L 3 U 372/78

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 3a U 97/76
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 372/78
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Verunglückt ein Versicherter nach einer Unterbrechung des Heimweges auf einer Straßenkreuzung, so steht er wieder unter Versicherungsschutz, wenn er sie auch auf seinem üblichen Heimweg befahren muß, selbst wenn dieser über eine Rechtsabbiegerspur führt.
Im übrigen endet die Unterbrechung des Heimweges auch dann, wenn die Entfernung von der Unfallstelle bis zu dieser Rechtsabbiegerspur die Breite der für den üblichen Heimweg benutzten Straße nicht übersteigt.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 14. Februar 1978 wird zurückgewiesen.

Der Urteilsausspruch wird dahin berichtigt, daß der Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 1976 aufgehoben wird.

Die Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger sind die im Jahre 1970 und 1973 geborenen Kinder der 1974 geschiedenen Eheleute B. und R. E. Sie wohnen bei ihrer Mutter, der gemäß Beschluss des Amtsgerichtes Herborn vom 28. Oktober 1974 (1 X 257/74) die elterliche Gewalt übertragen ist. Mit der Beklagten streiten sie um die Gewährung der Hinterbliebenenentschädigung nach ihrem Vater B. E. (E.).

Der im Jahre 1945 geborene E. erlitt der förmlichen Unfallanzeige seines Arbeitgebers, der Firma M. Werke AG, W., vom 5. November 1975 zufolge am 4. November 1975 gegen 23.55 Uhr bei einem Verkehrsunfall tödliche Verletzungen. Nach den von der Beklagten beigezogenen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Limburg (6 Js 1413/75) war E. in W. aus der S.straße kommend auf der Kreuzung K. E. Straße/S.straße von dem ihm aus dem K. entgegenkommenden Pkw-Fahrer D. (D.) angefahren worden, als er mit seinem Kleinkraftrad (Moped) der Marke Herkules nach links einbog, ohne diesen vorher vorbeifahren zu lassen. Die von E. und D. entnommenen Blutproben ergaben bei der Blutalkoholbestimmung durch Prof. Dr. S. (Universität G.) eine Blutalkoholkonzentration – BAK – von 0,52 ‰ bzw. nur einen physiologischen Wert. Das gegen D. eingeleitete Strafverfahren stellte die Staatsanwaltschaft am 12. Januar 1976 ein, da diesem kein fahrlässiges Verhalten nachgewiesen werden könne. Von der Firma H. erhielt die Beklagte die Auskünfte, daß der direkte Weg des E. von der Arbeitsstätte in der G.straße zur Wohnung über den K. und die E. Straße zur B. Straße geführt habe. Die Arbeitsschicht habe am Unfalltag um 14.00 h begonnen und sei um 22.25 h beendet gewesen. Auf der Stempelkarte sei zuletzt 22.40 h eingetragen. Mit Bescheid vom 17. Mai 1976 lehnte die Beklagte die Gewährung der Unfallentschädigung ab, da sich E. zur Unfallzeit auf einem unversicherten Abweg befunden habe. Nach ihren Feststellungen habe er seinen etwa 1 1/2 km langen üblichen Heimweg zur Wohnung in der B. Straße an der Kreuzung K./E. Straße/S.straße zunächst unterbrochen. Anstatt vom K. nach rechts unter Benutzung einer besonderen, negativ beschilderten Rechtsabbiegerspur in die E. Straße einzubiegen, sei er geradeaus auf der S.straße in Richtung N. weitergefahren und habe die Gaststätte "Z.” zur Einnahme einer Mahlzeit aufgesucht. Auf dem Rückweg von dort sei er dann als Linksabbieger noch vor Erreichen der Einmündung der Rechtsabbiegerspur in die E. Straße auf der Kreuzung verunglückt. Da er sich auf dem Weg von einer Gaststätte nach Hause befunden habe, habe kein betrieblicher Zusammenhang bestanden. Der übliche Heimweg sei noch nicht erreicht gewesen. Im übrigen bestünde auch kein zeitlicher Zusammenhang mehr, da die Unterbrechung von rd. 35 Minuten in keinem angemessenen Verhältnis zur Fahrzeit für die Zurücklegung des sonst üblichen Heimweges gestanden habe.

Gegen diesen an sie am 17. Mai 1976 abgesandten Bescheid haben die Kläger bei dem Sozialgericht Gießen – SG – am 31. Mai 1976 Klage erhoben und im wesentlichen geltend gemacht, daß ihr Vater E. zur Unfallzeit bereits wieder im Bereich des sonst üblichen Heimweges angelangt gewesen sei. Er habe seinerzeit von der geschiedenen Ehefrau getrennt gelebt und in einer Gaststätte zu Abend essen müssen. Die Unterbrechung des Heimweges sei zeitlich nur kurz gewesen. Das SG zog die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Limburg in dem gegen D. gerichteten Strafverfahrens bei und holte verschiedene Auskünfte von dem Amt für öffentliche Ordnung in W. sowie der Firma H. ein. Auf sie wird verwiesen. Sodann verurteilte es die Beklagte am 14. Februar 1978, den Klägern die Waisenrente in gesetzlichem Umfange zu gewähren. Zur Begründung führte es u.a. aus, daß sich der Unfall im Abbiegungsbereich K./E. Straße und damit auf dem üblichen Heimweg des E. ereignet habe. Diesen treffe am Unfall im übrigen auch kein Verschulden. Die festgestellte BAK sei unbedeutend. Die zeitliche Dauer der Unterbrechung des Heimweges durch einen Gaststättenbesuch liege unter 2 Stunden und sei daher unbeachtlich.

Gegen dieses ihr am 15. März 1978 zugestellte Urteil hat die Beklagte bei dem Hessischen Landessozialgericht am 5. April 1978 schriftlich Berufung eingelegt.

Es ist im Berufungsverfahren von Amts wegen die Auskunft der Straßenverkehrsbebörde W. vom 2. Mai 1978 mit einer maßstabgetreuen Skizze des Unfallstellenbereichs nach den Verhältnissen am Unfalltag eingeholt worden. Danach beträgt die Länge des Weges von der Arbeitsstätte des E. bis zu seiner Wohnung 2,4 km und die von der Unfallstelle bis zur Gaststätte "Z.” 0,6 km.

Die Beklagte beruft sich zur Begründung der Berufung auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides und bringt ergänzend vor: Auch die Ermittlungen im Berufungsverfahren hatten keinen anderen Sachverhalt ergeben. Ihre rechtliche Beurteilung gründe sich auf ein Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 21. Juli 1975 (L-6/U – 209/75). Danach könne eine Rechtsabbiegerspur – hier diejenige im K. zur E. Straße – nicht mehr zur Straßenkreuzung gerechnet werden, da sie über eine eigene und – teilweise auch durch Verkehrsinseln – abgetrennte Fahrbahn mit selbständiger Verkehrsregelung verfüge, die außerhalb des eigentlichen Kreuzungsbereichs den üblichen Weg von der Arbeitsstätte nach Hause darstelle. E. habe auf seinem sonst zurückzulegenden Heimweg als Rechtsabbieger den Kreuzungsbereich, auf dem er verunglückt sei, nicht berühren müssen und dürfen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 14. Februar 1978 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfall- und Streit- sowie Strafakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig (§§ 151 Abs. 1, 143, 145 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Sie ist jedoch unbegründet. Der Berufung mußte der Erfolg versagt bleiben, weil das SG der zulässigen Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben hat. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig. Die Kläger haben Anspruch auf die Waisenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§§ 589 Abs. 1 Nr. 3, 595 Reichsversicherungsordnung – RVO –).

Zunächst stellt der Senat fest, daß die Kläger die ehelichen Kinder des E. sind, wie durch die Abstammungsurkunden des Standesbeamten in E. vom 10. Dezember 1975 beurkundet ist. Ferner ist erwiesen, daß E. am 5. November 1975 um 0.10 h an den Folgen des am 4. November 1975 gegen 23.55 h in W. an der Kreuzung K./E. Straße/S.straße erlittenen Verkehrsunfalls verstorben ist. Dies ergeben die Sterbeurkunde des Standesbeamten in W. vom 6. November 1975 und der Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. S. (Unfallchirurgische Klinik W.) vom 25. November 1975. Auch hierüber besteht unter den Beteiligten kein Streit.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist E. einem Arbeitsunfall erlegen. Zum Unfallzeitpunkt befand er sich auf einem mit seiner bei der Firma H. ausgeübten und versicherten Tätigkeit in Zusammenhang stehenden Weg, nämlich auf einem solchen von der Arbeitsstätte zu seiner Wohnung (§§ 550 Abs. 1, 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO).

Hierzu stellt der Senat aufgrund der Ermittlungen der Beklagten im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren gegen D. sowie in beiden Rechtszügen folgenden Sachverhalt fest: D. lebte zur Unfallzeit allein in W., B. Straße Er arbeitete bei der Firma H. in der G.straße.

Wie deren Angaben und die im Berufungsverfahren beigezogene Auskunft der Straßenverkehrsbehörde von W. ergeben, führte der direkte Weg des E. von dort zu seiner Wohnung über die G.straße, den K. und die E. Straße zur B. Straße, wobei eine Strecke von 2,4 km zurückzulegen war. Am Unfalltag hatte E. Spätschicht, die um 14.00 h begann und um 22.25 h endete. Die von der Firma H. vorgelegte Stempelkarte weist als letzte Eintragung die Uhrzeit 22.40 h aus, wodurch erwiesen ist, daß E. um diese Zeit den Betrieb verlassen hat. Außerdem steht fest, wie unter den Beteiligten auch unstreitig ist, daß E. an der Kreuzung K./E. Straße/S.straße mit seinem Moped nicht nach rechts abbog, sondern geradeaus in die S.straße in Richtung N. weiter fuhr. Er kam zur Unfallzeit um 23.55 h, wie den Bekundungen der im Strafverfahren vernommenen Unfallzeugen S. und Sa. zu entnehmen ist, aus dieser Richtung zurück. Nach den unbestrittenen Angaben der Kläger hatte er nach Arbeitsende an der Arbeitsstätte dem Arbeitskollegen L. mitgeteilt, daß er noch in der Gaststätte "Z.” in der N. Straße zu Abend essen wolle. Nach den Ermittlungen im Straf- und Berufungsverfahren sind die Straßenverkehrsverhältnisse an der Unfallstelle zur Unfallzeit durch folgende Umstände gekennzeichnet gewesen: Von dem stadtauswärts führenden K. zweigt rechts die E. Straße ab. Sie wird durch eine Rechtsabbiegerspur erreicht, die gegenüber der E. Straße nicht bevorrechtigt ist (Zeichen Nr. 205 "Vorfahrt gewähren”, § 41 Abs. 2 Nr. 1 b Straßenverkehrsordnung vom 16. November 1970 – BGBl. I, 1565 – StVO). Diese Rechtsabbieger ist in seinem Kurvenscheitel mindestens ebenso breit wie die beiden links daneben liegenden Geradeausfahrspuren des K. zur nachfolgenden S.straße. Ferner ist der Rechtsabbieger von diesem Ring durch Leitlinien und eine Verkehrsinsel getrennt. An den stadtauswärtsführenden Fahrspuren ist die Vorfahrt nach Zeichen 306 "Vorfahrtstraße” (§ 42 Abs. 2 StVO) geregelt. Von der E. Straße kann man auf zwei durch Verkehrsinseln am K. abgegrenzte Linksabbiegerspuren stadteinwärts fahren, wobei die Vorfahrt gegenüber dem stadtaus- und einwärts fließenden Verkehr des K. und der S.straße zu beachten ist (Zeichen 205 a.a.O.). Von der stadteinwärts führenden S.straße zum K. können die Verkehrsteilnehmer auf ebenfalls zwei durch Verkehrsinseln begrenzten Linksabbiegerspuren in die E. Straße einbiegen, wobei entgegenkommender Verkehr bei ansonsten gleichberechtigter Vorfahrtsregelung (Zeichen 306 a.a.O.) zu beachten ist. Dies ergeben die im Berufungsverfahren beigezogene Straßenskizze und die polizeiliche Verkehrsunfallzeichnung im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren. Unmittelbar vor seinem Unfall fuhr E. von der S.straße kommend gegen 23.55 h mit seinem Moped auf der rechten Linksabbiegerspur an dem links stehenden Unfallzeugen Sa. vorbei und bog danach links in Richtung E. Straße ein. Nach Vollendung eines gedehnten Linksbogens wurde er von dem stadtauswärts in der rechten Fahrspur des K. fahrenden D. seitlich frontal in Höhe der Verkehrsinsel zwischen den beiden Fahrbahnen der E. Straße angefahren und tödlich verletzt. Auch das ist aufgrund der polizeilichen Feststellungen im Strafverfahren gegen D., dessen Angaben als Beschuldigtem, den Bekundungen der Unfallzeugen S. und Sa. sowie der angefertigten Lichtbilder erwiesen. Der Senat, der diese Ermittlungen im Rahmen des Urkundenbeweises würdigt (§§ 118 Abs. 2 SGG i.V.m. § 415 ff. ZPO), hält es nicht für erforderlich, diese als Zeugen zu hören oder eine Ortsbesichtigung vorzunehmen. Die örtlichen Gegebenheiten und die Unfallstelle können danach nicht zweifelhaft sein. Die Kläger behaupten zudem nicht, daß E. auf dem Rechtsabbieger des K. verunglückte. Die Beteiligten haben die hierzu schriftsätzlich gestellten Beweisanträge in der letzten mündlichen Verhandlung auch nicht mehr aufrechterhalten.

Ausgehend von diesem festgestellten Sachverhalt meint die Beklagte zu Unrecht, daß E. im Unfallzeitpunkt noch nicht wieder unter Unfallversicherungsschutz gestanden habe.

Zutreffend geht sie allerdings davon aus, daß E., als er zur Gaststätte "Z.” fuhr, um dort zu essen, nicht unter Versicherungsschutz stand. Die Essenseinnahme ist ebenso wie der Weg dorthin grundsätzlich dem privaten Bereich zuzurechnen, wenn, wie hier, der sonst übliche Heimweg verlassen sowie ein Abweg eingeschlagen wird und dafür keine betriebsbedingten Gründe maßgebend sind (BSG, Urteil vom 30. Juni 1960 – 2 RU 111/58 – in SozR Nr. 26 zu § 543 RVO a.F.). E. bedurfte auch zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung seiner Arbeitskraft nicht der Essenseinnahme in dieser Gaststätte. Er konnte nämlich mittags vor Beginn der Arbeitsschicht noch eine – auch warme – Mahlzeit einnehmen und sich ferner Lebensmittel beschaffen, um diese nach Arbeitsschluß zuhause zu verzehren. Der Rückweg von der Essenseinnahme teilt das gleiche rechtliche Schicksal.

Im Unfallzeitpunkt war auch noch keine Lösung von der den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit eingetreten. Das ist nur dann der Fall, wenn die Unterbrechung eines versicherten Weges mehr als zwei Stunden andauert (vgl. BSG, Urteil vom 28. April 1976 – 2 RU 147/75 – in SozR 2200 § 550 Nr. 12). E. verließ, wie die Stempelkarte zeigt, nach Arbeitsschichtende um 22.25 h gegen 22.40 h den Betrieb, fuhr über den K. sowie die S.straße zur Gaststätte "Z” und traf an der Unfallstelle schließlich gegen 23.45 h ein. Danach sieht der Senat als erwiesen an, daß er allenfalls etwas mehr als eine Stunde nach dem Abweichen von dem sonst üblichen Heimweg verunglückte.

Entgegen der Auffassung der Beklagten stand E. jedenfalls mit dem Erreichen der Unfallstelle im Kreuzungsbereich K./E. Straße/S.straße wieder unter Unfallversicherungsschutz. Eine Rückkehr auf den üblichen Heimweg zwischen Betrieb und Wohnung und damit eine Beendigung der Unterbrechung dieses versicherten Weges hat der 8. Senat des BSG in seinem Urteil vom 24. Februar 1977 (8 RU 42/76) aus Gründen der Praktikabilität für den Fall bejaht, daß ein Versicherter die Fahrbahn gegenüber seinem Wohnhaus zu überqueren versucht, auch wenn diese Wegstrecke nicht Teil seines üblichen Heimweges ist. In dem weiteren Urteil vom 14. Juli 1978 (8 RU 106/77) heißt es dazu, die etwas starre Handhabung des Wiederanknüpfens an den unterbrochenen Weg sei dadurch aufgelockert worden, daß eine Differenz bis zur Breite der jeweiligen Straße genüge. Im vorliegenden Fall ereignete sich der Unfall ebenfalls an einer Stelle, die nicht auf dem üblichen Heimweg des E. lag. Als er, von der S.straße kommend, beim Einbiegen in die E. Straße verunglückte, hatte er bis zum Erreichen seines üblichen Heimweges über die Einbiegerspur zur E. Straße aber nur noch eine Strecke von 10–12 m zu befahren. Diese war erheblich kürzer als die Breite des K. (etwa 20 m), von dem er auf dem üblichen Heimweg in die E. Straße hätte abbiegen müssen. Nach der oben angeführten Rechtsprechung des BSG war daher die Unterbrechung des versicherten Heimweges im Unfallzeitpunkt beendet. Zu dem gleichen Ergebnis gelangt man unter Zugrundelegung der in dem Urteil des BSG vom 28. Februar 1964 (2 RU 185/61 in E 20, 219) vertretenen Auffassung, wonach ein Versicherter den Versicherungsschutz nicht verliert, wenn er sein Fahrzeug auf dem Weg von oder zur Arbeitsstätte an der rechten Straßenseite abstellt und die Straße überquert, um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit zu verrichten. Er hätte also auch unter Versicherungsschutz gestanden, wenn er z.B. zu Beginn oder am Ende des Rechtsabbiegers zur E. Straße diese Straße oder den K. zu einer eigenwirtschaftlichen Verrichtung überquert hätte. Der dabei zurückgelegte Weg wäre aber wesentlich länger gewesen, als die nur 10–12 m betragende Entfernung von der Unfallstelle zur Einmündung des genannten Rechtsabbiegers in die E. Straße.

Im übrigen stand E. im Unfallzeitpunkt auch deshalb unter Unfallversicherungsschutz, weil er den Kreuzungsbereich bereits wieder erreicht hatte, den er auf dem direkten Heimweg über den Rechtsabbieger zur E. Straße befahren mußte. Der erkennende Senat stimmt dem Urteil des LSG Niedersachsen vom 21. Juli 1975 (L-6/U-209/75, abgedruckt im Rundschreiben des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaft VB 218/75) nicht darin bei, eine Rechtsabbiegerspur gehöre nicht zum Kreuzungsbereich, sondern sei nach § 8 der Straßenverkehrsordnung (StVO) als selbständige Straßeneinmündung anzusehen. § 8 StVO – in welcher Fassung auch immer – gestattet seinem Wortlaut nach eine solche Auslegung nicht. Dieser Bestimmung läßt sich nicht entnehmen, daß der Verkehr auf einem Rechtsabbieger an einer Kreuzung nicht zu dem des Kreuzungsbereichs gehört. Eine solche Betrachtungsweise ist auch lebensfremd. Regelmäßig gehört der rechtsabbiegende Verkehr zu einer jeden Kreuzung. Lediglich zur Erleichterung des Verkehrsflusses werden bisweilen sogenannte Rechtsabbiegerspuren angelegt. Daß ein enger Zusammenhang mit dem Verkehr im sonstigen Kreuzungsbereich besteht, ist – wie auch sonst – gerade hier offensichtlich: Der Verkehr auf dem Rechtsabbieger hat gegenüber dem linkseinbiegenden Verkehr aus der S.straße keine Vorfahrt, obwohl der des K. ganz allgemein sonst die Vorfahrt genießt und außerdem die auf dem Rechtsabbieger fahrenden Verkehrsteilnehmer für den Abbiegerverkehr an der S.straße von rechts kommen. Nach der gesamten Ausgestaltung der Kreuzungsanlage ist offensichtlich, daß sowohl in der S. als auch in der E. Straße stadteinwärts zumindestens in den Verkehrsspitzenzeiten ein so starker Verkehr herrscht, daß sich diesem die stadtauswärts fahrenden Rechtsabbieger des K. unterzuordnen haben. Hieraus folgt, daß der Rechtsabbieger nur das verkehrstechnisch notwendige Anhängsel des Kreuzungsbereichs darstellt und damit diesem selbst zuzurechnen ist, so daß mit dem Erreichen des Kreuzungsbereichs der Versicherungsschutz für E. wieder aufgelebt war.

Daß bei ihm nach dem Gutachten des Prof. Dr. S. vom 6. November 1975 aufgrund der Blutentnahme am 5. November 1975 um 0.35 h eine BAK von 0,55 ‰ ermittelt wurde, ist nicht geeignet den Unfallversicherungsschutz zu versagen. Nach den polizeilichen Ermittlungen ist E. mit einem Moped verunglückt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist ein Kradfahrer erst dann alkoholbedingt verkehrsuntauglich, wenn zur Unfallzeit ein BAK-Wert von 1,3 ‰ nachgewiesen ist (vgl. BSG, Urteil vom 1.12.1960 – 5 RKn 21/58 – in E 13, 172; Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 73 zu § 548 RVO mit weiteren Nachweisen). Dieser Grenzwert gilt auch bei Führern von sogenannten Mopeds, da auch bei diesen – anders als bei Mofas – die gleichen Grundsätze anzuwenden sind (vgl. Lauterbach, a.a.O., unter Hinweis auf LSG Berlin, Urteil vom 5. April 1956 – 3 LSG 18/56 – in Lauterbach, Kartei-Nr. 2090 zu § 542 RVO, LSG Niedersachsen, Urteil vom 17. Dezember 1963 in Lauterbach-Kartei Nr. 5254 zu § 548 Abs. 1 S. 1 RVO; Müller in Blutalkohol 1968, 339 ff.). Ein solcher, den Unfallversicherungsschutz lösender Sachverhalt wird von der Beklagten auch nicht behauptet und ist nach dem ermittelten BAK-Wert nicht feststellbar. Zwar kann ein Kraftradfahrer auch bei einem BAK-Wert von unter 1,3 ‰ alkoholbedingt verkehrsuntüchtig sein, wenn sich neben dem Alkoholgenuß aus der sonstigen Fahr- und Verhaltensweise des Verletzten hierfür ausreichende, von der Beklagten nachzuweisende Anhaltspunkte ergeben (vgl. BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 – 8 RU 52/76 –). Solche sind hier aber nicht ersichtlich. Es ist zudem eine allgemeinkundige Erfahrung des täglichen Straßenverkehrs, daß häufig der Gegenverkehr von einzelnen Verkehrsteilnehmern keine ausreichende Beachtung findet und Alkoholgenuß dabei keine Rolle spielt. Die Beklagte zieht dies vorliegend auch nicht in Zweifel und stützt daher zu Recht ihre Ablehnung nicht auf eine alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit. Weder das SG noch der Senat brauchten dazu Beweis zu erheben, nachdem die Beklagte dies auch selbst unterlassen hat.

Nach alledem ist die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß unter Ergänzung des Urteilsausspruchs des SG der angefochtene Bescheid aufgehoben wird. Das SG hat offensichtlich eine solche Rechtsfolge aussprechen wollen, wie den Entscheidungsgründen entnommen werden kann, dies aber vergessen. Der Senat wertet das Fehlen dieses Ausspruches in der Urteilsformel als eine offenkundige Unrichtigkeit im Urteil (§ 138 SGG), die, ohne daß es der Einlegung der Anschlußberufung durch die Kläger bedarf, auch im Rechtsmittelverfahren durch das Rechtsmittelgericht berichtigt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 1978 – 7/12 RAr 73/76 – in Dienstblatt der Bundesanstalt für Arbeit – Rechtsprechung – vom 15. Juni 1978 Nr. 2278 a zu § 72 AFG).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 193, 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
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