Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 131/73
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 31/74
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 631 RVO findet bei Rentengewährung für einen zurückliegenden Zeitraum keine Anwendung.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt a.M. vom 16. November 1973 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Nach der Unfallanzeige der Firma H., F., erlitt der 1938 in Jugoslawien geborene Kläger am 7. Dezember 1971 dadurch einen Unfall, daß er anläßlich einer Montage in der Zuckerfabrik G. beim Zusammenstecken eines Verlängerungskabels am stromführenden Kabel hängenblieb. Nach dem Durchgangsarztbericht des Facharztes für Chirurgie Dr. med. Z., G., kam es zu Verbrennungen 3. Grades im Bereich der rechten Zeigefingergrundgliedes und Mittelgelenks auf der Dorsalseite sowie über der Dorsalseite des 3. Fingers rechts; außerdem bestand eine fünfmarkstückgroße Verbrennung 2. Grades auf der Dorsalseite des linken Zeigefingergrundgelenkes. Am 3. Juli 1972 untersuchten den Kläger die Dres. H. und B. vom Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus in F. (BGUKH). In ihrem Gutachten vom gleichen Tage kamen sie zu dem Ergebnis, daß für die Zeit vom 6. März (Tag des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit) bis 6. November 1972 die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) 20 v.H., und danach 10 v.H. betrage. Durch Bescheid vom 15. März 1973 gewährte die Beklagte für den Zeitraum vom 6. März bis 5. November 1972 eine Teilrente nach einer MdE um 20 v.H. für die Unfallfolgen "Verlust von annähernd 2 Gliedern des rechten Zeigefingers mit guter Weichteildeckung des Fingerstumpfes. Mehrere Narben an beiden Händen nach Verbrennungen und Gefühlsstörungen in den Narbenbereichen”. Darüber hinaus lehnte sie die Zahlung einer Rente ab, weil ein rentenberechtigender Grad (MdE 20 v.H.) nicht erreicht werde.
Gegen den am 16. März 1973 als Einschreiben zur Post aufgelieferten Bescheid hat der Kläger am 9. April 1973 bei dem Sozialgericht Frankfurt a.M. (SG) Klage erhoben. Wegen des Verlustes seines rechten Zeigefingers könne er nicht uneingeschränkt arbeiten, auch platze die Verbrennungsnarbe an seinen linken Zeigefinger dauernd auf.
Durch Urteil vom 16. November 1973 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 15. März 1973 verurteilt, dem Kläger die vorläufige Rente von 20 v.H. bis zum Ende des Monats November 1972 zu zahlen; im übrigen wies es die Klage ab, ließ jedoch die Berufung zu. Gemäß § 631 Reichsversicherungsordnung – RVO – sei die vorläufige Rente bis zum Ablauf des Monats November zu zahlen gewesen; danach hätten die Unfallfolgen einen rentenberechtigenden Grad nicht mehr erreicht. Der Kläger könne die Finger beider Hände mit Ausnahme des rechten Zeigefingers uneingeschränkt bewegen.
Gegen das ihr am 14. Dezember 1973 durch Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10. Januar 1974 bei dem Hess. Landessozialgericht – HLSG – Berufung eingelegt. § 631 RVO betreffe nur die Fälle, in denen eine laufende Rente von selbst (also nicht durch Entziehung) wegfalle, nicht aber solche Fälle, in denen eine Rente – wie hier – erstmals für eine zurückliegende Zeit gewährt werde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt a.M. vom 16. November 1973 abzuändern und die Klage gegen den Bescheid vom 15. März 1973 in vollem Umfang abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Unfall- und Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die kraft Zulassung statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist auch begründet. Daß Urteil des SG war insoweit abzuändern, als die Beklagte zur Gewährung einer Rente nach einer MdE um 20 v.H. für die Zeit vom 6. November 1972 bis zum Ende dieses Monats verurteilt worden ist.
Das SG meint zu Unrecht, im Hinblick auf die Vorschrift des § 631 RVO sei die Rente bis zum Ablauf des Monats November 1972 zu zahlen. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden, nach der o.a. Bestimmung ist die Rente bis zum Ende des Monats zu gewähren, in dem die Voraussetzungen für ihren Wegfall oder ihr Ruhen eintreten. Dieser Vorschrift kommt ähnlich wie dem hier nicht vorliegenden Fall des § 622 i.V. mit § 623 Abs. 2 RVO eine gewisse Schutzfunktion zu. Mit Recht weist die Beklagte daraufhin, daß § 631 RVO aber nur die Fälle betrifft, in denen eine laufende Rente von selbst – also nicht durch Entziehung – wegfällt, und damit nicht solche, in denen eine Rente erstmals für einen zurückliegenden Zeitraum gewährt wird (so auch Lauterbach, Unfallversicherung, § 631 RVO Anm. 4 a). Hier bedarf es keiner Schutzfunktion und der Versicherungsträger hat daher die Rentengewährung auf den tatsächlichen Zeitraum zu begrenzen, in dem die unfallbedingte MdE einen rentenberechtigenden Grad erreicht.
In der ergänzenden Auskunft vom 6. Februar 1976 teilte Dr. med. H. dem Senat auf Antrage noch mit, daß er die MdE vom Zeitpunkt der Arbeitsfähigkeit des Klägers ab 6. März 1972 bis zur Untersuchung für die erstmalige Rentenfeststellung am 3. Juli 1972 und vorausschauend für die Dauer von etwa 4 Monaten bis zum 6. November 1972 auf 20 v.H. und sodann auf 10 v.H. geschätzt habe. Es sei nicht beabsichtigt gewesen, die Rentenzahlung etwa auf ein Jahr nach dem Unfall zu begrenzen. Der Senat hat sich dieser gutachtlichen Stellungnahme angeschlossen, zumal sie auch vom Kläger nicht angegriffen worden ist, so daß dem Kläger die Rente nicht bis Ende November 1972 zusteht.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 631 RVO bestand keine Veranlassung zur Zulassung der Revision (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Nach der Unfallanzeige der Firma H., F., erlitt der 1938 in Jugoslawien geborene Kläger am 7. Dezember 1971 dadurch einen Unfall, daß er anläßlich einer Montage in der Zuckerfabrik G. beim Zusammenstecken eines Verlängerungskabels am stromführenden Kabel hängenblieb. Nach dem Durchgangsarztbericht des Facharztes für Chirurgie Dr. med. Z., G., kam es zu Verbrennungen 3. Grades im Bereich der rechten Zeigefingergrundgliedes und Mittelgelenks auf der Dorsalseite sowie über der Dorsalseite des 3. Fingers rechts; außerdem bestand eine fünfmarkstückgroße Verbrennung 2. Grades auf der Dorsalseite des linken Zeigefingergrundgelenkes. Am 3. Juli 1972 untersuchten den Kläger die Dres. H. und B. vom Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus in F. (BGUKH). In ihrem Gutachten vom gleichen Tage kamen sie zu dem Ergebnis, daß für die Zeit vom 6. März (Tag des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit) bis 6. November 1972 die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) 20 v.H., und danach 10 v.H. betrage. Durch Bescheid vom 15. März 1973 gewährte die Beklagte für den Zeitraum vom 6. März bis 5. November 1972 eine Teilrente nach einer MdE um 20 v.H. für die Unfallfolgen "Verlust von annähernd 2 Gliedern des rechten Zeigefingers mit guter Weichteildeckung des Fingerstumpfes. Mehrere Narben an beiden Händen nach Verbrennungen und Gefühlsstörungen in den Narbenbereichen”. Darüber hinaus lehnte sie die Zahlung einer Rente ab, weil ein rentenberechtigender Grad (MdE 20 v.H.) nicht erreicht werde.
Gegen den am 16. März 1973 als Einschreiben zur Post aufgelieferten Bescheid hat der Kläger am 9. April 1973 bei dem Sozialgericht Frankfurt a.M. (SG) Klage erhoben. Wegen des Verlustes seines rechten Zeigefingers könne er nicht uneingeschränkt arbeiten, auch platze die Verbrennungsnarbe an seinen linken Zeigefinger dauernd auf.
Durch Urteil vom 16. November 1973 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 15. März 1973 verurteilt, dem Kläger die vorläufige Rente von 20 v.H. bis zum Ende des Monats November 1972 zu zahlen; im übrigen wies es die Klage ab, ließ jedoch die Berufung zu. Gemäß § 631 Reichsversicherungsordnung – RVO – sei die vorläufige Rente bis zum Ablauf des Monats November zu zahlen gewesen; danach hätten die Unfallfolgen einen rentenberechtigenden Grad nicht mehr erreicht. Der Kläger könne die Finger beider Hände mit Ausnahme des rechten Zeigefingers uneingeschränkt bewegen.
Gegen das ihr am 14. Dezember 1973 durch Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10. Januar 1974 bei dem Hess. Landessozialgericht – HLSG – Berufung eingelegt. § 631 RVO betreffe nur die Fälle, in denen eine laufende Rente von selbst (also nicht durch Entziehung) wegfalle, nicht aber solche Fälle, in denen eine Rente – wie hier – erstmals für eine zurückliegende Zeit gewährt werde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt a.M. vom 16. November 1973 abzuändern und die Klage gegen den Bescheid vom 15. März 1973 in vollem Umfang abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Unfall- und Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die kraft Zulassung statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist auch begründet. Daß Urteil des SG war insoweit abzuändern, als die Beklagte zur Gewährung einer Rente nach einer MdE um 20 v.H. für die Zeit vom 6. November 1972 bis zum Ende dieses Monats verurteilt worden ist.
Das SG meint zu Unrecht, im Hinblick auf die Vorschrift des § 631 RVO sei die Rente bis zum Ablauf des Monats November 1972 zu zahlen. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden, nach der o.a. Bestimmung ist die Rente bis zum Ende des Monats zu gewähren, in dem die Voraussetzungen für ihren Wegfall oder ihr Ruhen eintreten. Dieser Vorschrift kommt ähnlich wie dem hier nicht vorliegenden Fall des § 622 i.V. mit § 623 Abs. 2 RVO eine gewisse Schutzfunktion zu. Mit Recht weist die Beklagte daraufhin, daß § 631 RVO aber nur die Fälle betrifft, in denen eine laufende Rente von selbst – also nicht durch Entziehung – wegfällt, und damit nicht solche, in denen eine Rente erstmals für einen zurückliegenden Zeitraum gewährt wird (so auch Lauterbach, Unfallversicherung, § 631 RVO Anm. 4 a). Hier bedarf es keiner Schutzfunktion und der Versicherungsträger hat daher die Rentengewährung auf den tatsächlichen Zeitraum zu begrenzen, in dem die unfallbedingte MdE einen rentenberechtigenden Grad erreicht.
In der ergänzenden Auskunft vom 6. Februar 1976 teilte Dr. med. H. dem Senat auf Antrage noch mit, daß er die MdE vom Zeitpunkt der Arbeitsfähigkeit des Klägers ab 6. März 1972 bis zur Untersuchung für die erstmalige Rentenfeststellung am 3. Juli 1972 und vorausschauend für die Dauer von etwa 4 Monaten bis zum 6. November 1972 auf 20 v.H. und sodann auf 10 v.H. geschätzt habe. Es sei nicht beabsichtigt gewesen, die Rentenzahlung etwa auf ein Jahr nach dem Unfall zu begrenzen. Der Senat hat sich dieser gutachtlichen Stellungnahme angeschlossen, zumal sie auch vom Kläger nicht angegriffen worden ist, so daß dem Kläger die Rente nicht bis Ende November 1972 zusteht.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 631 RVO bestand keine Veranlassung zur Zulassung der Revision (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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