Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 J 1051/68
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der beigeladenen AOK G. wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 4. September 1968 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 4.060,60 DM aus Anlaß der stationären Behandlung der Frau G. B. in der Zeit vom 15. Oktober 1962 bis 1. März 1963 zu erstatten.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers und der Beigeladenen zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger hat die Kosten der Behandlung der spanischen Gastarbeiterin G. B. in der Zeit vom 15. Oktober 1962 bis 1. März 1963 in der Thoraxchirurgischen Klinik R. getragen. Die Spanierin hatte nach dem Vortrag der Klageschrift keinen eigenen Anspruch gegen einen Versicherungsträger im Bundesgebiet, da sie erst etwa einen Monat in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt gewesen war. Jedoch habe der Ehemann einen Anspruch gegen die beklagte Landesversicherungsanstalt, da er in den letzten 24 Monaten mehr als 6 Beiträge zur Rentenversicherung geleistet habe und daher Versicherter im Sinne des § 1244 a RVO sei. Trotzdem hätten die Beklagte und die beigeladene AOK eine Kostenübernahme abgelehnt. Die Beklagte habe ihre Ablehnung darauf gestützt, daß der Ehemann seine Frau nicht überwiegend unterhalten habe. Demgegenüber habe das Bundessozialgericht am 13. Februar 1964 entschieden, daß der Ehegatte den anderen überwiegend unterhalten habe, dessen Einkommen höher ist. Da der Ehemann täglich netto 19,23 DM, die Ehefrau netto 9,84 DM verdient habe, sei hier überwiegender Unterhalt gegeben. Die Beklagte sei sonst nach § 1244 a RVO verpflichtet, die Kosten der stationären Behandlung der Frau G. B. zu übernehmen. Hilfsweise sei die beigeladene AOK G. leistungspflichtig.
Die Beklagte entgegnete, daß überwiegender Unterhalt nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. Mai 1961 nur vorliege, wenn der Arbeitsverdienst des einen Ehegatten mehr als 3/4 des Gesamtverdienstes beider Ehegatten ausmache.
Das Sozialgericht Kassel lud die AOK G. zum Verfahren bei, die der Auffassung war, daß die Beklagte die Kosten übernehmen müsse.
Nach der Tbc-Vereinbarung vom 15. September 1958 hätten die Landesversicherungsanstalten die Kosten für nichtversicherte Ehegatten zu übernehmen, wenn sie überwiegend unterhalten werden und in häuslicher Gemeinschaft lebten. Diese Vereinbarung sei zu Beginn der Behandlung am 20. September 1962 noch gültig gewesen, so daß § 1244 a RVO nicht anwendbar sei.
Die Beklagte erwiderte, daß diese Vereinbarung von den Krankenkassen zum 1. August 1961 teilweise gekündigt worden sei und die Rentenversicherungsträger daraufhin den Rest der Vereinbarung zum 31. Dezember 1962 gekündigt hätten. Durch die Teilkündigung sei gemäß § 139 BGB die gesamte Vereinbarung nichtig geworden. Sie sei aber auch ab 1. Oktober 1959 mit der Einfügung des § 1244 a RVO ohnedies hinfällig geworden.
Die beigeladene AOK wies darauf hin, daß nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 26. Oktober 1967 für die Voraussetzungen des § 1244 a RVO deutsche und italienische Versicherungszeiten zusammenzurechnen seien. Entsprechendes müsse auch im Verhältnis zu Spanien gelten. Die Beklagte machte geltend, daß auch dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 24. November 1967 die Behandlung einer Tbc in einem Sanatorium oder in einem Krankenhaus keine Kur sei, wenn diese stationäre Maßnahme nach der Art des Leidens notwendig gewesen sei.
Das Sozialgericht erhob Beweis durch Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage von dem Lungenfacharzt Dr. C., der am 30. Mai 1968 ausführte, daß eine rasche Einweisung in ein Sanatorium nach Verschlechterung der Befunde absolut angezeigt gewesen sei. Heilstättenbehandlung sei hier auch erforderlich gewesen, zweifellos nicht nur eine Kur oder Pflege.
Die Klägerin beantragte daraufhin im Termin vom 4. September 1968 die Beklagte,
hilfsweise
die Beigeladene zur Zahlung zu verurteilen.
Mit Urteil vom 4. September 1968 verurteilte das Sozialgericht Kassel die beigeladene AOK, 4.060,60 DM an den Kläger als Ersatz der Aufwendungen für die stationäre Tuberkulose-Heilbehandlung der Frau G. B. in der Thorax-Chirurgischen Klinik R. in der Zeit vom 15. Oktober 1962 bis 1. März 1963 zu zahlen. Das Sozialgericht war der Auffassung, daß der Hilfsantrag begründet sei, da die Beklagte nicht verpflichtet gewesen sei, nach § 1244 a RVO die Kosten für die Heilbehandlung zu übernehmen. Frau G. B. sei selbst nicht Versicherte im Sinne des § 1244 a RVO, da sie in den vorausgegangenen 24 Kalendermonaten nicht für wenigstens 6 Kalendermonate Beiträge für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet habe oder die Wartezeit nach § 1246 Abs. 3 RVO erfüllt sei. Eine Hinzurechnung der spanischen Beiträge komme nicht in Betracht, da das deutsch-spanische Abkommen vom 6. Oktober 1961 im Abschnitt Rentenversicherung nur die Versicherung für den Fall des Alters, der Invalidität und zu Gunsten der Hinterbliebenen enthalte. Bestimmungen über die Gewährung von Heilverfahren seien darin nicht aufgenommen. Auch ein Anspruch des Ehemannes auf Heilmaßnahmen für seine Ehefrau sei nicht gegeben, da er sie nicht überwiegend unterhalten habe. Überwiegender Unterhalt liege nur dann vor, wenn der Ehemann mehr zum Unterhalt seiner Ehefrau beisteuere, als diese selbst. Der hier in Betracht kommende Zuschuß des Ehemannes überschreite aber nicht dasjenige, was die Erkrankte selbst verdient habe. Demgegenüber habe der Kläger einen Erstattungsanspruch gegen die beigeladene AOK, da die Erkrankte dort versichert gewesen sei und einen Anspruch auf Krankenpflege und Krankengeld gehabt habe. Es sei unstreitig, daß die durchgeführten Maßnahmen medizinisch notwendig gewesen seien. Sie stellten auch eine Krankenhausbehandlung im Sinne des § 184 RVO dar. Das Sozialgericht berief sich dazu auf das Gutachten von Dr. C. Das Sozialgericht war schließlich der Auffassung, daß an diesem Ergebnis auch die Vereinbarung zwischen dem Verband der Rentenversicherungsträger und den Krankenkassenverbänden vom 25. September 1958 nichts ändere, weil diese im Zeitpunkt des Versicherungsfalles bereits ihre Gültigkeit verloren hatte.
Gegen dieses der beigeladenen AOK am 3. Oktober 1968 zugestellte Urteil richtet sich deren am 17. Oktober 1968 schriftlich bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung mit dem Antrag, die Beklagte zur Erstattung des streitigen Betrages zu verurteilen, hilfsweise den Kostenersatz unter Beachtung des § 1531 RVO in Verbindung mit § 1533 Abs. 2 RVO und § 1524 Abs. 1 Satz 2–4 RVO für jeden Tag des Anstaltsaufenthaltes auf 7/8 des Grundlohnes der Versicherten von 12,68 = insgesamt 1.535,94 DM zu begrenzen. Die Beigeladene war der Auffassung, daß unter Anrechnung der spanischen Versicherungszeit der Erkrankten die Wartezeit erfüllt sei. Darüberhinaus habe der Ehemann die Erkrankte überwiegend unterhalten. Aus diesen beiden Gründen sei die Beklagte leistungspflichtig.
Die Beklagte war der Auffassung, daß eine Heranziehung der spanischen Versicherungszeiten nicht in Betracht komme, da das genannte BSG-Urteil sich auf besondere Bestimmungen im deutsch-italienischen Abkommen gestützt habe, die im deutsch-spanischen Abkommen nicht enthalten seien.
Der Kläger machte geltend, daß sich die Beigeladene auf eine Beschränkung des Ersatzes nicht berufen könne, wenn die Kasse in einem eindeutigen Behandlungsfall nicht geleistet habe und durch Untätigkeit bewirke, daß der Fürsorge- bzw. Sozialhilfeträger eintreten müsse. Demgegenüber trug die Beigeladene vor, daß der Kläger erst nach einem Jahr seine Ansprüche geltend gemacht habe.
Die Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 4. September 1968 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der Heilstättenbehandlung der Frau G. B. für die Zeit vom 15. Oktober 1962 bis 1. März in der Thorax-Chirurgischen Klinik R. zu übernehmen, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Kassel derart zu ändern, daß der Kostenersatz der Beigeladenen sich auf den Betrag von 1.535,94 DM beschränkt.
Die Berufungsbeklagten zu 1) und 2) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf den vorgetragenen Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die Unterlagen der Berufungsklägerin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch zulässig, da ihr Ausschlußgründe nicht entgegenstehen, §§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –.
Sie ist auch begründet.
Nicht die beigeladene AOK G., vielmehr die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger die Kosten für die Behandlung der spanischen Versicherten zu erstatten.
Rechtsgrundlage ist § 1244 a RVO, da mit seinem Inkrafttreten das Abkommen vom 15. September 1958 als überholt anzusehen ist.
Nach § 1244 a RVO haben Versicherte für sich, für ihre Ehegatten oder für ihre Kinder Anspruch auf die Maßnahmen nach § 1236 und 1244 RVO, wenn sie an aktiver, behandlungsbedürftiger Tuberkulose erkrankt sind. Versicherter in diesem Sinne ist nach § 1244 a Abs. 2 RVO derjenige, für den in den der Feststellung der Behandlungsbedürftigkeit vorausgegangenen 24 Kalendermonaten Beiträge für wenigstens 6 Kalendermonate für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet worden sind, oder wenn die Wartezeit nach § 1246 Abs. 3 RVO erfüllt ist.
Die Erkrankte hatte zwar die Voraussetzungen der ersten Alternative dieser Bestimmung nicht erfüllt, da sie erst seit etwa einem Monat in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt war. Dagegen sind die Voraussetzungen der zweiten Alternative erfüllt, da die Erkrankte die Wartezeit nach § 1246 Abs. 3 RVO unter Hinzurechnung ihrer spanischen Versicherungszeiten erfüllt hat. In Spanien war die Erkrankte vom 23. Februar 1953 bis 15. Dezember 1961 versichert, so daß diese Zeiten allein die Wartezeit des § 1246 Abs. 3 RVO erfüllen. Da die Erkrankte jedoch schon einen Monat in der Bundesrepublik Deutschland tätig war, finden die Bestimmungen des Abkommens vom 29. Oktober 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem spanischen Staate über soziale Sicherheit Anwendung, das durch Gesetz vom 16. Juni 1961 (BGBl. II S. 598) für das Bundesgebiet verkündet worden ist.
Dieses Abkommen bestimmt hinsichtlich der Rentenversicherung in Abschnitt III, Art. 22, daß die Renten ausschließlich nach Maßgabe dieses Kapitels festgestellt und gewährt werden, wenn eine Person nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten versichert war. Zwar geht es vorliegend nicht um die Feststellung einer Rente, doch nehmen die Bestimmungen des § 1244 a RVO ausdrücklich auf die Voraussetzungen zum Rentenbezug nach § 1246 Abs. 3 RVO Bezug. Danach gelten nach Auffassung des Senats die für die Rentenbewilligung verwertbaren Maßstäbe auch für die Gewährung von Tbc-Hilfe nach § 1244 a RVO. Dieser Schluß ergibt sich im übrigen auch aus Art. 41 des Abkommens, nach dem bei der Anwendung u.a. des Art. 22 Abs. 2 die Beitragszeiten und gleichgestellten Zeiten, die nach den Rechtsvorschriften der beiden Vertragsstaaten zurückgelegt worden sind, für den Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruches zusammengerechnet werden. Hier spricht das Abkommen also allgemein von Leistungen, nicht nur von Renten, so daß sich daraus ergibt, daß im vorliegenden Falle eine Zusammenrechnung der Versicherungszeiten zu erfolgen hat.
Der in Bezug genommene Art. 22 Abs. 2 bezieht sich ebenfalls darauf, daß für den Erwerb die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben eines Rentenanspruches die in beiden Beitragsstaaten zurückgelegten Zeiten zusammenzurechnen sind. Der Senat war daher der Auffassung, daß auf Grund des § 1244 a RVO die Beklagte verpflichtet gewesen war, die Kosten der stationären Behandlung der Erkrankten zu übernehmen. Da diese Kosten von dem Kläger verauslagt worden sind, hat die Beklagte sie dem Kläger zu erstatten.
Eine Haftungsbeschränkung, wie sie die Berufungsklägerin (AOK) für den Fall, daß sie verpflichtet sein sollte, geltend gemacht hat, besteht gemäß § 59 BSHG gegenüber der Beklagten nicht. Der Senat brauchte diese Frage daher nicht nachzuprüfen.
Bei dieser Rechtslage kommt es auf etwaige Ansprüche, die der Ehemann der Erkrankten auf Grund des § 1244 a RVO gehabt hätte, nicht mehr an. Der Senat brauchte also nicht zu prüfen, ob er die Erkrankte überwiegend unterhalten hat.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 4.060,60 DM aus Anlaß der stationären Behandlung der Frau G. B. in der Zeit vom 15. Oktober 1962 bis 1. März 1963 zu erstatten.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers und der Beigeladenen zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger hat die Kosten der Behandlung der spanischen Gastarbeiterin G. B. in der Zeit vom 15. Oktober 1962 bis 1. März 1963 in der Thoraxchirurgischen Klinik R. getragen. Die Spanierin hatte nach dem Vortrag der Klageschrift keinen eigenen Anspruch gegen einen Versicherungsträger im Bundesgebiet, da sie erst etwa einen Monat in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt gewesen war. Jedoch habe der Ehemann einen Anspruch gegen die beklagte Landesversicherungsanstalt, da er in den letzten 24 Monaten mehr als 6 Beiträge zur Rentenversicherung geleistet habe und daher Versicherter im Sinne des § 1244 a RVO sei. Trotzdem hätten die Beklagte und die beigeladene AOK eine Kostenübernahme abgelehnt. Die Beklagte habe ihre Ablehnung darauf gestützt, daß der Ehemann seine Frau nicht überwiegend unterhalten habe. Demgegenüber habe das Bundessozialgericht am 13. Februar 1964 entschieden, daß der Ehegatte den anderen überwiegend unterhalten habe, dessen Einkommen höher ist. Da der Ehemann täglich netto 19,23 DM, die Ehefrau netto 9,84 DM verdient habe, sei hier überwiegender Unterhalt gegeben. Die Beklagte sei sonst nach § 1244 a RVO verpflichtet, die Kosten der stationären Behandlung der Frau G. B. zu übernehmen. Hilfsweise sei die beigeladene AOK G. leistungspflichtig.
Die Beklagte entgegnete, daß überwiegender Unterhalt nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. Mai 1961 nur vorliege, wenn der Arbeitsverdienst des einen Ehegatten mehr als 3/4 des Gesamtverdienstes beider Ehegatten ausmache.
Das Sozialgericht Kassel lud die AOK G. zum Verfahren bei, die der Auffassung war, daß die Beklagte die Kosten übernehmen müsse.
Nach der Tbc-Vereinbarung vom 15. September 1958 hätten die Landesversicherungsanstalten die Kosten für nichtversicherte Ehegatten zu übernehmen, wenn sie überwiegend unterhalten werden und in häuslicher Gemeinschaft lebten. Diese Vereinbarung sei zu Beginn der Behandlung am 20. September 1962 noch gültig gewesen, so daß § 1244 a RVO nicht anwendbar sei.
Die Beklagte erwiderte, daß diese Vereinbarung von den Krankenkassen zum 1. August 1961 teilweise gekündigt worden sei und die Rentenversicherungsträger daraufhin den Rest der Vereinbarung zum 31. Dezember 1962 gekündigt hätten. Durch die Teilkündigung sei gemäß § 139 BGB die gesamte Vereinbarung nichtig geworden. Sie sei aber auch ab 1. Oktober 1959 mit der Einfügung des § 1244 a RVO ohnedies hinfällig geworden.
Die beigeladene AOK wies darauf hin, daß nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 26. Oktober 1967 für die Voraussetzungen des § 1244 a RVO deutsche und italienische Versicherungszeiten zusammenzurechnen seien. Entsprechendes müsse auch im Verhältnis zu Spanien gelten. Die Beklagte machte geltend, daß auch dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 24. November 1967 die Behandlung einer Tbc in einem Sanatorium oder in einem Krankenhaus keine Kur sei, wenn diese stationäre Maßnahme nach der Art des Leidens notwendig gewesen sei.
Das Sozialgericht erhob Beweis durch Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage von dem Lungenfacharzt Dr. C., der am 30. Mai 1968 ausführte, daß eine rasche Einweisung in ein Sanatorium nach Verschlechterung der Befunde absolut angezeigt gewesen sei. Heilstättenbehandlung sei hier auch erforderlich gewesen, zweifellos nicht nur eine Kur oder Pflege.
Die Klägerin beantragte daraufhin im Termin vom 4. September 1968 die Beklagte,
hilfsweise
die Beigeladene zur Zahlung zu verurteilen.
Mit Urteil vom 4. September 1968 verurteilte das Sozialgericht Kassel die beigeladene AOK, 4.060,60 DM an den Kläger als Ersatz der Aufwendungen für die stationäre Tuberkulose-Heilbehandlung der Frau G. B. in der Thorax-Chirurgischen Klinik R. in der Zeit vom 15. Oktober 1962 bis 1. März 1963 zu zahlen. Das Sozialgericht war der Auffassung, daß der Hilfsantrag begründet sei, da die Beklagte nicht verpflichtet gewesen sei, nach § 1244 a RVO die Kosten für die Heilbehandlung zu übernehmen. Frau G. B. sei selbst nicht Versicherte im Sinne des § 1244 a RVO, da sie in den vorausgegangenen 24 Kalendermonaten nicht für wenigstens 6 Kalendermonate Beiträge für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet habe oder die Wartezeit nach § 1246 Abs. 3 RVO erfüllt sei. Eine Hinzurechnung der spanischen Beiträge komme nicht in Betracht, da das deutsch-spanische Abkommen vom 6. Oktober 1961 im Abschnitt Rentenversicherung nur die Versicherung für den Fall des Alters, der Invalidität und zu Gunsten der Hinterbliebenen enthalte. Bestimmungen über die Gewährung von Heilverfahren seien darin nicht aufgenommen. Auch ein Anspruch des Ehemannes auf Heilmaßnahmen für seine Ehefrau sei nicht gegeben, da er sie nicht überwiegend unterhalten habe. Überwiegender Unterhalt liege nur dann vor, wenn der Ehemann mehr zum Unterhalt seiner Ehefrau beisteuere, als diese selbst. Der hier in Betracht kommende Zuschuß des Ehemannes überschreite aber nicht dasjenige, was die Erkrankte selbst verdient habe. Demgegenüber habe der Kläger einen Erstattungsanspruch gegen die beigeladene AOK, da die Erkrankte dort versichert gewesen sei und einen Anspruch auf Krankenpflege und Krankengeld gehabt habe. Es sei unstreitig, daß die durchgeführten Maßnahmen medizinisch notwendig gewesen seien. Sie stellten auch eine Krankenhausbehandlung im Sinne des § 184 RVO dar. Das Sozialgericht berief sich dazu auf das Gutachten von Dr. C. Das Sozialgericht war schließlich der Auffassung, daß an diesem Ergebnis auch die Vereinbarung zwischen dem Verband der Rentenversicherungsträger und den Krankenkassenverbänden vom 25. September 1958 nichts ändere, weil diese im Zeitpunkt des Versicherungsfalles bereits ihre Gültigkeit verloren hatte.
Gegen dieses der beigeladenen AOK am 3. Oktober 1968 zugestellte Urteil richtet sich deren am 17. Oktober 1968 schriftlich bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung mit dem Antrag, die Beklagte zur Erstattung des streitigen Betrages zu verurteilen, hilfsweise den Kostenersatz unter Beachtung des § 1531 RVO in Verbindung mit § 1533 Abs. 2 RVO und § 1524 Abs. 1 Satz 2–4 RVO für jeden Tag des Anstaltsaufenthaltes auf 7/8 des Grundlohnes der Versicherten von 12,68 = insgesamt 1.535,94 DM zu begrenzen. Die Beigeladene war der Auffassung, daß unter Anrechnung der spanischen Versicherungszeit der Erkrankten die Wartezeit erfüllt sei. Darüberhinaus habe der Ehemann die Erkrankte überwiegend unterhalten. Aus diesen beiden Gründen sei die Beklagte leistungspflichtig.
Die Beklagte war der Auffassung, daß eine Heranziehung der spanischen Versicherungszeiten nicht in Betracht komme, da das genannte BSG-Urteil sich auf besondere Bestimmungen im deutsch-italienischen Abkommen gestützt habe, die im deutsch-spanischen Abkommen nicht enthalten seien.
Der Kläger machte geltend, daß sich die Beigeladene auf eine Beschränkung des Ersatzes nicht berufen könne, wenn die Kasse in einem eindeutigen Behandlungsfall nicht geleistet habe und durch Untätigkeit bewirke, daß der Fürsorge- bzw. Sozialhilfeträger eintreten müsse. Demgegenüber trug die Beigeladene vor, daß der Kläger erst nach einem Jahr seine Ansprüche geltend gemacht habe.
Die Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 4. September 1968 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der Heilstättenbehandlung der Frau G. B. für die Zeit vom 15. Oktober 1962 bis 1. März in der Thorax-Chirurgischen Klinik R. zu übernehmen, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Kassel derart zu ändern, daß der Kostenersatz der Beigeladenen sich auf den Betrag von 1.535,94 DM beschränkt.
Die Berufungsbeklagten zu 1) und 2) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf den vorgetragenen Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die Unterlagen der Berufungsklägerin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch zulässig, da ihr Ausschlußgründe nicht entgegenstehen, §§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –.
Sie ist auch begründet.
Nicht die beigeladene AOK G., vielmehr die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger die Kosten für die Behandlung der spanischen Versicherten zu erstatten.
Rechtsgrundlage ist § 1244 a RVO, da mit seinem Inkrafttreten das Abkommen vom 15. September 1958 als überholt anzusehen ist.
Nach § 1244 a RVO haben Versicherte für sich, für ihre Ehegatten oder für ihre Kinder Anspruch auf die Maßnahmen nach § 1236 und 1244 RVO, wenn sie an aktiver, behandlungsbedürftiger Tuberkulose erkrankt sind. Versicherter in diesem Sinne ist nach § 1244 a Abs. 2 RVO derjenige, für den in den der Feststellung der Behandlungsbedürftigkeit vorausgegangenen 24 Kalendermonaten Beiträge für wenigstens 6 Kalendermonate für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet worden sind, oder wenn die Wartezeit nach § 1246 Abs. 3 RVO erfüllt ist.
Die Erkrankte hatte zwar die Voraussetzungen der ersten Alternative dieser Bestimmung nicht erfüllt, da sie erst seit etwa einem Monat in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt war. Dagegen sind die Voraussetzungen der zweiten Alternative erfüllt, da die Erkrankte die Wartezeit nach § 1246 Abs. 3 RVO unter Hinzurechnung ihrer spanischen Versicherungszeiten erfüllt hat. In Spanien war die Erkrankte vom 23. Februar 1953 bis 15. Dezember 1961 versichert, so daß diese Zeiten allein die Wartezeit des § 1246 Abs. 3 RVO erfüllen. Da die Erkrankte jedoch schon einen Monat in der Bundesrepublik Deutschland tätig war, finden die Bestimmungen des Abkommens vom 29. Oktober 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem spanischen Staate über soziale Sicherheit Anwendung, das durch Gesetz vom 16. Juni 1961 (BGBl. II S. 598) für das Bundesgebiet verkündet worden ist.
Dieses Abkommen bestimmt hinsichtlich der Rentenversicherung in Abschnitt III, Art. 22, daß die Renten ausschließlich nach Maßgabe dieses Kapitels festgestellt und gewährt werden, wenn eine Person nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten versichert war. Zwar geht es vorliegend nicht um die Feststellung einer Rente, doch nehmen die Bestimmungen des § 1244 a RVO ausdrücklich auf die Voraussetzungen zum Rentenbezug nach § 1246 Abs. 3 RVO Bezug. Danach gelten nach Auffassung des Senats die für die Rentenbewilligung verwertbaren Maßstäbe auch für die Gewährung von Tbc-Hilfe nach § 1244 a RVO. Dieser Schluß ergibt sich im übrigen auch aus Art. 41 des Abkommens, nach dem bei der Anwendung u.a. des Art. 22 Abs. 2 die Beitragszeiten und gleichgestellten Zeiten, die nach den Rechtsvorschriften der beiden Vertragsstaaten zurückgelegt worden sind, für den Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruches zusammengerechnet werden. Hier spricht das Abkommen also allgemein von Leistungen, nicht nur von Renten, so daß sich daraus ergibt, daß im vorliegenden Falle eine Zusammenrechnung der Versicherungszeiten zu erfolgen hat.
Der in Bezug genommene Art. 22 Abs. 2 bezieht sich ebenfalls darauf, daß für den Erwerb die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben eines Rentenanspruches die in beiden Beitragsstaaten zurückgelegten Zeiten zusammenzurechnen sind. Der Senat war daher der Auffassung, daß auf Grund des § 1244 a RVO die Beklagte verpflichtet gewesen war, die Kosten der stationären Behandlung der Erkrankten zu übernehmen. Da diese Kosten von dem Kläger verauslagt worden sind, hat die Beklagte sie dem Kläger zu erstatten.
Eine Haftungsbeschränkung, wie sie die Berufungsklägerin (AOK) für den Fall, daß sie verpflichtet sein sollte, geltend gemacht hat, besteht gemäß § 59 BSHG gegenüber der Beklagten nicht. Der Senat brauchte diese Frage daher nicht nachzuprüfen.
Bei dieser Rechtslage kommt es auf etwaige Ansprüche, die der Ehemann der Erkrankten auf Grund des § 1244 a RVO gehabt hätte, nicht mehr an. Der Senat brauchte also nicht zu prüfen, ob er die Erkrankte überwiegend unterhalten hat.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved