Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 2a/3c Ar 25/77
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Ar 962/78
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine prozessuale Zusammenrechnung mehrer Sperrzeiten mit dem Ergebnis der Zulässigkeit der Berufung (auch) hinsichtlich der ersten Sperrzeit ist jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn es sich nicht um aneinander anschließende Sperrzeiten, sondern um zeitlich voneinander getrennte Sperrzeiten handelt. Dies gilt auch dann, wenn zwischen den beiden Sperrzeiten nicht eine Zeit der Beschäftigung, sondern des Bezugs von Arbeitslosengeld liegt und sie beide denselben materiellrechtlichen Leistungsanspruch betreffen.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 18. Mai 1978 wird als unzulässig verworfen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist das Vorliegen der Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit vom 14. Januar 1977 bis 10. Februar 1977, die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit dieser Sperrzeit sowie die Rückforderung eines Betrages von 150,– DM.
Die Klägerin, die bis August 1976 als Näherin beschäftigt war und von der Beklagten zunächst kein Alg erhalten hatte, weil sie sich nur für eine Teilzeitbeschäftigung arbeitsbereit erklärt hatte, brachte am 10. Januar 1977 ihre Bereitschaft zur Übernahme jeder zumutbaren Beschäftigung ohne zeitliche Einschränkung zum Ausdruck und erhielt daraufhin ab diesem Tage mit Bescheid vom 21. Januar 1977 Alg bewilligt.
Am 13. Januar 1977 scheiterte die Begründung eines Arbeitsverhältnisses bei der Kugelfabrik G. in F. die im Hinblick auf eine halbjährige Anlernzeit eine Dauerarbeitskraft suchte, daran, daß die Klägerin dem Lohnbuchhalter B. erklärte, sie könne sich nicht festlegen, wie lange sie sich noch in F. aufhalten werde, denn ihr als Versicherungskaufmann tätiger Verlobter, mit dem sie zusammenlebe, könne jederzeit in eine andere Stadt versetzt werden; für den Fall dieser Versetzung werde sie zusammen mit ihrem Verlobten F. verlassen.
Mit Bescheid vom 10. Februar 1977 stellte die Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen einer Sperrzeit vom 14. Januar 1977 bis 10. Februar 1977 fest, hob für diese Zeit ihre Leistungsbewilligung auf und forderte von der Klägerin den für diese Zeit bereits gezahlten Alg-Betrag in Höhe von 150,– DM zurück.
Der von der Klägerin eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 1977 als unbegründet zurückgewiesen, wobei die Beklagte diese Zurückweisung im wesentlichen darauf stützte, die von der Klägerin vorgebrachte Beschränkung ihrer Arbeitsbereitschaft auf die Dauer der Beschäftigung ihres Verlobten in F. könne nicht als wichtiger Grund im Sinne des § 119 Abs. 1 S. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) anerkannt werden.
Am 23. März 1977 hat die Klägerin durch Einreichen einer Klageschrift beim Sozialgericht Fulda Klage erhoben.
Für die Zeit vom 11. Februar 1977 bis 22. April 1977 erhielt die Klägerin von der Beklagten Alg gezahlt. Am 22. April 1977 scheiterte die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin und der Firma W. & Co in F., weil die Klägerin – so die Begründung des Arbeitgebers – die ihr angebotene Arbeit zwar nicht abgelehnt, aber absolutes Desinteresse gezeigt habe. Mit Bescheid vom 14. Juli 1977 hob die Beklagte daraufhin die Bewilligung von Alg mit Wirkung vom 23. April 1977 an auf, weil die Klägerin erneut Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen gegeben habe, und stellte das Erlöschen des der Klägerin noch für 247 Tage zustehenden Anspruchs auf Alg fest; ein der Klägerin bereits gezahlter Alg-Betrag in Höhe von 555,– DM wurde von ihr zurückgefordert. Mit weiterem Bescheid vom 28. Juli 1977 wurde ein Antrag auf Wiederbewilligung von Alg für die Zeit ab dem 7. Juli 1977 abgelehnt. Der von der Klägerin eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 1977 zurückgewiesen.
Am 28. Oktober 1977 hat die Klägerin daraufhin eine zweite Klage vor dem Sozialgericht Fulda erhoben. Mit Beschluss vom 21. November 1977 sind beide Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.
Die Klägerin hat ihre am 23. März 1977 erhobene Klage im wesentlichen damit begründet, daß das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Nichtannahme einer Dauerbeschäftigung bejaht werden müsse. Die Beklagte dagegen hat an ihrer Auffassung festgehalten, daß der Wunsch der Klägerin, ihren Wohnsitz dort zu nehmen, wo sich auch ihr Verlobter aufhalte, nicht als berechtigt anerkannt werden könne.
Das Sozialgericht Fulda hat in der mündlichen Verhandlung am 9. März 1978 die Klägerin persönlich angehört und in der mündlichen Verhandlung am 18. Mai 1978 den Lohnbuchhalter B. als Zeugen zu den Gründen für die Nichteinstellung der Klägerin vernommen. Insoweit wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Mit Urteil vom 18. Mai 1978 sind die Bescheide der Beklagten vom 10. Februar 1977, 25. Februar 1977, 14. Juli 1977, 28. Juli 1977 und 14. Oktober 1977 aufgehoben worden. Hinsichtlich der Sperrzeit vom 14. Januar 1977 bis 10. Februar 1977 ist die Entscheidung darauf gestützt, der Eintritt einer Sperrzeit setze voraus, daß der Arbeitslose das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses absichtlich verhindert habe. Eine solche Absicht sei der Klägerin aber nicht nachzuweisen. Sie sei nach den Bekundungen des Zeugen B. grundsätzlich bereit gewesen, die Tätigkeit bei der Firma G. anzunehmen, und habe, als sie auf die Abhängigkeit ihrer Beschäftigungsdauer von derjenigen ihres Verlobten hingewiesen habe, noch nicht gewußt, daß für die ihr angebotene Arbeit eine Anlernzeit von einem halben Jahr notwendig gewesen sei; daher sei ihr die Bedeutung einer langfristigen Arbeitsbereitschaft für die Firma G. in diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gewesen. Insoweit ist das Urteil mit der Rechtsmittelbelehrung versehen, daß die Berufung nur statthaft ist, wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt wird und dieser auch tatsächlich vorliegt.
Gegen dieses ihr am 25. Juli 1978 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, eingelegt mit einem 24. August 1978 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangenen Schriftsatz der Beklagten vom 22. August 1978.
Mit Beschluss vom 8. Mai 1980 hat der erkennende Senat die mit Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 21. November 1977 vorgenommene Verbindung der Rechtsstreitigkeiten der Beteiligten wieder aufgehoben.
Die Beklagte hält die von ihr eingelegte Berufung deshalb für zulässig, weil das von ihr angefochtene Urteil gleichzeitig auch das Erlöschen des Leistungsanspruchs ab dem 23. April 1977 betrifft. In der Sache macht sie geltend, nach der Aussage des Zeugen B. habe die Klägerin, als sie auf die Möglichkeit einer Versetzung ihres Verlobten hingewiesen habe, bereits gewußt, daß die Firma G. daran interessiert gewesen sei, eine Dauerarbeitskraft zu finden, auch wenn sie den Grund dieses Interesses, nämlich die halbjährige Anlernzeit, erst später erfahren habe. Die Klägerin habe daher das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses absichtlich vereitelt. Da ihr kein wichtiger Grund für ihr Verhalten zur Seite stehe, sei die Berufung auch sachlich begründet.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 18. Mai 1978 insoweit aufzuheben, als es die Aufhebung des Bescheides vom 10. Februar 1977 und des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 1977 betrifft, und die auf Aufhebung dieser Bescheide gerichtete Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
sie als unbegründet zurückzuweisen.
Sie hält die vorliegende Berufung für unzulässig und macht in der Sache geltend, das erstinstanzliche Urteil enthalte eine ordnungsgemäße Beweiswürdigung; im übrigen liege ein wichtiger Grund im Sinne des § 119 Abs. 1 S. 1 AFG vor.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden und des unter dem Aktenzeichen L-1/Ar-556/80 geführten Berufungsverfahrens, betreffend das Erlöschen des Anspruchs auf Alg ab dem 23. April 1977, sowie der Leistungsakten der Beklagten, Stamm-Nr. XXXX, Arbeitsamt F., der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) war mangels Statthaftigkeit als unzulässig zu verwerfen (§ 158 Abs. 1 SGG).
Nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG ist die Berufung nicht zulässig bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu dreizehn Wochen bzw. drei Monaten. Dieser Ausschlußgrund ist im vorliegenden Falle gegeben. Der Streit um das Vorliegen der Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit vom 14. Januar 1977 bis 10. Februar 1977 betrifft in der Sache die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von wiederkehrenden Leistungen – hier Alg – für den genannten Zeitraum. Dieser Zeitraum umfaßt jedoch nur vier und damit weniger als dreizehn Wochen.
Die Berufung wäre nur dann nicht ausgeschlossen, wenn eine Zusammenrechnung stattfinden müßte zwischen der ersten Sperrzeit vom 14. Januar 1977 bis 10. Februar 1977 und der zweiten Sperrzeit, die das in diesem Zusammenhang festgestellte Erlöschen des Alg-Anspruchs die Zeit ab dem 23. April 1977 betrifft. Eine solche Zusammenrechnung ist jedoch im vorliegenden Falle von Anfang an nicht möglich gewesen, so daß dahinstehen kann, ob und ggf. welchen Einfluß die vom Sozialgericht Fulda mit Beschluss vom 21. November 1977 vorgenommene Verbindung und die von dem erkennenden Senat mit Beschluss vom 8. Mai 1980 vorgenommene Trennung der Rechtsstreitigkeiten auf die Frage der Zulässigkeit der Berufung der Beklagten hat.
Bei den hinter den beiden Sperrzeiten stehenden – potentiellen – Ansprüchen auf Alg für die Zeit vom 4. Januar 1977 bis 10. Februar 1977 und ab dem 23. April 1977 handelt es sich um zwei selbständige prozessuale Ansprüche, über die im vorliegenden Falle nur zufällig aufgrund der erfolgten Verbindung gemeinsam verhandelt und in einem Urteil entschieden wurde. Bei einer derartigen Mehrheit prozessualer Ansprüche findet aber grundsätzlich keine einheitliche Ermittlung des Beschwerdegegenstandes im Wege der Zusammenrechnung statt (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 1977, § 144 SGG, Randnummer 9). Ausnahmsweise ist die Bezugsdauer der verschiedenen prozessualen Ansprüche jedoch dann zusammenrechnungsfähig, wenn die verschiedenen prozessualen Ansprüche den gleichen Entstehungsgrund haben und zu gleichartigen wiederkehrenden Leistungen führen (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 1974 – 6 RKa 2/73 – SozR 1500 § 144 Nr. 1; BSG, Urteil vom 12. Februar 1980 – 7 RAr 107/78 –; Meyer-Ladewig, a.a.O.).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle insoweit gegeben, als es jeweils um die gleiche wiederkehrende Leistung des Alg geht und das Vorliegen des ersten Sperrzeittatbestandes Voraussetzung ist für das im Zusammenhang mit der zweiten Sperrzeit festgestellte Erlöschen des Leistungsanspruchs, auch wenn die Gründe für den Eintritt der beiden Sperrzeiten verschieden sind, da sie ganz verschiedene Lebenssachverhalte betreffen. Setzt man sich über das zuletzt geäußerte Bedenken des unterschiedlichen Sperrzeitanlasses hinweg, so kommt eine Zusammenrechnung – ausnahmsweise – in Betracht, und zwar zumindest dann, wenn die Ansprüche für aneinander anschließende Zeiträume geltend gemacht werden (so BSG, Urteil vom 12. Februar 1980 – 7 RAr 107/78 –; vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Juni 1971 – L-1/Ar-14/69 – RSpDienst 9.000 § 144 SGG).
Im vorliegenden Falle schließen die streitigen Leistungszeiträume jedoch nicht aneinander an; zwischen ihnen besteht vielmehr eine Zeit des Alg-Bezuges vom 11. Februar 1977 bis 22. April 1977. Dieser fehlende zeitliche Zusammenhang schließt aber die an sich mögliche Zusammenrechnung der beiden prozessualen Ansprüche wiederum aus (vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. März 1974 – L-1/Ar-41/73 – SozSich 1975, S. 95; Meyer-Ladewig, a.a.O., a.E.). Bei aneinander anschließenden Bezugszeiträumen läßt sich die Zusammenrechnung mehrerer Sperrzeiträume letztlich dadurch rechtfertigen, daß der Kläger gleichartige und sich aus demselben materiellen Alg-Anspruch ergebenden Leistungen für einen zusammenhängenden, ununterbrochen fortdauernden Zeitraum begehrt, der mit dem ersten Tag der ersten Sperrzeit beginnt und mit dem letzten Tag endet, für den Leistungen beansprucht werden können. Das Leistungsbegehren umfaßt wirtschaftlich einen einzigen Leistungszeitraum; lediglich rechtlich liegen zwei verschiedene – materiell-rechtliche – Leistungshindernisse vor, wobei das zweite dieser Hindernisse hinsichtlich seiner Auswirkungen die rechtliche Existenz des ersten voraussetzt und so mit diesem wiederum materiell-rechtlich zusammenhängt. Hier wäre es in der Tat kaum vertretbar, diesen wirtschaftlich zusammenhängenden Leistungszeitraum je nach der Dauer bzw. den Auswirkungen der beiden Sperrzeiträume aufzuteilen und rechtlich unterschiedlich zu beurteilen. Anders verhält es sich jedoch, wenn – wie hier – zwischen den beiden Sperrzeiträumen eine Zeit des Leistungsbezugs als Unterbrechung liegt. Dann handelt es sich infolge dieses dazwischen liegenden Leistungsbezuges auch wirtschaftlich um zwei getrennte Zeiträume, die zudem nur rein zufällig Gegenstand desselben Rechtsstreites sind. In diesem Falle entfällt der oben genannte Rechtfertigungsgrund für eine prozessuale Zusammenrechnung. Es ist auch kein anderer hinreichender Grund dafür ersichtlich, weshalb es zulässig sein soll, die erste Sperrzeit, hinsichtlich deren Feststellung normalerweise die Berufung ausgeschlossen ist, ausnahmsweise doch mit der Berufung anzufechten, und dadurch eine Überprüfungsmöglichkeit für diese – erst – Sperrzeit zu schaffen, die sonst nicht besteht.
Allerdings wird etwa im Kassenarztrecht eine Zusammenrechnung mehrerer Honorarabrechnungszeiträume von jeweils drei Monaten auch dann bejaht, wenn diese nicht aneinander anschließen, und diese Zusammenrechnung mit dem – materiell-rechtlich – gleichen Entstehungsgrund des Abrechnungsverhältnisses begründet (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 1974 – 6 RKa 2/73 – Breithaupt 1974, S. 909 sowie bereits BSG, Urteil vom 27. November 1959 – 6 RKa 4/58 – BSGE 11, 102, 108). Mit ähnlicher Berechtigung ließe sich eine Zusammenrechnung verschiedener Alg-Ansprüche mit dem Vorliegen eines Sozialversicherungsverhältnisses zwischen dem Arbeitslosen und der Bundesanstalt für Arbeit rechtfertigen. Im vorliegenden Falle könnte eine prozessuale Zusammenrechnung von der materiellen Rechtslage her sogar darauf gestützt werden, daß infolge fortdauernder Arbeitslosigkeit und aufgrund derselben Alg-Anwartschaft ein einziger Alg-Anspruch gegeben sei, der am 10. Januar 1977 entstanden sei, in der Zeit vom 14. Januar 1977 bis 10. Februar 1977 aufgrund einer Sperrzeit – möglicherweise – geruht hat (§ 119 Abs. 1 S. 3 AFG), in der Zeit vom 11. Februar 1977 bis 22. April 1977 realisiert worden sei und dann mit Wirkung ab dem 23. April 1977 – möglicherweise – erloschen sei, falls man es nicht sogar bereits als ausreichend ansieht, daß die beiden prozessualen Ansprüche materiell-rechtlich ihre Wurzel in der wirtschaftlichen Sicherung des Teilnehmers am Arbeitsleben in Form des Alg haben (siehe in diesem Sinne bezüglich der Arbeitslosenhilfe, BSG, Urteil vom 12. Februar 1980 – 7 RAr 107/78 –).
Es kann dahinstehen, ob der angeführten Rechtsprechung zur Honorarabrechnung zu folgen ist. Im Bereich des Arbeitsförderungsrechts können aus ihr hinsichtlich verschiedener Sperrzeiten keine Schlußfolgerungen im Sinne der Zulässigkeit einer prozessualen Zusammenrechnung hergeleitet werden (vgl. zur Ablehnung einer Zusammenrechnung von Schlechtwettergeldansprüchen, BSG, Urteil vom 18. Dezember 1974 – 7 RAr 54/63 – BSGE 22, 181). Greift man zur Lösung einer prozessualen Rechtsfrage auf die materielle Rechtslage zurück, so darf man sich bei der Sperrzeitproblematik nicht damit begnügen, auf einen einheitlichen Alg-Anspruch oder auf eine diesem Anspruch zugrunde liegende einheitliche Alg-Anwartschaft oder gar nur auf eine ununterbrochen fortbestehende Arbeitslosigkeit abzustellen. Man muß vielmehr noch weitergehend auf die den Alg-Anspruch berührenden einzelnen Sperrzeittatbestände zurückgehen. Diese Sperrzeittatbestände betreffen nicht nur Lebenssachverhalte, die völlig unabhängig voneinander sind; auch rechtlich ist die Frage, ob die Voraussetzungen einer Sperrzeit vorliegen, jedenfalls bei der ersten Sperrzeit, unabhängig davon zu beantworten, ob daneben noch die Voraussetzungen für eine weitere Sperrzeit gegeben sind. Erst dann, wenn eine erste Sperrzeit feststeht und darüber hinaus zusätzlich die Voraussetzungen für eine zweite Sperrzeit vorliegen, stellt sich im Hinblick auf die Rechtsfolge des Erlöschens des Leistungsanspruchs die Frage nach ihrem rechtlichen Zusammenhang.
Anders als bei der Honorarabrechnung, wo ein Rückgriff auf die rechtliche Rahmenbeziehung des Abrechnungsverhältnisses notwendig ist, um den rechtlichen und zugleich auch wirtschaftlichen Zusammenhang der verschiedenen Honorarforderungen überhaupt erst herzustellen, ist im Arbeitsförderungsrecht bei einem Streit um Sperrzeiten – zumindest dann, wenn es, wie vorliegend, um die erste Sperrzeit geht, – ein vergleichbarer Rückgriff auf materielle Rechtsgrundlagen nicht erforderlich. Es fehlt an einer vergleichbaren materiell-rechtlichen wie auch wirtschaftlichen Rechtfertigung für eine prozessuale Zusammenrechnung. Damit verbleibt es bei dem Ergebnis, daß allenfalls aneinander anschließende Sperrzeiten bzw. Alg-Bezugszeiträume zusammengerechnet werden können, nicht aber zeitlich voneinander getrennte, und zwar auch dann nicht, wenn zwischen ihnen nicht eine Zeit der Beschäftigung, sondern des – tatsächlichen – Alg-Bezuges liegt.
Mangels Zulassung der Berufung in dem angefochtenen Urteil wäre die Berufung daher nur dann zulässig gewesen, wenn die Beklagte einen, auch tatsächlich vorliegenden, wesentlichen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens gerügt hätte (§ 150 Nr. 2 SGG). Eine solche Rüge hat die Beklagte jedoch nicht erhoben. Sie erachtet zwar die von dem Sozialgericht vorgenommene Beweiswürdigung als im Ergebnis fehlerhaft, macht damit jedoch nicht geltend, daß das Sozialgericht bei seiner Entscheidungsfindung gegen die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung, insbesondere gegen Denk- und Erfahrungsgesetze, verstoßen habe, wie dies für die Rüge eines Verfahrensmangels erforderlich gewesen wäre (vgl. dazu Meyer-Ladewig, § 128 SGG Randnummer 10; § 150 SGG, Randnummer 16). Hierzu hätte, da, wenn überhaupt, nur ein Verstoß gegen Denkgesetze in Betracht kommt, die, wenigstens stillschweigende, Behauptung gehört, daß aus dem von dem Sozialgericht festgestellten Sachverhalt nur eine, nämlich die von ihr für zutreffend erachtete, Schlußfolgerung habe gezogen werden können und damit jede andere, also auch die, die das Gericht tatsächlich gezogen hat, nicht denkbar gewesen sei, daß das Gericht mit anderen Worten einen unmöglichen Schluß gezogen habe (vgl. Meyer-Ladewig, § 128 SGG, Randnummer 12, mit weiteren Nachweisen). Eine diesbezügliche Rüge kann jedoch dem Vorbringen der Beklagten, abgesehen davon, daß ein solcher Mangel auch tatsächlich nicht vorliegt, nicht entnommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist das Vorliegen der Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit vom 14. Januar 1977 bis 10. Februar 1977, die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit dieser Sperrzeit sowie die Rückforderung eines Betrages von 150,– DM.
Die Klägerin, die bis August 1976 als Näherin beschäftigt war und von der Beklagten zunächst kein Alg erhalten hatte, weil sie sich nur für eine Teilzeitbeschäftigung arbeitsbereit erklärt hatte, brachte am 10. Januar 1977 ihre Bereitschaft zur Übernahme jeder zumutbaren Beschäftigung ohne zeitliche Einschränkung zum Ausdruck und erhielt daraufhin ab diesem Tage mit Bescheid vom 21. Januar 1977 Alg bewilligt.
Am 13. Januar 1977 scheiterte die Begründung eines Arbeitsverhältnisses bei der Kugelfabrik G. in F. die im Hinblick auf eine halbjährige Anlernzeit eine Dauerarbeitskraft suchte, daran, daß die Klägerin dem Lohnbuchhalter B. erklärte, sie könne sich nicht festlegen, wie lange sie sich noch in F. aufhalten werde, denn ihr als Versicherungskaufmann tätiger Verlobter, mit dem sie zusammenlebe, könne jederzeit in eine andere Stadt versetzt werden; für den Fall dieser Versetzung werde sie zusammen mit ihrem Verlobten F. verlassen.
Mit Bescheid vom 10. Februar 1977 stellte die Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen einer Sperrzeit vom 14. Januar 1977 bis 10. Februar 1977 fest, hob für diese Zeit ihre Leistungsbewilligung auf und forderte von der Klägerin den für diese Zeit bereits gezahlten Alg-Betrag in Höhe von 150,– DM zurück.
Der von der Klägerin eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 1977 als unbegründet zurückgewiesen, wobei die Beklagte diese Zurückweisung im wesentlichen darauf stützte, die von der Klägerin vorgebrachte Beschränkung ihrer Arbeitsbereitschaft auf die Dauer der Beschäftigung ihres Verlobten in F. könne nicht als wichtiger Grund im Sinne des § 119 Abs. 1 S. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) anerkannt werden.
Am 23. März 1977 hat die Klägerin durch Einreichen einer Klageschrift beim Sozialgericht Fulda Klage erhoben.
Für die Zeit vom 11. Februar 1977 bis 22. April 1977 erhielt die Klägerin von der Beklagten Alg gezahlt. Am 22. April 1977 scheiterte die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin und der Firma W. & Co in F., weil die Klägerin – so die Begründung des Arbeitgebers – die ihr angebotene Arbeit zwar nicht abgelehnt, aber absolutes Desinteresse gezeigt habe. Mit Bescheid vom 14. Juli 1977 hob die Beklagte daraufhin die Bewilligung von Alg mit Wirkung vom 23. April 1977 an auf, weil die Klägerin erneut Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen gegeben habe, und stellte das Erlöschen des der Klägerin noch für 247 Tage zustehenden Anspruchs auf Alg fest; ein der Klägerin bereits gezahlter Alg-Betrag in Höhe von 555,– DM wurde von ihr zurückgefordert. Mit weiterem Bescheid vom 28. Juli 1977 wurde ein Antrag auf Wiederbewilligung von Alg für die Zeit ab dem 7. Juli 1977 abgelehnt. Der von der Klägerin eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 1977 zurückgewiesen.
Am 28. Oktober 1977 hat die Klägerin daraufhin eine zweite Klage vor dem Sozialgericht Fulda erhoben. Mit Beschluss vom 21. November 1977 sind beide Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.
Die Klägerin hat ihre am 23. März 1977 erhobene Klage im wesentlichen damit begründet, daß das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Nichtannahme einer Dauerbeschäftigung bejaht werden müsse. Die Beklagte dagegen hat an ihrer Auffassung festgehalten, daß der Wunsch der Klägerin, ihren Wohnsitz dort zu nehmen, wo sich auch ihr Verlobter aufhalte, nicht als berechtigt anerkannt werden könne.
Das Sozialgericht Fulda hat in der mündlichen Verhandlung am 9. März 1978 die Klägerin persönlich angehört und in der mündlichen Verhandlung am 18. Mai 1978 den Lohnbuchhalter B. als Zeugen zu den Gründen für die Nichteinstellung der Klägerin vernommen. Insoweit wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Mit Urteil vom 18. Mai 1978 sind die Bescheide der Beklagten vom 10. Februar 1977, 25. Februar 1977, 14. Juli 1977, 28. Juli 1977 und 14. Oktober 1977 aufgehoben worden. Hinsichtlich der Sperrzeit vom 14. Januar 1977 bis 10. Februar 1977 ist die Entscheidung darauf gestützt, der Eintritt einer Sperrzeit setze voraus, daß der Arbeitslose das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses absichtlich verhindert habe. Eine solche Absicht sei der Klägerin aber nicht nachzuweisen. Sie sei nach den Bekundungen des Zeugen B. grundsätzlich bereit gewesen, die Tätigkeit bei der Firma G. anzunehmen, und habe, als sie auf die Abhängigkeit ihrer Beschäftigungsdauer von derjenigen ihres Verlobten hingewiesen habe, noch nicht gewußt, daß für die ihr angebotene Arbeit eine Anlernzeit von einem halben Jahr notwendig gewesen sei; daher sei ihr die Bedeutung einer langfristigen Arbeitsbereitschaft für die Firma G. in diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gewesen. Insoweit ist das Urteil mit der Rechtsmittelbelehrung versehen, daß die Berufung nur statthaft ist, wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt wird und dieser auch tatsächlich vorliegt.
Gegen dieses ihr am 25. Juli 1978 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, eingelegt mit einem 24. August 1978 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangenen Schriftsatz der Beklagten vom 22. August 1978.
Mit Beschluss vom 8. Mai 1980 hat der erkennende Senat die mit Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 21. November 1977 vorgenommene Verbindung der Rechtsstreitigkeiten der Beteiligten wieder aufgehoben.
Die Beklagte hält die von ihr eingelegte Berufung deshalb für zulässig, weil das von ihr angefochtene Urteil gleichzeitig auch das Erlöschen des Leistungsanspruchs ab dem 23. April 1977 betrifft. In der Sache macht sie geltend, nach der Aussage des Zeugen B. habe die Klägerin, als sie auf die Möglichkeit einer Versetzung ihres Verlobten hingewiesen habe, bereits gewußt, daß die Firma G. daran interessiert gewesen sei, eine Dauerarbeitskraft zu finden, auch wenn sie den Grund dieses Interesses, nämlich die halbjährige Anlernzeit, erst später erfahren habe. Die Klägerin habe daher das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses absichtlich vereitelt. Da ihr kein wichtiger Grund für ihr Verhalten zur Seite stehe, sei die Berufung auch sachlich begründet.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 18. Mai 1978 insoweit aufzuheben, als es die Aufhebung des Bescheides vom 10. Februar 1977 und des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 1977 betrifft, und die auf Aufhebung dieser Bescheide gerichtete Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
sie als unbegründet zurückzuweisen.
Sie hält die vorliegende Berufung für unzulässig und macht in der Sache geltend, das erstinstanzliche Urteil enthalte eine ordnungsgemäße Beweiswürdigung; im übrigen liege ein wichtiger Grund im Sinne des § 119 Abs. 1 S. 1 AFG vor.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden und des unter dem Aktenzeichen L-1/Ar-556/80 geführten Berufungsverfahrens, betreffend das Erlöschen des Anspruchs auf Alg ab dem 23. April 1977, sowie der Leistungsakten der Beklagten, Stamm-Nr. XXXX, Arbeitsamt F., der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) war mangels Statthaftigkeit als unzulässig zu verwerfen (§ 158 Abs. 1 SGG).
Nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG ist die Berufung nicht zulässig bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu dreizehn Wochen bzw. drei Monaten. Dieser Ausschlußgrund ist im vorliegenden Falle gegeben. Der Streit um das Vorliegen der Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit vom 14. Januar 1977 bis 10. Februar 1977 betrifft in der Sache die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von wiederkehrenden Leistungen – hier Alg – für den genannten Zeitraum. Dieser Zeitraum umfaßt jedoch nur vier und damit weniger als dreizehn Wochen.
Die Berufung wäre nur dann nicht ausgeschlossen, wenn eine Zusammenrechnung stattfinden müßte zwischen der ersten Sperrzeit vom 14. Januar 1977 bis 10. Februar 1977 und der zweiten Sperrzeit, die das in diesem Zusammenhang festgestellte Erlöschen des Alg-Anspruchs die Zeit ab dem 23. April 1977 betrifft. Eine solche Zusammenrechnung ist jedoch im vorliegenden Falle von Anfang an nicht möglich gewesen, so daß dahinstehen kann, ob und ggf. welchen Einfluß die vom Sozialgericht Fulda mit Beschluss vom 21. November 1977 vorgenommene Verbindung und die von dem erkennenden Senat mit Beschluss vom 8. Mai 1980 vorgenommene Trennung der Rechtsstreitigkeiten auf die Frage der Zulässigkeit der Berufung der Beklagten hat.
Bei den hinter den beiden Sperrzeiten stehenden – potentiellen – Ansprüchen auf Alg für die Zeit vom 4. Januar 1977 bis 10. Februar 1977 und ab dem 23. April 1977 handelt es sich um zwei selbständige prozessuale Ansprüche, über die im vorliegenden Falle nur zufällig aufgrund der erfolgten Verbindung gemeinsam verhandelt und in einem Urteil entschieden wurde. Bei einer derartigen Mehrheit prozessualer Ansprüche findet aber grundsätzlich keine einheitliche Ermittlung des Beschwerdegegenstandes im Wege der Zusammenrechnung statt (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 1977, § 144 SGG, Randnummer 9). Ausnahmsweise ist die Bezugsdauer der verschiedenen prozessualen Ansprüche jedoch dann zusammenrechnungsfähig, wenn die verschiedenen prozessualen Ansprüche den gleichen Entstehungsgrund haben und zu gleichartigen wiederkehrenden Leistungen führen (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 1974 – 6 RKa 2/73 – SozR 1500 § 144 Nr. 1; BSG, Urteil vom 12. Februar 1980 – 7 RAr 107/78 –; Meyer-Ladewig, a.a.O.).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle insoweit gegeben, als es jeweils um die gleiche wiederkehrende Leistung des Alg geht und das Vorliegen des ersten Sperrzeittatbestandes Voraussetzung ist für das im Zusammenhang mit der zweiten Sperrzeit festgestellte Erlöschen des Leistungsanspruchs, auch wenn die Gründe für den Eintritt der beiden Sperrzeiten verschieden sind, da sie ganz verschiedene Lebenssachverhalte betreffen. Setzt man sich über das zuletzt geäußerte Bedenken des unterschiedlichen Sperrzeitanlasses hinweg, so kommt eine Zusammenrechnung – ausnahmsweise – in Betracht, und zwar zumindest dann, wenn die Ansprüche für aneinander anschließende Zeiträume geltend gemacht werden (so BSG, Urteil vom 12. Februar 1980 – 7 RAr 107/78 –; vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Juni 1971 – L-1/Ar-14/69 – RSpDienst 9.000 § 144 SGG).
Im vorliegenden Falle schließen die streitigen Leistungszeiträume jedoch nicht aneinander an; zwischen ihnen besteht vielmehr eine Zeit des Alg-Bezuges vom 11. Februar 1977 bis 22. April 1977. Dieser fehlende zeitliche Zusammenhang schließt aber die an sich mögliche Zusammenrechnung der beiden prozessualen Ansprüche wiederum aus (vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. März 1974 – L-1/Ar-41/73 – SozSich 1975, S. 95; Meyer-Ladewig, a.a.O., a.E.). Bei aneinander anschließenden Bezugszeiträumen läßt sich die Zusammenrechnung mehrerer Sperrzeiträume letztlich dadurch rechtfertigen, daß der Kläger gleichartige und sich aus demselben materiellen Alg-Anspruch ergebenden Leistungen für einen zusammenhängenden, ununterbrochen fortdauernden Zeitraum begehrt, der mit dem ersten Tag der ersten Sperrzeit beginnt und mit dem letzten Tag endet, für den Leistungen beansprucht werden können. Das Leistungsbegehren umfaßt wirtschaftlich einen einzigen Leistungszeitraum; lediglich rechtlich liegen zwei verschiedene – materiell-rechtliche – Leistungshindernisse vor, wobei das zweite dieser Hindernisse hinsichtlich seiner Auswirkungen die rechtliche Existenz des ersten voraussetzt und so mit diesem wiederum materiell-rechtlich zusammenhängt. Hier wäre es in der Tat kaum vertretbar, diesen wirtschaftlich zusammenhängenden Leistungszeitraum je nach der Dauer bzw. den Auswirkungen der beiden Sperrzeiträume aufzuteilen und rechtlich unterschiedlich zu beurteilen. Anders verhält es sich jedoch, wenn – wie hier – zwischen den beiden Sperrzeiträumen eine Zeit des Leistungsbezugs als Unterbrechung liegt. Dann handelt es sich infolge dieses dazwischen liegenden Leistungsbezuges auch wirtschaftlich um zwei getrennte Zeiträume, die zudem nur rein zufällig Gegenstand desselben Rechtsstreites sind. In diesem Falle entfällt der oben genannte Rechtfertigungsgrund für eine prozessuale Zusammenrechnung. Es ist auch kein anderer hinreichender Grund dafür ersichtlich, weshalb es zulässig sein soll, die erste Sperrzeit, hinsichtlich deren Feststellung normalerweise die Berufung ausgeschlossen ist, ausnahmsweise doch mit der Berufung anzufechten, und dadurch eine Überprüfungsmöglichkeit für diese – erst – Sperrzeit zu schaffen, die sonst nicht besteht.
Allerdings wird etwa im Kassenarztrecht eine Zusammenrechnung mehrerer Honorarabrechnungszeiträume von jeweils drei Monaten auch dann bejaht, wenn diese nicht aneinander anschließen, und diese Zusammenrechnung mit dem – materiell-rechtlich – gleichen Entstehungsgrund des Abrechnungsverhältnisses begründet (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 1974 – 6 RKa 2/73 – Breithaupt 1974, S. 909 sowie bereits BSG, Urteil vom 27. November 1959 – 6 RKa 4/58 – BSGE 11, 102, 108). Mit ähnlicher Berechtigung ließe sich eine Zusammenrechnung verschiedener Alg-Ansprüche mit dem Vorliegen eines Sozialversicherungsverhältnisses zwischen dem Arbeitslosen und der Bundesanstalt für Arbeit rechtfertigen. Im vorliegenden Falle könnte eine prozessuale Zusammenrechnung von der materiellen Rechtslage her sogar darauf gestützt werden, daß infolge fortdauernder Arbeitslosigkeit und aufgrund derselben Alg-Anwartschaft ein einziger Alg-Anspruch gegeben sei, der am 10. Januar 1977 entstanden sei, in der Zeit vom 14. Januar 1977 bis 10. Februar 1977 aufgrund einer Sperrzeit – möglicherweise – geruht hat (§ 119 Abs. 1 S. 3 AFG), in der Zeit vom 11. Februar 1977 bis 22. April 1977 realisiert worden sei und dann mit Wirkung ab dem 23. April 1977 – möglicherweise – erloschen sei, falls man es nicht sogar bereits als ausreichend ansieht, daß die beiden prozessualen Ansprüche materiell-rechtlich ihre Wurzel in der wirtschaftlichen Sicherung des Teilnehmers am Arbeitsleben in Form des Alg haben (siehe in diesem Sinne bezüglich der Arbeitslosenhilfe, BSG, Urteil vom 12. Februar 1980 – 7 RAr 107/78 –).
Es kann dahinstehen, ob der angeführten Rechtsprechung zur Honorarabrechnung zu folgen ist. Im Bereich des Arbeitsförderungsrechts können aus ihr hinsichtlich verschiedener Sperrzeiten keine Schlußfolgerungen im Sinne der Zulässigkeit einer prozessualen Zusammenrechnung hergeleitet werden (vgl. zur Ablehnung einer Zusammenrechnung von Schlechtwettergeldansprüchen, BSG, Urteil vom 18. Dezember 1974 – 7 RAr 54/63 – BSGE 22, 181). Greift man zur Lösung einer prozessualen Rechtsfrage auf die materielle Rechtslage zurück, so darf man sich bei der Sperrzeitproblematik nicht damit begnügen, auf einen einheitlichen Alg-Anspruch oder auf eine diesem Anspruch zugrunde liegende einheitliche Alg-Anwartschaft oder gar nur auf eine ununterbrochen fortbestehende Arbeitslosigkeit abzustellen. Man muß vielmehr noch weitergehend auf die den Alg-Anspruch berührenden einzelnen Sperrzeittatbestände zurückgehen. Diese Sperrzeittatbestände betreffen nicht nur Lebenssachverhalte, die völlig unabhängig voneinander sind; auch rechtlich ist die Frage, ob die Voraussetzungen einer Sperrzeit vorliegen, jedenfalls bei der ersten Sperrzeit, unabhängig davon zu beantworten, ob daneben noch die Voraussetzungen für eine weitere Sperrzeit gegeben sind. Erst dann, wenn eine erste Sperrzeit feststeht und darüber hinaus zusätzlich die Voraussetzungen für eine zweite Sperrzeit vorliegen, stellt sich im Hinblick auf die Rechtsfolge des Erlöschens des Leistungsanspruchs die Frage nach ihrem rechtlichen Zusammenhang.
Anders als bei der Honorarabrechnung, wo ein Rückgriff auf die rechtliche Rahmenbeziehung des Abrechnungsverhältnisses notwendig ist, um den rechtlichen und zugleich auch wirtschaftlichen Zusammenhang der verschiedenen Honorarforderungen überhaupt erst herzustellen, ist im Arbeitsförderungsrecht bei einem Streit um Sperrzeiten – zumindest dann, wenn es, wie vorliegend, um die erste Sperrzeit geht, – ein vergleichbarer Rückgriff auf materielle Rechtsgrundlagen nicht erforderlich. Es fehlt an einer vergleichbaren materiell-rechtlichen wie auch wirtschaftlichen Rechtfertigung für eine prozessuale Zusammenrechnung. Damit verbleibt es bei dem Ergebnis, daß allenfalls aneinander anschließende Sperrzeiten bzw. Alg-Bezugszeiträume zusammengerechnet werden können, nicht aber zeitlich voneinander getrennte, und zwar auch dann nicht, wenn zwischen ihnen nicht eine Zeit der Beschäftigung, sondern des – tatsächlichen – Alg-Bezuges liegt.
Mangels Zulassung der Berufung in dem angefochtenen Urteil wäre die Berufung daher nur dann zulässig gewesen, wenn die Beklagte einen, auch tatsächlich vorliegenden, wesentlichen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens gerügt hätte (§ 150 Nr. 2 SGG). Eine solche Rüge hat die Beklagte jedoch nicht erhoben. Sie erachtet zwar die von dem Sozialgericht vorgenommene Beweiswürdigung als im Ergebnis fehlerhaft, macht damit jedoch nicht geltend, daß das Sozialgericht bei seiner Entscheidungsfindung gegen die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung, insbesondere gegen Denk- und Erfahrungsgesetze, verstoßen habe, wie dies für die Rüge eines Verfahrensmangels erforderlich gewesen wäre (vgl. dazu Meyer-Ladewig, § 128 SGG Randnummer 10; § 150 SGG, Randnummer 16). Hierzu hätte, da, wenn überhaupt, nur ein Verstoß gegen Denkgesetze in Betracht kommt, die, wenigstens stillschweigende, Behauptung gehört, daß aus dem von dem Sozialgericht festgestellten Sachverhalt nur eine, nämlich die von ihr für zutreffend erachtete, Schlußfolgerung habe gezogen werden können und damit jede andere, also auch die, die das Gericht tatsächlich gezogen hat, nicht denkbar gewesen sei, daß das Gericht mit anderen Worten einen unmöglichen Schluß gezogen habe (vgl. Meyer-Ladewig, § 128 SGG, Randnummer 12, mit weiteren Nachweisen). Eine diesbezügliche Rüge kann jedoch dem Vorbringen der Beklagten, abgesehen davon, daß ein solcher Mangel auch tatsächlich nicht vorliegt, nicht entnommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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