Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Ar 39/73
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die eine Fortbildungsmaßnahme abschließende Prüfung ist auch dann Teil der Bildungsmaßnahme, wenn sie an einem anderen Ort im Anschluß an das Ende des Lehrgangs abgelegt wird.
Die Beklagte hat dem Förderungswilligen, der für die Ablegung der Prüfung bei seinem Arbeitgeber unbezahlten Urlaub nimmt, Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 1 AFG zu gewähren.
Der Verdienstausfall für die Tage der Prüfung ist von der Beklagten nicht zu ersetzen, da es sich nicht um Kosten im Sinne von §§ 45 AFG, 18 A FuU handelt, die durch die Fortbildungsmaßnahme unmittelbar entstehen.
Die Beklagte hat dem Förderungswilligen, der für die Ablegung der Prüfung bei seinem Arbeitgeber unbezahlten Urlaub nimmt, Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 1 AFG zu gewähren.
Der Verdienstausfall für die Tage der Prüfung ist von der Beklagten nicht zu ersetzen, da es sich nicht um Kosten im Sinne von §§ 45 AFG, 18 A FuU handelt, die durch die Fortbildungsmaßnahme unmittelbar entstehen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 21. November 1972 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 10. März 1972 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 1972 sowie der Bescheid vom 23. Mai 1972 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Tage der Ablegung der Prüfung als Hochbautechniker vom 27. Februar 1972 bis 3. März 1972 und vom 22. März 1972 bis zum 25. März 1972 Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 1 AFG im gesetzlichem Umfange zu bewilligen. Insoweit wird die Berufung zurückgewiesen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger 2/3 seiner Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte für die Tage der schriftlichen und mündlichen Technikerprüfung dem Kläger Leistungen wegen des entstandenen Verdienstausfalles zu erbringen hat.
Der im Jahre 1935 geborene Kläger, der den Beruf eines Maurers erlernt hat und seit dem 1. Mai 1958 als Maurerpolier bei der Fa. W. R. & S. in V. beschäftigt ist, hatte in der Zeit vom 1. Dezember 1967 bis zum 29. Januar 1972 an einem Lehrgang des DAG-Technikums E., einer gemeinnützigen Fernunterrichts-GmbH, in der Fachrichtung Hochbautechnik teilgenommen. Die Maßnahme hatte insgesamt sechs Semester Fernunterricht sowie ergänzenden Nahunterricht umfaßt, der für die ersten vier Semester als berufsbegleitender Teilzeitunterricht in K. und für das 5. und 6. Semester in der Zeit vom 26. Juli 1971 bis zum 14. August 1971 und vom 10. Januar 1972 bis zum 29. Januar 1972 als Vollzeitunterricht in Seminarform in D. abgehalten wurde. Auf seine Anträge vom 21. Mai 1970, 15. Juli 1971, 23. Dezember 1971 und 11. Januar 1972 hatte die Beklagte die Lehrgangsgebühren, die Kosten für Lernmittel sowie die Fahrtkosten übernommen und dem Kläger für den Vollzeitunterricht vom 26. Juli 1971 bis zum 14. August 1971 sowie vom 10. Januar 1972 bis zum 29. Januar 1972 Unterhaltsgeld und Kosten für Unterkunft und Verpflegung bewilligt (Bescheide vom 11. Februar 1971, vom 15. Oktober 1971 und vom 19. Januar 1972).
Am 11. Januar 1972 stellte der Kläger bei der Beklagten eine Förderungsantrag, in dem er als Ende der Maßnahme "März 1972” angab. Der Antrag bezog sich auf die Förderung der in der Zeit vom 27. Februar 1972 bis 3. März 1972 und vom 22. März 1972 bis 25. März 1972 an der Fachhochschule für Bauwesen in H. durchgeführten schriftlichen und mündlichen Externen-Prüfung, an der der Kläger teilnahm. Für die Tage der Prüfung nahm der Kläger bei seiner Arbeitgeberin, der Firma W. R. & S., unbezahlten Urlaub.
Durch Bescheid vom 10. März 1972 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, ein Anspruch auf volles Unterhaltsgeld bestehe nicht, da die Prüfung außerhalb der festgesetzten Maßnahmedauer liege. Für die Tage der mündlichen Prüfung bestehe jedoch Anspruch auf verkürztes Unterhaltsgeld gemäß § 44 Abs. 5 AFG. Ein Unterhaltsgeld für die Zeit vom 27. Februar bis 3. März 1972 könne jedoch nicht gezahlt werden, weil sich der Kläger nicht arbeitslos gemeldet habe.
Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und stellte am 15. März 1972 bei der Beklagten den Antrag auf Unterhaltsgeld gemäß § 44 Abs. 5 AFG. Durch Bescheid vom 19. Mai 1972 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, die Prüfung sei nicht Bestandteil, sondern Ziel der Maßnahme. Volles Unterhaltsgeld könne jedoch nur für die Teilnahme an der Maßnahme gewährt werden. Den Antrag des Klägern auf Gewährung von Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 5 AFG lehnte die Beklagte unter Hinweis darauf, daß der Kläger nicht arbeitslos im Sinne von § 101 AFG sei, ab (Bescheid vom 23. Mai 1972). Für die Interne Abschlußprüfung des DAG-Technikums bewilligte die Beklagte den Kläger mit Verfügung vom 23. Mai 1972 die Prüfungsgebühr von 60,– DM. Durch weitere Verfügung vom 6. April 1972 erklärte sich, die Beklagte dem Grunde nach bereit, die Prüfungsgebühr für die staatliche Technikerprüfung zu übernehmen.
Mit seiner Klage begehrte der Kläger den Verdienstausfall, der ihm durch die Teilnahme an der Externen-Prüfung entstanden ist, zu erstatten. Zur Begründung trug er vor, der von ihm geltend gemachte Anspruch folge aus § 18 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung (A FuU), wonach die Beklagte verpflichtet sei, sonstige Kosten ausnahmsweise ebenfalls zu tragen, wenn sie durch die Teilnahme an einer Maßnahme unvermeidbar entstanden seien.
Durch Urteil vom 21. November 1972 gab das Sozialgericht Kassel der Klage statt und ließ die Berufung zu. In den Entscheidungsgründen führte es aus, ein Anspruch auf Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 1 AFG bestehe zwar nicht; denn bei der Prüfung handele es sich weder um eine Maßnahme zur beruflichen Fortbildung mit ganztägigem Unterricht noch mit berufsbegleitendem Unterricht. Gekürztes Unterhaltsgeld (§ 44 Abs. 5) könne der Kläger schon deshalb nicht beanspruchen, weil er im Anschluß an den Lehrgang nicht arbeitslos gewesen sei. Der Kläger könne jedoch von der Beklagten die Erstattung seines Verdienstausfalles während der Prüfungstage nach § 18 A FuU verlangen, weil die Beklagte sonstige Kosten ausnahmsweise zu tragen habe, wenn sie durch die Teilnahme an einer Maßnahme unvermeidbar entstehen würden.
Gegen das ihr am 15. Dezember 1972 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 9. Januar 1975 schriftlich beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, die Maßnahme im Sinne von §§ 10 A FuU, 44 Abs. 1 AFG habe mit Abschluß des 2. Seminars am 29. Januar 1972 geendet, da der Kläger am diesem Tage letztmalig am Unterricht teilgenommen habe. Die am 27. Februar 1972 abgehaltene schriftliche Prüfung sei nicht Bestandteil des auf die vorbereitenden Bildungsganges. Die Prüfung könne auch für sich allein gesehen nicht als Maßnahme im Sinne des § 34 Abs. 1 AFG gewertet werden, weil es sich hierbei nicht um Unterricht nach § 5 A FuU gehandelt habe. Daher bestehe kein Anspruch auf Unterhaltsgeld gemäß § 44 Abs. 1 AFG. Auch die Voraussetzungen des gekürzten Unterhaltsgeldes nach § 44 Abs. 5 AFG seien nicht erfüllt, da der Kläger während der Prüfungszeit nicht arbeitslos im Sinne von § 101 AFG gewesen sei. Der anläßlich der Teilnahme am der Prüfung entstandene Verdienstausfall könne auch nicht über die Vorschrift dem § 18 A FuU von der Beklagten übernommen werden. Aus § 10 A FuU ergebe sich bereits eindeutig, daß nur für die Dauer der Teilnahme an einer Maßnahme nach Maßgabe der §§ 11 bis 21 Leistungen zu gewähren seien. Der von dem Kläger geltend gemachte Verdienstausfall sei nicht während der Dauer der Teilnahme an der Maßnahme, sondern anläßlich der nach Beendigung der Maßnahme stattfindenden schriftlichen Prüfung entstanden. Der von der Beklagten vertretenen Auffassung stehe auch nicht die Vorschrift des § 12 Satz 2 A FuU entgegen, wonach zu den Lehrgangsgebühren auch unvermeidbar entstehende Prüfungsgebühren gehörten; denn der Verdienstausfall aus Anlaß der Prüfung könne weder zu dem während noch durch die Teilnahme an der Vorbereitungsmaßnahme entstandenem unvermeidbaren Kosten gerechnet werden. Bei dem geltend gemachten Verdienstausfall handele es sich außerdem nicht um Kosten im Sinne des § 45 AFG; denn weder die Bestimmung des AFG noch die der A FuU sähen eine Erstattung von Verdienstausfall vor. Außerdem sei es nicht vertretbar, über die Bestimmung des § 18 A FuU für eine Prüfungszeit einen vollständigen Lohnersatz zu gewähren, während Teilnehmern an Vollzeitmaßnahmen im Sinne des § 44 Abs. 1 AFG durch die Gewährung von Unterhaltsgeld gesetzlich nur ein teilweiser Lohnersatz bewilligt werden könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 21. November 1972 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, die Vorschrift des § 10 A FuU enthalte lediglich einen Übersichtskatalog für die in dem folgenden Vorschriften (§§ 11–21) geregelten Leistungsarten und berechtigte nicht, in den Wortlaut des § 18 A FuU eine Einschränkung im Sinne von nur für die Dauer der Teilnahme hinein zu interpretieren. Sinn und Zweck der Förderung der beruflichen Bildung sei es, daß eine Maßnahme zu einem erfolgreichen Abschluß in Form einer Prüfung führe. Dieses Ziel werde verfehlt, wenn die Förderung ende, bevor die Maßnahme ihren eigentlichen Abschluß gefunden habe, nämlich beim Nachweis der Qualifikation durch die Abschlußprüfung. Das Verfahren der Beklagten führe auch zu willkürlichen Ergebnissen, je nachdem wie der Maßnahmeträger Lehrgangsende und Prüfung zueinander in lehrplanmäßige und zeitliche Beziehung setze.
Ergänzend wird auf die Gerichtsakten sowie die Leistungsakten der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die kraft Zulassung statthafte und in rechter Form und Frist eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nur teilweise begründet.
Nach Ansicht des Senats ist die Beklagte zwar nicht verpflichtet, dem Kläger für die Teilnahme an der Technikerprüfung den vollen Verdienstausfall zu ersetzen. Sie hat ihn jedoch für die Tage der schriftlichen und mündlichen Prüfung außerhalb des Lehrgangsortes Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 1 AFG zu gewähren.
Zur Zulässigkeit der Klage hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, daß nicht nur der Bescheid vom 10. März 1972 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 1972, sondern auch der noch vor Klageerhebung ergangene Bescheid vom 23. Mai 1972 Gegenstand des Verfahrens geworden ist; denn der Bescheid vom 23. Mai 1972 behandelt lediglich einen Unterfall des Unterhaltsgeldes nach § 44 AFG und hat den Bescheid vom 10. März 1972 hinsichtlich der Zeit vom 22. März 1972 bis zum 25. März 1972 geändert, aber nicht in dem vom Kläger geforderten Umfange.
Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, daß der volle Ersatz eines Verdienstausfalles nicht zu dem Leistungsarten gehört, die sie im Rahmen der Förderung der beruflichen Fortbildung zu erbringen hat. Aus dem systematischen Zusammenhang zwischen § 44 AFG, der die Gewährung des Unterhaltsgeldes regelt, und § 45 AFG, der die Kostentragung bei den notwendigen Kosten, die durch die Fortbildungsmaßnahme unmittelbar entstehen, behandelt, er gibt sich, daß der Verdienstausfall, den der Teilnehmer an einer Fortbildungsmaßnahme dadurch hat, daß er während der Maßnahmedauer seine berufliche Tätigkeit nicht ausüben kann, durch die Gewährung von Unterhaltsgeld ausgeglichen wird; denn das Unterhaltsgeld hat Lohnersatzfunktion (Schönefelder-Kranz-Wanka, Kommentar zum AFG § 44 Anm. 4). Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, unter bestimmten Voraussetzungen einem Förderungswilligen darüber hinaus den Ersatz des vollen Verdienstausfalles zuzuerkennen, so hätte eine solch die Vorschrift des § 44 AFG abändernde Regelung einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft. Die Geltendmachung eines Verdienstausfalles ist daher umfangmäßig nur im Rahmen des § 44 AFG möglich, da es sich dabei auch nicht um Kosten im Sinne von § 45 AFG handelt. Der Verdienstausfall anläßlich der mündlichen und schriftlichen Prüfung ist nämlich eine Einbuße an Lohn, nicht aber eine Aufwendung, die der Maßnahmeteilnehmer wegen seiner Teilnahme an einer Fortbildungsmaßnahme erbringen muß. Der Kläger kann deshalb auch nicht unter Berufung auf die Vorschrift des § 18 A FuU von der Beklagten vollen Lohnersatz verlangen; denn diese Vorschrift bezieht sich nur auf sonstige Kosten im Rahmen des § 45 AFG die durch die Fortbildungsmaßnahme unmittelbar entstehen und nicht bereits durch die Leistungsarten nach §§ 12–17 A FuU erfaßt wurden. Eine unterschiedliche Behandlung von Förderungswilligen, die während des Unterrichtsbesuches nur einen teilweisen Lohnersatz in der Form des Unterhaltsgeldes erhalten, und solchen, die die Prüfung ablegen, ist hinsichtlich des Ausgleiches eines Verdienstausfalles sachlich nicht gerechtfertigt; denn es ist kein Grund ersichtlich, beide Fälle, in denen ein Wegfall des Arbeitsentgeltes eintritt, unterschiedlich auszugleichen.
Der Kläger hat jedoch während der Prüfungstage Anspruch auf Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 1 Satz 1 AFG. Er ist Teilnehmer an einer Maßnahme zur beruflichem Fortbildung mit ganztägigen Unterricht (Vollzeitunterricht), denn das den Lehrgang abschließende Seminar wurde in D. in der Form des Vollzeitunterrichts durchgeführt. Die Fortbildungsmaßnahme, an der der Kläger teilnahm, war nicht bereits mit dem letzten Unterrichtstag beendet, sondern erst nach dem Ablegen der Technikerprüfung. Erst durch die Ablegung der Prüfung war das Maßnahmeziel, das auf eine erfolgreiche berufliche Bildung als Hochbautechniker gerichtet war, erreicht. So heißt es beispielsweise in § 7 Abs. 1 der Ordnung für die Versetzung in eine höhere Klasse und für die Prüfungen an den Technikerschulen in Hessen (Erlaß das Hessischen Kultusministers vom 3. März 1965 – B 2-263/6, abgedruckt in: Amtsblatt des Hess. Kultusministers 1965 Seite 187): "Die Ausbildung an der Technikerschule wird durch die Technikerprüfung abgeschlossen. In ihr soll der Prüfling nachweisen, daß er das Ziel der Technikerschule erreicht hat und die für seinen Beruf als Techniker erforderlichen fachtheoretischen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt.” Der Lehrgang und die Prüfung stellen auch dann eine einheitliche Fortbildungsmaßnahme dar, wenn die Prüfung an einer anderen Stelle abzulegen ist. Bis Prüfung gehört zu der Maßnahme; denn sie ist das Ziel der Fortbildung und wird in engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Lehrgang abgenommen. Dieser erforderliche Zusammenhang zwischen dem Lehrgang und der Abschlußprüfung war im Falle des Klägers gewahrt; denn der Kläger hat die staatliche Prüfung als Hochbautechniker in Anschluß an den Unterricht an dem für ihn nächstmöglichen Prüfungstermin abgelegt.
Die von der Beklagten vertretene Ansicht, wonach die Ablegung der Prüfung nur dann Bestandteil der Maßnahme ist, wenn sie sowohl zeitlich als auch fachlich in dem Maßnahmerahmen eingebaut ist, läßt sich weder aus den Vorschriften des AFG nach der Anordnung des Verwaltungsrates der Beklagten über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung herleiten.
Wenn es in § 34 Satz 1 AFG heißt, die Förderung der Teilnahme an beruflichen Bildungsmaßnahmen nach diesem Unterabschnitt erstrecke sich auf Maßnahmen mit ganztägigen Unterricht (Vollzeitunterricht), berufsbegleitendem Unterricht (Teilzeitunterricht) und Fernunterricht, so läßt sich aus dieser Vorschrift herleiten, daß die Förderung einer Maßnahme voraussetzt, daß diese nach der Gestaltung ihres Lehrplanes bestimmte Formen der Unterrichtung enthalten muß. § 34 Satz 1 AFG besagt daher nur, daß eine Bildungsmaßnahme mit bestimmten Formen des Unterrichts verbunden sein muß, enthält aber keinen Hinweis darauf, daß ausschließlich der Unterricht, nicht aber die Prüfung als Teil der Maßnahme gefördert werden dürfe. Andernfalls dürfte die Beklagte weder für festgelegte Ferienzeiten Unterhaltsgeld gewähren noch für Prüfungstage dann Leistungen erbringen, wenn die Prüfung von dem Lehrgangsträger abgenommen wird; denn während jener Zeit findet gleichfalls kein Unterricht statt. Die Gewährung von Unterhaltsgeld sowohl während der Ferienzeiten als auch für die Tage der Prüfung rechtfertigt sich aber daraus, daß der Arbeitnehmer diese Zeiten nutzen muß, um erfolgreich die Bildungsmaßnahme durchführen zu können, und er deshalb gehindert ist, seinen Lebensunterhalt aus seinem Arbeitsentgelt zu bestreiten. Sinn und Zweck der Maßnahmen der beruflichen Fortbildung würden verfehlt, wenn zwar der Lebensunterhalt des Förderungswilligen durch die Bewilligung von Unterhaltsgeld während der Teilnahme am Unterricht sichergestellt wäre, nicht aber für die Tage einer anschließenden Abschlußprüfung.
Die von der Beklagten gemachte Unterscheidung dahingehend, daß sie dann Unterhaltsgeld für Prüfungstage gewährt, wenn die Prüfung von dem Lehrgangsträger im Anschluß an den Unterricht abgenommen wird, nicht aber dann, wenn die Prüfung an anderer Stelle abzulegen ist, ist sachlich nicht gerechtfertigt und verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 GG. Es sind nämlich keine Gründe für diese unterschiedliche Handhabung im Hinblick auf den Förderungszweck – durch die Sicherstellung des Lebensunterhalts während der Dauer einer Fortbildungsmaßnahme eine erfolgreiche berufliche Bildung zu gewährleisten –erkennbar. Aus der Regelung der zuständigen Behörden darüber, ob der Maßnahmeträger selbst die Prüfung abnehmen darf oder ob dafür eine amtliche Stelle bestimmt wird, darf dem Förderungswilligen kein Nachteil entstehen.
Der Leistungsgewährung steht auch nicht § 10 A FuU entgegen; denn die Dauer der Teilnahme an einer Maßnahme erfaßt die Tage der Ablegung der Abschlußprüfung. Wenn darüber hinaus in § 12 A FuU auch die unvermeidbar entstehenden Prüfungsgebühren, die erst nach Abschluß des Unterrichts entstehen, in den Leistungskatalog mit einbezogen worden sind, so ergibt sich daraus, daß der Verwaltungsrat der Beklagten den Lehrgang und die Prüfung als einheitliche Bildungsmaßnahme angesehen hat. Zu den Lehrgangsgebühren können nämlich nur dann die unvermeidbar entstehenden Prüfungsgebühren gehören (§ 12 Satz 2 A FuU), wenn auch die den Lehrgang abschließende Prüfung Teil der Bildungsmaßnahme ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Frage, ob die Beklagte auch für die Tage der Prüfung Unterhaltsgeld zu gewähren hat, von grundsätzlicher Bedeutung ist.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Tage der Ablegung der Prüfung als Hochbautechniker vom 27. Februar 1972 bis 3. März 1972 und vom 22. März 1972 bis zum 25. März 1972 Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 1 AFG im gesetzlichem Umfange zu bewilligen. Insoweit wird die Berufung zurückgewiesen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger 2/3 seiner Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte für die Tage der schriftlichen und mündlichen Technikerprüfung dem Kläger Leistungen wegen des entstandenen Verdienstausfalles zu erbringen hat.
Der im Jahre 1935 geborene Kläger, der den Beruf eines Maurers erlernt hat und seit dem 1. Mai 1958 als Maurerpolier bei der Fa. W. R. & S. in V. beschäftigt ist, hatte in der Zeit vom 1. Dezember 1967 bis zum 29. Januar 1972 an einem Lehrgang des DAG-Technikums E., einer gemeinnützigen Fernunterrichts-GmbH, in der Fachrichtung Hochbautechnik teilgenommen. Die Maßnahme hatte insgesamt sechs Semester Fernunterricht sowie ergänzenden Nahunterricht umfaßt, der für die ersten vier Semester als berufsbegleitender Teilzeitunterricht in K. und für das 5. und 6. Semester in der Zeit vom 26. Juli 1971 bis zum 14. August 1971 und vom 10. Januar 1972 bis zum 29. Januar 1972 als Vollzeitunterricht in Seminarform in D. abgehalten wurde. Auf seine Anträge vom 21. Mai 1970, 15. Juli 1971, 23. Dezember 1971 und 11. Januar 1972 hatte die Beklagte die Lehrgangsgebühren, die Kosten für Lernmittel sowie die Fahrtkosten übernommen und dem Kläger für den Vollzeitunterricht vom 26. Juli 1971 bis zum 14. August 1971 sowie vom 10. Januar 1972 bis zum 29. Januar 1972 Unterhaltsgeld und Kosten für Unterkunft und Verpflegung bewilligt (Bescheide vom 11. Februar 1971, vom 15. Oktober 1971 und vom 19. Januar 1972).
Am 11. Januar 1972 stellte der Kläger bei der Beklagten eine Förderungsantrag, in dem er als Ende der Maßnahme "März 1972” angab. Der Antrag bezog sich auf die Förderung der in der Zeit vom 27. Februar 1972 bis 3. März 1972 und vom 22. März 1972 bis 25. März 1972 an der Fachhochschule für Bauwesen in H. durchgeführten schriftlichen und mündlichen Externen-Prüfung, an der der Kläger teilnahm. Für die Tage der Prüfung nahm der Kläger bei seiner Arbeitgeberin, der Firma W. R. & S., unbezahlten Urlaub.
Durch Bescheid vom 10. März 1972 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, ein Anspruch auf volles Unterhaltsgeld bestehe nicht, da die Prüfung außerhalb der festgesetzten Maßnahmedauer liege. Für die Tage der mündlichen Prüfung bestehe jedoch Anspruch auf verkürztes Unterhaltsgeld gemäß § 44 Abs. 5 AFG. Ein Unterhaltsgeld für die Zeit vom 27. Februar bis 3. März 1972 könne jedoch nicht gezahlt werden, weil sich der Kläger nicht arbeitslos gemeldet habe.
Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und stellte am 15. März 1972 bei der Beklagten den Antrag auf Unterhaltsgeld gemäß § 44 Abs. 5 AFG. Durch Bescheid vom 19. Mai 1972 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, die Prüfung sei nicht Bestandteil, sondern Ziel der Maßnahme. Volles Unterhaltsgeld könne jedoch nur für die Teilnahme an der Maßnahme gewährt werden. Den Antrag des Klägern auf Gewährung von Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 5 AFG lehnte die Beklagte unter Hinweis darauf, daß der Kläger nicht arbeitslos im Sinne von § 101 AFG sei, ab (Bescheid vom 23. Mai 1972). Für die Interne Abschlußprüfung des DAG-Technikums bewilligte die Beklagte den Kläger mit Verfügung vom 23. Mai 1972 die Prüfungsgebühr von 60,– DM. Durch weitere Verfügung vom 6. April 1972 erklärte sich, die Beklagte dem Grunde nach bereit, die Prüfungsgebühr für die staatliche Technikerprüfung zu übernehmen.
Mit seiner Klage begehrte der Kläger den Verdienstausfall, der ihm durch die Teilnahme an der Externen-Prüfung entstanden ist, zu erstatten. Zur Begründung trug er vor, der von ihm geltend gemachte Anspruch folge aus § 18 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung (A FuU), wonach die Beklagte verpflichtet sei, sonstige Kosten ausnahmsweise ebenfalls zu tragen, wenn sie durch die Teilnahme an einer Maßnahme unvermeidbar entstanden seien.
Durch Urteil vom 21. November 1972 gab das Sozialgericht Kassel der Klage statt und ließ die Berufung zu. In den Entscheidungsgründen führte es aus, ein Anspruch auf Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 1 AFG bestehe zwar nicht; denn bei der Prüfung handele es sich weder um eine Maßnahme zur beruflichen Fortbildung mit ganztägigem Unterricht noch mit berufsbegleitendem Unterricht. Gekürztes Unterhaltsgeld (§ 44 Abs. 5) könne der Kläger schon deshalb nicht beanspruchen, weil er im Anschluß an den Lehrgang nicht arbeitslos gewesen sei. Der Kläger könne jedoch von der Beklagten die Erstattung seines Verdienstausfalles während der Prüfungstage nach § 18 A FuU verlangen, weil die Beklagte sonstige Kosten ausnahmsweise zu tragen habe, wenn sie durch die Teilnahme an einer Maßnahme unvermeidbar entstehen würden.
Gegen das ihr am 15. Dezember 1972 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 9. Januar 1975 schriftlich beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, die Maßnahme im Sinne von §§ 10 A FuU, 44 Abs. 1 AFG habe mit Abschluß des 2. Seminars am 29. Januar 1972 geendet, da der Kläger am diesem Tage letztmalig am Unterricht teilgenommen habe. Die am 27. Februar 1972 abgehaltene schriftliche Prüfung sei nicht Bestandteil des auf die vorbereitenden Bildungsganges. Die Prüfung könne auch für sich allein gesehen nicht als Maßnahme im Sinne des § 34 Abs. 1 AFG gewertet werden, weil es sich hierbei nicht um Unterricht nach § 5 A FuU gehandelt habe. Daher bestehe kein Anspruch auf Unterhaltsgeld gemäß § 44 Abs. 1 AFG. Auch die Voraussetzungen des gekürzten Unterhaltsgeldes nach § 44 Abs. 5 AFG seien nicht erfüllt, da der Kläger während der Prüfungszeit nicht arbeitslos im Sinne von § 101 AFG gewesen sei. Der anläßlich der Teilnahme am der Prüfung entstandene Verdienstausfall könne auch nicht über die Vorschrift dem § 18 A FuU von der Beklagten übernommen werden. Aus § 10 A FuU ergebe sich bereits eindeutig, daß nur für die Dauer der Teilnahme an einer Maßnahme nach Maßgabe der §§ 11 bis 21 Leistungen zu gewähren seien. Der von dem Kläger geltend gemachte Verdienstausfall sei nicht während der Dauer der Teilnahme an der Maßnahme, sondern anläßlich der nach Beendigung der Maßnahme stattfindenden schriftlichen Prüfung entstanden. Der von der Beklagten vertretenen Auffassung stehe auch nicht die Vorschrift des § 12 Satz 2 A FuU entgegen, wonach zu den Lehrgangsgebühren auch unvermeidbar entstehende Prüfungsgebühren gehörten; denn der Verdienstausfall aus Anlaß der Prüfung könne weder zu dem während noch durch die Teilnahme an der Vorbereitungsmaßnahme entstandenem unvermeidbaren Kosten gerechnet werden. Bei dem geltend gemachten Verdienstausfall handele es sich außerdem nicht um Kosten im Sinne des § 45 AFG; denn weder die Bestimmung des AFG noch die der A FuU sähen eine Erstattung von Verdienstausfall vor. Außerdem sei es nicht vertretbar, über die Bestimmung des § 18 A FuU für eine Prüfungszeit einen vollständigen Lohnersatz zu gewähren, während Teilnehmern an Vollzeitmaßnahmen im Sinne des § 44 Abs. 1 AFG durch die Gewährung von Unterhaltsgeld gesetzlich nur ein teilweiser Lohnersatz bewilligt werden könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 21. November 1972 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, die Vorschrift des § 10 A FuU enthalte lediglich einen Übersichtskatalog für die in dem folgenden Vorschriften (§§ 11–21) geregelten Leistungsarten und berechtigte nicht, in den Wortlaut des § 18 A FuU eine Einschränkung im Sinne von nur für die Dauer der Teilnahme hinein zu interpretieren. Sinn und Zweck der Förderung der beruflichen Bildung sei es, daß eine Maßnahme zu einem erfolgreichen Abschluß in Form einer Prüfung führe. Dieses Ziel werde verfehlt, wenn die Förderung ende, bevor die Maßnahme ihren eigentlichen Abschluß gefunden habe, nämlich beim Nachweis der Qualifikation durch die Abschlußprüfung. Das Verfahren der Beklagten führe auch zu willkürlichen Ergebnissen, je nachdem wie der Maßnahmeträger Lehrgangsende und Prüfung zueinander in lehrplanmäßige und zeitliche Beziehung setze.
Ergänzend wird auf die Gerichtsakten sowie die Leistungsakten der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die kraft Zulassung statthafte und in rechter Form und Frist eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nur teilweise begründet.
Nach Ansicht des Senats ist die Beklagte zwar nicht verpflichtet, dem Kläger für die Teilnahme an der Technikerprüfung den vollen Verdienstausfall zu ersetzen. Sie hat ihn jedoch für die Tage der schriftlichen und mündlichen Prüfung außerhalb des Lehrgangsortes Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 1 AFG zu gewähren.
Zur Zulässigkeit der Klage hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, daß nicht nur der Bescheid vom 10. März 1972 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 1972, sondern auch der noch vor Klageerhebung ergangene Bescheid vom 23. Mai 1972 Gegenstand des Verfahrens geworden ist; denn der Bescheid vom 23. Mai 1972 behandelt lediglich einen Unterfall des Unterhaltsgeldes nach § 44 AFG und hat den Bescheid vom 10. März 1972 hinsichtlich der Zeit vom 22. März 1972 bis zum 25. März 1972 geändert, aber nicht in dem vom Kläger geforderten Umfange.
Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, daß der volle Ersatz eines Verdienstausfalles nicht zu dem Leistungsarten gehört, die sie im Rahmen der Förderung der beruflichen Fortbildung zu erbringen hat. Aus dem systematischen Zusammenhang zwischen § 44 AFG, der die Gewährung des Unterhaltsgeldes regelt, und § 45 AFG, der die Kostentragung bei den notwendigen Kosten, die durch die Fortbildungsmaßnahme unmittelbar entstehen, behandelt, er gibt sich, daß der Verdienstausfall, den der Teilnehmer an einer Fortbildungsmaßnahme dadurch hat, daß er während der Maßnahmedauer seine berufliche Tätigkeit nicht ausüben kann, durch die Gewährung von Unterhaltsgeld ausgeglichen wird; denn das Unterhaltsgeld hat Lohnersatzfunktion (Schönefelder-Kranz-Wanka, Kommentar zum AFG § 44 Anm. 4). Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, unter bestimmten Voraussetzungen einem Förderungswilligen darüber hinaus den Ersatz des vollen Verdienstausfalles zuzuerkennen, so hätte eine solch die Vorschrift des § 44 AFG abändernde Regelung einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft. Die Geltendmachung eines Verdienstausfalles ist daher umfangmäßig nur im Rahmen des § 44 AFG möglich, da es sich dabei auch nicht um Kosten im Sinne von § 45 AFG handelt. Der Verdienstausfall anläßlich der mündlichen und schriftlichen Prüfung ist nämlich eine Einbuße an Lohn, nicht aber eine Aufwendung, die der Maßnahmeteilnehmer wegen seiner Teilnahme an einer Fortbildungsmaßnahme erbringen muß. Der Kläger kann deshalb auch nicht unter Berufung auf die Vorschrift des § 18 A FuU von der Beklagten vollen Lohnersatz verlangen; denn diese Vorschrift bezieht sich nur auf sonstige Kosten im Rahmen des § 45 AFG die durch die Fortbildungsmaßnahme unmittelbar entstehen und nicht bereits durch die Leistungsarten nach §§ 12–17 A FuU erfaßt wurden. Eine unterschiedliche Behandlung von Förderungswilligen, die während des Unterrichtsbesuches nur einen teilweisen Lohnersatz in der Form des Unterhaltsgeldes erhalten, und solchen, die die Prüfung ablegen, ist hinsichtlich des Ausgleiches eines Verdienstausfalles sachlich nicht gerechtfertigt; denn es ist kein Grund ersichtlich, beide Fälle, in denen ein Wegfall des Arbeitsentgeltes eintritt, unterschiedlich auszugleichen.
Der Kläger hat jedoch während der Prüfungstage Anspruch auf Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 1 Satz 1 AFG. Er ist Teilnehmer an einer Maßnahme zur beruflichem Fortbildung mit ganztägigen Unterricht (Vollzeitunterricht), denn das den Lehrgang abschließende Seminar wurde in D. in der Form des Vollzeitunterrichts durchgeführt. Die Fortbildungsmaßnahme, an der der Kläger teilnahm, war nicht bereits mit dem letzten Unterrichtstag beendet, sondern erst nach dem Ablegen der Technikerprüfung. Erst durch die Ablegung der Prüfung war das Maßnahmeziel, das auf eine erfolgreiche berufliche Bildung als Hochbautechniker gerichtet war, erreicht. So heißt es beispielsweise in § 7 Abs. 1 der Ordnung für die Versetzung in eine höhere Klasse und für die Prüfungen an den Technikerschulen in Hessen (Erlaß das Hessischen Kultusministers vom 3. März 1965 – B 2-263/6, abgedruckt in: Amtsblatt des Hess. Kultusministers 1965 Seite 187): "Die Ausbildung an der Technikerschule wird durch die Technikerprüfung abgeschlossen. In ihr soll der Prüfling nachweisen, daß er das Ziel der Technikerschule erreicht hat und die für seinen Beruf als Techniker erforderlichen fachtheoretischen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt.” Der Lehrgang und die Prüfung stellen auch dann eine einheitliche Fortbildungsmaßnahme dar, wenn die Prüfung an einer anderen Stelle abzulegen ist. Bis Prüfung gehört zu der Maßnahme; denn sie ist das Ziel der Fortbildung und wird in engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Lehrgang abgenommen. Dieser erforderliche Zusammenhang zwischen dem Lehrgang und der Abschlußprüfung war im Falle des Klägers gewahrt; denn der Kläger hat die staatliche Prüfung als Hochbautechniker in Anschluß an den Unterricht an dem für ihn nächstmöglichen Prüfungstermin abgelegt.
Die von der Beklagten vertretene Ansicht, wonach die Ablegung der Prüfung nur dann Bestandteil der Maßnahme ist, wenn sie sowohl zeitlich als auch fachlich in dem Maßnahmerahmen eingebaut ist, läßt sich weder aus den Vorschriften des AFG nach der Anordnung des Verwaltungsrates der Beklagten über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung herleiten.
Wenn es in § 34 Satz 1 AFG heißt, die Förderung der Teilnahme an beruflichen Bildungsmaßnahmen nach diesem Unterabschnitt erstrecke sich auf Maßnahmen mit ganztägigen Unterricht (Vollzeitunterricht), berufsbegleitendem Unterricht (Teilzeitunterricht) und Fernunterricht, so läßt sich aus dieser Vorschrift herleiten, daß die Förderung einer Maßnahme voraussetzt, daß diese nach der Gestaltung ihres Lehrplanes bestimmte Formen der Unterrichtung enthalten muß. § 34 Satz 1 AFG besagt daher nur, daß eine Bildungsmaßnahme mit bestimmten Formen des Unterrichts verbunden sein muß, enthält aber keinen Hinweis darauf, daß ausschließlich der Unterricht, nicht aber die Prüfung als Teil der Maßnahme gefördert werden dürfe. Andernfalls dürfte die Beklagte weder für festgelegte Ferienzeiten Unterhaltsgeld gewähren noch für Prüfungstage dann Leistungen erbringen, wenn die Prüfung von dem Lehrgangsträger abgenommen wird; denn während jener Zeit findet gleichfalls kein Unterricht statt. Die Gewährung von Unterhaltsgeld sowohl während der Ferienzeiten als auch für die Tage der Prüfung rechtfertigt sich aber daraus, daß der Arbeitnehmer diese Zeiten nutzen muß, um erfolgreich die Bildungsmaßnahme durchführen zu können, und er deshalb gehindert ist, seinen Lebensunterhalt aus seinem Arbeitsentgelt zu bestreiten. Sinn und Zweck der Maßnahmen der beruflichen Fortbildung würden verfehlt, wenn zwar der Lebensunterhalt des Förderungswilligen durch die Bewilligung von Unterhaltsgeld während der Teilnahme am Unterricht sichergestellt wäre, nicht aber für die Tage einer anschließenden Abschlußprüfung.
Die von der Beklagten gemachte Unterscheidung dahingehend, daß sie dann Unterhaltsgeld für Prüfungstage gewährt, wenn die Prüfung von dem Lehrgangsträger im Anschluß an den Unterricht abgenommen wird, nicht aber dann, wenn die Prüfung an anderer Stelle abzulegen ist, ist sachlich nicht gerechtfertigt und verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 GG. Es sind nämlich keine Gründe für diese unterschiedliche Handhabung im Hinblick auf den Förderungszweck – durch die Sicherstellung des Lebensunterhalts während der Dauer einer Fortbildungsmaßnahme eine erfolgreiche berufliche Bildung zu gewährleisten –erkennbar. Aus der Regelung der zuständigen Behörden darüber, ob der Maßnahmeträger selbst die Prüfung abnehmen darf oder ob dafür eine amtliche Stelle bestimmt wird, darf dem Förderungswilligen kein Nachteil entstehen.
Der Leistungsgewährung steht auch nicht § 10 A FuU entgegen; denn die Dauer der Teilnahme an einer Maßnahme erfaßt die Tage der Ablegung der Abschlußprüfung. Wenn darüber hinaus in § 12 A FuU auch die unvermeidbar entstehenden Prüfungsgebühren, die erst nach Abschluß des Unterrichts entstehen, in den Leistungskatalog mit einbezogen worden sind, so ergibt sich daraus, daß der Verwaltungsrat der Beklagten den Lehrgang und die Prüfung als einheitliche Bildungsmaßnahme angesehen hat. Zu den Lehrgangsgebühren können nämlich nur dann die unvermeidbar entstehenden Prüfungsgebühren gehören (§ 12 Satz 2 A FuU), wenn auch die den Lehrgang abschließende Prüfung Teil der Bildungsmaßnahme ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Frage, ob die Beklagte auch für die Tage der Prüfung Unterhaltsgeld zu gewähren hat, von grundsätzlicher Bedeutung ist.
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