L 1 Eg 381/89

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 22 Eg 1673/87
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Eg 381/89
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ist der Ehemann als Leistungsberechtigter für das Erziehungsgeld bestimmt worden, so verstößt die Anrechnung des seiner Ehefrau gezahlten Mutterschaftsgeldes nicht gegen das Grundgesetz.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Februar 1989 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob sich der Kläger das Mutterschaftsgeld seiner Ehefrau bei der Gewährung von Erziehungsgeld anrechnen lassen muß.

Am 3. März 1987 beantragte der Kläger für seine 1987 geborene Tochter J. die Gewährung von Erziehungsgeld. Das Kind lebt mit dem Kläger in einem Haushalt und wird von ihm betreut und erzogen. Die Ehefrau des Klägers und Mutter des Kindes bezog vom 20. Januar 1987 bis 21. April 1987 Mutterschaftsgeld in Höhe von kalendertäglich 25,– DM. Durch Bescheid vom 20. März 1987 wurde dem Kläger für die Zeit vom 24. März 1987 bis 23. April 1987 Erziehungsgeld in Höhe von 40,– DM und ab 24. April 1987 in Höhe von 600,– DM monatlich bis zum 23. Dezember 1987 bewilligt. In dem Bescheid heißt es, daß für die Zeit vom 24. Februar 1987 bis 21. April 1987 Mutterschaftsgeld in Höhe von kalendertäglich 25,– DM anzurechnen sei.

Den hiergegen am 25. März 1987 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, er sei seit 1985 Hausmann und sehe deshalb nicht ein, daß ihm das Erziehungsgeld im Gegensatz zu einer Hausfrau in den ersten zwei Monaten gestrichen werde.

Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27. April 1987).

Hiergegen hat der Kläger am 19. Mai 1987 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, daß er durch den Rollentausch mit seiner Ehefrau einer Benachteiligung im Vergleich zu einer Hausfrau ausgesetzt sei, die Erziehungsgeld ohne Kürzung erhalte. Eine solche Diskriminierung der Hausmänner wolle er nicht hinnehmen.

Durch Urteil vom 20. Februar 1989 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, daß nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch nicht gegeben sei. Auch wenn die Anrechnung des Mutterschaftsgeldes in den ersten beiden Monaten nach der Geburt eines Kindes zu ungerechten Ergebnissen führen könne, so sei dies gleichwohl verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen.

Gegen dieses dem Kläger am 3. März 1989 zugestellte Urteil richtet sich seine mit Schriftsatz vom 28. März 1989 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht am 28. März 1989 – eingelegte Berufung. Der Kläger wiederholt im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend verweist er darauf, daß es vielen Frauen durch gute Schul- und Berufsausbildung in den letzten Jahren gelungen sei, sich auch im Berufsleben langsam auf die gleiche Stufe zu stellen wie männliche Arbeitskollegen. Im Hinblick hierauf sei auch in Zukunft mit einer Zunahme der Zahl der Hausmänner zu rechnen. Dies erfordere eine gerechte finanzielle Verteilung der staatlichen Leistungen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Februar 1989 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 20. März 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. April 1987 zu verurteilen, ihm ab 24. Februar 1987 Erziehungsgeld ohne Kürzung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Leistungsakten des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG–). Der Berufungsausschluß nach § 146 SGG, der gemäß § 13 Abs. 2 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) auch bei Ansprüchen auf Erziehungsgeld zu berücksichtigen ist, greift hier nicht ein, weil die Berufung infolge ausdrücklicher Zulassung durch das erstinstanzliche Gericht statthaft ist.

Die Berufung ist jedoch sachlich nicht begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Februar 1989 ist zu Recht ergangen. Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung die angefochtenen Bescheide des Beklagten bestätigt, wonach der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung ungekürzten Erziehungsgeldes in den ersten beiden Monaten nach der Geburt seiner Tochter hat.

Nach § 7 Satz 1 BErzGG wird laufend zu zahlendes Mutterschaftsgeld, das der Mutter nach der Reichsversicherungsordnung, dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte oder dem Mutterschutzgesetz gewährt wird, auf das Erziehungsgeld angerechnet. Soweit die Mutter, die mit dem Vater des Kindes in einem Haushalt lebt, solche Leistungen erhält, werden diese auch auf das Erziehungsgeld des Vaters angerechnet (§ 7 Satz 3 BErzGG). Aus dieser eindeutigen gesetzlichen Regelung ergibt sich, daß der Kläger in der Zeit der ersten zwei Monate nach der Geburt seiner Tochter Erziehungsgeld nur bekommen könnte, soweit das seiner Ehefrau gezahlte Mutterschaftsgeld niedriger als 600,– DM monatlich gewesen wäre. Dies ist in den angefochtenen Bescheiden berücksichtigt worden. Der Grund einer solchen Regelung liegt darin, daß dadurch Manipulationen zur gleichzeitigen Erlangung von Mutterschaftsgeld und Erziehungsgeld vorgebeugt werden soll (vgl. Wiegand, Kommentar zum Bundeserziehungsgeldgesetz, § 7 Rn. 23). Eine andere Entscheidung ist nach den Vorschriften des BErzGG nicht vorgesehen.

Soweit es im vorliegenden Fall für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die Gültigkeit des § 7 Satz 3 BErzGG ankommt (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG), bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, die den Senat zwängen, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken, die der Kläger insgesamt erhebt, greifen nicht durch. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Vorschrift des § 7 Satz 3 BErzGG mit dem Grundgesetz vereinbar.

Art. 6 Abs. 1 GG, nach dem Ehe und Familie unter dem besonderen Schütze der staatlichen Ordnung stehen, ist nicht verletzt. Dieser Artikel enthält u.a. eine wertentscheidende Grundsatznorm, d.h. eine verbindliche Wertentscheidung für das gesamte Recht, soweit es Ehe und Familie betrifft (BVerfGE 6, 55, 72; 62, 323, 329), aus der sich u.a. die Verpflichtung des Staates ergibt, die Familie auch in ihrem wirtschaftlichen Zusammenhalt durch geeignete Maßnahmen zu fördern. Diese Förderungspflicht geht jedoch nicht soweit, daß der Gesetzgeber gehalten wäre, z.B. jegliche die Familie treffende finanzielle Belastung auszugleichen (BVerfGE 23, 258, 264; 55, 114, 127). So läßt sich z.B. auch ein Anspruch auf finanzielle Entlastung des Unterhaltsleistenden aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht herleiten (BVerfGE 28, 104, 113 f.; 40, 121, 132; 43, 108, 121). Dies gilt in gleicher Weise für den vorliegend von dem Kläger geltend gemachten Anspruch auf Nichtanrechnung des seiner Ehefrau gezahlten Mutterschaftsgeldes. Denn der Gesetzgeber kann grundsätzlich im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bestimmen, auf welche Weise er seiner Verpflichtung zur Förderung der Familie nachkommen will. Insbesondere ist es weitgehend dem Ermessen des Gesetzgebers anheim gegeben, ob und ggf. in welchem Umfang er z.B. Aufwendungen für Betreuung und Erziehung aus steuerlichen Mitteln ausgleichen will (vgl. BVerfGE 62, 323, 333). Art. 6 GG sagt auch nichts darüber, wie ein Familienlastenausgleich durchgeführt werden darf.

Die Regelung des § 7 Satz 3 BErzGG verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz nach Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Zwar ist das sozialpolitische Gestaltungsermessen des Gesetzgebers durch Art. 3 Abs. 1 GG begrenzt. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist aber erst verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, die Bestimmung mithin als willkürlich bezeichnet werden muß (BVerfGE 1, 14, 52; 61, 138, 147). Der Gesetzgeber darf also weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich behandeln. Willkür liegt aber nicht schon dann vor, wenn er im Rahmen seines freien Ermessens unter mehreren Lösungen im konkreten Falle nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste gewählt hat, vielmehr nur dann, wenn sich ein sachgerechter Grund für eine gesetzliche Bestimmung nicht finden läßt (BVerfGE 4, 144, 155; 55, 114, 128; vgl. dazu auch Bieback, Gleichbehandlungsgrundsatz und Sozialrecht, SGb 1989, S. 46 bis 53). Welche Sachverhaltselemente so wichtig sind, daß ihre Verschiedenheit eine Ungleichbehandlung rechtfertigt, hat regelmäßig der Gesetzgeber selbst zu entscheiden. Hieraus folgt, daß sich Art. 3 GG nur sehr begrenzt eignet zur einschneidenden Kontrolle der Gesetzgebung, wie es vorliegend der Kläger erstrebt. Vor allem kann in der Vorschrift des § 7 Satz 3 BErzGG keine völlig widersprüchliche oder unsinnige Regelung gesehen werden, als deren Folge eine sachangemessene Gleichbehandlung geboten wäre. Es kann auch nicht als willkürlich angesehen werden, wenn, wie es die Vorschrift des § 7 Satz 3 BErzGG will, gezahltes Mutterschaftsgeld auf das Erziehungsgeld angerechnet wird. Der erkennende Senat vermag auch keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 GG zu erblicken. Denn unterschiedliche Behandlungen von Männern und Frauen können "aus der Natur der Sache” gerechtfertigt sein (vgl. dazu Gubelt, in: Grundgesetz – Kommentar, herausgegeben von Ingo von Münch, Band 1, 3. Auflage 1985, Art. 3 Rn. 82, 83). Die gesetzliche Differenzierung, wie sie in § 7 Satz 3 BErzGG vorgenommen worden ist, kann bereits deshalb nicht als sachfremd oder ungerechtfertigt angesehen werden, weil sie den tatsächlichen Gegebenheiten und Erfordernissen Rechnung trägt. Insoweit kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Mutter das Kind in den ersten beiden Monaten nach der Geburt tatsächlich betreut bzw. betreuen kann. Zu diesem Zweck bestimmt nämlich § 6 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. April 1968 (BGBl. I S. 315), daß Wöchnerinnen bis zum Ablauf von acht Wochen nach der Entbindung nicht beschäftigt werden dürfen.

Aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 GG) kann sich gleichfalls ein Anspruch des Klägers auf Nichtanrechnung des Mutterschaftsgeldes nicht ergeben. Es begründet die Pflicht des Staates, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen, stellt also dem Staat eine Aufgabe, bei der allerdings nichts darüber ausgesagt wird, wie diese Aufgabe im einzelnen zu verwirklichen ist. Auch bei der Erfüllung dieser Pflicht kommt dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfGE 18, 257, 273; 29, 221, 235). Das Sozialstaatsprinzip enthält infolge seiner Weite und Unbestimmtheit regelmäßig keine unmittelbaren Handlungsanweisungen, die durch die Gerichte ohne gesetzliche Grundlage in einfaches Recht umgesetzt werden könnten. Insoweit ist es richterlicher Inhaltsbestimmung weniger zugänglich als z.B. die Grundrechte. Es zu verwirklichen ist in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers (BVerfGE 65, 182, 193). Es bedarf keiner Darlegung, daß dem Sozialstaatsprinzip im Wege richterlicher Auslegung nicht entnommen werden kann, ob es verfassungsrechtlich rechtmäßig ist, dem Vater des Kindes das an die Mutter gezahlte Mutterschaftsgeld anzurechnen. Dies hat allein der Gesetzgeber zu entscheiden.

Bei dieser Sach- und Rechtslage war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Februar 1989 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil es an den Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG fehlt.
Rechtskraft
Aus
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