Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 An 1242/66
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 12. November 1966 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die 1956 bzw. 1957 geborenen Kläger machen Waisenrentenansprüche nach dem Kindesvater H. K. geltend, der 1936 geboren und am 2. Januar 1957 verstorben ist. Beide Waisenrentenansprüche wurden jeweils mit Bescheid vom 28. August 1959 mangels Erfüllung der Wartezeit aus der Versicherung des H. K. abgelehnt. Aus dieser Versicherung sind nach der Versicherungskarte Nr. 1 29 Monate und laut Auskunft der Barmer Ersatzkasse weitere 24 Monate, insgesamt also 53 Monate zu berücksichtigen.
Der Vater und letzte Arbeitgeber des H. K., N. K., entrichtete am 30. Dezember 1958 an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gemäß § 142 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) die Beiträge für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 1956 nach. Diese Beiträge wurden von der BfA beanstandet, da sie nicht angemacht seien und eine Verpflichtung zur Entgegennahme gemäß § 142 AVG daher nicht bestehe.
Gegen die ablehnenden Waisenrentenbescheide haben die Kläger Klage erhoben und neben dem Hauptantrag auf Gewährung von Waisenrente in Erweiterung der Klage den Antrag gestellt, die BfA zur Entgegennahme der Beiträger zu verurteilen. Das Sozialgericht (SG) Kassel verband die beiden Prozesse der Kläger zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung und setzte in der mündlichen Verhandlung vom 6. April 1960 die Entscheidung über die Leistungspflicht aus. Mit Urteil vom gleichen Tage wurde festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet sei, die angebotenen Beiträge anzunehmen.
Dieses Urteil wurde auf die Berufung der Beklagte durch Urteil des Hess. Landessozialgerichts vom 3. April 1962 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht wies darauf hin, daß ein Umschalten von einer Leistungsklage auf eine Feststellungsklage in der Sozialversicherung jedenfalls dann unzulässig sei, wenn es an Beiträgen für die begehrte Leistung fehle. Es sei streng zwischen dem Leistungsstreit und dem Beitragsverfahren zu unterscheiden. Dies müsse schon deshalb geschehen, weil bei dem Beitragsverfahren ein Vorverfahren erforderlich sei. Zunächst müsse daher eine Entscheidung der Beitragseinzugsstelle über die Zulässigkeit der Nachentrichtung der Beiträge herbeigeführt werden und dagegen gegebenenfalls ein Vorverfahren durchgeführt werden.
Am 26. Oktober 1962 beantragte M. K. bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) K. die angebotenen Beiträge als Pflichtbeiträge anzunehmen. Die AOK entschied am 5. November 1962, daß die Beiträge nach den bestehenden Vorschriften verjährt seien und über einen etwaigen Verzicht auf diese Einrede nur der zuständige Rentenversicherungsträger entscheiden könne.
Im Widerspruchsverfahren hiergegen teilte die BfA mit, daß der Nachentrichtung der § 140 Abs. 1 AVG nicht entgegenstehe. Eine Nachentrichtung verstoße aber gegen das Urteil des Bundessozialgerichts vom 4. Juli 1962 (DOK 1963 S. 33). Weil es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, wenn nach diesem Urteil Beiträge für weiter zurückliegende Zeiten nachgefordert würden. Damit entfalle aber auch die Möglichkeit, die ausdrücklich angebotenen Beiträge anzunehmen. Die AOK wies des Widerspruch am 5. September 1963 zurück.
Die Kläger klagten nunmehr gegen die AOK K. auf Feststellung, daß diese zur Annahme der Beiträge verpflichtet sei. Die AOK berufe sich auf eine Empfehlung des Verbandes der Rentenversicherungsträger (Rundschreiben Nr. 101/57), da diese nicht maßgebend sei, zu Unrecht. Vielmehr müsse die AOK als Einzugsstelle allein darüber entscheiden, ob Beiträge nachentrichtet werden dürften und zwar ohne Rückfrage bei der BfA.
Die Beklagte vertritt demgegenüber die Auffassung, da der Antrag auf Annahme der Beiträge erst am 26. Oktober 1962 erfolgt sei, habe sie die Vorschriften des § 140 RVO beachten müssen. Eine Nachentrichtung gemäß § 140 AVG sei nur mit Genehmigung der BfA möglich, die sie nicht erteilt habe.
Das Sozialgericht lud die BfA am 7. Februar 1964 bei. Diese führte aus, daß gerade das sogenannte "Meistersohnurteil” des BSG vom 5. April 1956 der Nachentrichtung von Beiträgen entgegenstehe. Bisher sei es über Jahrzehnte hinaus ständige Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes gewesen, daß Meistersöhne versicherungsfrei seien. Auch die Praxis habe danach verfahren, so daß sich Gewohnheitsrecht gebildet habe. Das Urteil des BSG sei mithin einer Gesetzesänderung gleich zu erachten. Versicherungspflicht für Meistersöhne komme daher erst in Betracht vom allgemeinen Bekanntwerden des Urteil an. Die Beklagte wies noch darauf hin, daß nach dem BSG-Urteil ein Entgelt in Höhe des ortsüblichen oder tariflichen Lohnes ein wesentliches Merkmal eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses sei. Hier werde behauptet, daß der Verstorbene 100,– DM monatlich erhalten hatte, ohne daß Art und Umfang seiner Tätigkeit näher gekennzeichnet würden. Es handele sich hierbei bestenfalls um eine familienhafte Mithilfe, nicht jedoch um eine versicherungspflichtige Beschäftigung.
Die Kläger brachten vor, daß der Betrag von 100,– DM nur ein Teileinkommen sei und daß der Verstorbene außerdem Verpflegung und Wohnung bei seinem Vater als Arbeitgeber erhalten hatte.
Die Beklagte trug ferner vor, daß ein Arbeitsverhältnis mit Entgeltzahlung nicht vorliege, wenn die Tätigkeit überwiegend auf Grund familienhafter Bindung geleistet werde und der freie Unterhalt nicht als Gegenleistung für die Arbeit angesehen werden könne. Der Verstorbene sei auch nach dem Urteil des BSG vom 5. April 1956 nicht versicherungspflichtig gewesen.
Das Sozialgericht Kassel hörte in der mündlichen Verhandlung am 3. November 1966 die Zeugen M. und I. K. und wies die Klage mit Urteil vom gleichen Tage ab. Es war der Auffassung, daß die AOK K. für die Annahme der angebotenen Beiträge zuständig sei, und daß die Barmer Ersatzkrankenkasse nur dann zuständig sein würde, wenn die ersten 7 Monate 1956 eine Befreiungsbescheinigung für die Ortskrankenkasse vorgelegen hätte. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Die Ortskrankenkasse sei jedoch nicht verpflichtet, die angebotenen Beiträge entgegenzunehmen. Der Verstorbene sei während des streitigen Zeitraumes nicht versicherungspflichtig gewesen, da er nicht in einem echten Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Auch wenn die Barmer Ersatzkasse dies für die Zeit nach dem 1. August 1956 angenommen habe, besage das nichts für die davorliegende Zeit. Während des hier streitigen Zeitraumes habe der Verstorbene in der Art familienhafter Mithilfe im Betrieb seines Vaters gearbeitet, und sei von diesem unterhalten worden. Nach bürgerlichem Recht sei er deshalb auch zur Mithilfe im Geschäft seines Vaters verpflichtet gewesen. Es könnte zwar ein echte Beschäftigungsverhältnis vereinbart werden, jedoch sprächen die Gesamtumstände im vorliegenden Falle gegen ein solches Beschäftigungsverhältnis vereinbart werden, jedoch sprächen die Gesamtumstände im vorliegenden Falle gegen ein solches Beschäftigungsverhältnis.
Gegen dieses den Klägern am 15. November 1966 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung, die am 14. Dezember 1966 schriftlich bei dem Hess. Landessozialgericht eingegangen ist mit dem Begründung, daß sich der Verstorbene ebensowenig wie sein Vater seinerzeit gegen eine Beitragsentrichtung gesträubt hätten. Seit das Urteil des Bundessozialgerichts bekannt geworden sei, habe man sich bemüht, für die streitigen Zeiten Beiträge nachzuentrichten.
Demgegenüber trug die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vor, daß, wer unter der Herrschaft der früheren Rechtsprechung die Entrichtung von Pflichtbeiträgen unterlassen hatte, den Schein gegen sich habe, daß er unter Ausnutzung der in der Rechtsprechung liegenden Möglichkeiten hätte Beiträge ersparen wollen.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 3. November 1966 aufzuheben und die AOK K. zu verurteilen, Versicherungsbeiträge für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 1956 wirksam entgegenzunehmen.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie zwei Versichertenrentenakten K. der BfA und die Hilfsakte K. der BfA Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, da ihr Ausschlußgründe nicht entgegenstehen (§§ 143, 151 Abs. 1 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet.
Zutreffend hat das angefochtene Urteil zunächst betont, daß die Beklagte in diesem Verfahren passiv legitimiert ist und nicht etwa die Barmer Ersatzkasse. Für den hier streitigen Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Juli 1956 ist von dem Verstorbenen unstreitig keine Befreiungsbescheinigung nach § 517 RVO vorgelegt worden. Nur bei Vorlage einer solchen Bescheinigung entfällt aber die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer bei der zuständigen Ortskrankenkasse zu melden. Mangels einer solchen Bescheinigung war daher die AOK passiv legitimiert.
Ferner hat das Sozialgericht zutreffend festgestellt, daß es nicht entscheidend darauf ankommt, ob die Frist zur Nachentrichtung von Beiträgen abgelaufen ist, daß insbesondere nicht geprüft zu werden brauchte, ob diese Frist möglicherweise durch diese und das vorher schwebende und hinsichtlich des Rentenanspruchs noch anhängige Verfahren gegen die Barmer Ersatzkasse gemäß § 142 Abs. 2 AVG gehemmt ist. Auf diese Frage kam es deshalb nicht mehr an, weil jedenfalls die Beklagte materiell-rechtlich nicht verpflichtet ist, die angebotenen Beiträge entgegenzunehmen. Bei dem Beschäftigungsverhältnis des Verstorbenen im Betrieb seines Vaters hat es sich nicht um eine versicherungspflichtige Tätigkeit gehandelt, so daß für diese Beschäftigung auch keine entrichtet zu werden brauchten, sogar keine Beiträge entrichtet werden durften.
Bei der Prüfung dieser Frage kommt es auch auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Frage der Versicherungspflicht der sogenannten "Meistersöhne” deshalb nicht an, weil der Verstorbene nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für seine Tätigkeit im Betrieb seines Vaters offensichtlich kein Entgelt erhalten hat. Dafür spricht insbesondere, daß der Vater als Zeuge angegeben hat, er habe seinen beiden im Geschäft beschäftigten Söhne nur ein Taschengeld gezahlt, da ihnen das Geschäft später nicht einfach nur in den Schoß fallen sollte. Vielmehr sollten die Söhne zum Aufbau des Geschäfts selbst mit beitragen. Auch wenn außer dem Taschengeld freie Wohnung und Verpflegung gewährt wurden, liegt darin noch nicht die Zahlung eines versicherungspflichtigen Entgelts.
Gegen diese Auffassung spricht auch nicht, daß die Barmer Ersatzkasse für den folgenden Zeitraum Versicherungspflicht angenommen hat. Durch diese rechtliche Würdigung der Tätigkeit des Verstorbenen in späterer Zeit wird, abgesehen davon, daß der Senat nicht in der Lage ist, die Richtigkeit dieser Auffassung nachzuprüfen, keine Bindung für die Zeit vorher geschaffen. Wenn auch rückblickend nicht zu erkennen ist, ob sich seit der 1. August 1956 die Verhältnisse geändert hatten, so steht doch nach Auffassung des Senats fest, daß es sich jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt nur um eine familienhafte Mithilfe des Verstorbenen beim gemeinsamen Aufbau des Geschäfts des Vaters gehandelt hat, nicht aber um ein mit Versicherungspflicht verbundenes Beschäftigungsverhältnis gegen ein bestimmtes Entgelt.
Gegen diese Auffassung spricht schließlich auch nicht, daß die Mutter des Verstorbenen als Zeugin angegeben hat, von dem Taschengeld von 100,– DM wären noch die Versicherungsbeiträge einbehalten worden. Es mag sein, daß dies für die Zeit ab 1. August 1956 geschehen ist. Für die Zeit vorher sind unstreitig Beiträge nicht entrichtet worden und kann die Aussage der Zeugin auch nicht dahin verstanden werden, daß auch für diese Zeit bereits Versicherungsbeiträge einbehalten worden sind.
Zwar könnte die Tatsache, daß der Verstorbene nicht frei über seine Zeit verfügen konnte, sondern wie ein Angestellter während der Bürozeit anwesend sein mußte, für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen. Eine solche Zeitgebundenheit allein genügt aber nicht, ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis anzunehmen, wenn tatsächlich ein Entgelt im Sinne des § 160 RVO nicht gezahlt worden ist. Danach gehören neben Gehalt oder Lohn auch Gewinnanteile, Sach- und andere Bezüge zum Entgelt, die der Versicherte, wenn auch nur gewohnheitsmäßig, statt des Gehalts oder Lohnes oder daneben vom dem Arbeitgeber oder einem Dritten erhält. Da der Verstorbene tatsächlich aber nur ein Taschengeld bezogen hat und ihm von seinen Eltern weiterhin freie Kost und Wohnung gewährt wurden, lag ein solches Entgelt nicht vor.
Mangels eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses bestand daher auch keine Versicherungspflicht, so daß die Beklagte schon aus diesem Grunde nicht verpflichtet war, noch Beiträge für diesen Zeitraum entgegenzunehmen. Zutreffend hat insoweit die Beklagte darauf hingewiesen, daß derjenige, der unter der Herrschaft der früheren Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes die Entrichtung von Pflichtbeiträgen unterlassen hatte, den Schein gegen sich habe, daß er unter Ausnutzung der in der Rechtsprechung liegenden Möglichkeiten Beiträge hätte ersparen wollen.
Die damit unbegründete Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die 1956 bzw. 1957 geborenen Kläger machen Waisenrentenansprüche nach dem Kindesvater H. K. geltend, der 1936 geboren und am 2. Januar 1957 verstorben ist. Beide Waisenrentenansprüche wurden jeweils mit Bescheid vom 28. August 1959 mangels Erfüllung der Wartezeit aus der Versicherung des H. K. abgelehnt. Aus dieser Versicherung sind nach der Versicherungskarte Nr. 1 29 Monate und laut Auskunft der Barmer Ersatzkasse weitere 24 Monate, insgesamt also 53 Monate zu berücksichtigen.
Der Vater und letzte Arbeitgeber des H. K., N. K., entrichtete am 30. Dezember 1958 an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gemäß § 142 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) die Beiträge für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 1956 nach. Diese Beiträge wurden von der BfA beanstandet, da sie nicht angemacht seien und eine Verpflichtung zur Entgegennahme gemäß § 142 AVG daher nicht bestehe.
Gegen die ablehnenden Waisenrentenbescheide haben die Kläger Klage erhoben und neben dem Hauptantrag auf Gewährung von Waisenrente in Erweiterung der Klage den Antrag gestellt, die BfA zur Entgegennahme der Beiträger zu verurteilen. Das Sozialgericht (SG) Kassel verband die beiden Prozesse der Kläger zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung und setzte in der mündlichen Verhandlung vom 6. April 1960 die Entscheidung über die Leistungspflicht aus. Mit Urteil vom gleichen Tage wurde festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet sei, die angebotenen Beiträge anzunehmen.
Dieses Urteil wurde auf die Berufung der Beklagte durch Urteil des Hess. Landessozialgerichts vom 3. April 1962 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht wies darauf hin, daß ein Umschalten von einer Leistungsklage auf eine Feststellungsklage in der Sozialversicherung jedenfalls dann unzulässig sei, wenn es an Beiträgen für die begehrte Leistung fehle. Es sei streng zwischen dem Leistungsstreit und dem Beitragsverfahren zu unterscheiden. Dies müsse schon deshalb geschehen, weil bei dem Beitragsverfahren ein Vorverfahren erforderlich sei. Zunächst müsse daher eine Entscheidung der Beitragseinzugsstelle über die Zulässigkeit der Nachentrichtung der Beiträge herbeigeführt werden und dagegen gegebenenfalls ein Vorverfahren durchgeführt werden.
Am 26. Oktober 1962 beantragte M. K. bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) K. die angebotenen Beiträge als Pflichtbeiträge anzunehmen. Die AOK entschied am 5. November 1962, daß die Beiträge nach den bestehenden Vorschriften verjährt seien und über einen etwaigen Verzicht auf diese Einrede nur der zuständige Rentenversicherungsträger entscheiden könne.
Im Widerspruchsverfahren hiergegen teilte die BfA mit, daß der Nachentrichtung der § 140 Abs. 1 AVG nicht entgegenstehe. Eine Nachentrichtung verstoße aber gegen das Urteil des Bundessozialgerichts vom 4. Juli 1962 (DOK 1963 S. 33). Weil es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, wenn nach diesem Urteil Beiträge für weiter zurückliegende Zeiten nachgefordert würden. Damit entfalle aber auch die Möglichkeit, die ausdrücklich angebotenen Beiträge anzunehmen. Die AOK wies des Widerspruch am 5. September 1963 zurück.
Die Kläger klagten nunmehr gegen die AOK K. auf Feststellung, daß diese zur Annahme der Beiträge verpflichtet sei. Die AOK berufe sich auf eine Empfehlung des Verbandes der Rentenversicherungsträger (Rundschreiben Nr. 101/57), da diese nicht maßgebend sei, zu Unrecht. Vielmehr müsse die AOK als Einzugsstelle allein darüber entscheiden, ob Beiträge nachentrichtet werden dürften und zwar ohne Rückfrage bei der BfA.
Die Beklagte vertritt demgegenüber die Auffassung, da der Antrag auf Annahme der Beiträge erst am 26. Oktober 1962 erfolgt sei, habe sie die Vorschriften des § 140 RVO beachten müssen. Eine Nachentrichtung gemäß § 140 AVG sei nur mit Genehmigung der BfA möglich, die sie nicht erteilt habe.
Das Sozialgericht lud die BfA am 7. Februar 1964 bei. Diese führte aus, daß gerade das sogenannte "Meistersohnurteil” des BSG vom 5. April 1956 der Nachentrichtung von Beiträgen entgegenstehe. Bisher sei es über Jahrzehnte hinaus ständige Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes gewesen, daß Meistersöhne versicherungsfrei seien. Auch die Praxis habe danach verfahren, so daß sich Gewohnheitsrecht gebildet habe. Das Urteil des BSG sei mithin einer Gesetzesänderung gleich zu erachten. Versicherungspflicht für Meistersöhne komme daher erst in Betracht vom allgemeinen Bekanntwerden des Urteil an. Die Beklagte wies noch darauf hin, daß nach dem BSG-Urteil ein Entgelt in Höhe des ortsüblichen oder tariflichen Lohnes ein wesentliches Merkmal eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses sei. Hier werde behauptet, daß der Verstorbene 100,– DM monatlich erhalten hatte, ohne daß Art und Umfang seiner Tätigkeit näher gekennzeichnet würden. Es handele sich hierbei bestenfalls um eine familienhafte Mithilfe, nicht jedoch um eine versicherungspflichtige Beschäftigung.
Die Kläger brachten vor, daß der Betrag von 100,– DM nur ein Teileinkommen sei und daß der Verstorbene außerdem Verpflegung und Wohnung bei seinem Vater als Arbeitgeber erhalten hatte.
Die Beklagte trug ferner vor, daß ein Arbeitsverhältnis mit Entgeltzahlung nicht vorliege, wenn die Tätigkeit überwiegend auf Grund familienhafter Bindung geleistet werde und der freie Unterhalt nicht als Gegenleistung für die Arbeit angesehen werden könne. Der Verstorbene sei auch nach dem Urteil des BSG vom 5. April 1956 nicht versicherungspflichtig gewesen.
Das Sozialgericht Kassel hörte in der mündlichen Verhandlung am 3. November 1966 die Zeugen M. und I. K. und wies die Klage mit Urteil vom gleichen Tage ab. Es war der Auffassung, daß die AOK K. für die Annahme der angebotenen Beiträge zuständig sei, und daß die Barmer Ersatzkrankenkasse nur dann zuständig sein würde, wenn die ersten 7 Monate 1956 eine Befreiungsbescheinigung für die Ortskrankenkasse vorgelegen hätte. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Die Ortskrankenkasse sei jedoch nicht verpflichtet, die angebotenen Beiträge entgegenzunehmen. Der Verstorbene sei während des streitigen Zeitraumes nicht versicherungspflichtig gewesen, da er nicht in einem echten Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Auch wenn die Barmer Ersatzkasse dies für die Zeit nach dem 1. August 1956 angenommen habe, besage das nichts für die davorliegende Zeit. Während des hier streitigen Zeitraumes habe der Verstorbene in der Art familienhafter Mithilfe im Betrieb seines Vaters gearbeitet, und sei von diesem unterhalten worden. Nach bürgerlichem Recht sei er deshalb auch zur Mithilfe im Geschäft seines Vaters verpflichtet gewesen. Es könnte zwar ein echte Beschäftigungsverhältnis vereinbart werden, jedoch sprächen die Gesamtumstände im vorliegenden Falle gegen ein solches Beschäftigungsverhältnis vereinbart werden, jedoch sprächen die Gesamtumstände im vorliegenden Falle gegen ein solches Beschäftigungsverhältnis.
Gegen dieses den Klägern am 15. November 1966 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung, die am 14. Dezember 1966 schriftlich bei dem Hess. Landessozialgericht eingegangen ist mit dem Begründung, daß sich der Verstorbene ebensowenig wie sein Vater seinerzeit gegen eine Beitragsentrichtung gesträubt hätten. Seit das Urteil des Bundessozialgerichts bekannt geworden sei, habe man sich bemüht, für die streitigen Zeiten Beiträge nachzuentrichten.
Demgegenüber trug die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vor, daß, wer unter der Herrschaft der früheren Rechtsprechung die Entrichtung von Pflichtbeiträgen unterlassen hatte, den Schein gegen sich habe, daß er unter Ausnutzung der in der Rechtsprechung liegenden Möglichkeiten hätte Beiträge ersparen wollen.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 3. November 1966 aufzuheben und die AOK K. zu verurteilen, Versicherungsbeiträge für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 1956 wirksam entgegenzunehmen.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie zwei Versichertenrentenakten K. der BfA und die Hilfsakte K. der BfA Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, da ihr Ausschlußgründe nicht entgegenstehen (§§ 143, 151 Abs. 1 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet.
Zutreffend hat das angefochtene Urteil zunächst betont, daß die Beklagte in diesem Verfahren passiv legitimiert ist und nicht etwa die Barmer Ersatzkasse. Für den hier streitigen Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Juli 1956 ist von dem Verstorbenen unstreitig keine Befreiungsbescheinigung nach § 517 RVO vorgelegt worden. Nur bei Vorlage einer solchen Bescheinigung entfällt aber die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer bei der zuständigen Ortskrankenkasse zu melden. Mangels einer solchen Bescheinigung war daher die AOK passiv legitimiert.
Ferner hat das Sozialgericht zutreffend festgestellt, daß es nicht entscheidend darauf ankommt, ob die Frist zur Nachentrichtung von Beiträgen abgelaufen ist, daß insbesondere nicht geprüft zu werden brauchte, ob diese Frist möglicherweise durch diese und das vorher schwebende und hinsichtlich des Rentenanspruchs noch anhängige Verfahren gegen die Barmer Ersatzkasse gemäß § 142 Abs. 2 AVG gehemmt ist. Auf diese Frage kam es deshalb nicht mehr an, weil jedenfalls die Beklagte materiell-rechtlich nicht verpflichtet ist, die angebotenen Beiträge entgegenzunehmen. Bei dem Beschäftigungsverhältnis des Verstorbenen im Betrieb seines Vaters hat es sich nicht um eine versicherungspflichtige Tätigkeit gehandelt, so daß für diese Beschäftigung auch keine entrichtet zu werden brauchten, sogar keine Beiträge entrichtet werden durften.
Bei der Prüfung dieser Frage kommt es auch auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Frage der Versicherungspflicht der sogenannten "Meistersöhne” deshalb nicht an, weil der Verstorbene nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für seine Tätigkeit im Betrieb seines Vaters offensichtlich kein Entgelt erhalten hat. Dafür spricht insbesondere, daß der Vater als Zeuge angegeben hat, er habe seinen beiden im Geschäft beschäftigten Söhne nur ein Taschengeld gezahlt, da ihnen das Geschäft später nicht einfach nur in den Schoß fallen sollte. Vielmehr sollten die Söhne zum Aufbau des Geschäfts selbst mit beitragen. Auch wenn außer dem Taschengeld freie Wohnung und Verpflegung gewährt wurden, liegt darin noch nicht die Zahlung eines versicherungspflichtigen Entgelts.
Gegen diese Auffassung spricht auch nicht, daß die Barmer Ersatzkasse für den folgenden Zeitraum Versicherungspflicht angenommen hat. Durch diese rechtliche Würdigung der Tätigkeit des Verstorbenen in späterer Zeit wird, abgesehen davon, daß der Senat nicht in der Lage ist, die Richtigkeit dieser Auffassung nachzuprüfen, keine Bindung für die Zeit vorher geschaffen. Wenn auch rückblickend nicht zu erkennen ist, ob sich seit der 1. August 1956 die Verhältnisse geändert hatten, so steht doch nach Auffassung des Senats fest, daß es sich jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt nur um eine familienhafte Mithilfe des Verstorbenen beim gemeinsamen Aufbau des Geschäfts des Vaters gehandelt hat, nicht aber um ein mit Versicherungspflicht verbundenes Beschäftigungsverhältnis gegen ein bestimmtes Entgelt.
Gegen diese Auffassung spricht schließlich auch nicht, daß die Mutter des Verstorbenen als Zeugin angegeben hat, von dem Taschengeld von 100,– DM wären noch die Versicherungsbeiträge einbehalten worden. Es mag sein, daß dies für die Zeit ab 1. August 1956 geschehen ist. Für die Zeit vorher sind unstreitig Beiträge nicht entrichtet worden und kann die Aussage der Zeugin auch nicht dahin verstanden werden, daß auch für diese Zeit bereits Versicherungsbeiträge einbehalten worden sind.
Zwar könnte die Tatsache, daß der Verstorbene nicht frei über seine Zeit verfügen konnte, sondern wie ein Angestellter während der Bürozeit anwesend sein mußte, für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen. Eine solche Zeitgebundenheit allein genügt aber nicht, ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis anzunehmen, wenn tatsächlich ein Entgelt im Sinne des § 160 RVO nicht gezahlt worden ist. Danach gehören neben Gehalt oder Lohn auch Gewinnanteile, Sach- und andere Bezüge zum Entgelt, die der Versicherte, wenn auch nur gewohnheitsmäßig, statt des Gehalts oder Lohnes oder daneben vom dem Arbeitgeber oder einem Dritten erhält. Da der Verstorbene tatsächlich aber nur ein Taschengeld bezogen hat und ihm von seinen Eltern weiterhin freie Kost und Wohnung gewährt wurden, lag ein solches Entgelt nicht vor.
Mangels eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses bestand daher auch keine Versicherungspflicht, so daß die Beklagte schon aus diesem Grunde nicht verpflichtet war, noch Beiträge für diesen Zeitraum entgegenzunehmen. Zutreffend hat insoweit die Beklagte darauf hingewiesen, daß derjenige, der unter der Herrschaft der früheren Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes die Entrichtung von Pflichtbeiträgen unterlassen hatte, den Schein gegen sich habe, daß er unter Ausnutzung der in der Rechtsprechung liegenden Möglichkeiten Beiträge hätte ersparen wollen.
Die damit unbegründete Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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