L 5 V 86/70

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 86/70
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ist die Bewerbung eines ehemaligen Berufsunteroffiziers um Wiederverwendung bei der Bundeswehr an der Überschreitung der Höchstaltersgrenze (VMBl. 1956 S. 7) gescheitert und hat er keine spezielle technische Vorbildung, die eine Ausnahme zuließ, dann kommt die Gewährung von Berufsschadensausgleich mangels ursächlichen Zusammenhangs zwischen Schädigungsfolgen und Nichteinstellung nicht in Betracht. Das Urteil des BSG vom 27. Januar 1967 (Az.: 9 RV 484/64) und das Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 21.2.1967 stehen nicht entgegen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichtes Fulda vom 28. Oktober 1969 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der 1914 geborene Kläger erhält auf seinen Antrag auf Neufeststellung vom Februar 1963 hin nach versorgungsärztlicher Untersuchung durch RMR Dr. P., den Neurologen Dr. S. und RMR Dr. M. wegen "Bewegungseinschränkung im Schulter- und Ellenbogengelenk, Versteifung des Handgelenks und Schädigung der 3 Armnerven, besonders des Speichennervens links nach Zertrümmungsbruch des linken Oberarmes” als Schädigunsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) Rente nach einem Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70. v.H. Das Vorliegen besonderen beruflichen Betroffenseins wurde verneint (Bescheid vom 17. Dezember 1964).

Am 23. November 1964 beantragte der Kläger beim Versorgungsamt Fulda Berufungsschadensausgleich. Zu seinem beruflichen Werdegang gab er unter Überreichung von Zeugnisabschriften und anderen Urkunden an, nach Besuch der Volksschule von April 1928 bis April 1931 in der Landwirtschaft gelernt, nach Ablegung der Verwalterprüfung bis Oktober 1934 als Volontär und bis September 1935 als stellvertretender Gutsverwalter gearbeitet zu haben. Am 1. Oktober 1936 sei er zum Wehrdienst eingezogen und ab 1938 bis zum Ende des 2. Weltkrieges Berufssoldat gewesen, zuletzt im Range eines Oberfeldwebels. Nach seiner Verwundung habe man ihn ab Oktober 1944 bis März 1945 als Bürokraft bei Bezirkskommandos eingesetzt gehabt. Nach dem Kriege sei er zunächst als Waldarbeiter tätig gewesen. Alsdann habe er von Juli 1946 bis Juni 1948 als Umschüler das Schreinerhandwerk erlernt und die Gesellenprüfung abgelegt. In diesem Beruf sei er bis Juli 1953 geblieben und arbeite seitdem als Elektroprüfer. Seine Bewerbung um Wiederverwendung bei der Bundeswehr sei an mangelndem Bedarf gescheitert.

Nach Einholung einer Stellungnahme seines Ärztlichen Dienstes und verwaltungsmäßiger Prüfung lehnte das Versorgungsamt den Antrag durch Bescheid vom 17. Mai 1966 ab, der durch Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 1966 bestätigt wurde. Zur Begründung bezog es sich auf die bindend gewordene Versagung der Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins. Ein Einkommensverlust gemäß § 30 Abs. 3 und 4 BVG liege somit nicht vor.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Fulda hat der Kläger begehrt, ihm Berufsschadensausgleich unter Berücksichtigung der Besoldungsgruppe A 8 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) zu gewähren. Zur Begründung hat er ausgeführt, ohne die Schädigung wäre er nach dem Kriege wieder als Gutsverwalter oder bei einer Land- und Forstwirtschaftskammer als Berater oder Kontrolleur tätig geworden. Seine Ausbildung hätte den Erfordernissen entsprochen. Auch habe er nach seiner Verwundung von November 1944 bis Januar 1945 an der Forstschule R. einen Kursus absolviert, der ihn befähigt haben würde, den Beruf des Revierförsters zu ergreifen. Daran hätten ihn aber die Schädigungsfolgen gehindert. Ein Einkommensverlust liege vor, weil er als Elektroprüfer bedeutend weniger verdiene.

Demgegenüber hat der Beklagte vorgetragen, der Kläger habe sich durch seine Verpflichtung zum aktiven Wehrdienst von seinem Beruf als Landwirt gelöst. Seine Bewerbung um Wiederverwendung bei der Bundeswehr sei aus schädigungsunabhängigen Gründen erfolglos geblieben. Im übrigen habe er angegeben, seine nach Kriegsende eingeleiteten Bemühungen, eine geeignete Stellung in der Landwirtschaft zu finden, seien ohne Erfolg geblieben, weil es zu dieser Zeit einfach an geeigneten Stellen gemangelt habe. Der neue Vortrag, er habe die Forstlaufbahn einschlagen wollen, könne zu keiner anderen Entscheidung führen. Für den Abbruch seiner dahingehenden Ausbildung seien der Ausgang des Krieges und die Nachkriegsverhältnisse maßgebend gewesen.

Auf Befragen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 28. Oktober 1969 weitere Ausführungen gemacht, wegen deren Inhalt im einzelnen auf die Sitzungsniederschrift verwiesen wird.

Mit Urteil vom selben Tag hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Kläger habe dem Grunde nach keinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich unter Eingruppierung in die Besoldungsgruppe A 8 BBesG. Als Berufssoldat hätte er auch ohne Schädigung bei der Bundeswehr wegen des Alters und mangelnden Bedarfs keine Verwendung gefunden. Dafür, daß er Zivilbeamter habe werden wollen, sei nichts vorgetragen. Das Gericht habe auch nicht feststellen können, daß er die weiterhin angegebenen Berufsziele als landwirtschaftlicher Verwalter oder Forstbeamter aus Schädigungsgründen nicht erreicht habe.

Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 7. Januar 1970 zugestellt worden ist, richtet sich seine zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Fulda am 26. Januar 1970 eingelegte Berufung. Zur Begründung verweist er unter Wiederholung seines beruflichen Werdeganges auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 27. Januar 1967 und begehrt Berufsschadensausgleich unter Eingruppierung als Berufsunteroffizier.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 28. Oktober 1969 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Mai 1966 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 1966 zu verurteilen, Berufsschadensausgleich zu gewähren und als Durchschnittseinkommen das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 8 BBesG zugrundezulegen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Zur mündlichen Verhandlung am 28. April 1971 war der Kläger weder erschienen noch vertreten.

Die Akten des Versorgungsamtes Fulda mit der Grdl. Nr. haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakten beider Instanzen wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, über die der Senat auf Antrag des Beklagten gemäß §§ 110, 126 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nach Lage der Akten entscheiden konnte, ist zulässig, sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 2 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 17. Mai 1966 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 1966 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage ist § 30 Abs. 3 und 4 BVG i.d.F. des 2. und 3. Neuordnungsgesetzes (NOG), wonach Schwerbeschädigte, deren Erwerbseinkommen durch die Schädigungsfolgen um monatlich mindestens 75,– DM oder überhaupt gemindert ist (Einkommensverlust), nach Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG einen Berufsschadensausgleich in Höhe von vier Zehntel des Verlustes, höchstens jedoch 400,– DM bzw. 500,– DM monatlich erhalten (§ 30 Abs. 3 BVG). Einkommensverlust ist dabei der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente und dem höheren Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, welcher der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte. Allgemeine Vergleichsgrundlage zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die amtlichen Ermittlungen des Statistischen Bundesamtes für das Bundesgebiet und die jeweils geltenden beamten- oder tarifrechtlichen Besoldungs- oder Vergütungsgruppen des Bundes (§ 30 Abs. 4 BVG). Gemäß § 30 Abs. 7 BVG ist die Bundesregierung ermächtigt worden, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist. Hierauf fußend sind die Verordnungen zur Durchführung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG vom 30. Juli 1964 und vom 28. Februar 1968 ergangen, die in § 4 das Durchschnittseinkommen im öffentlichen Dienst ermitteln, von dem der Kläger auszugehen begehrt. Nach § 4 Abs. 2 DVO ist als Durchschnittseinkommen bei Berufsunteroffizieren vom Feldwebel an aufwärts und vom vollendeten 45. Lebensjahr an das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 8 BBesG maßgebend, das um den Ortszuschlag nach Stufe 2 und Ortsklasse A zu erhöhen ist.

Von diesen Vorschriften ausgehend vermochte der Senat nicht festzustellen, daß der Kläger Anspruch auf Berufsschadensausgleich hat. Das von ihm zitierte Urteil des Bundessozialgerichts vom 27. Januar 1967 (Az.: 9 RV 484/64) stützt sein Begehren nicht, ebensowenig das Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 21. Februar 1967 (Schieckel-Gurgel, Kom. zu BVG, Bd. 5, S. 1836). Denn seiner Wiederverwendung bei der Bundeswehr haben nicht die Schädigungsfolgen entgegengestanden. Das geht aus dem Schreiben des Leiters der Annahme im Wehrbereich vom 8. Februar 1957 klar hervor. Dort ist ausgeführt, daß der Bewerbung des Klägers deshalb nicht stattgegeben werden konnte, weil die Zahl der Bewerber erheblich höher sei als der Bedarf der Bundeswehr. Mit einer Einstellung könnten jetzt nur noch Angehörige bestimmter Laufbahnen, Truppengattungen und Altersgruppen rechnen, zu denen der Kläger leider nicht gehöre. Unabhängig von diesem Inhalt des Absagebriefes, der sich in erster Linie auf mangelnde Planstellen stützt, wäre der Kläger auch allein aus Altersgründen bei der Bundeswehr nicht wiedereingestellt worden. Er war nämlich als Angehöriger des Jahrganges 1914 im Jahre 1956 schon 42 Jahre alt, wohingegen die Bestimmungen über die Höchstaltersgrenzen (VMBl. 1956 S. 7) eine solche von 32 Jahren vorgeschrieben haben. In Wertung dieser Tatsachen ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit kein Kausalzusammenhang zwischen den anerkannten Schädigungsfolgen und der Nichtverwendung im Militärdienst herzustellen. Das insbesondere auch deshalb nicht, weil der Kläger keine spezielle technische Vorbildung besaß, die ihn für einen Sonderdienst bei der Bundeswehr befähigt haben würde, wenn er unverletzt geblieben wäre (vgl. das von ihm zitierte Urteil des BSG).

Dafür, daß er nach Ableistung der aktiven Dienstzeit als Berufsunteroffizier Beamter hätte werden wollen, hat der Kläger nichts vorgetragen. Selbst wenn der Senat das zu seinen Gunsten unterstellen und sich dabei der Gedanken des BSG-Urteils vom 27. Januar 1967 und des Rundschreibens des Bundesarbeitsministers vom 21. Februar 1967 bedienen würde, ließe sich ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich nicht begründen. Denn die Schädigungsfolgen hätten den Kläger nicht gehindert, als Beamter des mittleren Dienstes, welche Laufbahn als Vergleichsmaßstab heranzuziehen wäre, tätig zu sein. Sie wären im Gegenteil einer verwaltenden Beschäftigung entgegengekommen.

Diese Erwägungen gelten auch für den Fall, daß der Kläger Beamter einer staatlichen Landwirtschaftsbehörde hätte werden wollen. Es ist nicht ersichtlich, daß er seine Vorkenntnisse auf landwirtschaftlichem Gebiet aus Schädigungsgründen nicht hat verwerten können. Die schlechten konjunkturellen Bedingungen und die Umstrukturierung der Landwirtschaft nach dem Kriege, die den Kläger nach seinen Angaben auf Bl. 263 R der VA tatsächlich gehindert haben, in dem früheren Beruf – einschließlich staatlicher und kommunaler Dienststellen sowie auch unter Einschluß von Kammern und Verbänden – tätig zu sein, sind mit Gedanken des Versorgungsrechts nicht in Verbindung zu bringen. Das gleiche wäre auch für den Forstbeamtenberuf, zumindest im Innendienst, zu sagen, wenn der Senat das Vorbringen des Klägers bezüglich seines Kurses als Forstwart als zutreffend unterstellen und weiter zu seinen Gunsten davon ausgehen könnte, daß dieser – abgebrochene – Lehrgang schon genügt hätte, um Eingang in die Forstverwaltung zu finden, obwohl die Eintragungen im Wehrpaß dagegensprechen. Denn danach ist der Kläger vom 2. Oktober bis 31. Januar 1945 beim Wehrbereichskommando P. tätig gewesen. Eine Abordnung zu einer Militärforstschule am B. oder in R. ist nicht erwähnt.

Nach alledem war der Berufung der Erfolg mit der Kostenfolge des § 193 SGG zu versagen, da sich der Anspruch auf Berufsschadensausgleich unter Heranziehung eines Durchschnittseinkommens im öffentlichen Dienst aus keinem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt begründen läßt.
Rechtskraft
Aus
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