L 1 Ar 397/72

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Ar 397/72
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. März 1972 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die 1921 geborene Klägerin ist von Beruf staatlich anerkannte Krankenschwester. Nachdem sie ihr Arbeitsverhältnis beim Stadtkrankenhaus in K. Zum 31. Dezember 1970 gekündigt hatte, meldete sie sich am 24. Mai 1971 bei dem Arbeitsamt K. arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Trotz eingehender Belehrung über die Rechtsfolgen durch Bedienstete der Beklagten war die Klägerin nicht bereit, eine andere Tätigkeit als die einer Krankenschwester zu verrichten. Durch Bescheid vom 2. Juni 1971 lehnte die Beklagte daher den Antrag der Klägerin ab, da diese nicht bereit gewesen sei, jede Arbeit, die sie ausüben könne, anzunehmen; sie stehe somit der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung. Dem Widerspruch der Klägerin, mit dem diese auf ein großes Angebot an offenen Stellen in ihren Beruf – um die sie sich aus persönlichen Gründen aber nicht habe kümmern können – sowie auf den Umstand der Entrichtung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung seit dem Jahre 193 ... hinwies, half die Beklagte mit Widerspruchsbescheid von 9. Juli 1971 nicht ab.

Die dagegen gerichtete Klage wies das Sozialgericht Kassel durch Urteil vom 28. März 1972 ab. Zur Begründung führte es aus, obwohl die Klägerin in der Lage sei, eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben, sei sie nicht bereit, jede ihr zumutbare Beschäftigung auszunehmen. Mit ihrer Einschränkung, nur als Krankenschwester arbeiten zu wollen, erfüllte sie nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld.

Gegen das ihr am 18. April 1972 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. April 1972 Berufung eingelegt.

Mit dieser verfolgt die den Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld weiter. Sie lehnt es also ab, sich untersuchen zu lassen und ist lediglich bereit, als Krankenschwester zu arbeiten.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. März 1972 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 1971 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 1971 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ab 24. Mai 1971 Arbeitslosengeld in gesetzlichem Umfang zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Arbeitslosengeld stehe die Weigerung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, entgegen. Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Leistungs- und Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs der Klägerin auf Gewährung von Arbeitslosengeld verneint. Nach § 100 Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetz (AFG) hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht; diese ist gem. § 103 Abs. 1 a.a.O. bei demjenigen Fall, der eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf (Ziff. 1) sowie bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann (Ziffer 2). Nicht nur bei ihrer Arbeitslosenmeldung am 24. Mai 1971, sondern auch noch in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28. März 1972 vor dem Sozialgericht in Kassel hat die Klägerin sich lediglich bereit erklärt, eine Tätigkeit in dem erlernten Beruf als Krankenschwester auszuüben. Diese Einschränkung hält sie auch jetzt noch aufrecht. Mit dieser Einschränkung erfüllt sie jedoch nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Gibt es doch im Recht der Arbeitslosenversicherung weder einen gesetzlichen noch einen von der Rechtsprechung geschaffenen Berufsschutz in dem Sinne, daß ein Arbeitsloser verlangen kann, ausschließlich in einem bestimmten Beruf oder Wirtschaftsbereich verwendet zu werden (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. V. 11. Juni 1968 – L-16/Ar. 73/67 – Nr. 1524 b zu § 54 BGB). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG, Urt. V. 30. Oktober 1959 – 7 Rar 2/58) darf sich der Arbeitslose grundsätzlich nicht auf seinen Beruf beschränken. Bestehende Bindungen dürfen den Arbeitslosen daher nicht hindern, eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes und nicht nur auf einen Teilbereich desselben auszuüben. Berücksichtigt man ferner den Umstand, daß die Arbeitsverwaltung zwar zur Arbeitsvermittlung befugt und verpflichtet ist, auf die tatsächliche Vergabe freier Arbeitsplätze letztlich aber keinen Einfluß hat, so kann dem Vorrang der Arbeitsvermittlung keine Rechnung getragen werden, wenn der Arbeitslose, obwohl er für verschiedene Berufe in Betracht kommen könnte, sich auf bestimmte Arbeiten beschränkt, selbst, wenn insoweit offene Stellen vorhanden sind oder gar ein Mangelberuf gegeben ist (vgl. LSG NW., Urt. V. 26. Juni 1969 – L-16 a/Ar – 100/68). Da auch zwingende Gründe für eine Beschränkung der Tätigkeit auf den Beruf als Krankenschwester im Fall der Klägerin nicht ersichtlich sind (vgl. HLSG, Urt. V. 21. Juni 1961 – 6/Ar – 20/61), steht der Klägerin auf Arbeitslosengeld nicht zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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