Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 AL 90/71
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein landwirtschaftlicher Unternehmer ist dann nicht überwiegend hauptberuflicher Unternehmer gewesen, wenn er in den 5 Jahren, die der Abgabe vorausgegangen sind, während des größeren Teils dieses Zeitraumes noch eine nichtselbständige Tätigkeit in der Industrie voll ausgeübt und dafür den entsprechenden Lohn erhalten hat. In einem solchen Fall stehen beide Tätigkeiten (mindestens) gleichwertig nebeneinander.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichtes Marburg/L. vom 17. Dezember 1970 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der 1909 geborene Kläger bewirtschaftete unter zeitweiliger Mitarbeit von Ehefrau, Sohn und Schwiegersohn ein landwirtschaftliches Unternehmen in W./Krs. A ... Nach den der Beklagten vorgelegten Unterlagen umfaßte der Betrieb in April 1964 12.6000 ha, Oktober 1966 11.6443 ha, November 1966 6.6720 ha, März 1969 6.6595 ha, Oktober 1969 4.8260 ha, Dezember 1969 7.3198 ha, Januar 1970 0.2724 ha. Während der Zeit vom 6. November 1966 bis 12. Juni 1969 arbeitete der Kläger als Packer in dem Versand in der Werkzeugfabrik W. in N./Krs. M ... Die tägliche Arbeitszeit betrug 8 und die wöchentliche 40 Stunden, wobei die Schicht um 7.00 Uhr begann und um 16.30 Uhr endete (mit unbezahlten Pausen von 9.00 Uhr bis 9.30 Uhr und 12.30 Uhr bis 13.30 Uhr). Der Kläger erhielt einen Stundenlohn von zuletzt 3,54 DM. Seit dem 16. Juni 1969 war der Kläger in der Firma "M. Tapete” in K./Krs. M. als Arbeiter an einer Zellophaniermaschine tätig. Die tägliche Arbeitszeit erstreckte sich in diesem Betrieb auf 9 Stunden und wöchentlich auf 45 Stunden. Auf eigenen Wunsch arbeitete der Kläger hier in der Spätschicht von 16.30 Uhr bis 2.00 Uhr nachts mit einer Pause von 21,00 bis 21.30 Uhr. 1969 erhielt der Kläger hier 3,83 DM und 0,50 DM Prämie je Stunde, wobei sich der Lohn 1972 auf 4,91 und 0,50 DM Prämie je Stunde erhöhte.
Nach Abgabe des landwirtschaftlichen Betriebes im Dezember 1969 stellte der Kläger am 31. Dezember 1969 Antrag auf Gewährung vom Landabgaberente und legte hierzu eine Bescheinigung der Gemeindebehörde W. mit folgendem Inhalt vor:
Bescheinigung der Gemeindebehörde
In Ausführung des § 41 Abs. 5 i.V.m. § 41 1 d GAL wird Herrn E. S. K.
bescheinigt, daß er seit 1.1.1941 sein landwirtschaftliches Unternehmen überwiegend im Hauptberuf bis 15.9.1969 bewirtschaftet hat.
Der Vorgenannte steht seit 7.11.1966 in einem Arbeitsverhältnis bzw. ist regelmäßig als Packer und Hilfsarbeiter bei der M. Tapeten Fabrik in K. beschäftigt.
W., den 25.10.1969 (Dienstsiegel)
gez. S. Gemeinde W. Krs. A. Bürgermeister
Durch Bescheid vom 26. Februar 1970 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der von dem Kläger bewirtschaftete landwirtschaftliche Betrieb habe mit einer Größe von 12,60 ha bzw. 11,6443 hat für die Zeit vom April 1964 bis Oktober 1966 die doppelte Mindesthöhe von 7,84 ha erheblich überschritten; unter Berücksichtigung eines Hektarwertes von 1.021,– DM stelle eine bewirtschaftete landwirtschaftliche Nutzfläche in Größe von 3,92 ha eine Existenzgrundlage i.S. des § 1 Abs. 4 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) dar. Durch die Bescheinigung des Bürgermeisters der Gemeinde W. sei nicht nachgewiesen, daß der Kläger ein landwirtschaftliches Unternehmen in der Zeit vom Januar 1965 bis zur Abgabe überwiegend im Hauptberuf bewirtschaftet habe, da der Kläger seit 1966 regelmäßig in einem Arbeitsverhältnis gestanden habe.
Auf die Klage vom 23. März 1970 hob das Sozialgericht (SG) Marburg/L. durch Urteil vom 17. Dezember 1970 den Bescheid der Beklagten von 26. Februar 1970 auf und verurteilte diese, die Landabgaberente zu gewähren. Durch die Bescheinigung der Gemeinde W., nach der der Kläger sein landwirtschaftliches Unternehmen in der Zeit vom 1. Januar 1941 bis 15. September 1969 überwiegend im Hauptberuf bewirtschaftet habe, sei der dem Gesetz § 41 Abs. 1 d GAL entsprechende Nachweis der hauptberuflichen landwirtschaftlichen Unternehmertätigkeit geführt. Daran ändere auch nichts die Mithilfe der Angehörigen des Klägers in seiner Landwirtschaft. Unschädlich sei, wenn die tatsächlich bewirtschaftete landwirtschaftliche Betriebsfläche die Mindestfläche zeitweilig überschritten habe. Während der überwiegenden Zeit – nämlich vom November 1966 –Oktober 1969 – habe der landwirtschaftliche Betrieb das Doppelte der Mindestfläche unterschritten.
Gegen das ihr am 29. Dezember 1970 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. Januar 1971 Berufung eingelegt. Die zulässige Obergrenze von 7,84 ha sei in dem Fünfjahreszeitraum vor der Abgabe (das ist die Zeit vom Dezember 1964 bis November 1969) vom Januar 1965 bis Oktober 1966 – also für die Dauer von 22 Monaten – sowie im Dezember 1969 – also um einen weiteres Monat – überschritten, da in dieser Zeit, 12,60 ha bzw. 11,6445 ha und im Dezember 1969 vorübergehend 7,3198 ha bewirtschaftet worden seien. Darüber hinaus sei der Kläger in den fünf der Abgabe vorausgehenden Jahren nicht überwiegend im Hauptberuf landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen. Nach der Bescheinigung der Gemeinde W. sei der Kläger vielmehr seit dem 7. November 1966 regelmäßig als Packer und Hilfsarbeiter bei der M. Tapetenfabrik in K. beschäftigt gewesen. Bei diesem Arbeitsverhältnis handele es sich um ein ganztägiges, das in zeitlicher Hinsicht ein überwiegendes Tätigwerden des Klägers in seinem Betrieb ausschließe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Marburg/Lahn vom 17. Dezember 1970 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er weist daraufhin, der Bürgermeister der Gemeinde W. habe ihm bescheinigt, daß er im Hauptberuf Landwirt sei. Trotz seiner Arbeit in der Tapetenfabrik K. habe er seinen Betrieb hauptsächlich in den Abendstunden und samstags bewirtschaftet. Jeden Morgen vor Arbeitsbeginn habe er das Vieh füttern helfen, die Kannen mit Milch zu der Sammelstelle in seiner Gemeinde gebracht und abends nach 17.00 Uhr auf dem Felde weitergearbeitet. Von seinen Kindern habe niemand den Hof übernehmen wollen. In der Heuernte und in der Haupterntezeit im August habe er auch sonntags mitgearbeitet. Die Firma W. in N. sei mir 5 km von seinem Betrieb entfernt gewesen, so daß er erforderlichenfalls in der Mittagspause von 12,30 bis 13,30 nachhause gefahren sei, um Heu zu machen. Die Bescheinigung der M. Tapetenfabrik, bei der er in Nachtschicht gearbeitet habe, sei ein Beweis dafür, daß er in der damaligen Zeit (1969) tagsüber seine Landwirtschaft mit Ackerbau, Einbringen der Ernte von Getreide und Hackfrucht betrieben habe. Auch der Urlaub der Jahre 1967, 1968 und 1969 sei für die Frühjahrsbestellung, Heu- und Getreideernte verwendet worden. In den landwirtschaftlichen Betrieb habe er 1933 eingeheiratet und diesen durch die Anschaffung moderner Maschinen neben der Arbeit in der Fabrik weiter bewirtschaftet können.
Der Senat hat Beweis nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 16. November 1972 über den zeitlich notwendigen Arbeitsbedarf des von dem Kläger in der Zeit vom 1. Dezember 1964 bis 30. November 1969 bewirtschafteten landwirtschaftlichen Unternehmens sowie die Höhe des in dieser Zeit daraus erzielten Einkommens erhoben. Der landwirtschaftliche Sachverständige Dr. K. aus B. über H. ist in seinem Gutachten vom 1. Februar 1973 zu dem Ergebnis gekommen, daß sich der Arbeitsanfall des Betriebes des Klägers in dem genannten Zeitraum auf rd. 9.700 Arbeitskräftestunden (Akh) belaufen habe, und die landwirtschaftlichen Einkünfte bei Zugrundelegung des Landarbeiterlohnes auf annähernd 43.000 DM zu schätzen seien. Nach dem Zusatzgutachten des gleichen Sachverständigen umfaßt der vom Kläger in der maßgeblichen Zeit aufzuwendende Arbeitsanfall 8.000 Arbeitskräftestunden, währe der durch Dritte zu leistende Arbeitsanfall auf 1.700 Arbeitskräftestunden zu schätzen sei. Dementsprechend habe der Unternehmensbetrag für den Kläger in diesem Zeitraum 37.555,– und der für die Mithelfenden 5.645,– DM betragen. Dabei ist der Sachverständige aufgrund der Angaben des Klägers davon ausgegangen, die Ehefrau habe infolge ihrer Beinerkrankung nur leichte Arbeiten verrichten können, der Sohn habe seit 1959 ganztägig in der Industrie gearbeitet und nach seiner Heirat im Jahre 1966 mit Umzug nach dem 12 km entfernten W. nicht mehr mitgearbeitet; nach seiner Heirat im Jahre 1966 sei sein Schwiegersohn im Sommer 1968 zwecks Mietersparnis von K. nach W. gezogen, habe aber infolge fehlender landwirtschaftlicher Erfahrung nur bei einfachsten Arbeiten helfen können.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Leistungs- und Gerichtsakten Bezug genommen, der in seinen wesentlichen Teilen im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgetragen ist.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 46, 30 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte-GAL – i.V. mit § 143 Sozialgerichtsgesetz – SGG –); sie ist auch begründet.
Nach § 41 Abs. 1 d GAL i.d.F. des Vierten Gesetzes zur Änderung der Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe vom 29. Juli 1969 (BGBl. I S. 1017) erhält ein landwirtschaftlicher Unternehmer Landabgaberente, wenn er während der 5 Jahre, die der Abgabe vorausgegangen sind, überwiegend hauptberuflich landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen ist. Der Nachweis zu Abs. 1 d a.a.O. wird durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde geführt (§ 45 Abs. 5 GAL). Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist durch die Bescheinigung des Bürgermeisters der Gemeinde W. Krs. A. vom 25. Oktober 1969 dieser Nachweis nicht geführt, da der Kläger in der Zeit von Dezember 1964 bis November 1969 nicht überwiegend hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen ist. "Nachweis” bedeutet im Recht der Sozialversicherung grundsätzlich nichts anderes als "Beweis”. Es gibt im Sozialversicherungsrecht keinen "stehenden Begriff” als "Nachweis”, der von dem Begriff des Beweises in anderen Rechtsgebieten abweicht. Grundsätzlich kann daher der Beweis mit allen zulässigen Beweismitteln erbracht werden. Soweit das Gesetz eine Beschränkung der Beweismittel für erforderlich gehalten hat, ist dies ausdrücklich gesagt, so z.B. für den Nachweis von Ausfallzeiten in § 1259 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Reichsversicherungsordnung – RVO – = § 36 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG), während z.B. § 1259 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 RVO = § 36 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 AVG eine solche Beschränkung nicht enthält (vgl. hierzu BSG, Urt. vom 17. März 1964 – 11/1 RA 216/62 – und die dort zitierte Literatur und Rechtsprechung). In diesem Sinne ist auch § 41 Abs. 5 GAL zu verstehen, der bestimmt, in welcher Form der "Nachweis” bzw. der Beweis zu Abs. 1 d GAL zu führen ist. Daß dieser Bestimmung nicht schon materielle Wirkung zukommt (vgl. Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 22. Aufl., § 292, Anm. 2), ergibt sich daraus, daß Beweisgegenstand zur Tatsachen sind, während juristische Urteile die rechtliche Beurteilung eines Vorganges, also eine Einordnung unter Rechtssätze enthalten und damit begrifflich keine Beweistatsachen, sondern reine Urteile sind (so Baumbach-Lauterbach a.a.O. Einführung zu § 282 Anm. 4 A + C). Die Beurteilung, ob der Kläger überwiegend landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen ist, stellt eine rechtliche Wertung dar, deren Vorliegen durch die Beklagte oder – im Streitfall – durch das Gericht zu treffen ist.
Auch vom Wortlaut der Bescheinigung her können die zuständige Verwaltungsbehörde und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht an den Inhalt dieser Bescheinigung gebunden sein. Die gegenteilige Auslegung des Gesetzes würde dazu führen, daß die Alterskasse und auch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit an eine – möglicherweise auf Informationsfehlern beruhende – unrichtige Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde gebunden wären. Der Bürgermeister der Gemeinde W. hat bescheinigt, daß der Kläger "seit 1. Januar 1941 sein landwirtschaftliches Unternehmen überwiegend in Hauptberuf bis 15. September 1969 bewirtschaftet hat”. Legt man das Wort "überwiegend” (hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer) als Zeitbegriff aus, so ist die vom Bürgermeister der Gemeinde W. vorgenommene Würdigung des Verhältnisses von Haupt- und Nebenberuf nicht unzutreffend, da der Kläger den überwiegenden Teil des Zeitraums vom 1. Januar 1941 bis 15. September 1969 landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen ist, während er seit dem 7. September 1966 in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat. Indes kommt es nach dem Wortlaut des Gesetzes auf diese Zeitraum nicht an, da das Gesetz die fünf Jahre, die der Abgabe vorausgegangen sind, nämlich die Zeit vom 1. Dezember 1964 bis 30. November 1969, maßgebend sein läßt. Der Bürgermeister geht somit ersichtlich von einem anderen, als dem gesetzlich vorgeschriebenen Zeitraum aus, so daß das Gericht bei der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzung des § 41 Abs. 1 d GAL auch auf diesem Grund nicht an die Bescheinigung des Bürgermeisters der Gemeinde W. gebunden ist. Im Hinblick auf die sich daraus ergebende möglicherweise unterschiedliche rechtliche Beurteilung war die Beklagte deshalb verpflichtet zu prüfen, ob in dem maßgebenden Zeitraum der Kläger überwiegend hauptberuflich landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen ist.
Nach den vom Senat getroffenen Feststellungen hat der Kläger in der Zeit vom 1. Dezember 1964 bis Oktober 1966 ausschließlich den Beruf eines landwirtschaftlichen Unternehmern und vom November 1966 bis November 1969 eine nichtselbständige Tätigkeit in der Industrie neben der landwirtschaftlichen Unternehmertätigkeit ausgeübt. Damit ist der Kläger aber nicht überwiegend hauptberuflich landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen N. (Änderung der Altershilfe für Landwirte, Einführung und Änderung der Landabgaberente und Einführung der Zuschussgewährung nur Beitragsentrichtung, 1971, S. 78/79) verneint eine hauptberufliche Tätigkeit dann, wenn der Landwirt im Hauptberuf tatsächlich einer anderen Erwerbstätigkeit "sei es als Selbständiger, z.B. Handwerker, Einzelhändler oder Gastwirt bzw. als Arbeitnehmer nachgegangen ist” Lauterbach (Unfallversicherung § 787 Anm. 6 a) nimmt einen Hauptberuf dann an, wenn dieser den wesentlichen Inhalt des beruflichen Schaffens und den wesentlichen Inhalt der Existenz des Betriebes bildet. Der Kläger ist für 23 Monate (Dezember 1964 bis Oktober 1966) ausschließlich als landwirtschaftlicher Unternehmer, dagegen 37 Monate (von November 1966 bis November 1969) landwirtschaftlicher Unternehmer und nichtselbständig Tätiger gewesen. Damit ist der Kläger aber nicht überwiegend (mindestens 31 Monate des Zeitraums von insgesamt 60 Monaten) landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen; hat er doch den längeren Zeitraum hindurch – nämlich 57 Monate – zwar Berufe (mindestens) gleichwertig nebeneinander ausgeübt, da er auch in der Industrie bei vollem tariflichen Lohn 40 bzw. 45 Stunden gearbeitet hat. Schon aus diesem Grunde kann nicht die Rede davon sein, daß der Kläger die Tätigkeit in den Firmen W. in N. und M. Tapete in K. nebenberuflich ausgeübt hat; dies wäre aber erforderlich, wenn die landwirtschaftliche Unternehmertätigkeit als Hauptberuf anerkannt werden soll, da begrifflich ein solcher zum Nebenberuf im Verhältnis der Über- und Unterordnung bzw. des Mehr oder Weniger steht.
Dieser Auffassung steht auch das Ergebnis des Gutachtens vom 1. Februar 1973 mit Zusatzgutachten vom 28. Mai 1973 des landwirtschaftlichen Sachverständigen Dr. K. aus B. über H. nicht entgegen. Wenn der Sachverständige die landwirtschaftlichen Einkünfte in der Zeit vom 1. Dezember 1964 bis 30. November 1969 bei einem Arbeitsaufwand von rd. 9.700 Arbeitskräftestunden (AKh) auf einen Betrag von 43.000,– DM schätzt und diesen ein Gesamteinkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 23.714,– DM gegenüberstellt, so bedeutet dies noch nicht, daß der Kläger in den letzten fünf Jahren vor der Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens überwiegend hauptberuflich landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen ist. Um einen Vergleichsmaßstab zu gewinnen, sind die Zeiträume, in denen der Kläger lediglich landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen ist, denen gegenüber zu stellen, in denen er beide Tätigkeiten nebeneinander ausgeübt hat. Hiervon ausgehend ergibt sich für die Zeit vom Dezember 1964 bis Oktober 1966 (23 Monate) an Einkünften aus landwirtschaftlicher Unternehmertätigkeit ein Gesamtbetrag von 24.870,– DM, wenn man die vom landwirtschaftlichen Sachverständigen in seiner Übersicht 20 Spalte 2 zum Gutachten vom 1. Februar 1973 ermittelten Zahlen (vgl. Dezember 1964 1.070,– DM – 1965 12.800,– DM – 1966 13.200,– DM) zugrunde legt. Da der Kläger im November 1966 eine nichtselbständige Tätigkeit begonnen hat, vermindert sich der Betrag von 13.200,– DM für dieses Jahr um 2.200,– DM (13.200,– DM, 12 Monate = 1.100,– DM × 2 Monate = 2.200,– DM), den jedoch keine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit gegenüberstehen. Für die Zeit vom November 1966 (Beginn der nichtselbständigen Tätigkeit) bis November 1969 (37 Monate) hat der Kläger aus landwirtschaftlicher Unternehmertätigkeit einen Betrag von 18.000,– DM erzielt (1966 2.200,– DM sowie 1967 6.200,– DM – 1968 5.200,– DM – 1969 4.400,– DM insgesamt also 18.000,– DM). Diesen in 37 Monaten erwirtschafteten Einkünften aus landwirtschaftlicher Unternehmertätigkeit – die sich entsprechend den Zusatzgutachten dem landwirtschaftlichen Sachverständigen vom 26. Mai 1973 noch vermindern, da nur die auf die Tätigkeit des Klägers entfallenden Beträge berücksichtigt werden können – stehen solche aus nichtselbständiger Tätigkeit im Gesamtbetrag von 23.74,– DM gegenüber. Selbst wenn man den Arbeitslohn des Klägers für Dezember 1966 hiervon noch absetzt (vgl. Fußnot 2 der Übersicht 20 des Gutachtens vom 1. Februar 1973), so übersteigen die in 37 Monaten vom Kläger erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit die in dem gleichen Zeitraum aus landwirtschaftlicher Unternehmertätigkeit erwirtschafteten Erträge (mit 5.714,– DM einschließlich des Monats Dezember 1969). Entsprechende Zahlen ergeben sich für den wöchentlichen Arbeitsaufwand in der Landwirtschaft mit 30,2 Stunden (8.000 Arbeitskräftestunden: 5: 53 Monate = 30,2 Stunden), denen 40 bzw. 45 Wochenstunden Arbeitszeit in der Industrie gegenüberstehen. Zusammenfassend bleibt daher festzustellen, daß die landwirtschaftliche Tätigkeit während des maßgebenden Fünfjahreszeitraumes (vom 1. Dezember 1964 bis 30. November 1969) nur für 23 Monate sowohl zeitlich als auch ertragsmäßig überwogen hat und hier den Hauptberuf bildet, während beide Berufe für 37 Monate – und damit die überwiegende Zeit – zumindest gleichwertig nebeneinander ausgeübt worden sind, so daß die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 d GAL nicht erfüllt sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Da eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war, hat der Senat die Revision – zugelassen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der 1909 geborene Kläger bewirtschaftete unter zeitweiliger Mitarbeit von Ehefrau, Sohn und Schwiegersohn ein landwirtschaftliches Unternehmen in W./Krs. A ... Nach den der Beklagten vorgelegten Unterlagen umfaßte der Betrieb in April 1964 12.6000 ha, Oktober 1966 11.6443 ha, November 1966 6.6720 ha, März 1969 6.6595 ha, Oktober 1969 4.8260 ha, Dezember 1969 7.3198 ha, Januar 1970 0.2724 ha. Während der Zeit vom 6. November 1966 bis 12. Juni 1969 arbeitete der Kläger als Packer in dem Versand in der Werkzeugfabrik W. in N./Krs. M ... Die tägliche Arbeitszeit betrug 8 und die wöchentliche 40 Stunden, wobei die Schicht um 7.00 Uhr begann und um 16.30 Uhr endete (mit unbezahlten Pausen von 9.00 Uhr bis 9.30 Uhr und 12.30 Uhr bis 13.30 Uhr). Der Kläger erhielt einen Stundenlohn von zuletzt 3,54 DM. Seit dem 16. Juni 1969 war der Kläger in der Firma "M. Tapete” in K./Krs. M. als Arbeiter an einer Zellophaniermaschine tätig. Die tägliche Arbeitszeit erstreckte sich in diesem Betrieb auf 9 Stunden und wöchentlich auf 45 Stunden. Auf eigenen Wunsch arbeitete der Kläger hier in der Spätschicht von 16.30 Uhr bis 2.00 Uhr nachts mit einer Pause von 21,00 bis 21.30 Uhr. 1969 erhielt der Kläger hier 3,83 DM und 0,50 DM Prämie je Stunde, wobei sich der Lohn 1972 auf 4,91 und 0,50 DM Prämie je Stunde erhöhte.
Nach Abgabe des landwirtschaftlichen Betriebes im Dezember 1969 stellte der Kläger am 31. Dezember 1969 Antrag auf Gewährung vom Landabgaberente und legte hierzu eine Bescheinigung der Gemeindebehörde W. mit folgendem Inhalt vor:
Bescheinigung der Gemeindebehörde
In Ausführung des § 41 Abs. 5 i.V.m. § 41 1 d GAL wird Herrn E. S. K.
bescheinigt, daß er seit 1.1.1941 sein landwirtschaftliches Unternehmen überwiegend im Hauptberuf bis 15.9.1969 bewirtschaftet hat.
Der Vorgenannte steht seit 7.11.1966 in einem Arbeitsverhältnis bzw. ist regelmäßig als Packer und Hilfsarbeiter bei der M. Tapeten Fabrik in K. beschäftigt.
W., den 25.10.1969 (Dienstsiegel)
gez. S. Gemeinde W. Krs. A. Bürgermeister
Durch Bescheid vom 26. Februar 1970 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der von dem Kläger bewirtschaftete landwirtschaftliche Betrieb habe mit einer Größe von 12,60 ha bzw. 11,6443 hat für die Zeit vom April 1964 bis Oktober 1966 die doppelte Mindesthöhe von 7,84 ha erheblich überschritten; unter Berücksichtigung eines Hektarwertes von 1.021,– DM stelle eine bewirtschaftete landwirtschaftliche Nutzfläche in Größe von 3,92 ha eine Existenzgrundlage i.S. des § 1 Abs. 4 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) dar. Durch die Bescheinigung des Bürgermeisters der Gemeinde W. sei nicht nachgewiesen, daß der Kläger ein landwirtschaftliches Unternehmen in der Zeit vom Januar 1965 bis zur Abgabe überwiegend im Hauptberuf bewirtschaftet habe, da der Kläger seit 1966 regelmäßig in einem Arbeitsverhältnis gestanden habe.
Auf die Klage vom 23. März 1970 hob das Sozialgericht (SG) Marburg/L. durch Urteil vom 17. Dezember 1970 den Bescheid der Beklagten von 26. Februar 1970 auf und verurteilte diese, die Landabgaberente zu gewähren. Durch die Bescheinigung der Gemeinde W., nach der der Kläger sein landwirtschaftliches Unternehmen in der Zeit vom 1. Januar 1941 bis 15. September 1969 überwiegend im Hauptberuf bewirtschaftet habe, sei der dem Gesetz § 41 Abs. 1 d GAL entsprechende Nachweis der hauptberuflichen landwirtschaftlichen Unternehmertätigkeit geführt. Daran ändere auch nichts die Mithilfe der Angehörigen des Klägers in seiner Landwirtschaft. Unschädlich sei, wenn die tatsächlich bewirtschaftete landwirtschaftliche Betriebsfläche die Mindestfläche zeitweilig überschritten habe. Während der überwiegenden Zeit – nämlich vom November 1966 –Oktober 1969 – habe der landwirtschaftliche Betrieb das Doppelte der Mindestfläche unterschritten.
Gegen das ihr am 29. Dezember 1970 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. Januar 1971 Berufung eingelegt. Die zulässige Obergrenze von 7,84 ha sei in dem Fünfjahreszeitraum vor der Abgabe (das ist die Zeit vom Dezember 1964 bis November 1969) vom Januar 1965 bis Oktober 1966 – also für die Dauer von 22 Monaten – sowie im Dezember 1969 – also um einen weiteres Monat – überschritten, da in dieser Zeit, 12,60 ha bzw. 11,6445 ha und im Dezember 1969 vorübergehend 7,3198 ha bewirtschaftet worden seien. Darüber hinaus sei der Kläger in den fünf der Abgabe vorausgehenden Jahren nicht überwiegend im Hauptberuf landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen. Nach der Bescheinigung der Gemeinde W. sei der Kläger vielmehr seit dem 7. November 1966 regelmäßig als Packer und Hilfsarbeiter bei der M. Tapetenfabrik in K. beschäftigt gewesen. Bei diesem Arbeitsverhältnis handele es sich um ein ganztägiges, das in zeitlicher Hinsicht ein überwiegendes Tätigwerden des Klägers in seinem Betrieb ausschließe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Marburg/Lahn vom 17. Dezember 1970 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er weist daraufhin, der Bürgermeister der Gemeinde W. habe ihm bescheinigt, daß er im Hauptberuf Landwirt sei. Trotz seiner Arbeit in der Tapetenfabrik K. habe er seinen Betrieb hauptsächlich in den Abendstunden und samstags bewirtschaftet. Jeden Morgen vor Arbeitsbeginn habe er das Vieh füttern helfen, die Kannen mit Milch zu der Sammelstelle in seiner Gemeinde gebracht und abends nach 17.00 Uhr auf dem Felde weitergearbeitet. Von seinen Kindern habe niemand den Hof übernehmen wollen. In der Heuernte und in der Haupterntezeit im August habe er auch sonntags mitgearbeitet. Die Firma W. in N. sei mir 5 km von seinem Betrieb entfernt gewesen, so daß er erforderlichenfalls in der Mittagspause von 12,30 bis 13,30 nachhause gefahren sei, um Heu zu machen. Die Bescheinigung der M. Tapetenfabrik, bei der er in Nachtschicht gearbeitet habe, sei ein Beweis dafür, daß er in der damaligen Zeit (1969) tagsüber seine Landwirtschaft mit Ackerbau, Einbringen der Ernte von Getreide und Hackfrucht betrieben habe. Auch der Urlaub der Jahre 1967, 1968 und 1969 sei für die Frühjahrsbestellung, Heu- und Getreideernte verwendet worden. In den landwirtschaftlichen Betrieb habe er 1933 eingeheiratet und diesen durch die Anschaffung moderner Maschinen neben der Arbeit in der Fabrik weiter bewirtschaftet können.
Der Senat hat Beweis nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 16. November 1972 über den zeitlich notwendigen Arbeitsbedarf des von dem Kläger in der Zeit vom 1. Dezember 1964 bis 30. November 1969 bewirtschafteten landwirtschaftlichen Unternehmens sowie die Höhe des in dieser Zeit daraus erzielten Einkommens erhoben. Der landwirtschaftliche Sachverständige Dr. K. aus B. über H. ist in seinem Gutachten vom 1. Februar 1973 zu dem Ergebnis gekommen, daß sich der Arbeitsanfall des Betriebes des Klägers in dem genannten Zeitraum auf rd. 9.700 Arbeitskräftestunden (Akh) belaufen habe, und die landwirtschaftlichen Einkünfte bei Zugrundelegung des Landarbeiterlohnes auf annähernd 43.000 DM zu schätzen seien. Nach dem Zusatzgutachten des gleichen Sachverständigen umfaßt der vom Kläger in der maßgeblichen Zeit aufzuwendende Arbeitsanfall 8.000 Arbeitskräftestunden, währe der durch Dritte zu leistende Arbeitsanfall auf 1.700 Arbeitskräftestunden zu schätzen sei. Dementsprechend habe der Unternehmensbetrag für den Kläger in diesem Zeitraum 37.555,– und der für die Mithelfenden 5.645,– DM betragen. Dabei ist der Sachverständige aufgrund der Angaben des Klägers davon ausgegangen, die Ehefrau habe infolge ihrer Beinerkrankung nur leichte Arbeiten verrichten können, der Sohn habe seit 1959 ganztägig in der Industrie gearbeitet und nach seiner Heirat im Jahre 1966 mit Umzug nach dem 12 km entfernten W. nicht mehr mitgearbeitet; nach seiner Heirat im Jahre 1966 sei sein Schwiegersohn im Sommer 1968 zwecks Mietersparnis von K. nach W. gezogen, habe aber infolge fehlender landwirtschaftlicher Erfahrung nur bei einfachsten Arbeiten helfen können.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Leistungs- und Gerichtsakten Bezug genommen, der in seinen wesentlichen Teilen im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgetragen ist.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 46, 30 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte-GAL – i.V. mit § 143 Sozialgerichtsgesetz – SGG –); sie ist auch begründet.
Nach § 41 Abs. 1 d GAL i.d.F. des Vierten Gesetzes zur Änderung der Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe vom 29. Juli 1969 (BGBl. I S. 1017) erhält ein landwirtschaftlicher Unternehmer Landabgaberente, wenn er während der 5 Jahre, die der Abgabe vorausgegangen sind, überwiegend hauptberuflich landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen ist. Der Nachweis zu Abs. 1 d a.a.O. wird durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde geführt (§ 45 Abs. 5 GAL). Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist durch die Bescheinigung des Bürgermeisters der Gemeinde W. Krs. A. vom 25. Oktober 1969 dieser Nachweis nicht geführt, da der Kläger in der Zeit von Dezember 1964 bis November 1969 nicht überwiegend hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen ist. "Nachweis” bedeutet im Recht der Sozialversicherung grundsätzlich nichts anderes als "Beweis”. Es gibt im Sozialversicherungsrecht keinen "stehenden Begriff” als "Nachweis”, der von dem Begriff des Beweises in anderen Rechtsgebieten abweicht. Grundsätzlich kann daher der Beweis mit allen zulässigen Beweismitteln erbracht werden. Soweit das Gesetz eine Beschränkung der Beweismittel für erforderlich gehalten hat, ist dies ausdrücklich gesagt, so z.B. für den Nachweis von Ausfallzeiten in § 1259 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Reichsversicherungsordnung – RVO – = § 36 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG), während z.B. § 1259 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 RVO = § 36 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 AVG eine solche Beschränkung nicht enthält (vgl. hierzu BSG, Urt. vom 17. März 1964 – 11/1 RA 216/62 – und die dort zitierte Literatur und Rechtsprechung). In diesem Sinne ist auch § 41 Abs. 5 GAL zu verstehen, der bestimmt, in welcher Form der "Nachweis” bzw. der Beweis zu Abs. 1 d GAL zu führen ist. Daß dieser Bestimmung nicht schon materielle Wirkung zukommt (vgl. Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 22. Aufl., § 292, Anm. 2), ergibt sich daraus, daß Beweisgegenstand zur Tatsachen sind, während juristische Urteile die rechtliche Beurteilung eines Vorganges, also eine Einordnung unter Rechtssätze enthalten und damit begrifflich keine Beweistatsachen, sondern reine Urteile sind (so Baumbach-Lauterbach a.a.O. Einführung zu § 282 Anm. 4 A + C). Die Beurteilung, ob der Kläger überwiegend landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen ist, stellt eine rechtliche Wertung dar, deren Vorliegen durch die Beklagte oder – im Streitfall – durch das Gericht zu treffen ist.
Auch vom Wortlaut der Bescheinigung her können die zuständige Verwaltungsbehörde und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht an den Inhalt dieser Bescheinigung gebunden sein. Die gegenteilige Auslegung des Gesetzes würde dazu führen, daß die Alterskasse und auch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit an eine – möglicherweise auf Informationsfehlern beruhende – unrichtige Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde gebunden wären. Der Bürgermeister der Gemeinde W. hat bescheinigt, daß der Kläger "seit 1. Januar 1941 sein landwirtschaftliches Unternehmen überwiegend in Hauptberuf bis 15. September 1969 bewirtschaftet hat”. Legt man das Wort "überwiegend” (hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer) als Zeitbegriff aus, so ist die vom Bürgermeister der Gemeinde W. vorgenommene Würdigung des Verhältnisses von Haupt- und Nebenberuf nicht unzutreffend, da der Kläger den überwiegenden Teil des Zeitraums vom 1. Januar 1941 bis 15. September 1969 landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen ist, während er seit dem 7. September 1966 in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat. Indes kommt es nach dem Wortlaut des Gesetzes auf diese Zeitraum nicht an, da das Gesetz die fünf Jahre, die der Abgabe vorausgegangen sind, nämlich die Zeit vom 1. Dezember 1964 bis 30. November 1969, maßgebend sein läßt. Der Bürgermeister geht somit ersichtlich von einem anderen, als dem gesetzlich vorgeschriebenen Zeitraum aus, so daß das Gericht bei der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzung des § 41 Abs. 1 d GAL auch auf diesem Grund nicht an die Bescheinigung des Bürgermeisters der Gemeinde W. gebunden ist. Im Hinblick auf die sich daraus ergebende möglicherweise unterschiedliche rechtliche Beurteilung war die Beklagte deshalb verpflichtet zu prüfen, ob in dem maßgebenden Zeitraum der Kläger überwiegend hauptberuflich landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen ist.
Nach den vom Senat getroffenen Feststellungen hat der Kläger in der Zeit vom 1. Dezember 1964 bis Oktober 1966 ausschließlich den Beruf eines landwirtschaftlichen Unternehmern und vom November 1966 bis November 1969 eine nichtselbständige Tätigkeit in der Industrie neben der landwirtschaftlichen Unternehmertätigkeit ausgeübt. Damit ist der Kläger aber nicht überwiegend hauptberuflich landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen N. (Änderung der Altershilfe für Landwirte, Einführung und Änderung der Landabgaberente und Einführung der Zuschussgewährung nur Beitragsentrichtung, 1971, S. 78/79) verneint eine hauptberufliche Tätigkeit dann, wenn der Landwirt im Hauptberuf tatsächlich einer anderen Erwerbstätigkeit "sei es als Selbständiger, z.B. Handwerker, Einzelhändler oder Gastwirt bzw. als Arbeitnehmer nachgegangen ist” Lauterbach (Unfallversicherung § 787 Anm. 6 a) nimmt einen Hauptberuf dann an, wenn dieser den wesentlichen Inhalt des beruflichen Schaffens und den wesentlichen Inhalt der Existenz des Betriebes bildet. Der Kläger ist für 23 Monate (Dezember 1964 bis Oktober 1966) ausschließlich als landwirtschaftlicher Unternehmer, dagegen 37 Monate (von November 1966 bis November 1969) landwirtschaftlicher Unternehmer und nichtselbständig Tätiger gewesen. Damit ist der Kläger aber nicht überwiegend (mindestens 31 Monate des Zeitraums von insgesamt 60 Monaten) landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen; hat er doch den längeren Zeitraum hindurch – nämlich 57 Monate – zwar Berufe (mindestens) gleichwertig nebeneinander ausgeübt, da er auch in der Industrie bei vollem tariflichen Lohn 40 bzw. 45 Stunden gearbeitet hat. Schon aus diesem Grunde kann nicht die Rede davon sein, daß der Kläger die Tätigkeit in den Firmen W. in N. und M. Tapete in K. nebenberuflich ausgeübt hat; dies wäre aber erforderlich, wenn die landwirtschaftliche Unternehmertätigkeit als Hauptberuf anerkannt werden soll, da begrifflich ein solcher zum Nebenberuf im Verhältnis der Über- und Unterordnung bzw. des Mehr oder Weniger steht.
Dieser Auffassung steht auch das Ergebnis des Gutachtens vom 1. Februar 1973 mit Zusatzgutachten vom 28. Mai 1973 des landwirtschaftlichen Sachverständigen Dr. K. aus B. über H. nicht entgegen. Wenn der Sachverständige die landwirtschaftlichen Einkünfte in der Zeit vom 1. Dezember 1964 bis 30. November 1969 bei einem Arbeitsaufwand von rd. 9.700 Arbeitskräftestunden (AKh) auf einen Betrag von 43.000,– DM schätzt und diesen ein Gesamteinkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 23.714,– DM gegenüberstellt, so bedeutet dies noch nicht, daß der Kläger in den letzten fünf Jahren vor der Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens überwiegend hauptberuflich landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen ist. Um einen Vergleichsmaßstab zu gewinnen, sind die Zeiträume, in denen der Kläger lediglich landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen ist, denen gegenüber zu stellen, in denen er beide Tätigkeiten nebeneinander ausgeübt hat. Hiervon ausgehend ergibt sich für die Zeit vom Dezember 1964 bis Oktober 1966 (23 Monate) an Einkünften aus landwirtschaftlicher Unternehmertätigkeit ein Gesamtbetrag von 24.870,– DM, wenn man die vom landwirtschaftlichen Sachverständigen in seiner Übersicht 20 Spalte 2 zum Gutachten vom 1. Februar 1973 ermittelten Zahlen (vgl. Dezember 1964 1.070,– DM – 1965 12.800,– DM – 1966 13.200,– DM) zugrunde legt. Da der Kläger im November 1966 eine nichtselbständige Tätigkeit begonnen hat, vermindert sich der Betrag von 13.200,– DM für dieses Jahr um 2.200,– DM (13.200,– DM, 12 Monate = 1.100,– DM × 2 Monate = 2.200,– DM), den jedoch keine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit gegenüberstehen. Für die Zeit vom November 1966 (Beginn der nichtselbständigen Tätigkeit) bis November 1969 (37 Monate) hat der Kläger aus landwirtschaftlicher Unternehmertätigkeit einen Betrag von 18.000,– DM erzielt (1966 2.200,– DM sowie 1967 6.200,– DM – 1968 5.200,– DM – 1969 4.400,– DM insgesamt also 18.000,– DM). Diesen in 37 Monaten erwirtschafteten Einkünften aus landwirtschaftlicher Unternehmertätigkeit – die sich entsprechend den Zusatzgutachten dem landwirtschaftlichen Sachverständigen vom 26. Mai 1973 noch vermindern, da nur die auf die Tätigkeit des Klägers entfallenden Beträge berücksichtigt werden können – stehen solche aus nichtselbständiger Tätigkeit im Gesamtbetrag von 23.74,– DM gegenüber. Selbst wenn man den Arbeitslohn des Klägers für Dezember 1966 hiervon noch absetzt (vgl. Fußnot 2 der Übersicht 20 des Gutachtens vom 1. Februar 1973), so übersteigen die in 37 Monaten vom Kläger erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit die in dem gleichen Zeitraum aus landwirtschaftlicher Unternehmertätigkeit erwirtschafteten Erträge (mit 5.714,– DM einschließlich des Monats Dezember 1969). Entsprechende Zahlen ergeben sich für den wöchentlichen Arbeitsaufwand in der Landwirtschaft mit 30,2 Stunden (8.000 Arbeitskräftestunden: 5: 53 Monate = 30,2 Stunden), denen 40 bzw. 45 Wochenstunden Arbeitszeit in der Industrie gegenüberstehen. Zusammenfassend bleibt daher festzustellen, daß die landwirtschaftliche Tätigkeit während des maßgebenden Fünfjahreszeitraumes (vom 1. Dezember 1964 bis 30. November 1969) nur für 23 Monate sowohl zeitlich als auch ertragsmäßig überwogen hat und hier den Hauptberuf bildet, während beide Berufe für 37 Monate – und damit die überwiegende Zeit – zumindest gleichwertig nebeneinander ausgeübt worden sind, so daß die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 d GAL nicht erfüllt sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Da eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war, hat der Senat die Revision – zugelassen.
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