L 4 S 30/70

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 S 30/70
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Kosten im Sinne des § 109 SGG, die auf die Staatskasse übernommen werden können, sind nur solche, die vom Gericht selbst verauslagt wurden.
Der Antrag des Klägers vom 7. Januar 1970/24. Februar 1970 auf Übernahme von Kosten für das Gutachten des Dr. M. vom 21. Oktober 1960 wird als unzulässig abgewiesen.

Gründe:

Der Kläger hatte vor dem Sozialgericht Giessen gegen einen ihm am 12. Januar 1955 erteilten, seinem Versorgungsanspruch nicht in vollem Umfange stattgebenden Bescheid Klage erhoben, die dieses Gericht mit Urteil vom 28. Oktober 1957 abwies. In dem hiergegen vor dem Hessischen Landessozialgericht auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG ein Gutachten des Arztes Dr. M. bei, das dieser am 21. Oktober 1960 erstattete. Vor Erteilung des Gutachtensauftrages hatte der Kläger eine Erklärung des Dr. M. vom 27. November 1959 folgenden Inhalts überreicht:

Betr.: B., H. geb. 20. F., M ...

Ich bin bereit, für den Obengenannten ein Gutachten gem. § 109 SGG zu erstellen und bitte aus diesem Grunde um Zustellung der KB-Akte.

Die Kostenfrage habe ich mit dem Kläger persönlich geregelt.

Kosten entstehen durch Untersuchung und Erstellung eines Gutachtens der Staatsüberkasse nicht.

gez. Dr. M.

Dementsprechend beantragte Dr. M. auch nach Erstattung des Gutachtens beim Landessozialgericht keine Entschädigung. Nachdem das Bundessozialgericht ein die Berufung zurückweisendes Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Februar 1961 aufgehoben hatte, erhob das Landessozialgericht weiteren Beweis und gab der Beklagte ein Teilanerkenntnis vom 16. Februar 1967 ab. Daraufhin hob das Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichtes vom 28. Oktober 1957 auf, verurteilte den Beklagten zur Zahlung einer Versorgungsrente in Höhe von 40 v.H. wegen der anerkannten Schädigungsfolgen seit dem 1. Dezember 1955 und wies die Berufung im übrigen zurück, sowie die Klage anderweit ab. Bezüglich der Kostenfrage entschied der Senat:

Der Beklagte hat dem Kläger ein Drittel der ihm entstandenen Kosten zu erstatten.

In der Begründung wurde hierzu auf § 193 SGG Bezug genommen. In den Gründen sind nach § 109 SGG entstandene Kosten nicht besonders angesprochen.

Mit Schriftsatz vom 31. Oktober 1969 beantragte der Kläger beim Sozialgericht Giessen, die ihm vom Beklagten nach dem Urteil zum erstattenden Kosten festzusetzen und führte unter diesen u.a. das Gutachten des Dr. M. vom 21. Oktober 1960 auf, für das er nach seiner Erinnerung 80,– DM gezahlt habe; diesen Betrag hätten ihm Ärzte auch als das durchschnittliche Honorar bestätigt. Auf Blatt 133 der Prozessakten befindet sich eine "Liquidation” des Dr. H. M., in der es heißt:

Für die Erstellung des Gutachtens H. B., geb. 20, Aktenzeichen: am 21.10.1960, erlaube ich mir für Aktenstudium 1 Std. 5,– DM Untersuchung U. Abfassung des Gutachtens 2 Std. 20,– DM 25,– DM
zu liquidieren.

Betrag von Herrn B. erhalten.

gez. Dr. M.

Nachdem sich der Beklagte in einer Gegenerklärung vom 11. Dezember 1969 gegen den Ansatz der Kosten für Dr. M. gewendet hatte, weil diese nach § 109 SGG zu erstattenden Gerichtskosten seien, setzte der Urkundsbeamte des Sozialgerichts Giessen mit Beschluss vom 3. Februar 1970 die Kosten auf DM 250,17 fest, schied aber den für Dr. M. für das Gutachten vom 21. Oktober 1960 gezahlten Betrag an mit dem Bemerken, dass hierüber nicht zu entscheiden sei, weil der Kläger inzwischen einen Antrag auf Übernahme der Gutachtenkosten auf die Staatskasse bei Gericht gestellt hätte. Tatsächlich hatte der Kläger am 7. Januar 1970 einen solchen Antrag an das Sozialgericht Giessen gerichtet, die dieses im Februar des gleichen Jahres an das Landessozialgericht weiterleitete, wo er am 24. Februar 1970 einging. Ausweislich der Akten hat sich der Kläger nicht mit einen Rechtsbehelf gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. Februar 1970 des Sozialgerichts Giessen gewendet.

In seinem Schriftsatz vom 29. Mai 1970 an das Hessische Landessozialgericht hat der Kläger seiner Auffassung daher Ausdruck gegeben, dass diese Kosten Gegenstand der vom Urteil vorgenommenen Quotelung seien. Im übrigen handele es sich, falls die Erstattung nach § 109 SGG stattzufinden hätte, je um die gleiche Staatskasse des Landes Hessen und er wisse nicht, warum der Beklagte als Vertreter des Landes Hessen diese Kosten nicht übernehme.

Der vorliegende Antrag auf Übertragung der vom Kläger seinerzeit an Dr. M. gezahlten Beträge auf die Staatskasse ist unzulässig.

Obwohl gerade der hier vorliegende Fall zeigt, welche Bedeutung der Zeitablauf für die im Beschluss des erkennenden Senates vom 13.12.1963 – L 8/V-B-2/62 – vertretene Rechtsauffassung hat, kann hier dahingestellt bleiben, ob über den Antrag des Klägers nach Erlass des bereits rechtskräftig gewordenen Urteils überhaupt noch entschieden werden kann, weil es schon an der sachlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts fehlt.

Der Kläger macht "Auslagen” gelten, die nicht als Kosten im Sinne des § 109 SGG angesehen werden können und deshalb nicht Gegenstand einer Entscheidung des dort angesprochenen Gerichts sind. Die an einen Sachverständigen gezahlten Entschädigungen – also auch die eines Sachverständigen nach § 109 SGG – sind nach § 92 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG) Auslagen "des Gerichts” und damit Gerichtskosten (vgl. Lauterbach, Kostengesetze 15. Aufl. Einleitung B 18). Solche Auslagen aber sind dem Gericht, insbesondere dem angerufenen Landessozialgericht im Verhältnis zum Sachverständigen Dr. M. gar nicht entstanden, weil dieser nach der Erklärung vom 27.11.1959 auf Erstattung von "Kosten” verzichtet hat. Er hat dort ausdrücklich betont, dass dem Gericht Kosten durch seine Gutachtenerstattung nicht entstehen würden. Diese Verzichtserklärung ist nach allgemeiner Auffassung möglich und gültig (vgl. Brooke/Reese. Die Entschädigung von Zeugen, Sachverständigen und ehrenamtlichen Richtern 2. Aufl. Anm. 2 zu § 1 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen, S. 77 am Ende mit der Anm. 9 zu § 2 und Anm. 10 zu Art. 2 des Gesetzes über die Entschädigung ehrenamtlicher Richter ebenda und die Bemerkungen Varrentraps in NJW 196 S. 903). Ob ein derartiger Verzicht unter einer Bedingung abgegeben werden könnte, ist angesichts der besonderen Begriffsbestimmung einer Bedingung im Prozess als bloßer Eventualerklärung (vgl. Rosenberg, "Zivilprozessrecht”, 10. Aufl. § 65 IV S. 312–313) hier schon deshalb nicht weiter zu untersuchen, weil es an einer solchen Eventualerklärung des Sachverständigen fehlt. Etwa nachträglich in die Verzichtserklärung eine solche Eventualerklärung hineinzuinterpretieren würde nicht nur der klaren Erklärung des Sachverständigen Gewalt antun, sondern dadurch ausgeschlossen sein, dass ein Verzicht auch in der Nichtgeltendmachung des Erstattungsanspruchs liegen kann; einer Nachholung der Geltendmachung durch den Sachverständigen würde aber jetzt die nach § 15 Abs. 4 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen in Verbindung mit § 196 Abs. 1 Nr. 17 BGB zwei Jahre betragende und abgelaufene Verjährungsfrist entgegenstehen, deren Ablauf von Amts wegen zu berücksichtigen ist (vgl. Baumbach, Kostengesetze, Anm. 4 am Ende zu § 15 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen 12, Aufl., Nr. 325).

Damit sind auch dem Kläger Kosten im Sinne des § 109 SGG, die er entweder bevorschusst oder die vom Gericht für ihn einstweilen vorgelegt wurden, gar nicht entstanden; über ihre "endgültige” Tragung kann daher auch nicht entschieden werden. Bei dieser Sachlage kann ebenfalls dahingestellt bleiben, dass es schon hinsichtlich des geltend gemachten Betrages am Nachweis seiner Vorauslegung durch den Kläger fehlt, weil er ursprünglich eine Quittung vorgelegt hat, nach der 25,– DM an den Sachverständigen Dr. M. gezahlt wurden und jetzt ohne Vorlage von Belegen behauptet, er habe 80,– DM ausgelegt, was sich aus entsprechenden Äusserungen zur Angemessenheit ergäbe.

Bei dieser Sachlage ist aber die Auffassung des Beklagten die er im Kostenerstattungsverfahren zum Ausdruck gebracht hat, es handele sich um Gerichtskosten, unzutreffend. Den Antrag des Klägers als aus dem Eventualantrag auf "Kostenquotelung” begründete Erinnerung gegen den Kostenansatz durch den Urkundsbeamten o.ä. anzusehen, hatte der Senat keine Veranlassung, da er mit der Entscheidung über die Festsetzung der Kosten nicht befasst ist oder sein würde.

Der Antrag war damit unzulässig und entsprechend abzuweisen.

Diese Entscheidung ist endgültig gem. § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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