Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
4
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 7 V 49/72
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 V 598/74
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Berufsschadensausgleich eines Friseurs ist nach dem Durchschnittsverdienst „aller erfaßten Handwerkszweige”, also der neun erfaßten Handwerkszweige für „männliche Arbeiter” zu berechnen (Fortführung von BSG, Urteil vom 29. Januar 1970 – 8 RV – 385/68 –).
2. Der Berufsschadensausgleich für eine Friseuse kann nicht deshalb nach den Bruttomonatsverdiensten der weiblichen Arbeiter in der Herren- und Damenschneiderei zusammen nur unter dem Gesichtspunkt berechnet werden, daß sonstige Bruttomonatsverdienste im Handwerk für weibliche Arbeiter vom Statistischen Bundesamt nicht erfaßt werden. Vielmehr gebietet der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 3 SGG), der seinen Ausfluß in der Lohngleichheit von Mann und Frau findet, mindestens dann, wenn die einschlägigen Tarifverträge keinen Unterschied zwischen Männer- und Frauenarbeit und auch keine „Leichtlohngruppen” vorsehen, für die Berechnung des Berufsschadensausgleiches die Gleichstellung eines Friseuse mit einem Friseur.
2. Der Berufsschadensausgleich für eine Friseuse kann nicht deshalb nach den Bruttomonatsverdiensten der weiblichen Arbeiter in der Herren- und Damenschneiderei zusammen nur unter dem Gesichtspunkt berechnet werden, daß sonstige Bruttomonatsverdienste im Handwerk für weibliche Arbeiter vom Statistischen Bundesamt nicht erfaßt werden. Vielmehr gebietet der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 3 SGG), der seinen Ausfluß in der Lohngleichheit von Mann und Frau findet, mindestens dann, wenn die einschlägigen Tarifverträge keinen Unterschied zwischen Männer- und Frauenarbeit und auch keine „Leichtlohngruppen” vorsehen, für die Berechnung des Berufsschadensausgleiches die Gleichstellung eines Friseuse mit einem Friseur.
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 20. Mai 1974 aufgehoben und der Bescheid des Beklagten vom 30. August 1971 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 1972 dahingehend abgeändert, daß der Klägerin ab 1. Januar 1964 Berufsschadensausgleich nach dem Durchschnittseinkommen eines Vollgesellen in "allen erfaßten Handwerkszweigen” (das ist aus den neun in der Tabelle 5 des Statistischen Bundesamtes, Fachserie M. Reihe 16, unter "männliche Arbeiter” erwähnten Handwerkszweigen) zu zahlen ist.
Der Beklagte hat der Klägerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, wie das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichtes Kassel vom 26. April 1971 auszulegen ist. Mit diesem Urteil wurde der Beklagte verurteilt, der 1930 geborenen Klägerin vom 1. Januar 1964 ab Berufsschadensausgleich nach dem Durchschnittseinkommen eines Vollgesellen aller statistisch erfassten Handwerkszweige zu zahlen.
In der Begründung seines Urteiles war das Sozialgericht davon ausgegangen, daß die Klägerin ohne ihre Schädigung "wahrscheinlich der Gruppe der Friseurgehilfen angehört hätte”. Mit seinem Bescheid vom 30. August 1971 führte der Beklagte dieses Urteil vom 26. April 1971 aus. Hierbei ging er von dem nach seiner Auffassung maßgebenden durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen der "weiblichen Vollgesellen Herren- und Damenschneiderei” aus. Dem Widerspruch half er mit Bescheid vom 8. Februar 1972 nicht ab, da für weibliche Vollgesellen im Handwerk durch das Statistische Bundesamt nur die Herren- und Damenschneiderei erfasst sei. Das von der Klägerin begehrte Durchschnittseinkommen eines männlichen Vollgesellen im Handwerk könne nicht berücksichtigt werden.
Auf die Klage holte das Sozialgericht Kassel eine Auskunft des Statistischen Bundesamtes vom 22. März 1973 ein. Hiernach werden bei der laufenden Verdiensterhebung im Handwerk weibliche Beschäftigte nur im Herren- und Damenschneiderhandwerk erfasst. In den übrigen Handwerkszweigen, in denen diese Statistik durchgeführt wird, spielen Frauen zahlenmäßig eine unbedeutende Rolle. Die Statistik werde nur in den 10 wichtigsten Handwerkszweigen durchgeführt, zu denen das Friseurhandwerk nicht zählt, wobei auch der Umstand eine Rolle gespielt haben dürfte, daß der Lohn nur einen Teil der Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis darstellt, während das Trinkgeld mit einer Erhebung nicht zu ermitteln ist. Das Statistische Bundesamt übersandte die zwischen dem 1. März und 31. Dezember 1972 gültigen Lohntafeln der Tarifverträge für das Friseurhandwerk und das Damenschneiderhandwerk in Hessen, deren Lohngruppen auf einem ähnlichen Ausbildungsstand nach dem Schreiben vom 22. März 1973 aufbauen. Nach diesen Lohntafeln erhalten Gesellinnen im Damenschneiderhandwerk ab 1. März 1972 nach dem 3. Jahr nach der Lehre monatlich 365,– DM, bei Herstellung von besonderen Bekleidungsarten 380,– DM, 425,– DM oder 435,– DM. Im Friseurhandwerk werden nach dem Lohntarifvertrag vom 31. Januar 1972 in der Lohngruppe I für erste Kräfte und Meister 1.024,76 DM und für zweite Kräfte ab drittem Gehilfenjahr 819,06 DM monatlich gezahlt. Eine Unterscheidung von männlichen und weiblichen Arbeitnehmern findet nach diesem Tarifvertrag nicht statt.
Die Klägerin vertrat die Auffassung, nach dem Tenor des rechtskräftigen Urteils vom 26. April 1971 müsse der Durchschnittsbruttomonatsverdienst eines männlichen Vollgesellen aller vom Statistischen Bundesamt erfassten Handwerkszweige zu Grunde gelegt werden. Hierfür spreche der Gleichbehandlungsgrundsatz von Männern und Frauen und die Tatsache, daß in dem Hessischen Tarifvertrag in dem Friseurhandwerk bei der Entlohnung weiblicher oder männlicher Gehilfen mit abgeschlossener Berufsausbildung kein Unterschied gemacht werde. Falls etwa der Vater der Klägerin einen eigenen Friseurbetrieb gehabt habe und die Klägerin ihn ohne die Schädigungsfolgen übernommen hätte, wäre es unstreitig, daß sie einen Berufsschadensausgleich wie ein Mann nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 9 Bundesbesoldungsgesetz erhalten müsse. Hilfsweise könne als Vergleichseinkommen auch das aller männlichen Vollgesellen aller erfaßten Handwerkszweige und das als weiblicher Vollgeselle in der Herren- und Damenschneiderei zusammen herangezogen werden. Hierzu könne man die Auffassung vertreten, neben dem Durchschnittseinkommen eines Vollgesellen aller statistisch erfaßten Handwerkszweige müßten noch die Durchschnittsbruttoverdienste der weiblichen Vollgesellen in der Herren- und Damenschneiderei mitgezählt werden, weil diese ebenfalls statistisch erfaßt seien und es sich im vorliegenden Fall um einen weiblichen Arbeiter handele. Die Klägerin meint, wenn das Sozialgericht mit seinem Urteil vom 26. April 1971 die Regelung hätte treffen wollen, daß als Vergleichseinkommen, das der weiblichen Vollgesellen in der Herren- und Damenschneiderei in Frage kommen sollte, so habe es dies klar zum Ausdruck gebracht. Dem Beklagten habe es offen gestanden, durch Einlegung der Berufung eine Klärung herbeizuführen. Ausweislich der Versorgungsakte habe aber beim Versorgungsamt Kassel zunächst darüber Einigkeit bestanden, daß das Durchschnittseinkommen eines männlichen Vollgesellen der Berechnung des Berufsschadensausgleiches für die Klägerin zugrunde zulegen sei; erst das Landesversorgungsamt Hessen habe die dann vom Beklagten vorgenommene Auslegung des Urteiles vom 26. April 1971 veranlasst. Demgegenüber berief sich der Beklagte darauf, nach dem Rundschreiben des BMA vom 25. Oktober 1960 seien die Durchschnittsverdienste getrennt nach männlichen und weiblichen Arbeitern zu ermitteln.
Die Klage, welche darauf gerichtet war, den Beklagten unter Abänderung seiner angefochtenen Bescheide zu verurteilen, ab 1. Januar 1964 Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung des Vergleichseinkommens "eines männlichen Vollgesellen aller erfaßten Handwerkszweige” – hilfsweise: "eines männlichen Vollgesellen aller erfaßten Handwerkszweige und eines weiblichen Vollgesellen in der Herren- und Damenschneiderei” zusammen – wies das Sozialgericht Kassel mit seinem Urteil vom 20. Mai 1974 ab. Das Sozialgericht ging davon aus, daß die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Tabelle 5 über die Bruttoverdienste im Handwerk zwischen männlichen Arbeitern in 9 Handwerkszweigen unterscheide und im Anschluß daran "alle erfaßten Handwerkszweige” errechne. Getrennt hiervon seien die weiblichen Arbeiter zwar nur in der Herrenschneiderei und Damenschneiderei aufgeführt und dann die "Herren- und Damenschneiderei zusammen”. Stattdessen hätte auch bei den weiblichen Arbeitern formuliert werden müssen: "Alle erfaßten Handwerkszweige”. Bei einer solchen Formulierung durch das Statistische Bundesamt hätte es den vorliegenden Rechtsstreit nicht gegeben. Bei vernünftiger Auslegung des Tenors des Urteiles vom 26. April 1971 müsse man aber auch dazu kommen, daß dieses Durchschnittseinkommen zugrunde zulegen sei. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung und Gleichbehandlung des männlichen und weiblichen Geschlechts liege hierin nicht, da die amtlichen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes nur Ausdruck der sozialen Wirklichkeit seien. Die unterschiedlichen Verdienste von Männern und Frauen im Handwerk beruhten darauf, daß die Frauen auf Grund ihrer körperlichen Konstitution überwiegend mit körperlich leichteren Arbeiten beschäftigt würden. Obwohl dieser Gesichtspunkt für das Friseurhandwerk nicht zutreffe, sei eine andere Entscheidung wegen der generalisierenden und pauschalen Betrachtungsweise beim Berufsschadensausgleich nicht möglich.
Die schriftliche Berufung der Klägerin gegen dieses ihr am 4. Juli 1974 beim Hessischen Landessozialgericht ein. Die Klägerin ist der Auffassung, eine vernünftige Auslegung des rechtskräftigen Urteiles vom 26. April 1971 könne nur zu dem Ergebnis kommen, daß dem Berufsschadensausgleich der Klägerin durch durchschnittlichen Bruttoverdienst eines Vollgesellen aus den 9 erfaßten Handwerkszweigen zu Grunde zu legen sei. Dies gelte umso mehr, als im Friseurgewerbe nur noch weibliche Bedienungen arbeiteten und die Bezahlung für männliche und weibliche Friseure laut Tarifvertrag die gleiche sei. Beim Friseurberuf handele es sich um ein Dienstleistungsgewerbe, wie auch bei Kellnern und Kraftfahrern; es stelle sich deshalb die Frage, ob nicht sogar als Vergleichseinkommen das Durchschnittseinkommen aller Industriearbeiter der Leistungsgruppe 1 in Erwägung gezogen werden müßte.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Kassel vom 20. Mai 1974 den Bescheid des Beklagten vom 30. August 1971 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 1972 dahin abzuändern, daß der Klägerin ab 1. Januar 1964 Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung des Vergleichseinkommens eines Vollgesellen in allen erfaßten Handwerkszweigen aus den neun in der Tabelle 5 des Statistischen Bundesamtes, Fachserie M, Reihe 16, unter "männliche Arbeiter” erwähnten Handwerkszweigen zu zahlen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält seine angefochtenen Bescheide und das angefochtene sozialgerichtliche Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Streitakte in beiden Rechtszügen und die beigezogenen Akten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch statthaft und begründet.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist nicht die Frage, ob das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 26. April 1971 richtig oder falsch ist, sondern ob der Beklagte dieses Urteil mit den angefochtenen Bescheiden richtig ausgeführt hat. Da dies nicht der Fall ist, mußte die Berufung Erfolg haben.
Der Tenor des Urteils vom 26. April 1971 enthält den Ausspruch, daß der Berufsschadensausgleich "nach dem Durchschnittseinkommen eines Vollgesellen aller statistisch erfaßten Handwerkszweige zu zahlen” ist. Tatbestand und Entscheidungsgründe können zur Auslegung eines unklaren Urteilstenors herangezogen werden. Hieraus ergibt sich aber nur, daß nach Auffassung des Sozialgerichtes die Klägerin ohne ihre Schädigungsfolgen als Friseurgehilfin tätig wäre und sie einen dementsprechenden Berufsschadensausgleich erhalten soll. Wie dieser Berufsschadensausgleich im einzelnen zu berechnen ist, darüber sagen Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteiles vom 26. April 1971 nicht aus. Der Urteilstenor kann somit nur aus sich selbst heraus im Zusammenhang mit der Feststellung ausgelegt werden, daß die Klägerin ohne Schädigungsfolgen Friseuse geworden wäre.
Die Formulierung in dem Urteilstenor "Durchschnittseinkommen eines Vollgesellen aller statistisch erfaßten Handwerkszweige” ist eindeutig und daher nicht auslegungsfähig. Sie weist auf den in der Tabelle 5 (Statistisches Bundesamt, Fachserie M, Reihe 16) für "alle erfaßten Handwerkszweige” aufgeführten Betrag, der für einen Vollgesellen ausgeworfen ist, hin. Hätte das Sozialgericht auch das Durchschnittseinkommen für "weibliche Arbeiter” in der "Herren- und Damenschneiderei zusammen”, wie es in der gleichen Tabelle 5 ausgewiesen ist mit hinzurechnen oder allein zugrunde legen wollen, so hätte es eines entsprechenden ausdrücklichen Hinweises in dem Urteilstenor oder in den Entscheidungsgründen bedurft. Wenn dem Beklagten diese Einstufung unrichtig erschien, hätte er ggf. das Urteil mit dem geeigneten Rechtsmittel angreifen müssen. Diese Auffassung ist auch sachgerecht und sinnvoll: Nach § 3 Abs. 2 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG in der Fassung vom 28. Februar 1968 (im folgenden DVO genannt) gelten dann, wenn in einem Handwerkszweig Bruttoverdienste der Arbeitnehmer durch das Statistische Bundesamt amtlich nicht bekannt gegeben werden, als Durchschnittseinkommen die Durchschnittsverdienste der Handwerkszweige, deren Angehörige eine ähnliche Tätigkeit ausüben und einen ähnlichen Ausbildungsgang aufzuweisen haben. Läßt sich ein Handwerkszweig zum Vergleich nicht heranziehen, so sind die durch das Statistische Bundesamt für die entsprechende Arbeitnehmergruppe (Arbeiter, kaufmännische oder technische Angestellte) und Leistungsgruppe amtlich bekanntgegebener Durchschnittsverdienste in allen bei der Verdiensterhebung erfaßten Wirtschaftsbereichen oder Handwerkszweigen maßgebend. Da für das Friseurhandwerk Bruttoverdienste vom Statistischen Bundesamt nicht amtlich bekanntgegeben werden, hat das Urteil vom 26. April 1971 zutreffend das Durchschnittseinkommen für die Berechnung des Berufsschadensausgleiches für Friseure nach dem Durchschnittsverdienst "aller erfaßten Handwerkszweige”, also der 9 erfaßten Handwerkszweige für "männliche Arbeiter” zugrunde gelegt. Dem hat auch das BSG in seinem Urteil vom 29. Januar 1970 – 8 RV – 385/68 – (Bundesversorgungsblatt 1971 S. 7) Ausdruck gegeben.
Bei dieser Sachlage muß die Tatsache, daß für weibliche Arbeiter im Schneiderhandwerk besondere Bruttomonatsverdienste ausgewiesen sind, außer Betracht bleiben.
Dieses Ergebnis rechtfertigt sich auch aus der vom Gesetz gebotenen Gleichbehandlung von Mann und Frau. Nach Artikel 3 Abs. 2 GG sind Männer und Frauen gleichberechtigt und nach Artikel 3 Abs. 3 GG darf niemand wegen seines Geschlechtes benachteiligt werden. Diese Grundsätze sind nach Artikel 1 Abs. 3 GG geltendes Recht. Sie binden Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung. Hieraus folgt auch der heute allgemein anerkannte Grundsatz der Lohngleichheit von Mann und Frau (vgl. Hueck-Nipperdey, Grundriß des Arbeitsrechts, 4. Auflage 1968, § 21, IV, 4). Dieses Gebot der Lohngleichheit zwischen Mann und Frau wird in der Praxis allerdings dadurch umgangen, daß tarifvertraglich niedrige "Leichtlohngruppen” geschaffen werden, wenn es sich um typische Frauenarbeiten handelt, weil die Gleichwertigkeit mit Männerarbeit mangels klarer Maßstäbe dann schwer zu beweisen ist (vgl. Hanau-Adomeit, Arbeitsrecht, 3. Auflage, 1974 B II, 3 Seite 41). Solche besonderen "Leichtlohngruppen” oder ähnliches bestehen aber im Friseurhandwerk jedenfalls in Hessen nicht, was sich aus der Mitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 22. März 1973 und dem von ihm überreichten Lohntarifvertrag für das Friseurhandwerk vom 31. Januar 1972 ergibt. Nach alledem steht der Grundsatz der Lohngleichheit von Mann und Frau nicht nur auf dem Papier. Das Sozialgericht hat sich somit in seinem angefochtenen Urteil für das Friseurgewerbe zu Unrecht auf die "sozial e Wirklichkeit in der Bundesrepublik Deutschland” berufen.
Ob eine Einstufung der Klägerin nach dem Durchschnittseinkommen aller Industriearbeiter der Leistungsgruppe 1 möglich gewesen wäre, wie die Klägerin meint, braucht nicht erörtert zu werden, da es in diesem Rechtsstreit nicht um die Frage geht, wie die Klägerin richtig einzustufen gewesen wäre, sondern in welcher Weise das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichtes Kassel vom 26. April 1971 auszuführen ist.
Nach alledem mußte das angefochtene Urteil des Sozialgerichtes Kassel vom 20. Mai 1974 aufgehoben und zur Beseitigung von Auslegungszweifeln in dem Urteilstenor von dem Senat noch einmal klar ausgesprochen werden, wie der Berufsschadensausgleich der Klägerin auf Grund des rechtskräftigen sozialgerichtlichen Urteiles vom 26. April 1971 zu berechnen ist.
Die Kostenentscheidung wurde aus § 193 SGG gewonnen.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil es in dem vorliegenden Rechtsstreit auch um die Rechtsfrage ging, ob ein rechtskräftiger Ausspruch, der eine Frau in die Gruppe "männlicher Arbeiter” einstuft, noch wegen des Geschlechtsunterschieds moduliert werden kann.
Der Beklagte hat der Klägerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, wie das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichtes Kassel vom 26. April 1971 auszulegen ist. Mit diesem Urteil wurde der Beklagte verurteilt, der 1930 geborenen Klägerin vom 1. Januar 1964 ab Berufsschadensausgleich nach dem Durchschnittseinkommen eines Vollgesellen aller statistisch erfassten Handwerkszweige zu zahlen.
In der Begründung seines Urteiles war das Sozialgericht davon ausgegangen, daß die Klägerin ohne ihre Schädigung "wahrscheinlich der Gruppe der Friseurgehilfen angehört hätte”. Mit seinem Bescheid vom 30. August 1971 führte der Beklagte dieses Urteil vom 26. April 1971 aus. Hierbei ging er von dem nach seiner Auffassung maßgebenden durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen der "weiblichen Vollgesellen Herren- und Damenschneiderei” aus. Dem Widerspruch half er mit Bescheid vom 8. Februar 1972 nicht ab, da für weibliche Vollgesellen im Handwerk durch das Statistische Bundesamt nur die Herren- und Damenschneiderei erfasst sei. Das von der Klägerin begehrte Durchschnittseinkommen eines männlichen Vollgesellen im Handwerk könne nicht berücksichtigt werden.
Auf die Klage holte das Sozialgericht Kassel eine Auskunft des Statistischen Bundesamtes vom 22. März 1973 ein. Hiernach werden bei der laufenden Verdiensterhebung im Handwerk weibliche Beschäftigte nur im Herren- und Damenschneiderhandwerk erfasst. In den übrigen Handwerkszweigen, in denen diese Statistik durchgeführt wird, spielen Frauen zahlenmäßig eine unbedeutende Rolle. Die Statistik werde nur in den 10 wichtigsten Handwerkszweigen durchgeführt, zu denen das Friseurhandwerk nicht zählt, wobei auch der Umstand eine Rolle gespielt haben dürfte, daß der Lohn nur einen Teil der Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis darstellt, während das Trinkgeld mit einer Erhebung nicht zu ermitteln ist. Das Statistische Bundesamt übersandte die zwischen dem 1. März und 31. Dezember 1972 gültigen Lohntafeln der Tarifverträge für das Friseurhandwerk und das Damenschneiderhandwerk in Hessen, deren Lohngruppen auf einem ähnlichen Ausbildungsstand nach dem Schreiben vom 22. März 1973 aufbauen. Nach diesen Lohntafeln erhalten Gesellinnen im Damenschneiderhandwerk ab 1. März 1972 nach dem 3. Jahr nach der Lehre monatlich 365,– DM, bei Herstellung von besonderen Bekleidungsarten 380,– DM, 425,– DM oder 435,– DM. Im Friseurhandwerk werden nach dem Lohntarifvertrag vom 31. Januar 1972 in der Lohngruppe I für erste Kräfte und Meister 1.024,76 DM und für zweite Kräfte ab drittem Gehilfenjahr 819,06 DM monatlich gezahlt. Eine Unterscheidung von männlichen und weiblichen Arbeitnehmern findet nach diesem Tarifvertrag nicht statt.
Die Klägerin vertrat die Auffassung, nach dem Tenor des rechtskräftigen Urteils vom 26. April 1971 müsse der Durchschnittsbruttomonatsverdienst eines männlichen Vollgesellen aller vom Statistischen Bundesamt erfassten Handwerkszweige zu Grunde gelegt werden. Hierfür spreche der Gleichbehandlungsgrundsatz von Männern und Frauen und die Tatsache, daß in dem Hessischen Tarifvertrag in dem Friseurhandwerk bei der Entlohnung weiblicher oder männlicher Gehilfen mit abgeschlossener Berufsausbildung kein Unterschied gemacht werde. Falls etwa der Vater der Klägerin einen eigenen Friseurbetrieb gehabt habe und die Klägerin ihn ohne die Schädigungsfolgen übernommen hätte, wäre es unstreitig, daß sie einen Berufsschadensausgleich wie ein Mann nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 9 Bundesbesoldungsgesetz erhalten müsse. Hilfsweise könne als Vergleichseinkommen auch das aller männlichen Vollgesellen aller erfaßten Handwerkszweige und das als weiblicher Vollgeselle in der Herren- und Damenschneiderei zusammen herangezogen werden. Hierzu könne man die Auffassung vertreten, neben dem Durchschnittseinkommen eines Vollgesellen aller statistisch erfaßten Handwerkszweige müßten noch die Durchschnittsbruttoverdienste der weiblichen Vollgesellen in der Herren- und Damenschneiderei mitgezählt werden, weil diese ebenfalls statistisch erfaßt seien und es sich im vorliegenden Fall um einen weiblichen Arbeiter handele. Die Klägerin meint, wenn das Sozialgericht mit seinem Urteil vom 26. April 1971 die Regelung hätte treffen wollen, daß als Vergleichseinkommen, das der weiblichen Vollgesellen in der Herren- und Damenschneiderei in Frage kommen sollte, so habe es dies klar zum Ausdruck gebracht. Dem Beklagten habe es offen gestanden, durch Einlegung der Berufung eine Klärung herbeizuführen. Ausweislich der Versorgungsakte habe aber beim Versorgungsamt Kassel zunächst darüber Einigkeit bestanden, daß das Durchschnittseinkommen eines männlichen Vollgesellen der Berechnung des Berufsschadensausgleiches für die Klägerin zugrunde zulegen sei; erst das Landesversorgungsamt Hessen habe die dann vom Beklagten vorgenommene Auslegung des Urteiles vom 26. April 1971 veranlasst. Demgegenüber berief sich der Beklagte darauf, nach dem Rundschreiben des BMA vom 25. Oktober 1960 seien die Durchschnittsverdienste getrennt nach männlichen und weiblichen Arbeitern zu ermitteln.
Die Klage, welche darauf gerichtet war, den Beklagten unter Abänderung seiner angefochtenen Bescheide zu verurteilen, ab 1. Januar 1964 Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung des Vergleichseinkommens "eines männlichen Vollgesellen aller erfaßten Handwerkszweige” – hilfsweise: "eines männlichen Vollgesellen aller erfaßten Handwerkszweige und eines weiblichen Vollgesellen in der Herren- und Damenschneiderei” zusammen – wies das Sozialgericht Kassel mit seinem Urteil vom 20. Mai 1974 ab. Das Sozialgericht ging davon aus, daß die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Tabelle 5 über die Bruttoverdienste im Handwerk zwischen männlichen Arbeitern in 9 Handwerkszweigen unterscheide und im Anschluß daran "alle erfaßten Handwerkszweige” errechne. Getrennt hiervon seien die weiblichen Arbeiter zwar nur in der Herrenschneiderei und Damenschneiderei aufgeführt und dann die "Herren- und Damenschneiderei zusammen”. Stattdessen hätte auch bei den weiblichen Arbeitern formuliert werden müssen: "Alle erfaßten Handwerkszweige”. Bei einer solchen Formulierung durch das Statistische Bundesamt hätte es den vorliegenden Rechtsstreit nicht gegeben. Bei vernünftiger Auslegung des Tenors des Urteiles vom 26. April 1971 müsse man aber auch dazu kommen, daß dieses Durchschnittseinkommen zugrunde zulegen sei. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung und Gleichbehandlung des männlichen und weiblichen Geschlechts liege hierin nicht, da die amtlichen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes nur Ausdruck der sozialen Wirklichkeit seien. Die unterschiedlichen Verdienste von Männern und Frauen im Handwerk beruhten darauf, daß die Frauen auf Grund ihrer körperlichen Konstitution überwiegend mit körperlich leichteren Arbeiten beschäftigt würden. Obwohl dieser Gesichtspunkt für das Friseurhandwerk nicht zutreffe, sei eine andere Entscheidung wegen der generalisierenden und pauschalen Betrachtungsweise beim Berufsschadensausgleich nicht möglich.
Die schriftliche Berufung der Klägerin gegen dieses ihr am 4. Juli 1974 beim Hessischen Landessozialgericht ein. Die Klägerin ist der Auffassung, eine vernünftige Auslegung des rechtskräftigen Urteiles vom 26. April 1971 könne nur zu dem Ergebnis kommen, daß dem Berufsschadensausgleich der Klägerin durch durchschnittlichen Bruttoverdienst eines Vollgesellen aus den 9 erfaßten Handwerkszweigen zu Grunde zu legen sei. Dies gelte umso mehr, als im Friseurgewerbe nur noch weibliche Bedienungen arbeiteten und die Bezahlung für männliche und weibliche Friseure laut Tarifvertrag die gleiche sei. Beim Friseurberuf handele es sich um ein Dienstleistungsgewerbe, wie auch bei Kellnern und Kraftfahrern; es stelle sich deshalb die Frage, ob nicht sogar als Vergleichseinkommen das Durchschnittseinkommen aller Industriearbeiter der Leistungsgruppe 1 in Erwägung gezogen werden müßte.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Kassel vom 20. Mai 1974 den Bescheid des Beklagten vom 30. August 1971 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 1972 dahin abzuändern, daß der Klägerin ab 1. Januar 1964 Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung des Vergleichseinkommens eines Vollgesellen in allen erfaßten Handwerkszweigen aus den neun in der Tabelle 5 des Statistischen Bundesamtes, Fachserie M, Reihe 16, unter "männliche Arbeiter” erwähnten Handwerkszweigen zu zahlen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält seine angefochtenen Bescheide und das angefochtene sozialgerichtliche Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Streitakte in beiden Rechtszügen und die beigezogenen Akten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch statthaft und begründet.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist nicht die Frage, ob das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 26. April 1971 richtig oder falsch ist, sondern ob der Beklagte dieses Urteil mit den angefochtenen Bescheiden richtig ausgeführt hat. Da dies nicht der Fall ist, mußte die Berufung Erfolg haben.
Der Tenor des Urteils vom 26. April 1971 enthält den Ausspruch, daß der Berufsschadensausgleich "nach dem Durchschnittseinkommen eines Vollgesellen aller statistisch erfaßten Handwerkszweige zu zahlen” ist. Tatbestand und Entscheidungsgründe können zur Auslegung eines unklaren Urteilstenors herangezogen werden. Hieraus ergibt sich aber nur, daß nach Auffassung des Sozialgerichtes die Klägerin ohne ihre Schädigungsfolgen als Friseurgehilfin tätig wäre und sie einen dementsprechenden Berufsschadensausgleich erhalten soll. Wie dieser Berufsschadensausgleich im einzelnen zu berechnen ist, darüber sagen Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteiles vom 26. April 1971 nicht aus. Der Urteilstenor kann somit nur aus sich selbst heraus im Zusammenhang mit der Feststellung ausgelegt werden, daß die Klägerin ohne Schädigungsfolgen Friseuse geworden wäre.
Die Formulierung in dem Urteilstenor "Durchschnittseinkommen eines Vollgesellen aller statistisch erfaßten Handwerkszweige” ist eindeutig und daher nicht auslegungsfähig. Sie weist auf den in der Tabelle 5 (Statistisches Bundesamt, Fachserie M, Reihe 16) für "alle erfaßten Handwerkszweige” aufgeführten Betrag, der für einen Vollgesellen ausgeworfen ist, hin. Hätte das Sozialgericht auch das Durchschnittseinkommen für "weibliche Arbeiter” in der "Herren- und Damenschneiderei zusammen”, wie es in der gleichen Tabelle 5 ausgewiesen ist mit hinzurechnen oder allein zugrunde legen wollen, so hätte es eines entsprechenden ausdrücklichen Hinweises in dem Urteilstenor oder in den Entscheidungsgründen bedurft. Wenn dem Beklagten diese Einstufung unrichtig erschien, hätte er ggf. das Urteil mit dem geeigneten Rechtsmittel angreifen müssen. Diese Auffassung ist auch sachgerecht und sinnvoll: Nach § 3 Abs. 2 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG in der Fassung vom 28. Februar 1968 (im folgenden DVO genannt) gelten dann, wenn in einem Handwerkszweig Bruttoverdienste der Arbeitnehmer durch das Statistische Bundesamt amtlich nicht bekannt gegeben werden, als Durchschnittseinkommen die Durchschnittsverdienste der Handwerkszweige, deren Angehörige eine ähnliche Tätigkeit ausüben und einen ähnlichen Ausbildungsgang aufzuweisen haben. Läßt sich ein Handwerkszweig zum Vergleich nicht heranziehen, so sind die durch das Statistische Bundesamt für die entsprechende Arbeitnehmergruppe (Arbeiter, kaufmännische oder technische Angestellte) und Leistungsgruppe amtlich bekanntgegebener Durchschnittsverdienste in allen bei der Verdiensterhebung erfaßten Wirtschaftsbereichen oder Handwerkszweigen maßgebend. Da für das Friseurhandwerk Bruttoverdienste vom Statistischen Bundesamt nicht amtlich bekanntgegeben werden, hat das Urteil vom 26. April 1971 zutreffend das Durchschnittseinkommen für die Berechnung des Berufsschadensausgleiches für Friseure nach dem Durchschnittsverdienst "aller erfaßten Handwerkszweige”, also der 9 erfaßten Handwerkszweige für "männliche Arbeiter” zugrunde gelegt. Dem hat auch das BSG in seinem Urteil vom 29. Januar 1970 – 8 RV – 385/68 – (Bundesversorgungsblatt 1971 S. 7) Ausdruck gegeben.
Bei dieser Sachlage muß die Tatsache, daß für weibliche Arbeiter im Schneiderhandwerk besondere Bruttomonatsverdienste ausgewiesen sind, außer Betracht bleiben.
Dieses Ergebnis rechtfertigt sich auch aus der vom Gesetz gebotenen Gleichbehandlung von Mann und Frau. Nach Artikel 3 Abs. 2 GG sind Männer und Frauen gleichberechtigt und nach Artikel 3 Abs. 3 GG darf niemand wegen seines Geschlechtes benachteiligt werden. Diese Grundsätze sind nach Artikel 1 Abs. 3 GG geltendes Recht. Sie binden Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung. Hieraus folgt auch der heute allgemein anerkannte Grundsatz der Lohngleichheit von Mann und Frau (vgl. Hueck-Nipperdey, Grundriß des Arbeitsrechts, 4. Auflage 1968, § 21, IV, 4). Dieses Gebot der Lohngleichheit zwischen Mann und Frau wird in der Praxis allerdings dadurch umgangen, daß tarifvertraglich niedrige "Leichtlohngruppen” geschaffen werden, wenn es sich um typische Frauenarbeiten handelt, weil die Gleichwertigkeit mit Männerarbeit mangels klarer Maßstäbe dann schwer zu beweisen ist (vgl. Hanau-Adomeit, Arbeitsrecht, 3. Auflage, 1974 B II, 3 Seite 41). Solche besonderen "Leichtlohngruppen” oder ähnliches bestehen aber im Friseurhandwerk jedenfalls in Hessen nicht, was sich aus der Mitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 22. März 1973 und dem von ihm überreichten Lohntarifvertrag für das Friseurhandwerk vom 31. Januar 1972 ergibt. Nach alledem steht der Grundsatz der Lohngleichheit von Mann und Frau nicht nur auf dem Papier. Das Sozialgericht hat sich somit in seinem angefochtenen Urteil für das Friseurgewerbe zu Unrecht auf die "sozial e Wirklichkeit in der Bundesrepublik Deutschland” berufen.
Ob eine Einstufung der Klägerin nach dem Durchschnittseinkommen aller Industriearbeiter der Leistungsgruppe 1 möglich gewesen wäre, wie die Klägerin meint, braucht nicht erörtert zu werden, da es in diesem Rechtsstreit nicht um die Frage geht, wie die Klägerin richtig einzustufen gewesen wäre, sondern in welcher Weise das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichtes Kassel vom 26. April 1971 auszuführen ist.
Nach alledem mußte das angefochtene Urteil des Sozialgerichtes Kassel vom 20. Mai 1974 aufgehoben und zur Beseitigung von Auslegungszweifeln in dem Urteilstenor von dem Senat noch einmal klar ausgesprochen werden, wie der Berufsschadensausgleich der Klägerin auf Grund des rechtskräftigen sozialgerichtlichen Urteiles vom 26. April 1971 zu berechnen ist.
Die Kostenentscheidung wurde aus § 193 SGG gewonnen.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil es in dem vorliegenden Rechtsstreit auch um die Rechtsfrage ging, ob ein rechtskräftiger Ausspruch, der eine Frau in die Gruppe "männlicher Arbeiter” einstuft, noch wegen des Geschlechtsunterschieds moduliert werden kann.
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