Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 926/68
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1). Der wirtschaftliche Schaden des Beschädigten muß durch die Schädigungsfolgen verursacht seit und im Zeitpunkt der Antragstellung sowie für die Dauer der Geltendmachung des Berufsschadensausgleichs weiterhin bestehen.
2). Bezieht der Beschädigte eine Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, bleibt lediglich zu prüfen, ob die Schädigungsfolgen zum vorzeitigen Bezug dieser Rente geführt haben oder dadurch was das Renteneinkommen gemindert ist.
3). Ist ein Beschädigter von Eintritt der Schädigungsfolgen keiner Beschäftigung mehr nachgegangen und läßt der nach der schulischen Ausbildung genommene Berufsweg jeglichen Arbeitswillen vermissen, dann ist es nicht als wahrscheinlich anzusehen, daß er mit mehr als 50 Jahren eine berufliche Tätigkeit entfaltet hätte.
2). Bezieht der Beschädigte eine Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, bleibt lediglich zu prüfen, ob die Schädigungsfolgen zum vorzeitigen Bezug dieser Rente geführt haben oder dadurch was das Renteneinkommen gemindert ist.
3). Ist ein Beschädigter von Eintritt der Schädigungsfolgen keiner Beschäftigung mehr nachgegangen und läßt der nach der schulischen Ausbildung genommene Berufsweg jeglichen Arbeitswillen vermissen, dann ist es nicht als wahrscheinlich anzusehen, daß er mit mehr als 50 Jahren eine berufliche Tätigkeit entfaltet hätte.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 3. September 1968 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1901 geborene Kläger, der während des Krieges bei dem Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen und dem Ministerium für Rüstung und Kriegsproduktion beschäftigt war, beantragte am 5. Juli 1954 Versorgungsbezüge nach dem Bundesversorgungsgesetzt (BVG) wegen Amputation des rechten Beines, die am 18. Juni 1954 wegen eines ausgedehnten Carzinoms spine cellulare im Bereich des rechten Unterschenkels erforderlich geworden war.
Die dazu gehörten Dres. L. und M. von der Universitäts-Hautklinik der Senat F. vertraten in dem Gutachten vom 25. Januar 1956 die Ansicht, das vom Kläger behauptete schädigte Ereignis im Jahre 1945 – der Schlag mit einem Brecheisen in die Kniekehle – könne nicht als Ursache, sondern höchstens im Sinne einer Verschlimmerung eines schiksalsmäßigen Ablaufes gewertet werden. Schädigungsfolgen liege daher nicht vor.
Mit Bescheid vom 21. März 1956 und Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 1956 ist hiernach die Amputation des rechten Beines bis auf einen Stumpf nicht als Folge einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG angesehen worden, da ein ursächlicher Zusammenhang des 1953 aufgetretenen Krebses mit dem 1945 erlittenen Schlag mit einem Brecheisen in die Kniekehle weder im Sinne der Entstehung noch der Verschlimmerung angenommen werden könne.
In dem sich anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Wiesbaden hat Prof. Dr. W. das Gutachten vom 29. Juni 1957 und Dr. L. dazu die gutachtliche Stellungnahme vom 16. Dezember 1957 abgegeben. Daraufhin hat das Sozialgericht mit Urteil vom 1. Oktober 1959 unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides den Beklagten verurteilt, dem Kläger "Amputation des rechten Oberschenkels im oberen Drittel” als Schädigungsfolge anzuerkennen und ab Antragsmonat eine Rente von 80 v.H. zu gewähren. Vor dem Hessischen Landessozialgericht nahm der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 13. Juli 1960 die Berufung zurück.
Der Kläger stellte nach einem Antrag vom Jahre 1954 erneut am 12. Juni 1958 Antrag auf Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit, der mit Bescheid vom 6. November 1958 abgehen worden ist, nachdem Dr. D. in dem Gutachten vom 18. Oktober 1958 gemeint hatte, er könne als Hotelsekretär mittelschwere Arbeiten geistiger Art im Sitzen regelmäßig in geschlossenen Räumen bis zu 6 Stunden ausführen. Die Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit wird ab 1. Juli 1962 nach der Begutachtung durch Dres. K. und S. gewährt, die neben der Amputation des rechten Oberschenkels im oberen Drittel eine vorzeitige bereits fortgeschrittene allgemeine Gefäßsklerose mit Durchblutungsstörungen des linken Beines, eine Claudicatie intermittens und eine muskuläre Herzinsuffiziens sowie eine Stauungslunge diagnostiziert hatten.
Der Kläger, der von Februar bis März 1946 die Aufsicht über Putzfrauen bei den Farbwerken H. ausgeübt hatte, von 1947 bis 1953 bei Aufbauarbeiten in dem Optikergeschäft seines Bruders in D. für Kost und Logis tätig war, ab 15. Juli 1953 Arbeitslosenfürsorge bis 30. September 1956 und ab 1. November 1957 dann Fürsorgeunterstützung bezogen hatte, beantragte am 4. Januar 1960 die Erhöhung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wegen eines beruflichen Betroffenseins, da er als gelernter Empfangssekretär wegen der Schädigungsfolgen nicht mehr im Hotelgewerbe arbeiten könne. Zu dem beruflichen Werdegang gab er an, er habe von 1907 bis 1918 das Gymnasium besucht und das Reifezeugnis erlangt. Nach seiner Soldatenzeit habe er ab 1920 bis Oktober 1922 Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft studiert und sei ab Juli 1923 bis März 1924 als Dolmetscher, von 1924 bis 1926 als Beifahrer und von 1926 bis 1927 als Volontär in einem zahntechnischen Laboratorium beschäftigt gewesen. Von 1927 bis 1937 habe er das Café-Restaurant seiner Mutter geführt, wofür er Kost und Logis erhalten habe. Ab 10. Juni 1937 bis 30. April 1938 sei er Sekretär in einem D. Hotel gewesen, vom 3. Mai bis 11. Juli 1938 Hotelsekretär in R. P.hotel in Bad H. und vom 17. Juli bis 22. September 1938 Empfangsekretär im Staatlichen Kurhaus im N ... In der Hotelbranche sei er nach 1945 nicht mehr untergekommen, da die jüngere Berufskollegen die wenigen guten Stellen besetzt hätten. Auch nach der Währungsreform seien ältere Angestellte im Hotel- und Gaststättengewerbe nicht mehr gefragt gewesen. Seine Bemühungen sowie die des Arbeitsamtes seien wegen seines Alters und der dadurch bedingten höheren Gehaltsansprüche erfolglos geblieben. Den angestrebten Beruf eines Hoteldirektors habe er damit nicht erreichen können, woran er ab 1954 durch die Schädigungsfolge gehindert worden sei. Der dazu gehörte Ob.Reg.Med.Rat Dr. H. vertrat in seiner Äußerung vom 26. Juli 1961 die Ansicht, es könne angenommen werden, dass der Kläger in dem früheren Beruf als Hotel-Empfangschef und einer ähnlichen Tätigkeit besonders betroffen sei, da er keine Prothese tragen könne.
Das Arbeitsamt Frankfurt/M. teilte am 20. März 1962 dem Versorgungsamt Frankfurt/M. auf Antrage mit, der Kläger habe sich erstmals am 25. Juli 1953 arbeitslos gemeldet. Vermittlungsbemühungen, die aber heute nicht mehr nachweisbar seien, seien auf Grund der Beschädigung und des Alters ohne Erfolg geblieben. Seit Ende Februar 1957 habe er sich bei der Dienststelle nicht mehr gemeldet.
Der Bescheid vom 18. Juli 1962 stellte hiernach fest, ein besonderes berufliches Betroffensein, das durch die Art der Schädigungsfolgen bedingt sei, könne nicht angenommen werden. Der Kläger hätte den Beruf des Hotelsekretärs bereits seit Kriegsende nicht mehr ausgeübt. Für die Nichtausübung dieses Berufes seien das hohe Lebensalter, das ungünstige Betriebsklima und die ungünstige Arbeitsmarktlage verantwortlich zu machen.
Mit dem Widerspruch am 7. August 1962 gegen diesen Bescheid stellte er gleichzeitig Antrag auf Gewährung eines Berufsschadensausgleichs.
Auf Antrage des Versorgungsamtes Frankfurt/M. gab der Landesverband Hessen der Hotels, Gaststätten und verwandten Betriebe e.V. am 31. August 1962 bekannt, für einen Hotel und Empfangssekretär sei es in den Jahren 1948 bis 1954 nicht leicht gewesen, eine Stelle zu erhalten, da ein großer Teil der erstklassigen Häuser kriegsbeschädigt oder zerstört gewesen sei.
Der Widerspruchsbescheid vom 12. November 1962 führte noch aus, in den gut renommierten Hotels seien als Empfangssekretäre nur jüngere Herren im Alter von 22 bis 30 Jahren tätig, so dass der Kläger für eine derartige Beschäftigung wegen seines hohen Alters nicht mehr in Frage gekommen wäre.
In dem sich anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Frankfurt/M. mit Urteil vom 10. September 1964 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Kläger habe sich nach dem Krieg nicht um eine Arbeit in seinem Beruf als Hotelsekretär beworben, da er vom Jahre 1947 ab seinem Bruder beim Aufbau der ausgebombten Brillenglasschleiferei in D. geholfen habe. Wenn er seinen Beruf auch nicht freiwillig gewechselt habe, so sei er doch freiwillig bei einem fremden Beruf geblieben. Er habe sich somit schon weitgehend von seinem früheren Beruf entfremdet gehabt, als im Jahre 1954 das schädigende Ereignis eingetreten sei. Nach seiner Amputation habe er nicht nur deswegen in seinem früheren Beruf nicht mehr unterkommen können, sondern auch wegen seines Alters, wobei noch hinzugekommen sei, dass er schon neun Jahre nicht mehr in dem Beruf als Hotel- und Empfangssekretär gearbeitet habe. Die Berufung gegen dieses Urteil nahm der Kläger am 31. Mai 1965 zurück, stellte jedoch am 6. Juli 1965 Antrag auf Erteilung eines Zugunstenbescheides wegen beruflichen Betroffenseins. Das Landesversorgungsamt Hessen teilte dazu am 1. Oktober 1965 ihm mit, es seien keine neuen Tatsachen vorgetragen worden, die eine andere und damit günstigere Beurteilung der Sach- und Rechtslage ermöglichten. Es müsse daher am dem bindenden Bescheid vom 18. Juli 1962 sowie dem rechtskräftigen Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 10. September 1964 festgehalten werden. Aus den Unterlagen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) folge im übrigen, dass für die seit 1963 beim Kläger festgestellte Arbeitsunfähigkeit die anerkannten Schädigungsfolgen eine unmaßgebliche Rolle gespielt hätten. Die schädigungsunabhängigen Leiden hätten allein die Arbeitsunfähigkeit herbeigeführt.
Mit Bescheid vom 25. April 1966 ist der Berufsschadensausgleich abgelehnt worden, da die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 BVG nicht gegeben und somit die Grundvoraussetzungen zur Gewährung des Berufsschadensausgleichs nicht erfüllt seien. Die Tätigkeit als Führer bei der Organisation T. (OT) könne nicht im Rahmen des Berufsschadensausgleichs Berücksichtigung finden, weil solche Stellungen mit dem Ende des zweiten Weltkrieges weggefallen seien.
Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 1966).
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt/M. hat der Kläger vorgetragen, die Schädigungsfolgen seien nicht von untergeordneter Bedeutung für die Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit gewesen. Da er den Beruf des Hotelsekretärs wegen der Schädigungsfolgen nicht mehr ausüben könne, sei ihm Berufsschadensausgleich zu gewähren. Dazu hat der Beklagte ausgeführt, auf Grund der Gutachten in der Rentenakte der BfA sei zu folgern, dass die Schädigungsfolge bei der Gewährung der Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit eine untergeordnete Rolle gespielt habe. Dafür kämen ausschließlich Nichtschädigungsleiden in Frage, die es dem Kläger nicht mehr ermöglicht hätten, eine kaufmännische Tätigkeit auszuüben. Nach dem Gutachten der BfA vom 19. Oktober 1958 hätten die Schädigungsfolgen es dem Kläger erlaubt, mittelschwere Arbeiten geistiger Art im Sitzen bis zu sechs Stunden vorzunehmen. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass er seit 1951 arbeitslos gewesen sei und im Jahre 1954, als die Schädigungsfolgen aufgetreten seien, bereits ein vollständiger Einkommensverlust aus schädigungsunabhängigen Gründen vorgelegen habe, so dass durch die Schädigungsfolgen kein weiterer Einkommensverlust mehr habe eintreten können. Er sei überwiegend wegen seines Alters von 50 Jahren nicht zu vermitteln gewesen, was auch 1954 die Ursache gewesen sei, dass er als kaufmännischer Angestellter keine Beschäftigung gefunden habe. Es sei damit festzustellen, dass für den seit 1951 bestehenden totalen Einkommensverlust nicht die 1954 aufgetretenen Schädigungsfolgen ursächlich gewesen seien.
Mit Urteil vom 3. September 1968 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 25. April und 30. Juni 1966 verurteilt, dem Kläger mit Wirkung ab 1. Januar 1964 einen neuen Bescheid zu erteilen und bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs unter Berücksichtigung des § 3 Abs. 5 a.F. Abs. 6 n.F. der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG von dem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst eines kaufmännischen Angestellten der Leistungsgruppe (LG) III – alle Wirtschaftsbereiche zusammengenommen – auszugehen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Gewährung des Berufsschadensausgleichs stehe nicht die Rechtskraft des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 10. September 1964 entgegen, da die Gewährung nicht davon abhängig sei, dass die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 BVG erfüllt seien. Das Gericht habe die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger ohne seine Schädigungsfolgen wahrscheinlich als kaufmännischer Angestellter – LG III – in der gewerblichen Wirtschaft tätig wäre oder bis zum Erreichen der Altersgrenze darin gearbeitet und schädigungsbedingt einen Einkommensverlust erlitten hätte. Als nicht wahrscheinlich könne es allerdings angesehen werden, dass er im Hotelgewerbe eine Beschäftigung gefunden hätte, was allein auf das Alter und die Berufsentfremdung zurückzuführen sei. Aus dem Umstand, dass der Kläger seit 1951 nicht mehr erwerbstätig gewesen sei, könne nicht der Schluss gezogen werden, er würde auch ohne die Schädigungsfolgen nicht mehr gearbeitet haben. Die Art und der Umfang der Schädigungsfolgen hätten es ihm erschwert, einen geeigneten Arbeitsplatz zu erhalten. Die Schädigungsfolgen seien die überwiegende Ursache dafür gewesen, dass er nicht mehr ins Berufsleben zurückgefunden hätte. Ganz unwahrscheinlich erscheine dem Gericht die Annahme, dass er auch ohne die Schädigungsfolgen nicht mehr gearbeitet hätte. Dafür fehlten ausreichende konkrete Anhaltspunkte, wozu die Jahre der Arbeitslosigkeit von 1951 bis 1954 einen derartig schwerwiegenden Vorwurf nicht rechtfertigten. Trotz des relativ hohen Alters müsse es vielmehr unter Berücksichtigung der in den Jahren nach 1954 gegebenen Vollbeschäftigung als überwiegend wahrscheinlich angesehen werden, dass er ohne seine Schädigungsfolgen in der Wirtschaft eine Beschäftigung gefunden, wozu seine gute Schulbildung wesentlich beigetragen hätte. Dass ihm ein Aufstieg in die Leistungsgruppe II gelungen wäre, sei mangels konkreter Anhaltspunkte allenfalls möglich, jedoch nicht hinreichend wahrscheinlich zu machen. Da es als überwiegend wahrscheinlich angesehen werden müsse, dass der Kläger wesentlich schädigungsbedingt eine Berufstätigkeit einschließlich einer Zeitbeschäftigung nicht mehr aufgenommen habe, so komme es nicht darauf an, dass auch eine Beschränkung auf Teilzeitarbeit zu einem entschädigungspflichtigen Einkommensverlust führe. Im übrigen sei noch festzustellen, dass die seit 1962 bestehende Erwerbsunfähigkeit durch die Schädigungsfolgen wesentlich mitbedingt worden sei.
Gegen das dem Beklagten am 11. September 1968 zugestellte Urteil ist die Berufung am 13. September 1968 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangen, zu deren Begründung er ausführt, die Voraussetzungen für die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs seien nicht gegeben, da ein schädigungsbedingter Einkommensverlust nicht eingetreten sei. Wie bereits das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 10. September 1967 bestätigt habe, sei der Kläger in seinem ausgeübten Beruf als Hotel- und Empfangssekretär durch die Schädigungsfolgen nicht als besonders betroffen anzusehen. zu beachten sei, dass er bereits seit dem Jahre 1951 nicht mehr gearbeitet habe, so dass es auch nicht als wahrscheinlich gelten könne, dass er in den Jahren nach 1954 ohne die Schädigungsfolgen eine Arbeit aufgenommen hätte. Im übrigen sei er durch die Schädigungsfolgen, wie das Dr. D. in dem Gutachten vom 18. Oktober 1958 zum Ausdruck gebracht habe, in der Lage gewesen, leichte körperliche Arbeiten im Sitzen regelmäßig in geschlossenen Räumen zu ebener Erde bis zu sechs Stunden auszuführen. Es habe ihm jedoch an einem Arbeitswillen gefehlt. Da davon auszugehen sei, dass er im Jahre 1951 nicht mehr habe arbeiten wollen, sei daran anknüpfend ebenfalls anzunehmen, dass er auch in den folgenden Jahren mit zunehmendem Alter keiner Arbeit mehr nachgegangen wäre, obgleich dafür Möglichkeiten bestanden hätten.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 3. September 1968 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger, der in der mündlichen Verhandlung am 24. März 1971 informatorisch gehört worden ist, erklärt, nach 1945 sei er außer einer Beschäftigung bei den H. Farbwerken nur bei seinem Bruder tätig gewesen. Er habe für die kaufmännischen Arbeiten, die er für ihn in der Zeit von 1951 bis 1953 erledigt habe, keinen Lohn bezogen, sondern nur freie Kost und Logis erhalten. Wegen Verletzung der Unterhaltspflicht habe er seine Strafhaft vom 28. Februar bis 1. Mai 1953 verbüßt. Ab 1953 habe er sich bei dem Arbeitsamt als Arbeitsuchender gemeldet. Wegen seines Alters habe er in der Zeit bis 1953 keine Arbeit als kaufmännischer Angestellter bekommen.
Der Senat hat Beweis erhoben und von dem Landesarbeitsamt Hessen die Auskunft vom 10. Mai 1971 eingeholt, in der vermerkt ist, die Vermittlungsaussichten des Klägers seien wegen des Alters, des fehlenden Berufsabschlusses und des nicht einheitlichen Berufsbildes verringert gewesen. Diese Fakten hätten zu der mehrjährigen Arbeitslosigkeit geführt. Durch die Oberschenkelamputation sei die Wettbewerbsfähigkeit nicht wesentlich beeinträchtigt gewesen, da die Tätigkeit eines kaufmännischen Angestellten ausschließlich oder überwiegend im Sitzen verrichtet werden könne. Die Vermittlungsmöglichkeiten seien begrenzt gewesen, weil der Kläger als Schwergehbehinderter keine langen An- und Abmarschwege habe bewältigen können. Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Behinderung und der längeren Arbeitslosigkeit könne nicht ohne weiteres hergeleitet werden.
Der Senat hat außerdem von dem Amtsgericht Frankfurt/M. – Höchst das in der Sitzung vom 26. Januar 1953 ergangene Urteil wegen Entziehung der gesetzlichen Unterhaltspflicht beigezogen. Die Versorgungsakten mit der Grundlisten – Nr. , die Akte der BfA – –, die Gerichtsakte des Sozialgerichts Wiesbaden – V 437/56 – und die Akte des Sozialgerichts Frankfurt/M. – S 13/V 399/62 (11) – haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakten beider Rechtszüge, der auszugsweise vorgetragen worden ist, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –). Sie ist auch begründet.
Der Bescheid vom 25. April 1966, der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 1966 Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG), ist zu Recht ergangen.
Zutreffend hat der Beklagte damit festgestellt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich hat, den gemäß § 30 Abs. 3 BVG Schwerbeschädigte erhalten, deren Erwerbseinkommen durch die Schädigungsfolge gemindert ist. Voraussetzung für die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs ist damit, dass der Beschädigte einen wirtschaftlichen Schaden erlitten hat, der durch die Schädigungsfolgen verursacht worden ist und ferner, dass dieser Schaden im Zeitpunkt der Antragstellung noch und für die Dauer der Geltendmachung des Berufsschadensausgleichs weiterhin besteht. Das bedeutet, dass zwischen dem wirtschaftlichen Schaden und der Schädigung ein ursächlicher Zusammenhang gegeben sein muss (BSG 29, 208, 210; BVBl. 70, 45). Die Schädigungsfolge muss eine wesentliche Bedingung für den wirtschaftlichen Schaden – also den Einkommensverlust – sein, was besagt, dass ein Kausalzusammenhang zwischen Schädigungsfolge und Einkommensverlust für den Anspruch auf Berufsschadensausgleich erforderlich ist (BSG, Urt. v. 17.3.70; Az.: 9 RV 88/69; Urt. v. 23.7.69; Az.: 10 RV 711/67), wobei der Umfang diese Schadensersatzes durch § 30 Abs. 4 BVG näher bestimmt wird. Dieser sieht nämlich vor, dass bei der Ermittlung des Einkommensverlustes das derzeitige Einkommen des Beschädigten – zuzüglich des Ausgleichsrente – dem Durchschnittseinkommen der Berufsgruppe gegenüber zu stellen ist, das der Beschädigte ohne die Schädigung voraussichtlich erhalten würde. Entscheidend ist demnach, in welchem Umfang die Schädigungsfolge bei ihrem Eintritt die wirtschaftliche Existenz des Beschädigten getroffen hat, wobei von dem Beruf auszugehen ist, den der Beschädigte vor Eintritt des schädigten Ereignisses ausgeübt hat. Das Gesetz lässt aber auch die Möglichkeit offen, einen anderen als den vor der Schädigung ausgeübten Beruf zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens für die Berechnung des Berufsschadensausgleichs heranzuziehen, wenn festgestellt werden kann, dass der Beschädigten diesen anderen Beruf ohne die Schädigung ergriffen hätte. Es kommt also darauf an, ob der Beschädigten denjenigen Beruf, den er ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Ausbildungswillen wahrscheinlich ausüben würde, ganz oder teilweise nicht mehr ausüben kann und dass er dadurch einen wirtschaftlichen Schaden – nämlich einen Einkommensverlust – erleidet, wobei dieser Einkommensverlust im Zeitpunkt der Antragstellung noch bestehen muss. Diese Grundsätze hat das Sozialgericht nicht beachtet, wenn es bei einer Betrachtung von dem Beruf eines kaufmännischen Angestellten der Leistungsgruppe III ausgegangen ist, obwohl der Kläger weder im Zeitpunkt der Schädigung im Jahre 1954 noch davon einen solchen Beruf ausgeübt und auch danach sich einer derartigen beruflichen Tätigkeit nicht gewidmet hatte, sondern im Zeitpunkt der Antragstellung auf Berufsschadensausgleich am 7. August 1962 sowie am 1. Januar 1964 als fast 63-jähriger eine Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit bezogen hatte. Es ist damit lediglich zu fragen, ob dem Kläger hinsichtlich des Rentenbezugs wegen seiner Schädigung Einkommen entgangen ist. Dabei muss es sich um entgangenes Einkommen handeln, für das ein Ausgleich gewährt werden soll. Davon kann in vorliegenden Fall nicht gesprochen werden, da sein Renteneinkommens durch ein von Schädigungsfolgen nicht beeinträchtigtes Berufsbild bestimmt wird, zu dem lediglich die vor 1945 geleisteten Versicherungsbeiträge geführt haben. Nach 1945 ist der Kläger nämlich keiner geregelten Beschäftigung mehr nachgegangen und hat damit auch kein Einkommen mehr gehabt. Er hat überwiegend von den Unterstützungen seiner Verwandten und der öffentlichen Hand gelebt. So ist er von 1948 an von seinen beiden Brüdern in H. und D. unterhalten worden. In dem D. Optikergeschäft des einen Bruders hat er bis 1953 kaufmännische Arbeiten ohne Lohn verrichtet. Arbeitslos gemeldet war er in dieser Zeit nicht, so dass das angefochtene Urteil insoweit von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist. Dieses Verhalten hat ihm im Rahmen eines Strafverfahrens wegen Entziehung der gesetzlichen Unterhaltspflicht von Seiten des Amtsgerichts Höchst den Vorwurf eingetragen, er habe sich nicht mit der notwendigen Energie bemüht, eine Arbeitsstelle zu finden, die ihn in die Lage versetzt hätte, seinen Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen. Er habe sich bisher nicht einmal bei dem Arbeitsamt als arbeitslos gemeldet, habe sich treiben lassen und ganz auf die Unterstützung seiner Brüder verlassen. Erst am 17. Mai 1953 meldete er sich, wohl unter dem Eindruck der Strafverbüßung und um einer erneuten Strafverfolgung zu entgehen, arbeitslos, was ihm eine Unterstützung bis Februar 1957 eingebracht hat, die dann als Fürsorgeunterstützung ab 1. November 1957 von der Stadt Hofheim weitergezahlt worden ist. In seinem nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 durch keinen Arbeitswillen geprägten Leben hat sich damit durch die im Jahre 1954 aufgetretene Erkrankung, die zu der Amputation des rechten Oberschenkels in oberen Drittel geführt hat, keine Änderung ergeben. Denn es ist nicht wahrscheinlich, dass der Kläger, der in seinem ganzen Leben, besonders nach 1945, keiner geregelten Arbeit nachgegangen ist, nach 1954 sich wiederum betätigt hätte. Dazu wäre er trotz der anerkannten Schädigungsfolge in der Lage gewesen, nach dazu der kaufmännische Sektor mit der Möglichkeit sitzender Tätigkeiten hierfür ein weites Feld bietet. Dabei ist von der allgemeinen kaufmännischen Tätigkeit auszugehen und nicht von der im Hotelgewerbe, für die der Kläger nicht die erforderliche Qualifikation mitbringt. Dafür reicht die kurze Tätigkeit als Hotel- oder Empfangssekretär vom 10. Juni 1937 bis 22. September 1938 nicht aus, der auch keine fachschulische Ausbildung vorausgegangen ist. Dass er einen Beruf im Hotelgewerbe nach 1954 nicht wieder ergriffen hat und darin nicht vermittlungsfähig war, wurde weitgehend durch das hohe Lebensalter und die nach 1945 in dem Hotel und Gaststättengewerbe bestehende ungünstige Arbeitsmarktlage verursacht, wozu weiter die nur kurze Tätigkeit in diesem Fach und die mehr als 16-jährige Berufsunterbrechung bei dem fortgeschrittenen Alter beigetragen haben. Diese Gründe sind es allein gewesen, die eine Vermittlung des Klägers durch die Arbeitsverwaltung sowohl in diesem Bereich als auch auf dem der allgemeinen kaufmännischen Tätigkeit zunichte gemacht haben, wobei wegen seiner geringen Kenntnisse als Kaufmann die Einnahme einer gehobenen beruflichen Position von vornherein ausgeschlossen war. Denn dafür reichen nicht das 1918 abgelegte Abitur und die wenigen Studienjahre ohne Abschluss aus, sondern für eine kaufmännische Tätigkeit gehobener Art bedarf es einer fundierten Ausbildung und entsprechender Erfahrung, über die Kläger nicht verfügte.
Das hat auch das Landesarbeitsamt Hessen zum Ausdruck gebracht, wenn davon gesprochen wird, der Kläger habe zu dem Personenkreis der älteren Angestellten gehört, deren Unterbringung trotz der allgemeinen Belebung auf dem Arbeitsmarkt, die etwa 1954 eingesetzt und 1956 zur Vollbeschäftigung geführt, erhebliche Schwierigkeiten bereitet habe. Dabei sind die Vermittlungsaussichten auch durch den fehlenden Berufsabschluss und das nicht einheitliche Berufsbild verringert worden. Auch nach Ansicht des Landesarbeitsamtes Hessen ist der Kläger durch die anerkannten Schädigungsfolgen in seiner Wettbewerbsfähigkeit nicht wesentlich beeinträchtigt worden, da die Tätigkeit eines kaufmännischen Angestellten ausschließlich oder überwiegend im Sitzen verrichtet werden kann. Diese Beurteilung, die von dem Senat voll geteilt wird, findet auch ihre Stütze in dem Gutachten des Dr. D. vom 19. Oktober 1958, der für den Kläger leichte Arbeiten körperlicher und geistiger Art im Sitzen in geschlossenen Räumen zu ebener Erde bis zu 6 Stunden regelmäßig für zumutbar hielt. Das hat dazu geführt, dass die beantragte Rente wegen Berufsfähigkeit mit Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 6. November 1958 abgelehnt worden ist. Einen im Jahre 1954 gestellten Antrag hatte der Kläger nicht weiterverfolgt, woraus ebenfalls gefolgert werden kann, dass er sich selbst nicht für berufsunfähig hielt.
Soweit in der Auskunft des Landesarbeitsamtes Hessen von begrenzten Vermittlungsmöglichkeiten gesprochen wird, weil der Kläger als Schwergehbehinderter keine langen An- und Abmarschwege bewältigen könne, trifft das nach Ansicht des Senats im dieser gewählten Umschreibung nicht zu. Denn im industriellen Ballungszentrum des Rhein-Maingebietes liegen in nächster Nähe des klägerischen Wohnsitzes bedeutende Industrieunternehmen, die eine fast unbeschränkte Aufnahmekapazität für kaufmännische Kräfte haben. Um an einen solchen Arbeitsplatz zu gelangen, stehen ihm gut erreichbare Nachverkehrsmittel zur Verfügung, so dass dadurch für ihn keine langen Anmarschwege oder solche mit besonderen Schwierigkeiten gegeben sind. Im übrigen hat diese Bewertung auch eine Einschränkung dadurch erfahren, dass nämlich in der Auskunft vom 10. Mai 1971 abschließend festgestellt worden ist. Es könne nicht ohne weiteren einen kausalen Zusammenhang zwischen der Behinderung und der längeren Arbeitslosigkeit hergeleitet werden. Dem Kläger hätte im übrigen ebenfalls die Möglichkeit offen gestanden, sich über den reichhaltigen Stellenmarkt, der in den Zeitungen und durch Aushänge zur Kenntnis gehaben wird, selbst um eine Arbeitsstelle zu bemühen. In dieser Hinsicht hat er keine Initiativen entwickelt, was darauf hindeutet, dass es ihm wie schon nach 1945 und auch später an einem entsprechenden Arbeitswillen gefehlt hat, der aber gegeben sein muss, um nach § 30 Abs. 4 BVG einen Einkommensverlust zu bejahen, der in der Differenz zwischen dem tatsächlichen Einkommen und einem gedanklich angenommenen Einkommen liegt, welches der Beschädigte ohne die Schädigung gehabt hätte. Wenn der Kläger nach allem bis zu seinem 61. Lebensjahr keinerlei Initiativen zur Erlangung eines kaufmännischen Berufes entfaltet hat, muss nach seinem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Persönlichkeitsbild angenommen werden, dass er auch nach diesem Zeitpunkt keiner beruflichen Arbeit nachgegangen wäre. Damit ist die Frage, ob die Schädigungsfolgen zu der vorzeitigen Erwerbsunfähigkeit beigetragen haben, für die Entscheidung, ob dem Kläger Berufsschadensausgleich zusteht, nicht relevant. Denn auch ohne Hinzutritt von Schädigungsfolgen hätte der Kläger nach seinem gesamten Persönlichkeitsbild wahrscheinlich nach 1962 keine Arbeit mehr aufgenommen. Folglich hätte er auch keine Rentenversicherungsbeiträge in dieser Zeit geleistet.
Der Berufung war daher stattzugeben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1901 geborene Kläger, der während des Krieges bei dem Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen und dem Ministerium für Rüstung und Kriegsproduktion beschäftigt war, beantragte am 5. Juli 1954 Versorgungsbezüge nach dem Bundesversorgungsgesetzt (BVG) wegen Amputation des rechten Beines, die am 18. Juni 1954 wegen eines ausgedehnten Carzinoms spine cellulare im Bereich des rechten Unterschenkels erforderlich geworden war.
Die dazu gehörten Dres. L. und M. von der Universitäts-Hautklinik der Senat F. vertraten in dem Gutachten vom 25. Januar 1956 die Ansicht, das vom Kläger behauptete schädigte Ereignis im Jahre 1945 – der Schlag mit einem Brecheisen in die Kniekehle – könne nicht als Ursache, sondern höchstens im Sinne einer Verschlimmerung eines schiksalsmäßigen Ablaufes gewertet werden. Schädigungsfolgen liege daher nicht vor.
Mit Bescheid vom 21. März 1956 und Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 1956 ist hiernach die Amputation des rechten Beines bis auf einen Stumpf nicht als Folge einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG angesehen worden, da ein ursächlicher Zusammenhang des 1953 aufgetretenen Krebses mit dem 1945 erlittenen Schlag mit einem Brecheisen in die Kniekehle weder im Sinne der Entstehung noch der Verschlimmerung angenommen werden könne.
In dem sich anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Wiesbaden hat Prof. Dr. W. das Gutachten vom 29. Juni 1957 und Dr. L. dazu die gutachtliche Stellungnahme vom 16. Dezember 1957 abgegeben. Daraufhin hat das Sozialgericht mit Urteil vom 1. Oktober 1959 unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides den Beklagten verurteilt, dem Kläger "Amputation des rechten Oberschenkels im oberen Drittel” als Schädigungsfolge anzuerkennen und ab Antragsmonat eine Rente von 80 v.H. zu gewähren. Vor dem Hessischen Landessozialgericht nahm der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 13. Juli 1960 die Berufung zurück.
Der Kläger stellte nach einem Antrag vom Jahre 1954 erneut am 12. Juni 1958 Antrag auf Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit, der mit Bescheid vom 6. November 1958 abgehen worden ist, nachdem Dr. D. in dem Gutachten vom 18. Oktober 1958 gemeint hatte, er könne als Hotelsekretär mittelschwere Arbeiten geistiger Art im Sitzen regelmäßig in geschlossenen Räumen bis zu 6 Stunden ausführen. Die Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit wird ab 1. Juli 1962 nach der Begutachtung durch Dres. K. und S. gewährt, die neben der Amputation des rechten Oberschenkels im oberen Drittel eine vorzeitige bereits fortgeschrittene allgemeine Gefäßsklerose mit Durchblutungsstörungen des linken Beines, eine Claudicatie intermittens und eine muskuläre Herzinsuffiziens sowie eine Stauungslunge diagnostiziert hatten.
Der Kläger, der von Februar bis März 1946 die Aufsicht über Putzfrauen bei den Farbwerken H. ausgeübt hatte, von 1947 bis 1953 bei Aufbauarbeiten in dem Optikergeschäft seines Bruders in D. für Kost und Logis tätig war, ab 15. Juli 1953 Arbeitslosenfürsorge bis 30. September 1956 und ab 1. November 1957 dann Fürsorgeunterstützung bezogen hatte, beantragte am 4. Januar 1960 die Erhöhung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wegen eines beruflichen Betroffenseins, da er als gelernter Empfangssekretär wegen der Schädigungsfolgen nicht mehr im Hotelgewerbe arbeiten könne. Zu dem beruflichen Werdegang gab er an, er habe von 1907 bis 1918 das Gymnasium besucht und das Reifezeugnis erlangt. Nach seiner Soldatenzeit habe er ab 1920 bis Oktober 1922 Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft studiert und sei ab Juli 1923 bis März 1924 als Dolmetscher, von 1924 bis 1926 als Beifahrer und von 1926 bis 1927 als Volontär in einem zahntechnischen Laboratorium beschäftigt gewesen. Von 1927 bis 1937 habe er das Café-Restaurant seiner Mutter geführt, wofür er Kost und Logis erhalten habe. Ab 10. Juni 1937 bis 30. April 1938 sei er Sekretär in einem D. Hotel gewesen, vom 3. Mai bis 11. Juli 1938 Hotelsekretär in R. P.hotel in Bad H. und vom 17. Juli bis 22. September 1938 Empfangsekretär im Staatlichen Kurhaus im N ... In der Hotelbranche sei er nach 1945 nicht mehr untergekommen, da die jüngere Berufskollegen die wenigen guten Stellen besetzt hätten. Auch nach der Währungsreform seien ältere Angestellte im Hotel- und Gaststättengewerbe nicht mehr gefragt gewesen. Seine Bemühungen sowie die des Arbeitsamtes seien wegen seines Alters und der dadurch bedingten höheren Gehaltsansprüche erfolglos geblieben. Den angestrebten Beruf eines Hoteldirektors habe er damit nicht erreichen können, woran er ab 1954 durch die Schädigungsfolge gehindert worden sei. Der dazu gehörte Ob.Reg.Med.Rat Dr. H. vertrat in seiner Äußerung vom 26. Juli 1961 die Ansicht, es könne angenommen werden, dass der Kläger in dem früheren Beruf als Hotel-Empfangschef und einer ähnlichen Tätigkeit besonders betroffen sei, da er keine Prothese tragen könne.
Das Arbeitsamt Frankfurt/M. teilte am 20. März 1962 dem Versorgungsamt Frankfurt/M. auf Antrage mit, der Kläger habe sich erstmals am 25. Juli 1953 arbeitslos gemeldet. Vermittlungsbemühungen, die aber heute nicht mehr nachweisbar seien, seien auf Grund der Beschädigung und des Alters ohne Erfolg geblieben. Seit Ende Februar 1957 habe er sich bei der Dienststelle nicht mehr gemeldet.
Der Bescheid vom 18. Juli 1962 stellte hiernach fest, ein besonderes berufliches Betroffensein, das durch die Art der Schädigungsfolgen bedingt sei, könne nicht angenommen werden. Der Kläger hätte den Beruf des Hotelsekretärs bereits seit Kriegsende nicht mehr ausgeübt. Für die Nichtausübung dieses Berufes seien das hohe Lebensalter, das ungünstige Betriebsklima und die ungünstige Arbeitsmarktlage verantwortlich zu machen.
Mit dem Widerspruch am 7. August 1962 gegen diesen Bescheid stellte er gleichzeitig Antrag auf Gewährung eines Berufsschadensausgleichs.
Auf Antrage des Versorgungsamtes Frankfurt/M. gab der Landesverband Hessen der Hotels, Gaststätten und verwandten Betriebe e.V. am 31. August 1962 bekannt, für einen Hotel und Empfangssekretär sei es in den Jahren 1948 bis 1954 nicht leicht gewesen, eine Stelle zu erhalten, da ein großer Teil der erstklassigen Häuser kriegsbeschädigt oder zerstört gewesen sei.
Der Widerspruchsbescheid vom 12. November 1962 führte noch aus, in den gut renommierten Hotels seien als Empfangssekretäre nur jüngere Herren im Alter von 22 bis 30 Jahren tätig, so dass der Kläger für eine derartige Beschäftigung wegen seines hohen Alters nicht mehr in Frage gekommen wäre.
In dem sich anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Frankfurt/M. mit Urteil vom 10. September 1964 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Kläger habe sich nach dem Krieg nicht um eine Arbeit in seinem Beruf als Hotelsekretär beworben, da er vom Jahre 1947 ab seinem Bruder beim Aufbau der ausgebombten Brillenglasschleiferei in D. geholfen habe. Wenn er seinen Beruf auch nicht freiwillig gewechselt habe, so sei er doch freiwillig bei einem fremden Beruf geblieben. Er habe sich somit schon weitgehend von seinem früheren Beruf entfremdet gehabt, als im Jahre 1954 das schädigende Ereignis eingetreten sei. Nach seiner Amputation habe er nicht nur deswegen in seinem früheren Beruf nicht mehr unterkommen können, sondern auch wegen seines Alters, wobei noch hinzugekommen sei, dass er schon neun Jahre nicht mehr in dem Beruf als Hotel- und Empfangssekretär gearbeitet habe. Die Berufung gegen dieses Urteil nahm der Kläger am 31. Mai 1965 zurück, stellte jedoch am 6. Juli 1965 Antrag auf Erteilung eines Zugunstenbescheides wegen beruflichen Betroffenseins. Das Landesversorgungsamt Hessen teilte dazu am 1. Oktober 1965 ihm mit, es seien keine neuen Tatsachen vorgetragen worden, die eine andere und damit günstigere Beurteilung der Sach- und Rechtslage ermöglichten. Es müsse daher am dem bindenden Bescheid vom 18. Juli 1962 sowie dem rechtskräftigen Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 10. September 1964 festgehalten werden. Aus den Unterlagen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) folge im übrigen, dass für die seit 1963 beim Kläger festgestellte Arbeitsunfähigkeit die anerkannten Schädigungsfolgen eine unmaßgebliche Rolle gespielt hätten. Die schädigungsunabhängigen Leiden hätten allein die Arbeitsunfähigkeit herbeigeführt.
Mit Bescheid vom 25. April 1966 ist der Berufsschadensausgleich abgelehnt worden, da die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 BVG nicht gegeben und somit die Grundvoraussetzungen zur Gewährung des Berufsschadensausgleichs nicht erfüllt seien. Die Tätigkeit als Führer bei der Organisation T. (OT) könne nicht im Rahmen des Berufsschadensausgleichs Berücksichtigung finden, weil solche Stellungen mit dem Ende des zweiten Weltkrieges weggefallen seien.
Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 1966).
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt/M. hat der Kläger vorgetragen, die Schädigungsfolgen seien nicht von untergeordneter Bedeutung für die Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit gewesen. Da er den Beruf des Hotelsekretärs wegen der Schädigungsfolgen nicht mehr ausüben könne, sei ihm Berufsschadensausgleich zu gewähren. Dazu hat der Beklagte ausgeführt, auf Grund der Gutachten in der Rentenakte der BfA sei zu folgern, dass die Schädigungsfolge bei der Gewährung der Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit eine untergeordnete Rolle gespielt habe. Dafür kämen ausschließlich Nichtschädigungsleiden in Frage, die es dem Kläger nicht mehr ermöglicht hätten, eine kaufmännische Tätigkeit auszuüben. Nach dem Gutachten der BfA vom 19. Oktober 1958 hätten die Schädigungsfolgen es dem Kläger erlaubt, mittelschwere Arbeiten geistiger Art im Sitzen bis zu sechs Stunden vorzunehmen. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass er seit 1951 arbeitslos gewesen sei und im Jahre 1954, als die Schädigungsfolgen aufgetreten seien, bereits ein vollständiger Einkommensverlust aus schädigungsunabhängigen Gründen vorgelegen habe, so dass durch die Schädigungsfolgen kein weiterer Einkommensverlust mehr habe eintreten können. Er sei überwiegend wegen seines Alters von 50 Jahren nicht zu vermitteln gewesen, was auch 1954 die Ursache gewesen sei, dass er als kaufmännischer Angestellter keine Beschäftigung gefunden habe. Es sei damit festzustellen, dass für den seit 1951 bestehenden totalen Einkommensverlust nicht die 1954 aufgetretenen Schädigungsfolgen ursächlich gewesen seien.
Mit Urteil vom 3. September 1968 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 25. April und 30. Juni 1966 verurteilt, dem Kläger mit Wirkung ab 1. Januar 1964 einen neuen Bescheid zu erteilen und bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs unter Berücksichtigung des § 3 Abs. 5 a.F. Abs. 6 n.F. der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG von dem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst eines kaufmännischen Angestellten der Leistungsgruppe (LG) III – alle Wirtschaftsbereiche zusammengenommen – auszugehen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Gewährung des Berufsschadensausgleichs stehe nicht die Rechtskraft des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 10. September 1964 entgegen, da die Gewährung nicht davon abhängig sei, dass die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 BVG erfüllt seien. Das Gericht habe die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger ohne seine Schädigungsfolgen wahrscheinlich als kaufmännischer Angestellter – LG III – in der gewerblichen Wirtschaft tätig wäre oder bis zum Erreichen der Altersgrenze darin gearbeitet und schädigungsbedingt einen Einkommensverlust erlitten hätte. Als nicht wahrscheinlich könne es allerdings angesehen werden, dass er im Hotelgewerbe eine Beschäftigung gefunden hätte, was allein auf das Alter und die Berufsentfremdung zurückzuführen sei. Aus dem Umstand, dass der Kläger seit 1951 nicht mehr erwerbstätig gewesen sei, könne nicht der Schluss gezogen werden, er würde auch ohne die Schädigungsfolgen nicht mehr gearbeitet haben. Die Art und der Umfang der Schädigungsfolgen hätten es ihm erschwert, einen geeigneten Arbeitsplatz zu erhalten. Die Schädigungsfolgen seien die überwiegende Ursache dafür gewesen, dass er nicht mehr ins Berufsleben zurückgefunden hätte. Ganz unwahrscheinlich erscheine dem Gericht die Annahme, dass er auch ohne die Schädigungsfolgen nicht mehr gearbeitet hätte. Dafür fehlten ausreichende konkrete Anhaltspunkte, wozu die Jahre der Arbeitslosigkeit von 1951 bis 1954 einen derartig schwerwiegenden Vorwurf nicht rechtfertigten. Trotz des relativ hohen Alters müsse es vielmehr unter Berücksichtigung der in den Jahren nach 1954 gegebenen Vollbeschäftigung als überwiegend wahrscheinlich angesehen werden, dass er ohne seine Schädigungsfolgen in der Wirtschaft eine Beschäftigung gefunden, wozu seine gute Schulbildung wesentlich beigetragen hätte. Dass ihm ein Aufstieg in die Leistungsgruppe II gelungen wäre, sei mangels konkreter Anhaltspunkte allenfalls möglich, jedoch nicht hinreichend wahrscheinlich zu machen. Da es als überwiegend wahrscheinlich angesehen werden müsse, dass der Kläger wesentlich schädigungsbedingt eine Berufstätigkeit einschließlich einer Zeitbeschäftigung nicht mehr aufgenommen habe, so komme es nicht darauf an, dass auch eine Beschränkung auf Teilzeitarbeit zu einem entschädigungspflichtigen Einkommensverlust führe. Im übrigen sei noch festzustellen, dass die seit 1962 bestehende Erwerbsunfähigkeit durch die Schädigungsfolgen wesentlich mitbedingt worden sei.
Gegen das dem Beklagten am 11. September 1968 zugestellte Urteil ist die Berufung am 13. September 1968 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangen, zu deren Begründung er ausführt, die Voraussetzungen für die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs seien nicht gegeben, da ein schädigungsbedingter Einkommensverlust nicht eingetreten sei. Wie bereits das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 10. September 1967 bestätigt habe, sei der Kläger in seinem ausgeübten Beruf als Hotel- und Empfangssekretär durch die Schädigungsfolgen nicht als besonders betroffen anzusehen. zu beachten sei, dass er bereits seit dem Jahre 1951 nicht mehr gearbeitet habe, so dass es auch nicht als wahrscheinlich gelten könne, dass er in den Jahren nach 1954 ohne die Schädigungsfolgen eine Arbeit aufgenommen hätte. Im übrigen sei er durch die Schädigungsfolgen, wie das Dr. D. in dem Gutachten vom 18. Oktober 1958 zum Ausdruck gebracht habe, in der Lage gewesen, leichte körperliche Arbeiten im Sitzen regelmäßig in geschlossenen Räumen zu ebener Erde bis zu sechs Stunden auszuführen. Es habe ihm jedoch an einem Arbeitswillen gefehlt. Da davon auszugehen sei, dass er im Jahre 1951 nicht mehr habe arbeiten wollen, sei daran anknüpfend ebenfalls anzunehmen, dass er auch in den folgenden Jahren mit zunehmendem Alter keiner Arbeit mehr nachgegangen wäre, obgleich dafür Möglichkeiten bestanden hätten.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 3. September 1968 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger, der in der mündlichen Verhandlung am 24. März 1971 informatorisch gehört worden ist, erklärt, nach 1945 sei er außer einer Beschäftigung bei den H. Farbwerken nur bei seinem Bruder tätig gewesen. Er habe für die kaufmännischen Arbeiten, die er für ihn in der Zeit von 1951 bis 1953 erledigt habe, keinen Lohn bezogen, sondern nur freie Kost und Logis erhalten. Wegen Verletzung der Unterhaltspflicht habe er seine Strafhaft vom 28. Februar bis 1. Mai 1953 verbüßt. Ab 1953 habe er sich bei dem Arbeitsamt als Arbeitsuchender gemeldet. Wegen seines Alters habe er in der Zeit bis 1953 keine Arbeit als kaufmännischer Angestellter bekommen.
Der Senat hat Beweis erhoben und von dem Landesarbeitsamt Hessen die Auskunft vom 10. Mai 1971 eingeholt, in der vermerkt ist, die Vermittlungsaussichten des Klägers seien wegen des Alters, des fehlenden Berufsabschlusses und des nicht einheitlichen Berufsbildes verringert gewesen. Diese Fakten hätten zu der mehrjährigen Arbeitslosigkeit geführt. Durch die Oberschenkelamputation sei die Wettbewerbsfähigkeit nicht wesentlich beeinträchtigt gewesen, da die Tätigkeit eines kaufmännischen Angestellten ausschließlich oder überwiegend im Sitzen verrichtet werden könne. Die Vermittlungsmöglichkeiten seien begrenzt gewesen, weil der Kläger als Schwergehbehinderter keine langen An- und Abmarschwege habe bewältigen können. Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Behinderung und der längeren Arbeitslosigkeit könne nicht ohne weiteres hergeleitet werden.
Der Senat hat außerdem von dem Amtsgericht Frankfurt/M. – Höchst das in der Sitzung vom 26. Januar 1953 ergangene Urteil wegen Entziehung der gesetzlichen Unterhaltspflicht beigezogen. Die Versorgungsakten mit der Grundlisten – Nr. , die Akte der BfA – –, die Gerichtsakte des Sozialgerichts Wiesbaden – V 437/56 – und die Akte des Sozialgerichts Frankfurt/M. – S 13/V 399/62 (11) – haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakten beider Rechtszüge, der auszugsweise vorgetragen worden ist, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –). Sie ist auch begründet.
Der Bescheid vom 25. April 1966, der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 1966 Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG), ist zu Recht ergangen.
Zutreffend hat der Beklagte damit festgestellt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich hat, den gemäß § 30 Abs. 3 BVG Schwerbeschädigte erhalten, deren Erwerbseinkommen durch die Schädigungsfolge gemindert ist. Voraussetzung für die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs ist damit, dass der Beschädigte einen wirtschaftlichen Schaden erlitten hat, der durch die Schädigungsfolgen verursacht worden ist und ferner, dass dieser Schaden im Zeitpunkt der Antragstellung noch und für die Dauer der Geltendmachung des Berufsschadensausgleichs weiterhin besteht. Das bedeutet, dass zwischen dem wirtschaftlichen Schaden und der Schädigung ein ursächlicher Zusammenhang gegeben sein muss (BSG 29, 208, 210; BVBl. 70, 45). Die Schädigungsfolge muss eine wesentliche Bedingung für den wirtschaftlichen Schaden – also den Einkommensverlust – sein, was besagt, dass ein Kausalzusammenhang zwischen Schädigungsfolge und Einkommensverlust für den Anspruch auf Berufsschadensausgleich erforderlich ist (BSG, Urt. v. 17.3.70; Az.: 9 RV 88/69; Urt. v. 23.7.69; Az.: 10 RV 711/67), wobei der Umfang diese Schadensersatzes durch § 30 Abs. 4 BVG näher bestimmt wird. Dieser sieht nämlich vor, dass bei der Ermittlung des Einkommensverlustes das derzeitige Einkommen des Beschädigten – zuzüglich des Ausgleichsrente – dem Durchschnittseinkommen der Berufsgruppe gegenüber zu stellen ist, das der Beschädigte ohne die Schädigung voraussichtlich erhalten würde. Entscheidend ist demnach, in welchem Umfang die Schädigungsfolge bei ihrem Eintritt die wirtschaftliche Existenz des Beschädigten getroffen hat, wobei von dem Beruf auszugehen ist, den der Beschädigte vor Eintritt des schädigten Ereignisses ausgeübt hat. Das Gesetz lässt aber auch die Möglichkeit offen, einen anderen als den vor der Schädigung ausgeübten Beruf zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens für die Berechnung des Berufsschadensausgleichs heranzuziehen, wenn festgestellt werden kann, dass der Beschädigten diesen anderen Beruf ohne die Schädigung ergriffen hätte. Es kommt also darauf an, ob der Beschädigten denjenigen Beruf, den er ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Ausbildungswillen wahrscheinlich ausüben würde, ganz oder teilweise nicht mehr ausüben kann und dass er dadurch einen wirtschaftlichen Schaden – nämlich einen Einkommensverlust – erleidet, wobei dieser Einkommensverlust im Zeitpunkt der Antragstellung noch bestehen muss. Diese Grundsätze hat das Sozialgericht nicht beachtet, wenn es bei einer Betrachtung von dem Beruf eines kaufmännischen Angestellten der Leistungsgruppe III ausgegangen ist, obwohl der Kläger weder im Zeitpunkt der Schädigung im Jahre 1954 noch davon einen solchen Beruf ausgeübt und auch danach sich einer derartigen beruflichen Tätigkeit nicht gewidmet hatte, sondern im Zeitpunkt der Antragstellung auf Berufsschadensausgleich am 7. August 1962 sowie am 1. Januar 1964 als fast 63-jähriger eine Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit bezogen hatte. Es ist damit lediglich zu fragen, ob dem Kläger hinsichtlich des Rentenbezugs wegen seiner Schädigung Einkommen entgangen ist. Dabei muss es sich um entgangenes Einkommen handeln, für das ein Ausgleich gewährt werden soll. Davon kann in vorliegenden Fall nicht gesprochen werden, da sein Renteneinkommens durch ein von Schädigungsfolgen nicht beeinträchtigtes Berufsbild bestimmt wird, zu dem lediglich die vor 1945 geleisteten Versicherungsbeiträge geführt haben. Nach 1945 ist der Kläger nämlich keiner geregelten Beschäftigung mehr nachgegangen und hat damit auch kein Einkommen mehr gehabt. Er hat überwiegend von den Unterstützungen seiner Verwandten und der öffentlichen Hand gelebt. So ist er von 1948 an von seinen beiden Brüdern in H. und D. unterhalten worden. In dem D. Optikergeschäft des einen Bruders hat er bis 1953 kaufmännische Arbeiten ohne Lohn verrichtet. Arbeitslos gemeldet war er in dieser Zeit nicht, so dass das angefochtene Urteil insoweit von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist. Dieses Verhalten hat ihm im Rahmen eines Strafverfahrens wegen Entziehung der gesetzlichen Unterhaltspflicht von Seiten des Amtsgerichts Höchst den Vorwurf eingetragen, er habe sich nicht mit der notwendigen Energie bemüht, eine Arbeitsstelle zu finden, die ihn in die Lage versetzt hätte, seinen Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen. Er habe sich bisher nicht einmal bei dem Arbeitsamt als arbeitslos gemeldet, habe sich treiben lassen und ganz auf die Unterstützung seiner Brüder verlassen. Erst am 17. Mai 1953 meldete er sich, wohl unter dem Eindruck der Strafverbüßung und um einer erneuten Strafverfolgung zu entgehen, arbeitslos, was ihm eine Unterstützung bis Februar 1957 eingebracht hat, die dann als Fürsorgeunterstützung ab 1. November 1957 von der Stadt Hofheim weitergezahlt worden ist. In seinem nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 durch keinen Arbeitswillen geprägten Leben hat sich damit durch die im Jahre 1954 aufgetretene Erkrankung, die zu der Amputation des rechten Oberschenkels in oberen Drittel geführt hat, keine Änderung ergeben. Denn es ist nicht wahrscheinlich, dass der Kläger, der in seinem ganzen Leben, besonders nach 1945, keiner geregelten Arbeit nachgegangen ist, nach 1954 sich wiederum betätigt hätte. Dazu wäre er trotz der anerkannten Schädigungsfolge in der Lage gewesen, nach dazu der kaufmännische Sektor mit der Möglichkeit sitzender Tätigkeiten hierfür ein weites Feld bietet. Dabei ist von der allgemeinen kaufmännischen Tätigkeit auszugehen und nicht von der im Hotelgewerbe, für die der Kläger nicht die erforderliche Qualifikation mitbringt. Dafür reicht die kurze Tätigkeit als Hotel- oder Empfangssekretär vom 10. Juni 1937 bis 22. September 1938 nicht aus, der auch keine fachschulische Ausbildung vorausgegangen ist. Dass er einen Beruf im Hotelgewerbe nach 1954 nicht wieder ergriffen hat und darin nicht vermittlungsfähig war, wurde weitgehend durch das hohe Lebensalter und die nach 1945 in dem Hotel und Gaststättengewerbe bestehende ungünstige Arbeitsmarktlage verursacht, wozu weiter die nur kurze Tätigkeit in diesem Fach und die mehr als 16-jährige Berufsunterbrechung bei dem fortgeschrittenen Alter beigetragen haben. Diese Gründe sind es allein gewesen, die eine Vermittlung des Klägers durch die Arbeitsverwaltung sowohl in diesem Bereich als auch auf dem der allgemeinen kaufmännischen Tätigkeit zunichte gemacht haben, wobei wegen seiner geringen Kenntnisse als Kaufmann die Einnahme einer gehobenen beruflichen Position von vornherein ausgeschlossen war. Denn dafür reichen nicht das 1918 abgelegte Abitur und die wenigen Studienjahre ohne Abschluss aus, sondern für eine kaufmännische Tätigkeit gehobener Art bedarf es einer fundierten Ausbildung und entsprechender Erfahrung, über die Kläger nicht verfügte.
Das hat auch das Landesarbeitsamt Hessen zum Ausdruck gebracht, wenn davon gesprochen wird, der Kläger habe zu dem Personenkreis der älteren Angestellten gehört, deren Unterbringung trotz der allgemeinen Belebung auf dem Arbeitsmarkt, die etwa 1954 eingesetzt und 1956 zur Vollbeschäftigung geführt, erhebliche Schwierigkeiten bereitet habe. Dabei sind die Vermittlungsaussichten auch durch den fehlenden Berufsabschluss und das nicht einheitliche Berufsbild verringert worden. Auch nach Ansicht des Landesarbeitsamtes Hessen ist der Kläger durch die anerkannten Schädigungsfolgen in seiner Wettbewerbsfähigkeit nicht wesentlich beeinträchtigt worden, da die Tätigkeit eines kaufmännischen Angestellten ausschließlich oder überwiegend im Sitzen verrichtet werden kann. Diese Beurteilung, die von dem Senat voll geteilt wird, findet auch ihre Stütze in dem Gutachten des Dr. D. vom 19. Oktober 1958, der für den Kläger leichte Arbeiten körperlicher und geistiger Art im Sitzen in geschlossenen Räumen zu ebener Erde bis zu 6 Stunden regelmäßig für zumutbar hielt. Das hat dazu geführt, dass die beantragte Rente wegen Berufsfähigkeit mit Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 6. November 1958 abgelehnt worden ist. Einen im Jahre 1954 gestellten Antrag hatte der Kläger nicht weiterverfolgt, woraus ebenfalls gefolgert werden kann, dass er sich selbst nicht für berufsunfähig hielt.
Soweit in der Auskunft des Landesarbeitsamtes Hessen von begrenzten Vermittlungsmöglichkeiten gesprochen wird, weil der Kläger als Schwergehbehinderter keine langen An- und Abmarschwege bewältigen könne, trifft das nach Ansicht des Senats im dieser gewählten Umschreibung nicht zu. Denn im industriellen Ballungszentrum des Rhein-Maingebietes liegen in nächster Nähe des klägerischen Wohnsitzes bedeutende Industrieunternehmen, die eine fast unbeschränkte Aufnahmekapazität für kaufmännische Kräfte haben. Um an einen solchen Arbeitsplatz zu gelangen, stehen ihm gut erreichbare Nachverkehrsmittel zur Verfügung, so dass dadurch für ihn keine langen Anmarschwege oder solche mit besonderen Schwierigkeiten gegeben sind. Im übrigen hat diese Bewertung auch eine Einschränkung dadurch erfahren, dass nämlich in der Auskunft vom 10. Mai 1971 abschließend festgestellt worden ist. Es könne nicht ohne weiteren einen kausalen Zusammenhang zwischen der Behinderung und der längeren Arbeitslosigkeit hergeleitet werden. Dem Kläger hätte im übrigen ebenfalls die Möglichkeit offen gestanden, sich über den reichhaltigen Stellenmarkt, der in den Zeitungen und durch Aushänge zur Kenntnis gehaben wird, selbst um eine Arbeitsstelle zu bemühen. In dieser Hinsicht hat er keine Initiativen entwickelt, was darauf hindeutet, dass es ihm wie schon nach 1945 und auch später an einem entsprechenden Arbeitswillen gefehlt hat, der aber gegeben sein muss, um nach § 30 Abs. 4 BVG einen Einkommensverlust zu bejahen, der in der Differenz zwischen dem tatsächlichen Einkommen und einem gedanklich angenommenen Einkommen liegt, welches der Beschädigte ohne die Schädigung gehabt hätte. Wenn der Kläger nach allem bis zu seinem 61. Lebensjahr keinerlei Initiativen zur Erlangung eines kaufmännischen Berufes entfaltet hat, muss nach seinem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Persönlichkeitsbild angenommen werden, dass er auch nach diesem Zeitpunkt keiner beruflichen Arbeit nachgegangen wäre. Damit ist die Frage, ob die Schädigungsfolgen zu der vorzeitigen Erwerbsunfähigkeit beigetragen haben, für die Entscheidung, ob dem Kläger Berufsschadensausgleich zusteht, nicht relevant. Denn auch ohne Hinzutritt von Schädigungsfolgen hätte der Kläger nach seinem gesamten Persönlichkeitsbild wahrscheinlich nach 1962 keine Arbeit mehr aufgenommen. Folglich hätte er auch keine Rentenversicherungsbeiträge in dieser Zeit geleistet.
Der Berufung war daher stattzugeben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
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