L 1 AL 1211/70

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 AL 1211/70
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 14. Oktober 1970 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der 1904 geborene Kläger – von Beruf Polizeibeamter – befindet sich seit dem 1. Oktober 1952 im Ruhestand. Mit der Begründung, sein landwirtschaftliches Unternehmen bilde mit einer Größe von 3,77 ha eine dauerhafte Existenzgrundlage im Sinne des § 1 des Gesetzes über Altershilfe für Landwirte (GAL), hatte die Beklagte durch Bescheid vom 28. Juli 1960 die Beitragspflicht des Klägers ab 1. Oktober 1957 festgestellt. Hiergegen sowie den Widerspruchsbescheid vom 3. November 1960 hatte sich der Kläger, da er seinen Betrieb nicht als Existenzgrundlage ansah und wegen des Bezuges von Ruhegehalt nach beamtenrechtlichen Bestimmungen Beitragsfreiheit beanspruchte, gewandt. In dem Verfahren vor dem Bundessozialgericht hatte der Kläger am 10. November 1962 seine klage zurückgenommen, nachdem die Beklagte ab 1. November 1961 die Beitragsfreiheit des auf 1,46 ha verkleinerten Betriebes anerkannt hatte.

Nunmehr will der Kläger Beiträge nachentrichten.

Am 19. September 1969 beantragte er deshalb, freiwillige Beiträge zur Landwirtschaftlichen Alterskasse nachentrichten zu dürfen. Durch Bescheid vom 17. Dezember 1969 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie führte aus, die Voraussetzungen des § 27 GAL in der ab 1. April 1969 geltenden Fassung seien nicht erfüllt. Der Kläger habe weder im Anschluß an seine Beitragspflicht (bis 31. Oktober 1961) Beiträge fortlaufend weitergezahlt, noch habe er innerhalb von 2 Jahren nach Wegfall der Beitragspflicht (ab 1. November 1961) die Weiterentrichtung der Beiträge erklärt. Nach dem zur Zeit des Ausscheidens des Klägers aus der Landwirtschaftlichen Alterskasse bestehenden Rechtszustand sei dieser damals auch nicht zur Weiterentrichtung von Beiträgen berechtigt gewesen.

Der ihr kraft Gesetzes erst ab 1. April 1963 – zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger nicht mehr Mitglied der Landwirtschaftlichen Alterskasse gewesen – obliegenden Aufklärungspflicht habe die Beklagte durch Versendung von Merkblättern an die Mitglieder und durch Rundschreiben an die Bauernverbände und Ortsbürgermeister sowie Veröffentlichung in Presse, Rundfunk und Fernsehen genügt.

Dem dagegen erhobenen Widerspruch half die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 1970 nicht ab. Eine Verpflichtung, ausgeschiedene Mitglieder von Amts wegen über eventuelle Gestaltungsmöglichkeiten eines Leistungsanspruches aufzuklären, bestehe nicht und sei auch praktisch nicht durchführbar.

Die hiergegen gerichtete Klage wies das Sozialgericht Wiesbaden durch Urteil vom 14. Oktober 1970 ab. Es bestätigte die Auffassung der beklagten und führte ergänzend aus, für etwaige Schadenersatzansprüche wegen Verletzung der Aufklärungspflicht sei im übrigen der Rechtsweg zu Sozialgerichten nicht gegeben.

Gegen das ihm zwecks Zustellung per Einschreiben zur Post am 24. November 1970 aufgelieferte Urteil hat der Kläger am 21. Dezember 1970 Berufung eingelegt. Er wiederholt seine Auffassung, auf Grund seiner früheren Zugehörigkeit zur Landwirtschaftlichen Alterskasse und der ihm seinerzeit erteilten, aber später unrichtig geworden Belehrung über die Möglichkeit einer Weiterversicherung sei die Beklagte auch nach seinem Ausscheiden verpflichtet gewesen, ihn über die inzwischen geänderten Vorschriften hinsichtlich der Weiterentrichtung von Beiträgen zu informieren.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 14. Oktober 1970 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Oktober 1970
sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Dezember 1969 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 1970 aufzuheben und ihm die freiwillige Weiterentrichtung von Beiträgen zu gestatten,
hilfsweise,
die in den Jahren 1957 bis 1961 gezahlten Beiträge zurückzuerstatten.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.

Auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakten sowie den der Verwaltungsakten der Beklagten wird zur Ergänzung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf Antrag der Beklagten sachlich entscheiden konnte (§§ 110, 126 SGG), ist unbegründet.

Eine freiwillige Weiterentrichtung von Beiträgen ist nicht mehr zulässig. Nach § 27 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) i.d.F. der Bekanntmachung vom 14. September 1965 (BGBl. I, S. 1449) unter Berücksichtigung der Änderungen durch Artikel 1 des Vierten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vom 29. Juli 1969 (BGBl. I, S. 1017) ist die Weiterentrichtung von Beiträgen nach einer Pflichtbeitragsleistung von mindestens 36 Kalendermonaten nur zulässig, wenn der Weiterentrichtungswille innerhalb von 2 Jahren nach dem Ende der Beitragspflicht, d. i. der 31. Oktober 1961, gegenüber der Landwirtschaftlichen Alterskasse erklärt ist oder im Anschluß an die Beitragspflicht Beiträge regelmäßig fortlaufend gezahlt worden sind. Keine dieser Alternativen liegt hier vor, da die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Findet somit das Begehren des Klägers in dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte keine Grundlage, so ist noch zu entscheiden, ob der Kläger nicht über den Weg eines Schadensersatzanspruches die Entgegennahme freiwillig geleisteter Beiträge verlangen kann. Glaubt er doch eine Verletzung der Aufklärungspflicht der Beklagten dergestalt feststellen zu können, daß diese ihn angesichts der früheren erteilten Belehrung während seiner Zugehörigkeit zur Landwirtschaftlichen Alterskasse nicht über die geänderte Rechtsanlage nach seinem Ausscheiden informiert habe. Ob damit die materiellen Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gegeben sind, kann gegeben sind, kann im vorliegenden Fall dastehen. Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, daß in dem anhängigen Verfahren über einen solchen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte deshalb nicht sachlich entschieden werden kann, weil insoweit nur der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben wäre (Artikel 34 Grundgesetz, § 839 Bürgerliches Gesetzbuch). Es handelt sich hierbei mangels einer Anspruchsgrundlage in den Altershilfegesetzen für Landwirte nicht um einen öffentlich-rechtlichen Streit in Angelegenheiten der Sozialversicherung (§ 51 Abs. 1 SGG i.V.m. § 30 S. 1 GAL 1971). Soweit das Bundessozialgericht (vgl. Urteile vom 20. Febr. 1962 – 1 RA 215/59 – in SozVers 1963, 62; Urteil vom 26. Mai 1964 – 12/4 RJ 138/61 – in Praxis 1964, 450, 451; Urteil vom 18. November 1969, 3 RK 33/69; BSG 26, 129, 13 ... SozR Nr. 3 zu § 1233 RVO) aus dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs ausnahmsweise für Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Treue-, Sorgfalte- und Fürsorgepflicht den Sozialrechtsweg nicht für ausgeschlossen erachtet hat, hat es sich um Schadensersatz wegen unrechtsmäßiger Ablehnung solcher Leistungen gehandelt, die in den Sozialversicherungsgesetzen selbst vorgesehen sind. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, so daß auch nicht entschieden zu werden braucht, ob diese Rechtsprechung des BSG auf andere als Leistungsansprüche (hier: Nachentrichtung von Beiträgen) anzuwenden ist. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht, wie sie der Kläger behauptet ist nicht gegeben. Noch während des Rechtsstreits vor dem BSG hat die Beklagte den Kläger auf Antrage durch Schreiben vom 11. Oktober 1962 über die Voraussetzungen für die Gewährung von Altersgeld nach den damaligen gesetzlichen Bestimmungen informiert.

Eine weitergehende Verpflichtung zur individuellen Unterrichtung früherer Mitglieder aufgrund des damaligen mitgliedschaftlichen Verhältnisses besteht nicht. Dies muß aus der Bestimmung des § 26 GAL gefolgert werden. Nach dieser obliegt der Beklagten nur die Verpflichtung zu allgemeiner Aufklärung ihrer Mitglieder. Selbst wenn man in dieser Bestimmung, die erst am 1. April 1963 in Kraft getreten ist, den Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens sehen will (vgl. § 1324 RVO bzw. 103 AVG), so kann der Kläger sein Begehren nicht auf eine Verletzung dieser Bestimmung stützen. War er doch infolge Verkleinerung seines landwirtschaftlichen Unternehmens zum 31. Oktober 1961 bei der Beklagten als beitragspflichtiges Mitglied ausgeschieden. Darüber hinaus hat die Beklagte der gesetzlich normierten Verpflichtung durch Veröffentlichung in Presse Rundfunk und Fernsehen sowie durch Versendung von Merkblättern und Rundschreiben an die Bauernverbände und Ortsbürgermeister genügt.

Daß die von dem Kläger beanspruchte individuelle Verpflichtung zur Aufklärung ehemaliger Mitglieder über die jeweiligen gesetzlichen Änderungen nicht besteht, ergibt sich auch aus dem schriftlichen Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik über den Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte – Drucksache IV 2904 zur Drucksache IV/10 vom 25. März 1963. Darin wird zum Ausdruck gebracht, daß durch die Einfügung des neuen § 20 a (jetzt § 26) GAL der Landwirtschaftlichen Alterskassen (nur) die allgemeine Aufklärung der Mitglieder der Landwirtschaftlichen Alterskassen zur Aufgabe gemacht wird. Diese Vorschrift indes begründet keinen Anspruch auf Aufklärung im Einzelfall. – Darüber hinaus spricht nach einhelliger Auffassung eine unwiderlegliche Vermutung dafür, daß bei einem Gesetz, das ordnungsgemäß verkündet ist, die Veröffentlichung der Rechtsvorschrift dem Staatsbürger bekannt ist (vgl. BVerfG in NJW 1963, 1444 sowie LSG Schleswig Urteil vom 2. März 1954 in Lauterbach, Kartei zur Sozialversicherung, lfd. Nr. 1447 zu § 1546 RVO).

Hat somit die Beklagte das ihr nach Gesetz und Rechtsprechung Zumutbare getan, so wäre es dem Kläger bei seinem Bildungsgrad als ehemaligem Polizeibeamten, wie es auch jetzt wieder in seinen Schriftsätzen zum Ausdruck kommt, angesichts der in der Presse und den Gesetzblättern veröffentlichen jeweiligen Änderungen des Gesetzes selbst zu verfolgen und bei Zweifeln sich an die Beklagte mit entsprechenden Fragen zu wenden. Dabei hätte diese derartigen Anfragen beantworten und den Kläger über die inzwischen eingetretenen Änderungen aufklären können.

Wenn der Kläger – aus welchen gründen auch immer – hier von abgesehen hat, muß er sich die daraus ergebenden Konsequenzen zurechnen lassen. Es würde eine Überspannung der Aufklärungspflicht der Beklagten bedeuten, wenn diese in Fällen der vorliegenden Art gehalten sein sollte, ehemalige Mitglieder, die sich seinerzeit noch gegen die Heranziehung zur Beitragsleistung gewendet haben, nach deren Ausscheiden nunmehr individuell über die eingetretenen gesetzlichen Änderungen zu informieren.

Soweit der Kläger nunmehr hilfsweise die Erstattung der von ihm in den Jahren 1957 bis 1961 gezahlten Beiträge begehrt, ist die Berufung unzulässig. Fehlt es doch insoweit an der auch im sozialgerichtlichen Verfahren erforderlichen Beschwer, die im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung vorliegen muß (BSG 11, 26). Beschwert ist ein Rechtsmittelkläger immer nur insoweit als das vorinstanzliche Urteil hinter den vorinstanzlichen Anträgen zurückbleibt (so BSG 9, 22 und die dort zitierte Literatur). Ersichtlich hat der Kläger in dem erstinstanzlichen Verfahren nur einen Antrag auf Feststellung der Berechtigung zur Weiterentrichtung von Beiträgen, nicht aber auf Rückerstattung von Beiträgen gestellt, ganz abgesehen davon, daß die Beklagte hierzu eine Verwaltungsentscheidung noch nicht getroffen hat. Fehlt es somit an der erforderlichen Beschwer, kann diese auch nicht etwa durch Klageerweiterung in der Rechtsmittelinstanz geschaffen werden (so BSG a.a.O.).

Bezüglich des Hilfsantrages mußte die Berufung daher als unzulässig verworfen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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