L 3 U 6/77

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 249/75
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 6/77
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Entschädigung der Erkrankung an Hepatitis-A – eines Flugbegleiters als Berufskrankheit nach Nr. 37 der Anlage 1 zur 7. Berufskrankheiten – Verordnung.
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19. November 1976 und der Bescheid der Beklagten vom 27. Januar 1975 aufgehoben.

II. Die Beklagte wird dem Grunde nach verurteilt, die bei dem Kläger am 14. März 1974 festgestellte Virushepatitis als Berufskrankheit zu entschädigen.

III. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Entschädigung einer Hepatitis als Berufskrankheit (BK) oder als Folge eines Arbeitsunfalls.

Der im Jahre 1947 geborene Kläger war als Flugbegleiter bei der D. L. AG (LH) tätig. Über ihn erstattete die Ärztin Dr. K. unter dem 25. März 1974 eine förmliche "ärztliche Anzeige über eine BK”, in der sie angab, er sei seit dem 12. März 1974 arbeitsunfähig erkrankt und es bestehe der Verdacht, daß er sich auf einem Flug in den Fernen Osten vom 7. Februar bis 24. Februar 1974 eine Virus-Hepatitis zugezogen habe. Seine ersten Beschwerden seien am 21. Februar 1974 in Delhi aufgetreten. Die LH bestätigte diese Angaben mit der förmlichen Unternehmeranzeige über eine BK vom 26. April 1974. Nach der Ersatzanspruchsberechnung vom 23. August 1974 der Hanseatischen von 1826 und Merkur-Ersatzkasse, der der Kläger als freiwilliges Mitglied mit Anspruch auf Krankengeld angehörte, dauerte seine Arbeitsunfähigkeit bis zum 18. August 1974. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Landesgewerbearztes im Hessischen Sozialministerium vom 20. Dezember 1974 ein. Darin wurden die Voraussetzungen für eine BK nach den Nummern 37 und 44 der Anlage zur Siebenten Berufskrankheiten-Verordnung (7. BKVO) sowie für einen Arbeitsunfall verneint. Es fehle an einer ausreichend hohen Infektionsgefahr für das fliegende Personal der LH während der Reiserouten und dem Aufenthalt im Ausland, die Virushepatitis sei weltweit verbreitet und deshalb auch keine Tropenkrankheit und schließlich lasse sich nicht mit Wahrscheinlichkeit feststellen, daß der Kläger die Infektion bei der versicherten Tätigkeit innerhalb einer Arbeitsschicht erlitten habe.

Daraufhin lehnte es die Beklagte aus denselben Gründen mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. Januar 1975 ab, dem Kläger Entschädigung zu gewähren. Seinem dagegen am 17. Februar 1975 eingelegten Widerspruch half die Beklagte aufgrund eines fachinternistischen Aktengutachtens des Dr. S., H., vom 16. Juni 1975 nicht ab und leitete diesen Widerspruch dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) als Klage zu, nachdem der Kläger der Weiterleitung zugestimmt hatte (Beschluss der Widerspruchsstelle der Beklagten vom 14. August 1975).

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger die Fotokopie eines inner- und tropenfachärztlichen Ergänzungsgutachtens vom 30. Mai 1975 vorgelegt, das Prof. Dr. M., Chefarzt der Klinik des B.-Instituts für Schiffs- und Tropenkrankheiten in H., dem Sozialgericht Darmstadt in einem Rechtsstreit eines anderen Flugbegleiters der LH auf Entschädigung einer Hepatitis erstattet hatte (S. T.). Darin setzt Prof. M. ganz entschieden die Infektionsgefährdung des fliegenden Personals in den tropischen Gebieten der Exposition des Pflegepersonals in Krankenhäusern gleich, das Hepatitiskranke zu pflegen hat.

Mit Urteil vom 19. November 1976 hat das SG die Klage abgewiesen; auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 27. Dezember 1976 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4. Januar 1977 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Im Berufungsverfahren ist der Sachverhalt weiter aufgeklärt worden. Es ist die Untersuchung von S. (Tropenheim-P.-Krankenhaus T.) vom 1. April 1974 "Die Häufigkeit von Erkrankungen an Hepatitis epidemica im In- und Ausland” in das Verfahren eingeführt worden. Die LH hat die schriftlichen Auskünfte vom 2. August 1978 und 18. Januar 1979 über den Einsatz des Klägers erteilt. Der Leiter des betriebsärztlichen Dienstes der LH Dr. med. B. hat die Auskunft vom 12. Februar 1979 über die Morbidität an akuter Hepatitis bei der LH in der Zeit vom 1. Januar 1972 bis 31. Dezember 1978 gegeben. Schließlich haben die Dres. K. und S., Tropenheim-P.-Krankenhaus in T. das tropenfachärztliche Sachverständigengutachten vom 12. Dezember 1979 nach stationärer Untersuchung des Klägers vom 4. bis 6. Juli 1979 erstattet. Darin vertreten sie die Auffassung, beim Kläger habe sich am 14. März 1974 eine Virushepatitis vom Typ A manifestiert, die er sich während seines beruflichen Einsatzes als Flugbegleiter zugezogen habe. In der Zeit vom 17. Februar bis 20. Februar 1974 sei er durch seinen beruflichen Aufenthalt in Delhi einem deutlich erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt gewesen. Die vom 8. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) aufgestellten Voraussetzungen zur Anerkennung einer Tropenkrankheit als BK seien erfüllt. Die dadurch bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzten sie vom 18. August 1974 ab, dem Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit, bis zum 7. Januar 1975 mit 30 v.H. ein, danach bis zum 28. Februar 1975 mit 15 v.H ... Ab 1. März 1975 sei die Krankheit folgenlos abgeheilt.

Der Kläger hält dementsprechend seinen Entschädigungsanspruch für begründet und beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19. November 1976 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Januar 1975 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seine Erkrankung an Virushepatitis – A – als Berufskrankheit,
hilfsweise,
als Arbeitsunfall zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, die Virushepatitis – A – sei keine Tropenkrankheit im Sinne der Nr. 44 der Anlage zur 7. BKVO. Das habe der 2. Senat des BSG mit Urteil vom 28. Juli 1977 (2 RU 55/75) unter "Preisgabe” der früheren Auffassung des 8. Senats des BSG entschieden. Die Erkrankung des Klägers sei auch keine BK nach der Nr. 37 der Anlage zur 7. BKVO, weil er nicht der Infektionsgefahr wie ein Versicherter im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium ausgesetzt gewesen sei. Das Kabinenpersonal der großen Linienmaschinen der LH sei aufgrund der hygienischen Verhältnisse in den Flugzeugen einem deutlich geringeren Infektionsrisiko ausgesetzt, als das Pflege- und Laborpersonal in deutschen Krankenhäusern. Außerdem fehle auch im Einzelfall der maßgebliche ursächliche Zusammenhang zwischen Erkrankung und versicherter Tätigkeit. Für den Kläger habe in der Inkubationszeit weder in dem Flugzeug noch während der kurzfristigen Aufenthalte mit optimaler Unterbringung in den Vertragshotels der LH in Delhi, Bangkok und Hongkong ein wesentlich erhöhtes Infektionsrisiko bestanden.

In der mündlichen Verhandlung am 10. September 1980 hat der Senat den Kläger persönlich zur Sache gehört; insoweit wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift (Bl. 194 R GA) verwiesen.

Wegen der übrigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist ungeachtet der §§ 144 Abs. 1 Nr. 2 und 145 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft, weil auch der ursächliche Zusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einem Arbeitsunfall im Sinne von § 150 Nr. 3 SGG in tatsächlicher Hinsicht streitig ist (vgl. Hess. LSG, Urteil vom 26.4.1978 – L 3/U – 181/75 –, im Anschluß an BSG, Urteil vom 22.10.1975, 8 RU 54/75, in SozR 5676 Nr. 2 zu Nr. 44 Anlage zur 6. BKVO). Unter Wahrung der Form- und Fristvorschriften (§ 151 Nr. 1 SGG) ist sie somit zulässig.

Die Berufung ist auch begründet.

Zu Unrecht hat das SG die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig. Dem Kläger steht dem Grunde nach der geltend gemachte Entschädigungsanspruch zu, weil er an einer entschädigungspflichtigen BK litt (§ 551 Abs. 1 und Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung – RVO – in Verbindung mit Nr. 37 Anlage 1 zur 7. BKVO vom 20.6.1968 – BGBl I S. 721 –). Die dadurch zeitweise hervorgerufene MdE von 30 v.H. nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit begründet den Anspruch auf Mindestleistung als Voraussetzung für ein Grundurteil (§ 130 SGG).

Hierzu ist zunächst festzustellen: Die von dem Kläger zur Entschädigung gestellten Gesundheitsstörungen sind Folgen einer am 14. März 1974 manifest gewordenen Virushepatitis vom Typ A (Anstieg der Transaminasen und des Serumbilirubins, Untersuchung auf Australia-Antigen negativ). Diese Feststellungen beruhen auf dem ausführlichen und überzeugenden tropenfachärztlichen Gutachten der Dres. K. und S ... Die Tatsachen sind unter den Beteiligten auch nicht mehr streitig.

Als Infektionskrankheit, die durch Viren verursacht wird (vgl. Merkblatt des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung für die ärztliche Untersuchung zu Nr. 37 der Anlage 1 zur 7. BKVO vom 15. September 1969, Arbeitsschutz – Fachteil des BABl. – 1969, S. 202), ist die Virushepatitis des Klägers im Rechtssinne durch seine betriebsbedingte Tätigkeit als Flugbegleiter bei der LH verursacht worden. Der beschriebene ursächliche Zusammenhang ist wahrscheinlich. Die zur Anspruchsbegründung in der gesetzlichen Unfallversicherung ausreichende "Wahrscheinlichkeit” besteht, wenn bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände die für den Zusammenhang ins Feld zu führenden Erwägungen so stark überwiegen, daß die dagegen gerichteten für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (vgl. BSG in SozR Nr. 20 zu § 542 RVO a.F.; Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 17 zu § 548 RVO). Von der Wahrscheinlichkeit ist die bloße "Möglichkeit” zu unterscheiden, die zur Annahme des ursächlichen Zusammenhangs in der Unfallversicherung nicht ausreicht.

Hierzu ist weiterhin festzustellen: Als Flugbegleiter gehörte der Kläger dem Kabinenpersonal an, dem eine bestmögliche Betreuung der Passagiere oblag. Dazu mußte er sich in allen den Passagieren zugänglichen Räumen aufhalten, die Gemeinschaftseinrichtungen, insbesondere die Toiletten mitbenutzen, mit Geld und abgegessenem Geschirr der Passagiere arbeiten und nach Bedarf auch die Passagiere bei Hilfeleistungen der verschiedensten Art körperlich unterstützen. In der hier für eine mögliche Infektion mit dem Hepatitis – A – Virus in Betracht kommenden Inkubationszeit zwischen dem 23. Januar und 28. Februar 1974 (nach den Dres. K. und S. beträgt die Inkubationszeit 15 bis 50 Tage, gerechnet vom Tage des Transaminasen- und Serumbilirubin-Anstieges ab) war der Kläger vom 7. bis 24. Februar 1974 auf einem Flug in den Fernen Osten über Athen – Bangkok – Tokio – Bangkok – Hongkong Delhi – Bangkok – Delhi – Frankfurt am Main eingesetzt. Nachdem er am 15. in Hongkong angekommen war, flog er von dort am 17. nach Delhi, am 18. wieder nach Bangkok, hatte sich in Bangkok bis zum 20. zur Verfügung zu halten, begab sich am 20. wieder zurück nach Delhi und erkrankte am 21. Februar an hohem Fieber, kolikartigen Leibschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Der Vertragsarzt der LH in Delhi behandelte den Kläger ambulant und stellte ihn soweit wieder her, daß er am 24. Februar 1974 von Delhi nach F. fliegen konnte.

Die Betriebstätigkeit des Klägers in dieser Zeit war durch die Tatsache geprägt, daß sich die Flüge mit Start und Landung auf den Bereich des Fernen Ostens (Hongkong, Indien und Thailand) beschränkten und daß die zu betreuenden Passagiere einen Aufenthalt in den angeflogenen Gebieten hinter sich hatten, sei es als transkontinentale Besucher oder auch als Einheimische; durch die mehrmaligen An- und Abflüge in Delhi kamen dabei auch besonders die indischen hygienischen Verhältnisse zur Geltung.

Die betriebsbedingten Landaufenthalte des Klägers in demselben Zeitraum lassen sich einerseits aufteilen in die Benutzung von Vertragshotels der LH bei nur mittelbaren Kontaktmöglichkeiten mit den örtlichen hygienischen Verhältnissen (Hotel Excelsior in Hongkong, Hotel Oberoi in Delhi und President Hotel in Bangkok) und andererseits in versicherte Tätigkeiten außerhalb dieser Hotels mit unmittelbarem Umweltkontakt, zum Beispiel auf Betriebsfahrten und auf Wegen zur und von der Nahrungsaufnahme. Wenn sich auch nicht mehr jede Einzelheit dieser unter Unfallversicherungsschutz stehenden Tätigkeiten aufklären läßt, so kann aufgrund des glaubhaften, unbestrittenen Vortrags des Klägers (Schriftsatz vom 12.8.1977 – Bl. 106–107 GA) doch festgestellt werden, daß er in Delhi am 18. Februar im Moghul-Restaurant und am 20. Februar im Taij Mahal-Restaurant Mahlzeiten einnahm.

Danach ist es im hohen Grade wahrscheinlich, daß sich der Kläger die ausschlaggebende Infektion mit dem Hepatitis-A-Virus in der Zeit vom 17. bis zum 20. Februar 1974 zuzog.

Diese Feststellungen beruhen auf der ärztlichen Anzeige über eine BK vom 25. März 1974, dem Sachverständigengutachten der Dres. K. und S. den eigenen, glaubhaften Angaben des Klägers und der Auskunft der LH vom 2. August 1978.

Nach der Eigenart der verrichteten Betriebstätigkeit ist es darüber hinaus wahrscheinlich, daß die Virusübertragung bei einer betrieblichen Tätigkeit erfolgte.

Maßgebend für die unfallversicherungsrechtliche Beurteilung der geltend gemachten Erkrankung ist nach dem Beginn der Krankheit im Sinne der Krankenversicherung der § 551 RVO i.V.m. der damals in Kraft gewesenen 7. BKVO vom 20. Juni 1968 – BGBl. I S. 721 – (§ 551 Abs. 3 RVO). Als Arbeitsunfall gilt nach § 551 Abs. 1 RVO auch eine von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung als solche bezeichnete BK. Dabei erstreckt sich diese Ermächtigung darauf, solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Nach Nr. 37 der Anlage 1 zur 7. BKVO (= Nr. 3101 der Anlage zur BKVO i.d.F. vom 8. Dezember 1976, BGBl. I S. 3329), sind Infektionskrankheiten wie die Virus-Hepatitis – A – des Klägers als BK’en zu entschädigen, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße ausgesetzt war. Die letztgenannten Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle erfüllt. Mit dieser, erst durch die 7. BKVO neu geschaffenen und am 1. Juli 1968 in Kraft getretenen zusätzlichen Regelung hat der Verordnungsgeber auch den Versicherungsschutz gegen Infektionskrankheiten dem Grundsatz des 6. Änderungsgesetzes vom 9. März 1942 (RGBl. I S. 107) angepaßt, daß nicht mehr die Art des Betriebes oder des Unternehmens (vgl. noch 6. BKVO vom 28. April 1961 – BGBl. I S. 505, Anlage 1 Spalte III), sondern die konkrete versicherte Tätigkeit maßgebend ist. Dabei trug er den gegen die Einführung eines in dieser Hinsicht uneingeschränkten Versicherungsschutzes gerichteten rechtlichen Bedenken aus den Ermächtigungsgrenzen des § 551 Abs. 1 S. 3 RVO dadurch Rechnung, daß er den Versicherungsschutz zwar über den bisher schon erfaßten Personenkreis hinaus ausdehnte, aber doch auf diejenigen Versicherten beschränkte, die im Einzelfall durch ihre Tätigkeit der Ansteckungsgefahr besonders ausgesetzt waren (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. II Stand: 53. Nachtrag 1980, S. 492 mit weiteren Nachweisen). Der Zweck der Erweiterung der Nr. 37 besteht also darin, den Schutz der Unfallversicherung bei Infektionskrankheiten nicht mehr allein auf diejenigen Versicherten zu beschränken, die im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig und deshalb der Infektionsgefahr besonders ausgesetzt sind. In den Versicherungsschutz sollen vielmehr auch diejenigen Personen einbezogen werden, bei denen dies im ähnlichen Maße durch eine andere Tätigkeit auch der Fall ist (vgl. BSG, Urteil vom 2. Februar 1978 – 8 RU 68/77 – in HVGBG RdSchr VB 93/78 = USK 7808).

Kriterium für das Eingreifen des Versicherungsschutzes ist mithin nicht mehr die besondere Art der Tätigkeit, auch nicht das bloße Vorhandensein einer Gefährdung, die zufällig zu einer Ansteckung geführt hat, sondern die mit der Eigenart der Tätigkeit verbundene besondere Infektionsgefahr (vgl. BSG, Urteil vom 2. Februar 1978, 8 RU 68/77, a.a.O., und Brackmann, a.a.O. S. 492 e mit weiteren Nachweisen) im Vergleich zu den Verhältnissen der übrigen Bevölkerung im Geltungsbereich der RVO (vgl. BSG, Urteil vom 19. April 1974, 8 RU 64/73, in SozR 5676 Nr. 1 zu Nr. 44 Anlage zur 6. BKVO, und LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7. April 1976, L-3/U-185/75, in RSpDienst 1300 § 551 RVO S. 7 ff.).

Hierzu stellt der Senat fest: Die Virushepatitis – A – ist eine Infektionskrankheit mit weltweiter Verbreitung. Sie kommt jedoch in einigen Gebieten von West- und Zentral-Afrika, im indischen Subkontinent und in Südamerika gehäuft vor. In der Bundesrepublik Deutschland ist sie dagegen in den letzten zwei Jahrzehnten immer seltener geworden. Dabei handelt es sich in den meisten bekanntgewordenen Erkrankungsfällen um Infektionen, die im Ausland erworben oder von Gastarbeitern eingeschleppt wurden. Das Hepatitis-A-Virus wird auf dem fäkal-oralen Weg übertragen. Das Virus wird vom Erkrankten während der etwa eine Woche lang dauernden Infektionszeit im Stuhl abgesetzt. Jede Art mittelbaren Kontaktes mit infektiösem Material, der oft nur einmal stattzufinden braucht, reicht aus, diese Infektion zu übertragen. Infiziertes Trinkwasser, roh genossene, mit menschlichen Fäkalien gedüngte Nahrungsmittel, kontaminierte (z.B. durch Fliegenübertragung, Speisen, mangelnde Hygiene auf Gemeinschaftstoiletten usw.) kommen als Übertragungsmittel und Übertragungswege in Betracht. Diese Feststellungen beruhen auf dem Gutachten des Prof. M. vom 30. Mai 1975 und der Dres. K. und S. vom 12. Dezember 1979.

Daraus folgt, daß die spezielle Tätigkeit des Klägers an Bord des ihm zugeteilten Flugzeuges unter Umständen zu verrichten war, die in besonders vielfältigem Maße Übertragungsmöglichkeiten für den Hepatitis-A-Virus bot. Der Grad des Infektionsrisikos hängt dabei unmittelbar von der Zahl der erkrankten Passagiere ab. Diese Zahl läßt sich mangels entsprechender Untersuchungen und insbesondere auch deshalb im konkreten Falle nicht feststellen, weil die Krankheit oft trotz sehr hoher Infektiosität der Erkrankten unbemerkt abläuft. Andererseits läßt sich das Ausmaß der Durchseuchung im Aufenthaltsgebiet der Passagiere und damit auch der, Grad des Infektionsrisikos für den Kläger mittelbar an den leichter feststellbaren Erkrankungen von Deutschen bemessen, die von einem Aufenthalt in den Tropen heimgekehrt sind. Dazu hat S. (Tropenheim-P.-Krankenhaus, T., Zur Beurteilung der Virushepatitiden bei Tropenreisenden, Anlage zum Sachverständigengutachten der Dres. K. und S.) in einer Untersuchung an Tropenheimkehrern aus den Jahren 1975 bis 1977 nachgewiesen, daß das Risiko, sich fäkal-oral mit einer Virushepatitis zu infizieren, bei einem Aufenthalt in Indien vierzehnmal so groß ist wie dasjenige der Gesamtbevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland. Demgegenüber erbrachte die Untersuchung von S. vom 1. April 1974, daß Ärzte und Pflegepersonal in deutschen Krankenhäusern einem Virushepatitis-Infektionsrisiko ausgesetzt sind, das nur zehnmal höher ist als das der Gesamtbevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland.

Prof. M. kommt in seinem Gutachten vom 30. Mai 1975 zum gleichen Ergebnis. Er bestätigt, daß die Gefahr, sich mit Hepatitis epidemica zu infizieren, auch in Indien sehr groß ist. Ausgehend davon sei die Infektionsgefährdung des fliegenden Personals in den tropischen Gebieten der Exposition des Pflegepersonals in den Krankenhäusern, das Hepatitiskranke zu pflegen habe, gleichzusetzen. Diese Tatsache lasse sich dadurch erklären, daß sich das Krankenhauspflegepersonal der Gefahr stets bewußt sei und die Vorbildung habe, sich entsprechend zu verhalten und vorzusehen, während das Flugpersonal dazu weder das gleiche Gefahrenbewußtsein, noch die gleichen Vorbeugungskenntnisse noch die gleichen Vorbeugungsmöglichkeiten habe. Aufgrund des genannten hohen Durchseuchungsgrades auf dem indischen Subkontinent erhält die Tatsache besondere Bedeutung, daß der Kläger in der wahrscheinlichen Inkubationszeit vom 37. bis 20. Februar 1974 ausschließlich im Fernen Osten eingesetzt war und währenddessen Delhi zweimal anflog und einmal verließ. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit erheblich, daß unter den von ihm zu betreuenden Passagieren – seien es Interkontinentalreisende oder Einheimische – solche befanden, die sich bei ihrem Aufenthalt in dem stark durchseuchten indischen Subkontinent mit dem Hepatitis-A-Virus infiziert hatten. Diese Tatsachen allein lassen ein erheblich erhöhtes Infektionsrisiko feststellen, dem der Kläger durch die Eigenart seiner betrieblichen Tätigkeit ausgesetzt war. Die von Dr. B. dem Leiter des betriebsärztlichen Dienstes der LH, in der Auskunft vom 12. Februar 1979 (11. Januar 1979) genannte Rate von 3,27 pro Tausend Angehörige des Kabinenpersonals kann die getroffene Feststellung nicht widerlegen. Die genannten Zahlen lassen sich in Übereinstimmung mit der Ansicht von Dr. S. nicht verwerten, da die ausschlaggebenden Aufteilungen nach den angeflogenen Ländern fehlen.

Der Kläger war aber in der maßgeblichen Infektionszeit nicht nur an Bord, sondern auch während zweier Aufenthalte in Delhi einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Dabei ist zwischen der Unterbringung im Hotel Oberoi und den versicherten Wegen außerhalb dieses Hotels zu unterscheiden. Angesichts der vom Kläger glaubhaft bestätigten, allgemeinkundigen Tatsachen, daß im Hotel Oberoi ebenso wie in jedem größeren Hotel in Delhi auch Einheimische beschäftigt werden, daß auch einheimische Gäste Zugang zum Hotel haben und die Gemeinschaftseinrichtungen benutzen, daß Trinkwasser und zumindest ein Teil der Nahrungsmittel aus einheimischen Quellen stammt und daß Fliegen auch in den Hotels nicht völlig ferngehalten werden können, hängt das in dem Hotel wahrscheinlich vorhanden gewesene Infektionsrisiko ebenfalls von dem Durchseuchungsgrad der engeren und weiteren Umgebung von Delhi ab, in der dieses Hotel angesiedelt ist.

Der Senat vermag deshalb nicht festzustellen, daß der Kläger im Hotel Oberoi keinem höheren Infektionsrisiko als die Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland ausgesetzt war, nur weil die LH bei der Auswahl ihrer Vertragshotels darauf achtet, daß es im internationalen Standard geführt wird (vgl. auch die Auskunft vom 2. August 1978); auch die Bezeichnung Luxus-Hotel besagt über das Infektionsrisiko in klinisch-hygienischer Hinsicht sehr wenig. Angesichts des sehr hohen Durchseuchungsgrades in Indien ist es stattdessen wahrscheinlich, daß auch das Hotel Oberoi erhöhte, mit dem bloßen Auge nicht zu erkennende Gefahren für eine Ansteckung mit Hepatitis – A– barg, denen der Kläger durch seine betriebsbedingte Unterbringung ausgesetzt war. Das erhöhte Infektionsrisiko war wahrscheinlich mindestens so hoch wie dasjenige für Pflegepersonal in deutschen Krankenhäusern, das Patienten mit einer erkannten Erkrankung an Hepatitis – A – behandelt. Auch für diese Feststellung stützt sich der Senat auf das Gutachten von Prof. M ... Insoweit ist die Aussage von S. (Zur Beurteilung der Virus-Hepatitiden bei Tropenreisenden, a.a.O.) mißverständlich soweit er ausführt, daß das Leben in festgebauten Wohnhäusern und Wohnungen oder in gut geführten Hotels kein erhöhtes Infektionsrisiko begründen könne. Das gilt nur in den Fällen nicht nachgewiesener höherer Durchseuchung des Entwicklungslandes. Ist dieser Durchseuchungsgrad stattdessen erwiesen und gar so hoch wie derjenige in Indien, dann ist auf die weitere Aussage der Dres. K. und S. im eingeholten Sachverständigengutachten zu verweisen, man müsse bei Zwischenaufenthalten des fliegenden Personals der LH im Ausland, besonders bei Übernachtungen in Hotels, jeweils die Risikolage des betreffenden Landes berücksichtigen.

Soweit sich der Kläger betriebsbedingt in der geschilderten Weise außerhalb des Hotels Oberoi aufhielt, bestand für ihn wieder das volle für Indien nachgewiesene Infektionsrisiko mit unmittelbaren und mittelbaren Gefahren, sich mit dem Hepatitis-A-Virus zu infizieren. Daraus und aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens folgt, daß die Voraussetzungen für eine Entschädigung nach Nr. 37 der Anlage 1 zur 7. BKVO vorliegen. Die Eigenart der vom Kläger zu verrichtenden Betriebstätigkeit brachte es in der Zeit vom 17. bis zum 20. Februar 1974 mit sich, daß sie bei den nachgewiesenen örtlichen Verhältnissen unter einem deutlich gegenüber der maßgebenden Gesamtbevölkerung erhöhten Infektionsrisiko verrichtet werden mußte. Dieses Infektionsrisiko ist demjenigen vergleichbar, unter dem das Pflegepersonal in deutschen Krankenhäusern arbeiten muß. Art und Verlauf seiner Erkrankung lassen zwar nicht eine konkrete Infektionsquelle bestimmen, machen es aber wahrscheinlich, daß die Infektion zwischen dem 17. und dem 20. Februar 1974 bei der Verrichtung einer Betriebstätigkeit erfolgt ist. Diese Art der Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhanges reicht zur Annahme einer BK aus (vgl. Brackmann, a.a.O. S. 492 f. I mit weiteren Nachweisen). Die BK unterscheidet sich gerade dadurch vom Arbeitsunfall, daß ein einmaliges, plötzliches Infektionsereignis nicht nachgewiesen werden muß, sondern daß es genügt, wenn der Versicherte durch seine Berufstätigkeit einer erheblichen Erkrankungsgefahr ausgesetzt war (vgl. BSG, Urteil vom 22.10.1975, 8 RU 54/75, a.a.O.).

Abgesehen davon folgt aus den getroffenen Feststellungen, daß die geltend gemachte Erkrankung im Sinne der Rechtsprechung des 8. Senats des BSG auch eine Tropenkrankheit im Sinne der Nr. 44 der Anlage 1 zur 7. BKVO ist (vgl. BSG, Urteil vom 22.10.1975, 8 RU 54/75, a.a.O.; Urteil vom 2.2.1978, 8 RU 68/77, a.a.O.). Nach dieser Rechtsprechung ist bei dem nachgewiesenen Grad der Durchseuchung Indiens mit Virushepatitis auch eine in Indien erworbene Virushepatitis –A– eine Tropenkrankheit, da im vorliegenden Fall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen worden ist, daß die Infektion in Indien stattgefunden hat.

Das begehrte Grundurteil war deshalb wie erkannt zu erlassen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision aus § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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