinweis auf das durch Artikel 22 Nr. 7 des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl. I 1093) mit Wirkung vom 26. Juli 1988 (s. Artikel 29) neu eingeführte Erfordernis für die Steuerbegünstigung – Bezugsfertigkeit vor dem 1. Januar 1990 – lediglich zur Auflage gemacht, die rechtzeitige Bezugsfertigkeit bis spätestens zum 31. März 1990 nachzuweisen und für den Fall der Nichterfüllung der Auflage darauf hingewiesen, daß der Anerkennungsbescheid widerrufen werden könne. Diese Auflage verbunden mit einem Widerrufsvorbehalt (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 und 4 HVwVfG) hatte für die Wirkung des Bescheides – bindende Anerkennung der Wohnungen im Erdgeschoß und Obergeschoß als steuerbegünstigt ex nunc – ebensowenig Bedeutung wie die dem R. außerdem noch bezüglich der Wohnflächengrenzen und Nutzung der Wohnung als weitere Voraussetzungen der Steuerbegünstigung gemäß § 82 II. WoBauG erteilten Auflagen und der insoweit aufgrund des § 83 Abs. 5 II. WoBauG angebrachte Widerrufsvorbehalt. Es wurde eine endgültige, uneingeschränkte Entscheidung über die Steuerbegünstigung getroffen und nur die Möglichkeit eines Eingriffs in die Wirksamkeit oder den Regelungsinhalt des Bescheides in Aussicht gestellt, die in den gesetzlich geregelten Fällen (§ 85 Abs. 5 II. WoBauG, §§ 48, 49 HVwVfG) ohnehin auch immer besteht.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG sind Verwaltungsakte der zuständigen Fachbehörde sowohl über die Anerkennung als auch über die Ablehnung bzw. Aberkennung der Steuerbegünstigung für ein Bauvorhaben nach den Bestimmungen des II. WoBauG u.a. zur Vermeidung divergierender Entscheidungen für die Unfallversicherungsträger und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bei der Entscheidung über den Unfallversicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO grundsätzlich im positiven oder negativen Sinne bindend. Das hat zur Folge, daß in diesen Fällen eine eigene selbständige Prüfung sämtlicher Merkmale, die nach § 82 II. WoBauG eine steuerbegünstigte Wohnung kennzeichnen, nicht stattfindet. Diese Bindungswirkung wird angenommen, obgleich es sich bei den Entscheidungen nach §§ 82, 83 II. WoBauG nicht um rechtsgestaltende, sondern ausschließlich um feststellende Verwaltungsakte handelt, die lediglich klarstellen, daß eine Rechtsposition wegen des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen gegeben oder nicht gegeben ist (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 23; BSG SozR 2200 § 539 Nrn. 42, 109, 124, 128; BSG, Urteile vom 14. August 1986 – 2 RU 33/85, 11. August 1988 – 2 RU 75/87 und 26. April 1990 – 2 RU 46/89). Es ist auch nicht ersichtlich, daß und ggf. warum die Frage der Bindungswirkung an die Entscheidung der zuständigen Behörde über die Anerkennung einer Wohnung als steuerbegünstigt nach der Einführung der Anspruchsvoraussetzung "Bezugsfertigkeit vor dem 1. Januar 1990” statt des früheren Merkmals "Bezugsfertigkeit nach dem 30. Juni 1956” anders zu beurteilen sein sollte als zuvor. Eine andere Betrachtung wäre auch hier nur dann möglich, wenn der Verwaltungsakt nichtig wäre, wovon bei dem Bescheid vom 11. September 1989 eindeutig keine Rede sein kann. Ob die Kreisverwaltung M. bei Erlaß des Bescheides vom 11. September 1989 zu Recht davon ausgegangen ist, daß die Bezugsfertigkeit vor dem 1. Januar 1990 bzw. im Dezember 1989 hergestellt sein wurde, ist unerheblich. Eine evtl. im Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen stehende prognostische Erwartung der Behörde, daß dies der Fall sein werde, machte den Verwaltungsakt über die Anerkennung der Steuerbegünstigung allenfalls rechtswidrig, nicht aber nichtig. Anhaltspunkte dafür, daß die zuständige Behörde den Verwaltungsakt vom 11. September 1989 "bewußt” unrichtig erlassen hat, ihn in Kenntnis oder der sicheren Erwartung, daß die Bezugsfertigkeit vor dem 1. Januar 1990 nicht hergestellt werden würde, erteilt hat, gibt es nicht, so daß dahinstehen kann, ob allein dies zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führen würde (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 42). Daß – wie der Beklagte meint – die zuständige Behörde das für die Steuerbegünstigung nach § 82 II. WoBauG u.a. vorgesehene Merkmal "Bezugsfertigkeit vor dem 1. Januar 1990” überhaupt nicht geprüft hat, kann schon nach dem Inhalt des Bescheides nicht angenommen werden. Außerdem kann eine unterlassene oder gar – was hier allein in Betracht zu ziehen ist – eine nur nicht hinreichende Prüfung von einzelnen für die Steuerbegünstigung nach § 82 II. WoBauG vorausgesetzten Merkmalen, die den erteilten Bescheid über die Anerkennung der Steuerbegünstigung allenfalls rechtswidrig und nicht nichtig macht, entgegen der Ansicht des Beklagten nicht dazu führen, den Unfallversicherungsträgern und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eine sachliche Überprüfung in eigener Zuständigkeit bezüglich dieses Merkmals und damit letztlich bezüglich der Steuerbegünstigung als solche zuzubilligen. Insbesondere ist ein solcher Sachverhalt nicht dem Fall vergleichbar, in dem die zuständige Wohnungsbaubehörde im Rahmen der Entscheidung über die Steuerbegünstigung nicht außerdem noch eine Entscheidung über die Eigenschaft des Bauvorhabens als Familienheim trifft, weil es darauf für die Frage der Steuerbegünstigung als solche nicht ankommt, und in dem dann – lediglich – die von der zuständigen Behörde nicht entschiedene Frage der Wohnraumeigenschaft als "Familienheim”, nicht aber die getroffene – möglicherweise rechtswidrige – Entscheidung über die Anerkennung der Steuerbegünstigung durch die Unfallversicherungsträger und die Gerichte eigenständig zu überprüfen ist (s. dazu BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 23). Die Bindungswirkung besteht entgegen der Ansicht des Beklagten schließlich auch dann, wenn die Anerkennung erst nach dem Arbeitsunfall erfolgt, sofern sich die Entscheidung der zuständigen Stelle entweder rückwirkend auch auf die Zeit des Unfalls erstreckt oder, falls dies – wie hier – nicht der Fall ist, die Anerkennung aufgrund der im Unfallzeitpunkt bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse erfolgte (u.a. BSG, Urteil vom 14. August 1986 – 2 RU 33/85). Daß dies hier nicht geschehen ist, ist jedoch nicht ersichtlich, da das Bauvorhaben aufgrund des bereits am 23. Februar 1989 genehmigten Bauplans durchgeführt wurde. Es kommt auch nicht darauf an, wann der Antrag auf Steuerbegünstigung gestellt wurde und ob der Bauherr zur Zeit des Unfalls zumindest Kenntnis von der Möglichkeit eines Antrags auf Steuerbegünstigung und den Willen hatte, einen solchen anzubringen (u.a. BSG SozR 2200 § 539 Nr. 128). Entscheidend ist allein, ob das Bauvorhaben bereits im Unfallzeitpunkt nachweisbar den Anforderungen des § 82 II. WoBauG für die spätere Anerkennung als steuerbegünstigt durch die zuständige Stelle entsprochen hat.
Die Bindung an einen Anerkennungsbescheid der zuständigen Stelle, der – wie der Bescheid vom 11. September 1989 – nicht nichtig (§ 43 Abs. 3 HVwVfG), sondern allenfalls rechtswidrig ist, besteht solange und soweit, wie dieser Bescheid von der Anerkennungsbehörde nicht zurückgenommen/widerrufen oder durch ein Gericht aufgehoben worden ist (BSG, Urteil vom 26. April 1990 – 2 RU 46/89). Auch insoweit gilt im Hinblick auf das Merkmal "Bezugsfertigkeit vor dem 1. Januar 1990” nichts anderes. Der Umstand, daß dieses Merkmal evtl. von Anfang an nicht vorgelegen hat oder nachträglich weggefallen ist bzw. sich entsprechend einer früheren prognostischen Erwartung nicht erfüllt hat, bringt einen durch die zuständige Behörde erlassenen – deklaratorischen – Verwaltungsakt über die Anerkennung der Steuerbegünstigung ebensowenig einfach in Wegfall wie z.B. das Fehlen oder der Wegfall anderer bei der Anerkennung vorausgesetzter Gegebenheiten (Wohnraumgrenzen, zulässige Benutzung – § 83 Abs. 5 II. WoBauG). Vielmehr ist, da es auch im Hinblick auf das Merkmal "Bezugsfertigkeit vor dem 1. Januar 1990”, über dessen Erfüllung im Sinne des § 23 i.V.m. § 13 Abs. 4 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) im Einzelfall durchaus gestritten werden kann, keinen gesetzlich geregelten Wegfalltatbestand für die Steuerbegünstigung gibt, zur Beseitigung einer anerkannten Steuerbegünstigung stets ein darauf gerichtetes Verwaltungshandeln erforderlich (s. auch § 43 Abs. 2 HVwVfG).
Im vorliegenden Fall hat die Anerkennungsbehörde ihren Bescheid vom 11. September 1989 durch den Bescheid vom 16. Februar 1990 zwar widerrufen, weil das Merkmal der Bezugsfertigkeit nicht bis zum 31. Dezember 1989 erfüllt worden sei. Damit wurde die Anerkennung jedoch nicht mit Wirkung vom 11. September 1989 und somit rückwirkend auch für den Zeitpunkt des Unfalls vom 29. Juni 1989 widerrufen, weil die Voraussetzungen des § 82 II. WoBauG zu keinem Zeitpunkt vorgelegen hatten (für diesen Fall s. BSG, Urteil vom 14. August 1986 – 2 RU 33/85). Es fehlt sowohl an einem entsprechenden zeitlichen Ausspruch des Widerrufs für die Vergangenheit als auch an einer dazu passenden eindeutigen Begründung. Eine Vorschrift, auf die sich der Widerruf stützen sollte, wurde nicht genannt. Die grundsätzlich in Betracht zu ziehenden Bestimmungen der §§ 49 Abs. 2, 48 HVwVfG, § 83 Abs. 5 II. WoBauG sehen den Zeitpunkt der Anerkennung durchaus nicht stets und zwingend als den Zeitpunkt vor, von dem an ein entsprechender Verwaltungsakt von der Behörde – ex tunc – zu widerrufen oder zurückzunehmen ist. Es gibt auch – quasi als Gegenstück zu § 83 Abs. 3 Satz 1 II. WoBauG – keine Vorschrift, wonach bei Widerruf der Steuerbegünstigung noch vor Bezugsfertigkeit der Wohnung die Wohnung kraft Gesetzes ohne ausdrückliche Bestimmung von Seiten der Verwaltung von Anfang an als nicht steuerbegünstigt gilt, wie es in derartigen Fällen für die Bewilligung von öffentlichen Mitteln in § 13 Abs. 2 Satz 1 WoBindG vorgesehen ist. Da die Anerkennung der Wohnungen des R. als steuerbegünstigt im Bescheid vom 11. September 1989 durch die zuständige Stelle von dieser mit Bescheid vom 16. Februar 1990 nicht rückwirkend durch Widerruf/Rücknahme beseitigt wurde, steht folglich – weiterhin – fest, daß auch im Zeitpunkt des Unfalls des Beigeladenen die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung – noch – bestanden haben und die Voraussetzungen des § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO gegeben waren. Ob ein Widerruf durch die Anerkennungsbehörde rückwirkend hätte erfolgen können oder müssen, ist nicht zu prüfen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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