Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 14 Ar 384/76
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Ar 459/78
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Schadensersatzanspruch des Arbeitsnehmers gegen den Arbeitgeber wegen Unterlassens der Beantragung von Leistung von Kug (§ 72 Abs. 2 AFG) ist als Anspruch auf Arbeitsentgeld i.S.d. § 141 b AFG anzusehen.
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. Februar 1978 auf gehoben und der Bescheid der Beklagten vom 1. April 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 1976 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen weiteren Betrag an Konkursausfallgeld in Höhe von 408,96 DM zu zahlen.
II. Die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten hat die Beklagte zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger wegen eines Schadensersatzanspruchs gegen seinen Arbeitgeber in Höhe von 408,96 DM entsprechend höheres Konkursausfallgeld (Kaug) zusteht.
Der Kläger war bei der "A.-Maschinenfabrik GmbH in N. als Fertigungskontrolleur beschäftigt. Zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung wurde am 7. Mai 1975 die Einführung von Kurzarbeit vom 20. Mai 1975 an vereinbart. Auf die Anzeige der Firma über Arbeitsausfall infolge Kurzarbeit erkannte das Arbeitsamt Frankfurt am Main die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug) nach §§ 63, 64 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) an und teilte mit, daß den gewerblichen Arbeitnehmern ab 20. Mai 1975 und den Angestellten ab 1. Juni 1975 Kug gezahlt werden könne.
Der Kläger erhielt zuletzt für die Zeit vom 4. August 1975 bis 22. August 1975 Kug in Höhe von 766,80 DM, für die Zeit vom 25. August 1975 bis 3. September 1975 erhielt der Kläger kein Kug ausgezahlt. Der Arbeitgeber versäumte es, die Abrechnungslisten für Kug für diesen Zeitraum einzureichen. Für die Zeit vom 25. August bis 3. September 1975 hätte dem Kläger Kug in Höhe von 408,96 DM zugestanden. Die "A”-Maschinenfabrik GmbH stellte am 2. September 1975 Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen, der mit Beschluss des Amtsgerichts Offenbach vom 15. Dezember 1975 (7 N 131/75) mangels Masse abgelehnt wurde. Das Beschäftigungsverhältnis des Klägers bei der "A”-Maschinenfabrik GmbH war vom Arbeitgeber zum 4. Oktober 1975 gekündigt worden.
Am 6. September 1975 beantragte der Kläger beim Arbeitsamt F. Kaug. In der Verdienstbescheinigung des ehemaligen Arbeitgebers vom 6. Februar 1976 wurde für die Zeit vom 25. August 1975 bis 3. September 1975 der Betrag von 408,96 DM als dem Kläger noch zu zahlendes Kug aufgeführt. Mit Bescheid vom 1. April 1976 bewilligte das Arbeitsamt für den Zeitraum vom 5. Juli 1975 bis 4. Oktober 1975 Kaug in Höhe von 2.234,54 DM, wovon 1.150,20 DM für diesen Zeitraum bereits ausgezahltes Arbeitslosengeld (Alg) abgezogen wurde.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger einen weiteren Betrag an Kaug von 408,96 DM entsprechend dem für die Zeit vom 25. August 1975 bis 3. September 1975 an ihn nicht ausgezahlten Kug geltend. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg; er wurde mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 1976 zurückgewiesen. In den Gründen des Widerspruchsbescheides wurde ausgeführt, der Betrag von 408,96 DM sei nicht zum Arbeitsentgelt im Sinne des § 141b Abs. 1 AFG zu rechnen.
Die Klage des Klägers blieb ebenfalls ohne Erfolg. Sie wurde mit Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main (SG) vom 15. Februar 1978 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen des Urteils wurde ausgeführt, der Kläger habe für den streitigen Zeitraum noch einen Anspruch auf Kug, nicht aber auf Weiterzahlung seines vollen Arbeitsentgelts gegen den Arbeitgeber gehabt. Infolgedessen habe infolge der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers auch kein Arbeitsentgelt ausfallen können, des durch die Gewährung von Kaug auszugleichen wäre. Der Umstand, daß die Auszahlung des Kug für diese Zeit mangels Antragstellung unterblieben sei, ändere nichts an dem Charakter der Leistung, die kein ausgefallenes Arbeitsentgelt im Sinne des § 141 b AFG darstelle.
Das SG ließ die Berufung gegen das Urteil zu.
Gegen dieses ihm am 7. April 1978 zugestellte Urteil richtet sich die am 27. April 1978 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Er trägt vor, die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Meldung von Kurzarbeit gehöre nicht nur zu den öffentlich-rechtlichen Pflichten des Arbeitgebers, sondern auch zu den arbeitsvertraglichen Pflichten. Die Unterlassung der Meldung stelle deshalb einen groben Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht dar. Aus dieser Unterlassung folge unmittelbar eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers und ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers. Somit bestehe ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber in Höhe des Kug-Betrages von 408,96 DM, der dem Kläger zugestanden hätte. Dieser Schadensersatzanspruch stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit dar aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses geschuldeten Arbeitsleistung. Dieser Zusammenhang ergebe sich auch daraus, daß das Kurzarbeitergeld Ersatz für ausgefallenen Lohn sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. Februar 1978 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 1. April 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 1976 zu verurteilen, einen Betrag von 408,96 DM an Konkursausfallgeld an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Sie trägt vor, zwar sei dem Kläger abzustimmen, daß sich aus der Säumnis des Arbeitgebers ein Schadensersatzanspruch ergebe, weil dieser durch die Nichteinreichung der Abrechnungslisten gegen seine arbeitsvertraglichen Fürsorgepflichten verstoßen habe. Diese Schadensersatzforderung sei jedoch mit einem Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht gleichzusetzen. Vielmehr könnten nur solche Schadensersatzforderungen als Ansprüche auf Arbeitsentgelt im Sinne des § 141 b Abs. 1 AFG angesehen werden; die auf Ersatz entgangenen laufenden Arbeitslohnes gerichtet seien und somit in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung stünden. Der Arbeitgeber des Klägers habe aber Schadensersatz nicht für entgangenen Arbeitslohn, sondern für entgangenes Kug leisten müssen.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Kaug-Leistungsakte und der Kug-Leistungsakte des Arbeitsamtes Frankfurt am Main, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; denn sie ist form- sowie fristgerecht eingelegt und durch Zulassung statthaft (§§ 150 Nr. 1, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Sachlich ist die Berufung des Klägers auch begründet. Nach § 141 Abs. 1 i.V.m. § 141 a AFG hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Ausgleich seines ausgefallenen Arbeitsentgeltes, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Der Eröffnung des Konkursverfahrens steht bei der Anwendung der Vorschriften über das Kaug die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse gleich (§ 141 b Abs. 3 Nr. 1 AFG). Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 a Konkursordnung (KO) sein können (§ 141b Abs. 2 AFG). Dazu rechnen die rückständigen Ansprüche des Arbeitnehmers auf Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis mit dem Gemeinschuldner. Unter Arbeitsentgelt im Sinne dieser Vorschriften ist alles zu verstehen, was als Gegenwert für die Arbeitsleistung anzusehen ist (vgl. BSG, Urt. v. 30. November 1977 – 12 RAr 99/76 – mit Literaturhinweis). Dazu gehört nach Auffassung des Senats aber auch der Schadensersatzanspruch des Klägers, um den es hier geht, weil dieser auf Lohnersatz durch den Arbeitgeber gerichtet ist. Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, daß das Arbeitsverhältnis die Grundlage für diesen Schadensersatzanspruch bildet. Es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Schadenersatzleistung und dem Arbeitsverhältnis. Der Anspruch des Klägers auf Schadensersatz hat seinen Rechtsgrund in einer Verletzung einer Vertragspflicht durch den Arbeitgeber, nämlich der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer. Es handelt sich daher um einen arbeitsvertraglichen Schadensersatzanspruch. Durch die Verletzung der Fürsorgepflicht, nämlich durch die Nichteinreichung der Abrechnungslisten und damit der Unterlassung der erforderlichen Beantragung der Auszahlung des Kug war hier eine Auszahlung von Kug an den Kläger unterblieben, einer Leistung, die ausgefallenen Lohn ersetzen soll. Der Kläger war hier insoweit nicht in der Lage, zu einer Schadensminderung beizutragen, indem er auf die Stellung des Antrags auf Kug hinwirkte (vgl. dazu Schönfelder/Kranz/Wanka, Komm. zum AFG, Anm. 9 zu § 65 AFG). Dafür fehlen auch nach dem Vortrag der Beteiligten jegliche Anhaltspunkte. Selbst ist er insoweit nicht antragsberechtigt (§ 72 Abs. 2 AFG). Vielmehr handelt der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer als gesetzlicher Prozeßgesellschafter (vgl. BSG, Urt. v. 11. Februar 1976 – 7 RAr 50/74 –). Die an sich materiell anspruchsberechtigten Arbeitnehmer können nicht selbst ihre Ansprüche auf Kug geltend machen.
Dieser Schadensersatzanspruch ist auch als rückständiger Anspruch auf Arbeitsentgelt nach § 141 b Abs. 2 AFG i.V.m. § 59 Abs. 1 Nr. 3 a KO anzusehen. Denn diesem Anspruch kommt die Eigenschaft einer Massenschuld im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 3 a KO zu. Das Gesetz über Konkursausfallgeld hat die Stellung der Arbeitnehmer u.a. durch Änderung der konkursrechtlichen Vorschriften in der Weise verbessert, daß im Konkurs des Arbeitgebers (oder die dem gleichgestellten Fälle, § 141b Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 AFG), die für die letzten 6 Monate vor Eröffnung des Verfahrens rückständigen Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis in Massenschulden umgewandelt werden sind (§ 59 Abs. 1 Nr. 3, § 60 Abs. 1 Nr. 3 KO). Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist aber unter dem Begriff der Arbeitnehmerbezüge im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 3 a unterzuordnen. Denn die Ausübung der vertraglichen Fürsorgepflicht hätte hier, soweit sie die Pflicht zur rechtzeitigen Beantragung von Kug beinhaltet, dazu gedient, dem Kläger einen Lohnersatz, nämlich Kug, zu verschaffen. Schadensersatzansprüche, die aufgrund einer dahingehenden Verletzung dieser Fürsorgepflicht entstehen, sind nach Auffassung des Senats deshalb zu den Bezügen im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 3 a KO zu rechnen. Denn ohne diese Fürsorgepflichtverletzung wäre dem Kläger anstelle des Lohnes eine andere Leistung – nämlich Kug – ausgezahlt worden (vgl. dazu auch Hornung, zum Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 628 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – im Konkurs des Arbeitgebers, Rpfleger 1976 S. 386, 388). Der Senat hat bei der hier getroffenen – weiten – Auslegung des § 59 Abs. 1 Nr. 3 a KO den Leitgedanken des Gesetzes über Konkursausfallgeld (Drittes Gesetz zur Änderung des AFG) vom 17. Juli 1974 (BGBl. I S. 1481) berücksichtigt, die Position des Arbeitnehmers im Konkurs des Arbeitgebers entscheidend zu stärken, jedenfalls soweit es um Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate geht. Hierzu zählt aber der in Frage stehende Schadensersatzanspruch des Klägers, weil sein Entstehungstatbestand in dieser Zeit voll verwirklicht worden ist.
Der Kläger hat somit einen – weiteren – Anspruch auf Kaug entsprechend diesem Schadensersatzanspruch. Dieser entspricht wiederum dem begehrten Kaug in Höhe von 408,96 DM, weil dieser Betrag dem Kug entspricht, welches dem Kläger für die Zeit vom 25. August 1975 bis 3. September 1975 bei pflichtgemäßer Antragstellung durch den Arbeitgeber zugestanden hätte. Irgendeine Schadensminderungspflicht bzw. eine Anrechnungspflicht auf diesen Schadensersatzanspruch ist hier nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, da er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG); zu der Frage, ob ein Schadensersatzanspruch, wie er hier in Frage steht, als Masseschuld im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 3 a KO anzusehen ist, liegt bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor.
II. Die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten hat die Beklagte zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger wegen eines Schadensersatzanspruchs gegen seinen Arbeitgeber in Höhe von 408,96 DM entsprechend höheres Konkursausfallgeld (Kaug) zusteht.
Der Kläger war bei der "A.-Maschinenfabrik GmbH in N. als Fertigungskontrolleur beschäftigt. Zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung wurde am 7. Mai 1975 die Einführung von Kurzarbeit vom 20. Mai 1975 an vereinbart. Auf die Anzeige der Firma über Arbeitsausfall infolge Kurzarbeit erkannte das Arbeitsamt Frankfurt am Main die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug) nach §§ 63, 64 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) an und teilte mit, daß den gewerblichen Arbeitnehmern ab 20. Mai 1975 und den Angestellten ab 1. Juni 1975 Kug gezahlt werden könne.
Der Kläger erhielt zuletzt für die Zeit vom 4. August 1975 bis 22. August 1975 Kug in Höhe von 766,80 DM, für die Zeit vom 25. August 1975 bis 3. September 1975 erhielt der Kläger kein Kug ausgezahlt. Der Arbeitgeber versäumte es, die Abrechnungslisten für Kug für diesen Zeitraum einzureichen. Für die Zeit vom 25. August bis 3. September 1975 hätte dem Kläger Kug in Höhe von 408,96 DM zugestanden. Die "A”-Maschinenfabrik GmbH stellte am 2. September 1975 Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen, der mit Beschluss des Amtsgerichts Offenbach vom 15. Dezember 1975 (7 N 131/75) mangels Masse abgelehnt wurde. Das Beschäftigungsverhältnis des Klägers bei der "A”-Maschinenfabrik GmbH war vom Arbeitgeber zum 4. Oktober 1975 gekündigt worden.
Am 6. September 1975 beantragte der Kläger beim Arbeitsamt F. Kaug. In der Verdienstbescheinigung des ehemaligen Arbeitgebers vom 6. Februar 1976 wurde für die Zeit vom 25. August 1975 bis 3. September 1975 der Betrag von 408,96 DM als dem Kläger noch zu zahlendes Kug aufgeführt. Mit Bescheid vom 1. April 1976 bewilligte das Arbeitsamt für den Zeitraum vom 5. Juli 1975 bis 4. Oktober 1975 Kaug in Höhe von 2.234,54 DM, wovon 1.150,20 DM für diesen Zeitraum bereits ausgezahltes Arbeitslosengeld (Alg) abgezogen wurde.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger einen weiteren Betrag an Kaug von 408,96 DM entsprechend dem für die Zeit vom 25. August 1975 bis 3. September 1975 an ihn nicht ausgezahlten Kug geltend. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg; er wurde mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 1976 zurückgewiesen. In den Gründen des Widerspruchsbescheides wurde ausgeführt, der Betrag von 408,96 DM sei nicht zum Arbeitsentgelt im Sinne des § 141b Abs. 1 AFG zu rechnen.
Die Klage des Klägers blieb ebenfalls ohne Erfolg. Sie wurde mit Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main (SG) vom 15. Februar 1978 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen des Urteils wurde ausgeführt, der Kläger habe für den streitigen Zeitraum noch einen Anspruch auf Kug, nicht aber auf Weiterzahlung seines vollen Arbeitsentgelts gegen den Arbeitgeber gehabt. Infolgedessen habe infolge der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers auch kein Arbeitsentgelt ausfallen können, des durch die Gewährung von Kaug auszugleichen wäre. Der Umstand, daß die Auszahlung des Kug für diese Zeit mangels Antragstellung unterblieben sei, ändere nichts an dem Charakter der Leistung, die kein ausgefallenes Arbeitsentgelt im Sinne des § 141 b AFG darstelle.
Das SG ließ die Berufung gegen das Urteil zu.
Gegen dieses ihm am 7. April 1978 zugestellte Urteil richtet sich die am 27. April 1978 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Er trägt vor, die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Meldung von Kurzarbeit gehöre nicht nur zu den öffentlich-rechtlichen Pflichten des Arbeitgebers, sondern auch zu den arbeitsvertraglichen Pflichten. Die Unterlassung der Meldung stelle deshalb einen groben Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht dar. Aus dieser Unterlassung folge unmittelbar eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers und ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers. Somit bestehe ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber in Höhe des Kug-Betrages von 408,96 DM, der dem Kläger zugestanden hätte. Dieser Schadensersatzanspruch stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit dar aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses geschuldeten Arbeitsleistung. Dieser Zusammenhang ergebe sich auch daraus, daß das Kurzarbeitergeld Ersatz für ausgefallenen Lohn sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. Februar 1978 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 1. April 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 1976 zu verurteilen, einen Betrag von 408,96 DM an Konkursausfallgeld an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Sie trägt vor, zwar sei dem Kläger abzustimmen, daß sich aus der Säumnis des Arbeitgebers ein Schadensersatzanspruch ergebe, weil dieser durch die Nichteinreichung der Abrechnungslisten gegen seine arbeitsvertraglichen Fürsorgepflichten verstoßen habe. Diese Schadensersatzforderung sei jedoch mit einem Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht gleichzusetzen. Vielmehr könnten nur solche Schadensersatzforderungen als Ansprüche auf Arbeitsentgelt im Sinne des § 141 b Abs. 1 AFG angesehen werden; die auf Ersatz entgangenen laufenden Arbeitslohnes gerichtet seien und somit in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung stünden. Der Arbeitgeber des Klägers habe aber Schadensersatz nicht für entgangenen Arbeitslohn, sondern für entgangenes Kug leisten müssen.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Kaug-Leistungsakte und der Kug-Leistungsakte des Arbeitsamtes Frankfurt am Main, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; denn sie ist form- sowie fristgerecht eingelegt und durch Zulassung statthaft (§§ 150 Nr. 1, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Sachlich ist die Berufung des Klägers auch begründet. Nach § 141 Abs. 1 i.V.m. § 141 a AFG hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Ausgleich seines ausgefallenen Arbeitsentgeltes, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Der Eröffnung des Konkursverfahrens steht bei der Anwendung der Vorschriften über das Kaug die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse gleich (§ 141 b Abs. 3 Nr. 1 AFG). Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 a Konkursordnung (KO) sein können (§ 141b Abs. 2 AFG). Dazu rechnen die rückständigen Ansprüche des Arbeitnehmers auf Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis mit dem Gemeinschuldner. Unter Arbeitsentgelt im Sinne dieser Vorschriften ist alles zu verstehen, was als Gegenwert für die Arbeitsleistung anzusehen ist (vgl. BSG, Urt. v. 30. November 1977 – 12 RAr 99/76 – mit Literaturhinweis). Dazu gehört nach Auffassung des Senats aber auch der Schadensersatzanspruch des Klägers, um den es hier geht, weil dieser auf Lohnersatz durch den Arbeitgeber gerichtet ist. Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, daß das Arbeitsverhältnis die Grundlage für diesen Schadensersatzanspruch bildet. Es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Schadenersatzleistung und dem Arbeitsverhältnis. Der Anspruch des Klägers auf Schadensersatz hat seinen Rechtsgrund in einer Verletzung einer Vertragspflicht durch den Arbeitgeber, nämlich der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer. Es handelt sich daher um einen arbeitsvertraglichen Schadensersatzanspruch. Durch die Verletzung der Fürsorgepflicht, nämlich durch die Nichteinreichung der Abrechnungslisten und damit der Unterlassung der erforderlichen Beantragung der Auszahlung des Kug war hier eine Auszahlung von Kug an den Kläger unterblieben, einer Leistung, die ausgefallenen Lohn ersetzen soll. Der Kläger war hier insoweit nicht in der Lage, zu einer Schadensminderung beizutragen, indem er auf die Stellung des Antrags auf Kug hinwirkte (vgl. dazu Schönfelder/Kranz/Wanka, Komm. zum AFG, Anm. 9 zu § 65 AFG). Dafür fehlen auch nach dem Vortrag der Beteiligten jegliche Anhaltspunkte. Selbst ist er insoweit nicht antragsberechtigt (§ 72 Abs. 2 AFG). Vielmehr handelt der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer als gesetzlicher Prozeßgesellschafter (vgl. BSG, Urt. v. 11. Februar 1976 – 7 RAr 50/74 –). Die an sich materiell anspruchsberechtigten Arbeitnehmer können nicht selbst ihre Ansprüche auf Kug geltend machen.
Dieser Schadensersatzanspruch ist auch als rückständiger Anspruch auf Arbeitsentgelt nach § 141 b Abs. 2 AFG i.V.m. § 59 Abs. 1 Nr. 3 a KO anzusehen. Denn diesem Anspruch kommt die Eigenschaft einer Massenschuld im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 3 a KO zu. Das Gesetz über Konkursausfallgeld hat die Stellung der Arbeitnehmer u.a. durch Änderung der konkursrechtlichen Vorschriften in der Weise verbessert, daß im Konkurs des Arbeitgebers (oder die dem gleichgestellten Fälle, § 141b Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 AFG), die für die letzten 6 Monate vor Eröffnung des Verfahrens rückständigen Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis in Massenschulden umgewandelt werden sind (§ 59 Abs. 1 Nr. 3, § 60 Abs. 1 Nr. 3 KO). Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist aber unter dem Begriff der Arbeitnehmerbezüge im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 3 a unterzuordnen. Denn die Ausübung der vertraglichen Fürsorgepflicht hätte hier, soweit sie die Pflicht zur rechtzeitigen Beantragung von Kug beinhaltet, dazu gedient, dem Kläger einen Lohnersatz, nämlich Kug, zu verschaffen. Schadensersatzansprüche, die aufgrund einer dahingehenden Verletzung dieser Fürsorgepflicht entstehen, sind nach Auffassung des Senats deshalb zu den Bezügen im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 3 a KO zu rechnen. Denn ohne diese Fürsorgepflichtverletzung wäre dem Kläger anstelle des Lohnes eine andere Leistung – nämlich Kug – ausgezahlt worden (vgl. dazu auch Hornung, zum Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 628 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – im Konkurs des Arbeitgebers, Rpfleger 1976 S. 386, 388). Der Senat hat bei der hier getroffenen – weiten – Auslegung des § 59 Abs. 1 Nr. 3 a KO den Leitgedanken des Gesetzes über Konkursausfallgeld (Drittes Gesetz zur Änderung des AFG) vom 17. Juli 1974 (BGBl. I S. 1481) berücksichtigt, die Position des Arbeitnehmers im Konkurs des Arbeitgebers entscheidend zu stärken, jedenfalls soweit es um Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate geht. Hierzu zählt aber der in Frage stehende Schadensersatzanspruch des Klägers, weil sein Entstehungstatbestand in dieser Zeit voll verwirklicht worden ist.
Der Kläger hat somit einen – weiteren – Anspruch auf Kaug entsprechend diesem Schadensersatzanspruch. Dieser entspricht wiederum dem begehrten Kaug in Höhe von 408,96 DM, weil dieser Betrag dem Kug entspricht, welches dem Kläger für die Zeit vom 25. August 1975 bis 3. September 1975 bei pflichtgemäßer Antragstellung durch den Arbeitgeber zugestanden hätte. Irgendeine Schadensminderungspflicht bzw. eine Anrechnungspflicht auf diesen Schadensersatzanspruch ist hier nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, da er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG); zu der Frage, ob ein Schadensersatzanspruch, wie er hier in Frage steht, als Masseschuld im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 3 a KO anzusehen ist, liegt bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved