Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 5 Ar 118/76
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Ar 128/78
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Uhg gehört nicht zu den zweckgebundenen Leistungen nach § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG.
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 1. Dezember 1977 und der Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 1976 insoweit aufgehoben, als die Rückforderung für den 3. November 1975 erbrachte Leistungen betrifft. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe – Alhi – für die Zeit vom 3. November 1975 bis 26. Januar 1976 und über die Rückforderung von 1.581,66 DM.
Der im Jahre 1938 geborene Kläger bezog seit dem 31. Mai 1974 Alhi; am 3. November 1975 hatte er Leistungen für 834 Tage bezogen. Ab 3. November 1975 war seiner Ehefrau A. B. Unterhaltsgeld – Uhg – in Höhe von 240,– DM wöchentlich bewilligt worden (Bescheid vom 12. November 1975). Am 29. Dezember 1975 gab das Arbeitsamt G. dem Kläger einen Fragebogen zum Bezug von Alhi aus, den dieser neben der Unterschriftsleistung mit dem 13. Januar 1976 kennzeichnete und der das Eingangsdatum des Arbeitsamtes vom 27. Januar 1976 trägt. In diesem Fragebogen gab er den Bezug des Uhg seiner Ehefrau an.
Mit Bescheid vom 13. Februar 1976 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 3. November 1975 bis 26. Januar 1976 teilweise in Höhe von 1.584,83 DM auf. Zur Begründung führte sie an, die Ehefrau des Klägers beziehe seit dem 3. November 1975 Uhg, weshalb ein zu niedriger Anrechnungsbetrag bei der Alhi berücksichtigt worden sei. Durch die verspätete Anzeige des Einkommens seiner Ehefrau habe er die Überzahlung grobfahrlässig verursacht (§ 152 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitsförderungsgesetz – AFG –). Der Rückzahlungsbetrag werde gemäß § 154 Abs. 1 AFG gegen den bestehenden Ansprach aufgerechnet. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 1976 im wesentlichen zurück; in Abänderung des Bescheides vom 13. Februar 1976 stellte sie lediglich einen Rückzahlungsbetrag von 1.581,66 DM fest.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 27. April 1976 Klage. Er trug vor, das Uhg, das an seine Ehefrau ausgezahlt worden sei, dürfe auf die Alhi nicht angerechnet werden, da dieses nicht zu den anrechnungsfähigen Einkommensarten gehöre. Selbst wenn das Uhg auf die Alhi anzurechnen sei, habe er nicht grobfahrlässig die Überzahlung verursacht. Seine Ehefrau und er hätten die Anträge sorgfältig ausgefüllt. Da das Uhg von dem gleichfalls für ihn zuständigen Arbeitsamt G. gewährt worden sei, sei dieses über die Bewilligung von Leistungen unterrichtet gewesen. Der Fragebogen zu den Anspruchsvoraussetzungen der Alhi sei ihm erst Ende Dezember 1975 zugesandt worden.
Das Sozialgericht Gießen wies die Klage mit Urteil vom 1. Dezember 1977 ab; es ließ die Berufung zu. Zur Begründung führte es an, die Anrechnung des Uhg der Ehefrau des Klägers sei Rechtens. Dabei handele es sich um keine zweckgebundene Leistung im Sinne der Bestimmung des § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG. Es sei weder eine nichtsteuerpflichtige Aufwandsentschädigung noch stelle es eine Leistung zur Erziehung dar. Das Uhg sei auch keine zweckgebundene Leistung zur Berufsausbildung; denn zu diesem Zwecke gewähre die Beklagte Berufsausbildungsbeihilfe. Lediglich diese sei privilegiertes Einkommen nach § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG, nicht das Uhg; diesem komme Lohnersatzfunktion zu, wie beispielsweise dem Alg und dem Krankengeld. Der Kläger sei rückzahlungspflichtig, da er eine Anzeige nach § 148 Abs. 1 AFG, der § 60 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB-AT) entspreche, zumindest grobfahrlässig unterlassen habe. Es komme nicht darauf an, daß der Kläger die rechtlichen Zusammenhänge nicht gekannt habe. Die Bewilligung hätte er anzeigen müssen, nachdem durch Verfügung vom 12. November 1975 ab 3. November 1975 Uhg an seine Ehefrau gezahlt werden sei.
Gegen dieses, an den Kläger durch Einschreiben am 3. Januar 1978 zur Post aufgelieferte Urteil richtet sich seine zur Niederschrift des Urkundsbeamten beim Sozialgericht Gießen am 27. Januar 1978 eingelegte Berufung.
Er trägt vor, das an seine Ehefrau gezahlte Uhg dürfe auf die von ihm bezogene Alhi nicht angerechnet werden, da es sich insoweit um privilegiertes Einkommen handele. Zumindest dürfe die nach Ansicht der Beklagten überzahlte Leistung nicht zurückgefordert werden, da ihm diese Rechtslage nicht bekannt gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 1. Dezember 1977 sowie den Bescheid vom 13. Februar 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 1976 auf auszuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich inhaltlich dem sozialgerichtlichen Urteil an.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere auf den der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten, Stamm-Nr. XXXXX Arbeitsamt G., der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie durch Zulassung statthaft (§§ 143, 150 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die Berufung ist jedoch im wesentlichen unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist im wesentlichen nicht zu beanstanden. Nur soweit überzahlte Alhi unter Anrechnung des Uhg für den 3. November 1975 zurückgefordert wird, waren das Urteil und die Bescheide der Beklagten aufzuheben.
Die Anrechnung das an die Ehefrau des Klägers gezahlten Uhg auf die von diesem bezogene Alhi ist Rechtens; deswegen war die Beklagte auch befugt, die Bewilligung von Alhi für den Zeitraum vom 3. November 1975 bis 26. Januar 1976 teilweise aufzuheben. Gemäß § 134 Abs. 1 Nr. 3 AFG erhält Alhi nur, wer bedürftig ist. Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung ist nach § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG das Einkommen des mit dem Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten anzurechnen, soweit es 75,– DM in der Woche übersteigt. Als Einkommen gelten alle Einkünfte in Geld und Goldeswert nach Abzug der Steuern, der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Bundesanstalt oder entsprechende Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfange und der Werbungskosten (§ 138 Abs. 2 AFG).
Das an die Ehefrau des Klägers am 3. November 1975 gezahlte Uhg kann nicht als zweckgebundene Leistung im Sinne des § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG angesehen werden. Es fällt nicht unter die beispielhaft genannten Leistungen, wie nichtsteuerpflichtige Aufwandsentschädigungen und Leistungen zur Erziehung, Erwerbsbefähigung und Berufsausbildung. Nach der gesetzlichen Regelung werden zweckgebundene Leistungen nicht als Einkommen angesehen. Dabei ist die Bezeichnung "zweckgebunden” nicht so eng auszulegen, daß darunter allein solche Leistungen zu verstehen wären, die der Empfänger nur zu dem in Gesetz oder in einer Vereinbarung vorgesehenen Zwecke verwenden darf oder bei denen der Leistende ein Kontrollrecht oder einen Einfluß auf die Verwendung hat. Vielmehr sind auch solche Beträge darunter zu rechnen, die aus einem bestimmten Anlaß und in einer bestimmten Erwartung gegeben werden und die der Empfänger im allgemeinen für den gedachten Zweck verwenden wird, auch wenn er hierzu nicht angehalten werden könnte (vgl. BSG zu Weihnachtszuwendungen, Urt. v. 21.5.1963, Az.: 7 RAr 76/62).
Das Uhg kann nicht als zweckgebundene Leistung zur Berufsausbildung verstanden werden. Die berufliche Ausbildung ist nach der Systematik des AFG, wie das Sozialgericht zu Recht festgestellt hat, selbständig förderbar und ist von der beruflichen Fortbildung und Umschulung abzugrenzen. Die Leistungen, die die Ehefrau des Klägers bezog, beruhten auf einer im DAG-Bildungszentrum in G. zum Bürokaufmann durchgeführten Umschulung und können deshalb der Ausbildung nicht zugeordnet werden. Diese können darüber hinaus auch nicht als zur Erwerbsbefähigung erbracht angesehen werden.
In welchem Umfang Leistungen, die von der Beklagten im Zusammenhang mit der beruflichen Umschulung gewährt werden, nach § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG privilegiert sind, ist in der Literatur umstritten. Hennig-Kühl-Heuer (Kommentar zum AFG, § 133 Anm. 3 c) vertreten die Auffassung, daß auch Uhg nach § 44 AFG zu den privilegierten Leistungen gehört; Schönfelder-Kranz-Wanka (Arbeitsförderungsgesetz, Kommentar § 138 Randziff. 12) unterscheiden nach Leistungen, die zu bestimmten Zwecken erbracht werden, wie Lehrgangskosten, Kosten für Lernmittel, Fahrkosten usw. und nach Leistungen zum Unterhalt, wie das Uhg; letzteres sei kein privilegiertes Einkommen. Der letzteren, differenzierenden Auffassung vermag sich der Senat anzuschließen. Die von der Beklagten erbrachten Leistungen im Rahmen der beruflichen Fortbildung oder Umschulung, soweit sie bestimmte Kosten betreffen, werden zielgerichtet verwandt und gelangen, beispielsweise hinsichtlich der Lehrgangsgebühren, häufig gar nicht erst in den Verfügungsbereich des Leistungsempfängers, sondern werden unmittelbar dem Maßnahmeträger zur Verfügung gestellt. Soweit Kosten für auswärtige Unterkunft und Verpflegung übernommen werden, wird bei diesen, wie insbesondere die Neuregelungen zeigen, an den tatsächlichen Mehraufwand angeknüpft; sie werden damit zur Erstattung unmittelbar entstehender Kosten gewährt. Das Uhg dient dagegen der Aufrechterhaltung des zuvor innegehabten Lebensstandards und soll, soweit es im Hinblick auf die durchgeführte Maßnahme in unterschiedlicher Höhe gewährt wird, lediglich der Arbeitsmarktlage Rechnung tragen und einen Anreiz zur Durchführung einer Maßnahme bilden. Im übrigen knüpft das Uhg hinsichtlich seiner Bemessung an das zuvor bezogene Arbeitseinkommen an bzw. an diesem vergleichbare Berechnungsfaktoren. Das Uhg steht damit dem Arbeitslosengeld und der Alhi systematisch näher als den Leistungen, die die Beklagte in Zusammenhang mit der Förderung zur Übernahme von bestimmten Kosten erbringt. Dem Uhg kommt eine Lohnersatzfunktion zu; damit stellt es eine Leistung dar, die nach dem in § 138 Abs. 3 AFG erkennbaren System nicht zu dem privilegierten Einkommen gehören soll. Ist das Uhg somit auf die von dem Kläger bezogene Alhi anrechenbar, ist die teilweise Aufhebung von Leistungen durch die Beklagte für den streitbefangenen Zeitraum nach § 151 AFG Rechtens; denn danach ist die Beklagte befugt, Entscheidungen, durch die Leistungen nach dem AFG bewilligt worden sind, insoweit aufzuheben, als die Voraussetzungen für die Leistung nicht vorgelegen haben oder weggefallen sind.
Die Beklagte war auch im wesentlichen berechtigt, den ohne Anrechnung des Uhg der Ehefrau des Klägers gewährten und damit überzahlten Betrag zurückzufordern; dies gilt lediglich nicht, soweit die Beklagte bereits mit Überweisung vom 4. November 1975 für den 3. November 1975 Leistungen erbracht hatte. Ist eine Entscheidung nach § 151 Abs. 1 AFG aufgehoben worden, so ist die Leistung insoweit zurückzuzahlen, als der Empfänger die Gewährung dadurch herbeigeführt hat, daß er eine Anzeige nach § 148 Abs. 1 AFG a.F. – jetzt § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB-AT – vorsätzlich oder grobfahrlässig unterlassen hat (§ 152 Abs. 1 Nr. 1 AFG). Dieser Verpflichtung zur Anzeige ist der Kläger, zumindest nicht unverzüglich, nachgekommen. In seinen von ihm mehrfach abgegebenen Erklärungen, so in dem Fragebogen zur Alhi vom 21. Februar 1975 und 22. Juli 1975 war er auf die Verpflichtung hingewiesen worden, während des Bezuges von Alhi jeden Nebenverdienst sowie jede Veränderung in seinen und in den Verhältnissen seiner Angehörigen, wie sie in dem Fragebogen angegeben waren, unverzüglich dem Arbeitsamt anzuzeigen. Die durch das Verhalten des Klägers eingetretene Verzögerung ist auch grobfahrlässig. Grobe Fahrlässigkeit setzt eine Sorgfaltspflichtverletzung voraus, die als besonders grob und auch subjektiv unentschuldbar einzuordnen ist und die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteigt (vgl. BSG, Urt. v. 31.8.1976, Az.: 7 RAr 112/74 in SozR 4100 § 152 AFG Nr. 3). Dieser Grad der Fahrlässigkeit ist dem Kläger hinsichtlich der Verletzung seiner Anzeigepflicht vorzuwerfen; denn es kommt nicht darauf an, daß der Kläger die Anrechenbarkeit des von seiner Ehefrau bezogenen Uhg nach § 138 Abs. 3 AFG richtig erkannte; die Kenntnis dieser rechtlich verhältnismäßig schwierig gestalteten und zudem unterschiedlich beurteilten Rechtslage kann bei Leistungsbeziehern regelmäßig nicht vorausgesetzt werden. Der Kläger hatte jedoch die dieser Rechtslage zugrundeliegenden Tatbestände der Beklagten darzutun, um ihr unverzüglich eine rechtliche Bewertung zu ermöglichen. Er hatte allein die Verpflichtung, dem Arbeitsamt tatsächliche Veränderungen in seinen Verhältnissen mitzuteilen. Daß dem Kläger diese Einordnung gelang, wird dadurch bewiesen, daß er in dem bei der Beklagten Ende Januar 1976 eingegangenen Antragsvordruck das Uhg seiner Ehefrau angab. Ihm war damit bewußt geworden, daß es sich um eine Leistung handelt, die zu den in dem Fragebogen aufgeführten gehört. Durch die verzögerte Anzeige wurde auch die Überzahlung veranlaßt; die Pflichtverletzung des Klägers wurde damit für die Überzahlung ursächlich.
Auf die Rückforderung hat keinen Einfluß, daß die Beklagte möglicherweise in der Lage gewesen wäre, durch einen Austausch von Informationen innerhalb des Arbeitsamtes Gießen die Überzahlung zu vermeiden. Selbst wenn die Beklagte der Vorwurf eines Mitverschuldens treffen könnte, führte dies nicht zu einer Kürzung oder zu einem Wegfall der Rückforderung. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs, um den es sich auch bei der Rückforderung nach § 152 AFG handelt, ist eine, auch rechtsanaloge, Anwendung der Bestimmung des § 254 Bürgerliches Gesetzbuch nicht zulässig, so daß ein etwaiges Mitverschulden der Beklagten nicht zu einer Minderung der Rückforderung führen könnte (vgl. Urt. des BSG vom 13.2.1975, Az.: 8/7 RKg 14/73).
Eine Rückforderung kam dagegen nicht in Betracht, soweit sich die Rückzahlung auf für den 3. November 1975 erbrachte Leistungen erstreckt. Denn die für diesen Tag gewährte Leistung wurde bereits am 4. November 1975 überwiesen und damit vor Erlaß der Verfügung, durch die die Gewährung von Uhg veranlaßt wurde. Insoweit ist zu Gunsten des Klägers davon auszugehen, daß eine Anzeige die Überzahlung nicht mehr hätte verhindern können. Dies gilt nicht für die für den darauffolgenden Zeitraum erbrachten Leistungen, deren Überweisung erst am 17. November 1975 veranlaßt wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Bei unterschiedlichen Auffassungen in der Literatur ist höchstrichterlich nicht geklärt, ob Uhg zu den zweckgebundenen Leistungen nach § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG zu rechnen ist.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe – Alhi – für die Zeit vom 3. November 1975 bis 26. Januar 1976 und über die Rückforderung von 1.581,66 DM.
Der im Jahre 1938 geborene Kläger bezog seit dem 31. Mai 1974 Alhi; am 3. November 1975 hatte er Leistungen für 834 Tage bezogen. Ab 3. November 1975 war seiner Ehefrau A. B. Unterhaltsgeld – Uhg – in Höhe von 240,– DM wöchentlich bewilligt worden (Bescheid vom 12. November 1975). Am 29. Dezember 1975 gab das Arbeitsamt G. dem Kläger einen Fragebogen zum Bezug von Alhi aus, den dieser neben der Unterschriftsleistung mit dem 13. Januar 1976 kennzeichnete und der das Eingangsdatum des Arbeitsamtes vom 27. Januar 1976 trägt. In diesem Fragebogen gab er den Bezug des Uhg seiner Ehefrau an.
Mit Bescheid vom 13. Februar 1976 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 3. November 1975 bis 26. Januar 1976 teilweise in Höhe von 1.584,83 DM auf. Zur Begründung führte sie an, die Ehefrau des Klägers beziehe seit dem 3. November 1975 Uhg, weshalb ein zu niedriger Anrechnungsbetrag bei der Alhi berücksichtigt worden sei. Durch die verspätete Anzeige des Einkommens seiner Ehefrau habe er die Überzahlung grobfahrlässig verursacht (§ 152 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitsförderungsgesetz – AFG –). Der Rückzahlungsbetrag werde gemäß § 154 Abs. 1 AFG gegen den bestehenden Ansprach aufgerechnet. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 1976 im wesentlichen zurück; in Abänderung des Bescheides vom 13. Februar 1976 stellte sie lediglich einen Rückzahlungsbetrag von 1.581,66 DM fest.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 27. April 1976 Klage. Er trug vor, das Uhg, das an seine Ehefrau ausgezahlt worden sei, dürfe auf die Alhi nicht angerechnet werden, da dieses nicht zu den anrechnungsfähigen Einkommensarten gehöre. Selbst wenn das Uhg auf die Alhi anzurechnen sei, habe er nicht grobfahrlässig die Überzahlung verursacht. Seine Ehefrau und er hätten die Anträge sorgfältig ausgefüllt. Da das Uhg von dem gleichfalls für ihn zuständigen Arbeitsamt G. gewährt worden sei, sei dieses über die Bewilligung von Leistungen unterrichtet gewesen. Der Fragebogen zu den Anspruchsvoraussetzungen der Alhi sei ihm erst Ende Dezember 1975 zugesandt worden.
Das Sozialgericht Gießen wies die Klage mit Urteil vom 1. Dezember 1977 ab; es ließ die Berufung zu. Zur Begründung führte es an, die Anrechnung des Uhg der Ehefrau des Klägers sei Rechtens. Dabei handele es sich um keine zweckgebundene Leistung im Sinne der Bestimmung des § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG. Es sei weder eine nichtsteuerpflichtige Aufwandsentschädigung noch stelle es eine Leistung zur Erziehung dar. Das Uhg sei auch keine zweckgebundene Leistung zur Berufsausbildung; denn zu diesem Zwecke gewähre die Beklagte Berufsausbildungsbeihilfe. Lediglich diese sei privilegiertes Einkommen nach § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG, nicht das Uhg; diesem komme Lohnersatzfunktion zu, wie beispielsweise dem Alg und dem Krankengeld. Der Kläger sei rückzahlungspflichtig, da er eine Anzeige nach § 148 Abs. 1 AFG, der § 60 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB-AT) entspreche, zumindest grobfahrlässig unterlassen habe. Es komme nicht darauf an, daß der Kläger die rechtlichen Zusammenhänge nicht gekannt habe. Die Bewilligung hätte er anzeigen müssen, nachdem durch Verfügung vom 12. November 1975 ab 3. November 1975 Uhg an seine Ehefrau gezahlt werden sei.
Gegen dieses, an den Kläger durch Einschreiben am 3. Januar 1978 zur Post aufgelieferte Urteil richtet sich seine zur Niederschrift des Urkundsbeamten beim Sozialgericht Gießen am 27. Januar 1978 eingelegte Berufung.
Er trägt vor, das an seine Ehefrau gezahlte Uhg dürfe auf die von ihm bezogene Alhi nicht angerechnet werden, da es sich insoweit um privilegiertes Einkommen handele. Zumindest dürfe die nach Ansicht der Beklagten überzahlte Leistung nicht zurückgefordert werden, da ihm diese Rechtslage nicht bekannt gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 1. Dezember 1977 sowie den Bescheid vom 13. Februar 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 1976 auf auszuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich inhaltlich dem sozialgerichtlichen Urteil an.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere auf den der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten, Stamm-Nr. XXXXX Arbeitsamt G., der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie durch Zulassung statthaft (§§ 143, 150 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die Berufung ist jedoch im wesentlichen unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist im wesentlichen nicht zu beanstanden. Nur soweit überzahlte Alhi unter Anrechnung des Uhg für den 3. November 1975 zurückgefordert wird, waren das Urteil und die Bescheide der Beklagten aufzuheben.
Die Anrechnung das an die Ehefrau des Klägers gezahlten Uhg auf die von diesem bezogene Alhi ist Rechtens; deswegen war die Beklagte auch befugt, die Bewilligung von Alhi für den Zeitraum vom 3. November 1975 bis 26. Januar 1976 teilweise aufzuheben. Gemäß § 134 Abs. 1 Nr. 3 AFG erhält Alhi nur, wer bedürftig ist. Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung ist nach § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG das Einkommen des mit dem Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten anzurechnen, soweit es 75,– DM in der Woche übersteigt. Als Einkommen gelten alle Einkünfte in Geld und Goldeswert nach Abzug der Steuern, der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Bundesanstalt oder entsprechende Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfange und der Werbungskosten (§ 138 Abs. 2 AFG).
Das an die Ehefrau des Klägers am 3. November 1975 gezahlte Uhg kann nicht als zweckgebundene Leistung im Sinne des § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG angesehen werden. Es fällt nicht unter die beispielhaft genannten Leistungen, wie nichtsteuerpflichtige Aufwandsentschädigungen und Leistungen zur Erziehung, Erwerbsbefähigung und Berufsausbildung. Nach der gesetzlichen Regelung werden zweckgebundene Leistungen nicht als Einkommen angesehen. Dabei ist die Bezeichnung "zweckgebunden” nicht so eng auszulegen, daß darunter allein solche Leistungen zu verstehen wären, die der Empfänger nur zu dem in Gesetz oder in einer Vereinbarung vorgesehenen Zwecke verwenden darf oder bei denen der Leistende ein Kontrollrecht oder einen Einfluß auf die Verwendung hat. Vielmehr sind auch solche Beträge darunter zu rechnen, die aus einem bestimmten Anlaß und in einer bestimmten Erwartung gegeben werden und die der Empfänger im allgemeinen für den gedachten Zweck verwenden wird, auch wenn er hierzu nicht angehalten werden könnte (vgl. BSG zu Weihnachtszuwendungen, Urt. v. 21.5.1963, Az.: 7 RAr 76/62).
Das Uhg kann nicht als zweckgebundene Leistung zur Berufsausbildung verstanden werden. Die berufliche Ausbildung ist nach der Systematik des AFG, wie das Sozialgericht zu Recht festgestellt hat, selbständig förderbar und ist von der beruflichen Fortbildung und Umschulung abzugrenzen. Die Leistungen, die die Ehefrau des Klägers bezog, beruhten auf einer im DAG-Bildungszentrum in G. zum Bürokaufmann durchgeführten Umschulung und können deshalb der Ausbildung nicht zugeordnet werden. Diese können darüber hinaus auch nicht als zur Erwerbsbefähigung erbracht angesehen werden.
In welchem Umfang Leistungen, die von der Beklagten im Zusammenhang mit der beruflichen Umschulung gewährt werden, nach § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG privilegiert sind, ist in der Literatur umstritten. Hennig-Kühl-Heuer (Kommentar zum AFG, § 133 Anm. 3 c) vertreten die Auffassung, daß auch Uhg nach § 44 AFG zu den privilegierten Leistungen gehört; Schönfelder-Kranz-Wanka (Arbeitsförderungsgesetz, Kommentar § 138 Randziff. 12) unterscheiden nach Leistungen, die zu bestimmten Zwecken erbracht werden, wie Lehrgangskosten, Kosten für Lernmittel, Fahrkosten usw. und nach Leistungen zum Unterhalt, wie das Uhg; letzteres sei kein privilegiertes Einkommen. Der letzteren, differenzierenden Auffassung vermag sich der Senat anzuschließen. Die von der Beklagten erbrachten Leistungen im Rahmen der beruflichen Fortbildung oder Umschulung, soweit sie bestimmte Kosten betreffen, werden zielgerichtet verwandt und gelangen, beispielsweise hinsichtlich der Lehrgangsgebühren, häufig gar nicht erst in den Verfügungsbereich des Leistungsempfängers, sondern werden unmittelbar dem Maßnahmeträger zur Verfügung gestellt. Soweit Kosten für auswärtige Unterkunft und Verpflegung übernommen werden, wird bei diesen, wie insbesondere die Neuregelungen zeigen, an den tatsächlichen Mehraufwand angeknüpft; sie werden damit zur Erstattung unmittelbar entstehender Kosten gewährt. Das Uhg dient dagegen der Aufrechterhaltung des zuvor innegehabten Lebensstandards und soll, soweit es im Hinblick auf die durchgeführte Maßnahme in unterschiedlicher Höhe gewährt wird, lediglich der Arbeitsmarktlage Rechnung tragen und einen Anreiz zur Durchführung einer Maßnahme bilden. Im übrigen knüpft das Uhg hinsichtlich seiner Bemessung an das zuvor bezogene Arbeitseinkommen an bzw. an diesem vergleichbare Berechnungsfaktoren. Das Uhg steht damit dem Arbeitslosengeld und der Alhi systematisch näher als den Leistungen, die die Beklagte in Zusammenhang mit der Förderung zur Übernahme von bestimmten Kosten erbringt. Dem Uhg kommt eine Lohnersatzfunktion zu; damit stellt es eine Leistung dar, die nach dem in § 138 Abs. 3 AFG erkennbaren System nicht zu dem privilegierten Einkommen gehören soll. Ist das Uhg somit auf die von dem Kläger bezogene Alhi anrechenbar, ist die teilweise Aufhebung von Leistungen durch die Beklagte für den streitbefangenen Zeitraum nach § 151 AFG Rechtens; denn danach ist die Beklagte befugt, Entscheidungen, durch die Leistungen nach dem AFG bewilligt worden sind, insoweit aufzuheben, als die Voraussetzungen für die Leistung nicht vorgelegen haben oder weggefallen sind.
Die Beklagte war auch im wesentlichen berechtigt, den ohne Anrechnung des Uhg der Ehefrau des Klägers gewährten und damit überzahlten Betrag zurückzufordern; dies gilt lediglich nicht, soweit die Beklagte bereits mit Überweisung vom 4. November 1975 für den 3. November 1975 Leistungen erbracht hatte. Ist eine Entscheidung nach § 151 Abs. 1 AFG aufgehoben worden, so ist die Leistung insoweit zurückzuzahlen, als der Empfänger die Gewährung dadurch herbeigeführt hat, daß er eine Anzeige nach § 148 Abs. 1 AFG a.F. – jetzt § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB-AT – vorsätzlich oder grobfahrlässig unterlassen hat (§ 152 Abs. 1 Nr. 1 AFG). Dieser Verpflichtung zur Anzeige ist der Kläger, zumindest nicht unverzüglich, nachgekommen. In seinen von ihm mehrfach abgegebenen Erklärungen, so in dem Fragebogen zur Alhi vom 21. Februar 1975 und 22. Juli 1975 war er auf die Verpflichtung hingewiesen worden, während des Bezuges von Alhi jeden Nebenverdienst sowie jede Veränderung in seinen und in den Verhältnissen seiner Angehörigen, wie sie in dem Fragebogen angegeben waren, unverzüglich dem Arbeitsamt anzuzeigen. Die durch das Verhalten des Klägers eingetretene Verzögerung ist auch grobfahrlässig. Grobe Fahrlässigkeit setzt eine Sorgfaltspflichtverletzung voraus, die als besonders grob und auch subjektiv unentschuldbar einzuordnen ist und die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteigt (vgl. BSG, Urt. v. 31.8.1976, Az.: 7 RAr 112/74 in SozR 4100 § 152 AFG Nr. 3). Dieser Grad der Fahrlässigkeit ist dem Kläger hinsichtlich der Verletzung seiner Anzeigepflicht vorzuwerfen; denn es kommt nicht darauf an, daß der Kläger die Anrechenbarkeit des von seiner Ehefrau bezogenen Uhg nach § 138 Abs. 3 AFG richtig erkannte; die Kenntnis dieser rechtlich verhältnismäßig schwierig gestalteten und zudem unterschiedlich beurteilten Rechtslage kann bei Leistungsbeziehern regelmäßig nicht vorausgesetzt werden. Der Kläger hatte jedoch die dieser Rechtslage zugrundeliegenden Tatbestände der Beklagten darzutun, um ihr unverzüglich eine rechtliche Bewertung zu ermöglichen. Er hatte allein die Verpflichtung, dem Arbeitsamt tatsächliche Veränderungen in seinen Verhältnissen mitzuteilen. Daß dem Kläger diese Einordnung gelang, wird dadurch bewiesen, daß er in dem bei der Beklagten Ende Januar 1976 eingegangenen Antragsvordruck das Uhg seiner Ehefrau angab. Ihm war damit bewußt geworden, daß es sich um eine Leistung handelt, die zu den in dem Fragebogen aufgeführten gehört. Durch die verzögerte Anzeige wurde auch die Überzahlung veranlaßt; die Pflichtverletzung des Klägers wurde damit für die Überzahlung ursächlich.
Auf die Rückforderung hat keinen Einfluß, daß die Beklagte möglicherweise in der Lage gewesen wäre, durch einen Austausch von Informationen innerhalb des Arbeitsamtes Gießen die Überzahlung zu vermeiden. Selbst wenn die Beklagte der Vorwurf eines Mitverschuldens treffen könnte, führte dies nicht zu einer Kürzung oder zu einem Wegfall der Rückforderung. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs, um den es sich auch bei der Rückforderung nach § 152 AFG handelt, ist eine, auch rechtsanaloge, Anwendung der Bestimmung des § 254 Bürgerliches Gesetzbuch nicht zulässig, so daß ein etwaiges Mitverschulden der Beklagten nicht zu einer Minderung der Rückforderung führen könnte (vgl. Urt. des BSG vom 13.2.1975, Az.: 8/7 RKg 14/73).
Eine Rückforderung kam dagegen nicht in Betracht, soweit sich die Rückzahlung auf für den 3. November 1975 erbrachte Leistungen erstreckt. Denn die für diesen Tag gewährte Leistung wurde bereits am 4. November 1975 überwiesen und damit vor Erlaß der Verfügung, durch die die Gewährung von Uhg veranlaßt wurde. Insoweit ist zu Gunsten des Klägers davon auszugehen, daß eine Anzeige die Überzahlung nicht mehr hätte verhindern können. Dies gilt nicht für die für den darauffolgenden Zeitraum erbrachten Leistungen, deren Überweisung erst am 17. November 1975 veranlaßt wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Bei unterschiedlichen Auffassungen in der Literatur ist höchstrichterlich nicht geklärt, ob Uhg zu den zweckgebundenen Leistungen nach § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG zu rechnen ist.
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