L 6/1 Ar 392/82

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 3c Ar 105/81
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6/1 Ar 392/82
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Betriebstätigkeit i.S. § 141 b Abs. 3 Nr. 2 AFG, die vollständig beendigt werden kann, liegt jedenfalls dann vor, wenn kontinuierliche Vorbereitungstätigkeiten für eine geplante Produktion in der Form stattfinden, daß ein Büro angemietet wird, ein Arbeitnehmer eingestellt wird, Geschäftsfahrzeuge gekauft werden, von den Gesellschaftern Geld in die Gesellschaft eingezahlt wird und sowohl der Arbeitnehmer als auch die Gesellschafter bzw. deren Repräsentanten eine rege Reise- und Verhandlungstätigkeit entfalten, um eine Produktionsstätte zu erstellen, geeignete Maschinen zu kaufen, die Finanzierung durch Aufnahme von zusätzlichen Krediten zu sichern und Marktuntersuchungen über die Absatzchancen der geplanten Produkte durchführen.
Das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 18. Februar 1982 sowie die Bescheide der Beklagten vom 20. Mai 1981 und vom 10. September 1981 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Konkursausfallgeld für die Zeit vom 1. Juli bis zum 30. September 1977 zu zahlen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Es geht in dem Rechtsstreit um Konkursausfallgeld für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1977.

Der 1925 geborene Kläger war seit dem 27. September 1976 allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer neben dem Gesellschafter – Geschäftsführer – Herrn K. E. Laute bei der S. K. GmbH, F ... Das Stammkapital der Gesellschaft betrug DM 500.000,–. Hierauf übernahm der Gesellschafter Laute DM 250.000,– und die zweite Gesellschafterin, die F.-P. AG, C. Sch., ebenfalls DM 250.000,–. Laut Gesellschaftsvertrag waren 50 % der Einlagen bei Vertragsschluß in bar zu zahlen, der Rest spätestens am 31. Dezember 1976. Zu diesem Zeitpunkt waren nach der Jahresbilanz DM 327.239,20 noch nicht bezahlt.

Am 8. April 1977 beschlossen die Gesellschafter unter anderem, wenn trotz großzügiger materieller und substantieller Vorleistungen des Gesellschafters F.-P. in C. die Durchfinanzierung des Objektes S. F. nicht termingerecht beigebracht werden könne, werde die S. aufgelöst. Für den Fall der Finanzierung werde das Stammkapital auf DM 1.000.000,– erhöht, zu Geschäftsführern die Herren H. R. B. und K. E. L. bestellt, der Kläger als Geschäftsführer entlassen. Die von Herrn L. bisher vorgeschossenen Gelder bis zu DM 200.000,– würden als Kapitaleinlage betrachtet.

Am 29. August 1977 beschlossen die Gesellschafter unter anderem, keine Kapitalerhöhung durchzuführen, die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer zum 4. April 1977 zu genehmigen, den Geschäftsführer L. abzuberufen, die Gesellschaft zum 31. August 1977 aufzulösen, zum Liquidator Herrn H. R. B. zu bestellen und das Steuerbüro SX. mit der Abschlußbilanz zu beauftragen. Laut Jahresabschlußbilanz zum 31. Dezember 1977 waren die Einlagen der Gesellschafter voll bezahlt. Dem Kläger wurde zum 30. September 1977 gekündigt und das Büro zu diesem Zeitpunkt aufgelöst.

Am 24. Oktober 1977 beantragte der Kläger bei der Beklagten zur Fristwahrung Konkursausfallgeld für nicht bezahltes Gehalt durch die Firma S. K. GmbH. Da er in aussichtsreichen Verhandlungen stehe mit einem Unternehmen, an dem auch die Sch. Gesellschafterin der St. beteiligt sei, bat er zunächst um Rückstellung. Im Februar 1981 spezifizierte der Kläger nunmehr seinen Antrag auf DM 17.007,– für die Monate Juli bis September 1977. Ein entsprechender Betrag war von dem Liquidator H. B. unter dem 20. Februar 1981 bestätigt worden. Mit Bescheid vom 20. Mai 1981 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, es fehle zum einen an einem Antrag auf Konkurseröffnung, so daß die Voraussetzungen des § 141b Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nicht vorlägen. Die "Betriebstätigkeit” habe offensichtlich nur in Vorbereitungs- bzw. Abwicklungsarbeiten gelegen, da der eigentliche Geschäftsbetrieb nie aufgenommen worden sei. Es habe daher im Sinne des § 141b Abs. 3 Nr. 2 AFG auch keine vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit vorgelegen. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß ein Konkursverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht gekommen sei.

Hiergegen hat der Kläger am 25. Mai 1981 Widerspruch eingelegt und unter anderem vorgetragen, er habe als einziger Angestellter vom ersten bis zum letzten Tag seiner Tätigkeit am 30. September 1977 die ihm übertragenen Arbeiten nach bestem Vermögen durchgeführt. Für die Eröffnung des Konkursverfahrens sei kein Geld mehr vorhanden gewesen. Wenn die Beklagte ihm rechtzeitig diese Meinung mitgeteilt hätte, hätte er Konkursantrag stellen können. Die Sch. Gesellschafterin sei nicht ansprechbar, der deutsche Gesellschafter K. E. L. habe seines Wissens sein gesamtes Vermögen verloren und die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 1981 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 6. Oktober 1981 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, entgegen der Auffassung der Beklagten sei die S. K. B GmbH insbesondere durch den Liquidator H. B. und ihn selbst tätig geworden. Er habe eine rege Tätigkeit entfaltet; er sei mit technischen Aufgaben und der Planung betraut gewesen und habe sich ausführlich mit der Marktforschung für ein neues Verpackungsprodukt befaßt. Daß es sich um ein echtes Arbeitsverhältnis gehandelt habe, ergebe sich aus dem Bezug eines Gehaltes von DM 3.400,–, das er bis April 1977 erhalten habe und aus dem Kündigungsschreiben vom 18. August 1977. Sein Gehalt habe er von der Firma S. erhalten. Er habe keine finanzielle Dispositionsbefugnis gehabt. Herr W., der Vertreter der Sch. Gesellschafterin, habe einen Konkurs auf jeden Fall vermeiden wollen. Dieser habe ihm eine Einstellung in einer noch zu gründenden Firma in Aussicht gestellt, deshalb sei er zunächst bei der Firma S. geblieben.

Zum Beweis der Tatsache, daß zwischen der Firma F.-P. und der Firma S. keine Vereinbarung über die Zahlung einer Einlage an die Firma S. getroffen worden sei, sollten Herr R. W. und Dr. D. C. in C./Sch. als Zeugen vernommen werden. Zum Beweis der Tatsache, daß die Firma zum Ende August 1977 zahlungsunfähig gewesen sei, sollte die Liquidationbilanz vorgelegt, hilfsweise der Steuerbevollmächtigte SX., N., vernommen werden.

Der Kläger hat vorgelegt ein Kündigungsschreiben vom 18. August 1977, handschriftliche Unterlagen der S. K. GmbH sowie Kontoauszüge und Schriftverkehr betreffend die AOK F ...

Die Beklagte hat sich auf den Widerspruchsbescheid bezogen.

Das Sozialgericht Fulda hat die Akten des Amtsgerichts Fulda – Registergericht – betreffend die Firma S. K. GmbH beigezogen. Es hat ferner am 18. Februar 1982 die Zeugen H. B. und K. E. L. vernommen.

Mit Urteil vom 18. Februar 1982 (S-3c/Ar-105/81) hat das Sozialgericht Fulda die Klage abgewiesen und im wesentlichen damit begründet, daß über das Vermögen der S. K.- GmbH weder der Konkurs eröffnet noch die Eröffnung mangels Masse abgelehnt worden sei. Zwar habe die GmbH sicherlich ihre Betriebstätigkeit vollständig beendet, es sei jedoch nicht festzustellen, daß ein Konkursverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht gekommen sei nach § 141b Abs. 3 Nr. 2 AFG. Die Zeugen hätten übereinstimmend bekundet, daß die Stammeinlage der Firma F.-P. in Höhe von DM 250.000,– noch nicht erbracht gewesen sei. Diese Forderung hätte der Liquidator einziehen müssen. Den Verbindlichkeiten der S. von DM 66.530,19 hätte die Forderung von DM 250.000,– gegenüber gestanden, so daß ein Konkursverfahren nicht offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht gekommen sei. Da die Gesellschafter nach § 19 Abs. 2 GmbH-Gesetz nicht von der Verpflichtung zur Leistung der Einlage befreit werden könnten, bedürfe es insoweit keiner Zeugenvernehmung.

Gegen das ihm am 27. März 1982 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. April 1982 Berufung eingelegt, mit der er die Aufhebung des Urteils vom 18. Februar 1982 und der Bescheide vom 20. Mai 1981 und vom 10. September 1981 sowie die Verurteilung der Beklagten begehrt, Konkursausfallgeld für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1977 zu zahlen.

Der Kläger trägt vor, die Berufung sei zulässig nach § 150 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliege. Das Sozialgericht Fulda sei dem Beweisantrag auf Vorlage der Liquidationsbilanz durch das Finanzamt F. bzw. durch Vernehmung des Steuerbevollmächtigten S. nicht nachgegangen. Es habe sich in der Urteilsbegründung mit diesem Beweisantrag nicht auseinandergesetzt. Aus der Liquidationsbilanz ergebe sich, daß die Einlage der Firma F.-P. erbracht worden sei, anderenfalls hätte sie unter den Aktiva bilanziert werden müssen. Es müßten daher Zweifel an den Aussagen der Zeugen B. und L. bestehen, die angegeben hätten, die Firma F.-P. habe ihre Stammeinlage nicht erbracht. Das Urteil habe daher nicht darauf gestützt werden dürfen. Das Urteil sei aber auch aus sachlichen Gründen unrichtig. Denn selbst, wenn die Firma F.-P. die Stammeinlage nicht geleistet hätte, wären die Voraussetzungen des § 141b Abs. 3 Nr. 2 APG erfüllt. Wie er in der Zwischenzeit in Erfahrung gebracht habe, sei die Firma F.-P. seit etwa Februar/März 1977 gar nicht mehr in der Lage gewesen, die Einlage zu erbringen, weil sie etwa seit diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig gewesen sei:

Beweis: Rechtsanwalt Dr. D. C., Q.straße, C.

§ 70 GmbH-Gesetz begründe entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Fulda keine Verpflichtung, jede Forderung, so dubios sie auch sein möge, einzuziehen. Das Gericht sei deshalb verpflichtet gewesen, den Liquidator B. zu befragen, welche Gründe ihn veranlaßt hätten, von der Einziehung der Forderung gegenüber der Firma F.-P. abzusehen. Zu berücksichtigen sei, daß die Firma F.-P. in der Schweiz nur ihren Sitz, aber keinen Geschäftsbetrieb gehabt habe. Die Realisierung der Forderung gegen die Firma F.-P. hätte aber auch daran scheitern müssen, daß dem Liquidator keine flüssigen Mittel zur Durchsetzung der Forderung zur Verfügung standen. Der Steuerberater S. habe bestätigt, daß auch die Firma F.-P. zahlungsunfähig gewesen sei. Die vorgelegte Bilanz weise eine Überschuldung der Firma S. aus von DM 25.600,85. Er als Kläger sei nicht in der Lage, den Aufwand der GmbH in Höhe von DM 259.683,19 aufzuschlüsseln. Auch die in der Verlust- und Gewinnrechnung ausgewiesenen Rechts- und Beratungskosten von DM 85.007,92 entzögen sich seiner Kenntnis; seine Prozeßbevollmächtigten hätten nur die in den Notariatsurkunden ausgewiesenen Beträge erhalten. Es sei ferner gerichtsbekannt, daß der Geschäftsführer L. die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe. Die Geschäftsbücher der Firma S. K. GmbH habe er, der Kläger nicht erhalten.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 18. Februar 1982 sowie den Bescheid vom 20. Mai 1981 und den Widerspruchsbescheid vom 10. September 1981 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Konkursausfallgeld für die Zeit vom 1. Juli 1977 bis zum 30. September 1977 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen;
hilfsweise,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Berufung sei unzulässig nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG, da es sich bei Konkursausfallgeld um eine einmalige Leistung handele. Ein Verfahrensmangel liege nur vor, wenn sich das Gericht aus seiner rechtlichen Sicht zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Hierfür lägen, insbesondere auch auf Grund der Aussagen L. und B. keine Anhaltspunkte vor; die Berufung sei aber auch unbegründet. Die mit dem Sachverhalt bestens vertrauten Zeugen L. und B. hätten ausgesagt, daß die Firma F.-P. auf ihre Einlage nichts eingezahlt hätte. Auch der Steuerberater S. habe bezweifelt, daß die Einlage von DM 250.000,– erbracht worden sei. Damit habe Ende August 1977 zum Zeitpunkt des Beschlusses über die Auflösung der GmbH den Verbindlichkeiten von DM 66.530,19 eine Forderung von DM 250.000,– gegenüber gestanden, so daß ein Konkursverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht gekommen sei. An der Glaubwürdigkeit der Zeugen bestünden für die Beklagte keine Zweifel. Zur Erhellung des Sachverhaltes könnte möglicherweise die Vernehmung des ehemaligen Steuerbevollmächtigten beitragen.

Das Hessische Landessozialgericht hat vom Finanzamt F. die Bilanz zum 31. Dezember 1976 sowie die Liquidationsbilanz der Firma S. K. GmbH beigezogen und schriftliche Auskünfte eingeholt bei dem Steuerberater H. P. S ... Es hat ferner die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Nürnberg (157 Js 500/79) beigezogen.

Das Hessische Landessozialgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen H. P. S., H. B. und K. E. L. in den Terminen am 26. April und 10. Juni 1985. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle Bezug genommen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Registerakten des Amtsgerichts Fulda, der Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Nürnberg Fürth, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in der Besetzung mit den ehrenamtlichen Richtern Gehb und Wenzel entscheiden. Beide ehrenamtliche Richter wurden nach dem 1. April 1985 und nach dem neuen vom Hessischen Sozialminister nunmehr angewandten Verfahren unter Auswahl aus Vorschlagslisten berufen. Auch die Reihenfolge der Zuziehung der ehrenamtlichen Richter ist nicht zu beanstanden, obwohl die zwei im 6. Senat verbliebenen ehrenamtlichen Richter Rose und Weiskopf, die entsprechend dem vor dem 1. April 1985 im Hessischen Sozialministerium üblichen Verfahren berufen worden waren, in diesem Jahr an anderen Sitzungen mitgewirkt und damit die Reihenfolge beeinflußt haben.

Der Senat sah keinen Anlaß mehr, den nach wie vor bestehenden Zweifeln – etwa durch die Einvernahme von Zeugen aus dem Geschäftsbereich des Hessischen Sozialministers – darüber nachzugehen, ob das vor dem 1. April 1985 angewandte Berufungsverfahren der ehrenamtlichen Richtern an Mängel gelitten hat, die verfassungsrechtlich und im Hinblick auf § 551 Nr. 1 ZPO relevant sein könnten. Zwar sind diese Bedenken weder durch den Beschluss des Dreierausschusses des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Dezember 1985 (1 BvR 853/85, 1 BvR 1043/85 und 1 BvR 1118/85) noch durch die Entscheidung des 11a Senats des Bundessozialgerichts vom 23. Januar 1986 (11 RA 46/85) ausgeräumt worden. Denn beide Entscheidungen gehen hinsichtlich der Vorgänge um die Berufung der ehrenamtlichen Richter von einem unaufgeklärten Sachverhalt aus, den der erkennende Senat im Rahmen seiner Entscheidung vom 22. Juli 1985 (L 6/Ar 477/84) nicht zu überprüfen hatte. Auch die knappen Gründe der Beschlüsse des 9. Senats des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Februar 1986 und vom 17. März 1986 (L 9/S 135/85 und L 9/S 137/85), in denen festgestellt wurde, daß die ehrenamtlichen Richter Rose und Weiskopf nicht ihres Amtes zu entheben seien, vermochten den Senat nicht davon zu überzeugen, daß außerhalb des verfassungsrechtlichen Fragenbereichs – trotz der bereits feststehenden Verstöße bei der Berufung der ehrenamtlichen Richter gegen § 13 SGG – eine ordnungsgemäße Berufung der ehrenamtlichen Richter erfolgt ist.

Letztlich kann dies jedoch dahinstehen. Denn der Senat ist der Auffassung, daß die Beschlüsse des 9. Senats des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Februar 1986 und vom 17. März 1986 vom erkennenden Senat zu respektieren sind und diesen damit insoweit binden, als die ordnungsgemäße Besetzung des Senats mit ehrenamtlichen Richtern in Frage steht.

Dabei lehnt der erkennende Senat die vom BSG bereits im Urteil vom 23. Januar 1957 (6 RKa 3/55 in BSGE 4, 242) vertretene Auffassung ab, daß auch bei bereits durchgeführten Amtsenthebungsverfahren mit negativem Ausgang nach §§ 22, 35 SGG eine Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit der Besetzung erfolgen könne und müsse, da dies zu einem Stillstand der Rechtspflege führen könnte. Für den Fall, daß ein Spruchkörper die Meinung vertritt, daß eine ordnungsgemäße Besetzung mit keinem ehrenamtlichen Richter möglich wäre – etwa, weil das Berufungsverfahren aller ehrenamtlicher Richter als schwerwiegend falsch bewertet wird (vgl. Beschluss vom 22. Juli 1985, s.o.) – und der für die Amtsenthebung nach §§ 22, 35 SGG zuständige Senat beschließt, daß keiner der ehrenamtlichen Richter seines Amtes zu entheben sei, würde ein nicht akzeptabler Stillstand der Rechtspflege eintreten. Diese mögliche Folge muß auch dann zu einer Vorrangigkeit der Entscheidung des für die Amtsenthebung der ehrenamtlichen Richter zuständigen Senats führen, wenn – wie hier – nur (noch) einzelne ehrenamtliche Richter betroffen sind.

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 SGG.

Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG wäre die Berufung an sich unzulässig, da es sich bei Konkursausfallgeld um einen Anspruch auf eine einmalige Leistung handelt und das Sozialgericht Fulda die Berufung weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 18. Februar 1982 zugelassen hat, § 150 Nr. 1 SGG.

Die Berufung ist jedoch nach § 150 Nr. 2 SGG zulässig, da der Kläger einen wesentlichen Verfahrensmangel gerügt hat und dieser auch tatsächlich vorliegt. Aus seiner rechtlichen Sicht hätte sich das Sozialgericht Fulda gedrängt fühlen müssen, weitere Ermittlungen anzustellen. Nach der Auffassung des Sozialgerichts kam es für die Entscheidung maßgeblich darauf an, ob die Stammeinlage der Firma F.-P. in Höhe von DM 250.000,– geleistet war oder nicht, denn nur dann, wenn die Firma S. K. GmbH noch eine Forderung gegen die Sch. Gesellschafterin hatte, lag nach den vom Sozialgericht Fulda zugrunde gelegten Verbindlichkeiten von DM 66.530,19 keine Überschuldung vor.

Hierzu hatte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 1982 für die Tatsache der Zahlungsunfähigkeit zum Ende August 1977 auf die Vorlage der Liquidationsbilanz durch das Finanzamt F., hilfsweise die Vernehmung des Steuerbevollmächtigten S. in N. Bezug genommen. Diese Beweisangebote hat das Sozialgericht Fulda übergangen, ohne sich im Urteil damit auseinanderzusetzen, warum es die Beweiserhebung nicht für erforderlich ansah. Nach Auffassung des Senates hätte es sich jedoch gedrängt fühlen müssen, zumindest erst einmal die Liquidationsbilanz beizuziehen, aus der sich die Vermögenslage der S. K. GmbH zum Zeitpunkt der Liquidation objektiv nachprüfbar ergeben mußte gegenüber den subjektiven Angaben zweier Zeugen.

Die Berufung ist auch in vollem Umfang begründet.

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 18. Februar 1982 hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand und war daher aufzuheben. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 20. Mai 1981 und vom 10. September 1981 sind rechtswidrig und waren daher ebenfalls aufzuheben. Die Beklagte war antragsgemäß zu verurteilen, an den Kläger Konkursausfallgeld für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1977 zu zahlen.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Konkursausfallgeld (Kaug) nach §§ 141 a, 141 b Arbeitsförderungsgesetz (AFG).

Danach hat Anspruch auf Kaug ein Arbeitnehmer, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat, § 141 b Abs. 1 AFG. Nach § 141 b Abs. 3 Nr. 2 AFG steht der Eröffnung des Konkursverfahrens gleich die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Konkursverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.

Über das Vermögen der S. K. GmbH, F., wurde weder der Konkurs eröffnet, noch wurde ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse abgelehnt.

Zur Überzeugung des Senats steht fest, daß die St. Kunststoffwerk GmbH zum 30. September 1977 durch Auflösung des Büros in F. und Veräußerung der Pkw und der Büromöbel sowie Entlassung des Klägers die Betriebstätigkeit beendete und ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens offensichtlich mangels Masse abgelehnt worden wäre.

Entgegen der Auffassung der Beklagten sieht der Senat den Begriff der Betriebstätigkeit nicht so eingeengt, daß hierunter nur eine Produktionstätigkeit zu verstehen ist, und eine Beendigung derselben schon wegen fehlenden Beginns nicht in Frage käme. Abgesehen davon, daß es auch Betriebstätigkeiten im nicht produzierenden Bereich gibt, müssen auch kontinuierliche Vorbereitungstätigkeiten als Betriebstätigkeiten jedenfalls dann ausreichen, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein Büro angemietet wird, ein Arbeitnehmer eingestellt wird, Geschäftsfahrzeuge gekauft werden, von den Gesellschaftern Geld in die Gesellschaft eingezahlt wird und sowohl der Arbeitnehmer (hier der Kläger) als auch die Gesellschafter bzw. deren Repräsentanten eine rege Reise- und Verhandlungstätigkeit entfalten, um eine Produktionsstätte zu erstellen, geeignete Maschinen zu kaufen, die Finanzierung durch Aufnahme von zusätzlichen Krediten zu sichern und Marktuntersuchungen über die Absatzchancen der geplanten Produkte durchführen. Insoweit hat der Kläger im Termin am 26. April 1985 auch in überzeugender Weise dargelegt, daß er nach 26 Jahren Tätigkeit in der Verpackungswirtschaft die geplante Fabrikation beurteilen konnte und sie als gut, aussichtsreich und auch genügend fundiert betrachtete. Das Scheitern des Projektes führte er auf den zu hohen Aufwand gemessen an den finanziellen Möglichkeiten zurück.

Die Eröffnung eines Konkursverfahrens wäre auch offensichtlich mangels Masse abgelehnt worden. Durch die vom Finanzamt F. beigezogenen Abschlußbilanzen der Jahre 1976 und 1977 ergibt sich, daß zum 31. Dezember 1976 die Stammeinlagen der Gesellschafter in Höhe von DM 327.239,20 noch ausstanden, während zum 31. Dezember 1977 keine Außenstände mehr verzeichnet waren. Insoweit hat der Zeuge SX. am 26. April 1985 auch bestätigt, daß sich aus der Bilanz eindeutig ergebe, daß die Gesellschafter ihre Einlagen erbracht hätten. Die Belege aus dem Jahre 1977 müßten in seinem Büro vorgelegen haben, so daß dann auch die Zahlungen der Gesellschafter belegt worden sein müßten, wenn sie geleistet worden seien.

Der Zeuge B. hat am 10. Juni 1985 seine noch vor dem Sozialgericht Fulda am 18. Februar 1982 gemachte Aussage widerrufen. Nunmehr geht er davon aus, daß die Stammeinlage auch der F.-P. AG in vollem Umfang bezahlt wurde. Damals wollte er die Liquidationsbilanz nicht unterschrieben haben, weil die DM 250.000,– der F.-P. darin auftauchten, jetzt will er diese Bilanz gar nicht mehr gesehen haben. Er habe insgesamt sehr wenig Ahnung von allen Dingen gehabt, so daß es sein könne, daß die F.-P. vorher oder auch während seiner Zeit die Einlage auf andere Weise geleistet habe. In Wirklichkeit habe der Repräsentant der F.-P., Herr W., alles geregelt und ihm keinen Einblick gegeben. Selbst das Anerkenntnis vom 10. Mai 1977 über DM 32.500,– habe er auf Anweisung des Herrn W. gegenüber der Fa. B., T. & Co abgegeben, ohne eine Rechnung gesehen zu haben. Das Amt des Liquidators habe er nur auf Wunsch des Herrn W. übernommen, er habe dafür kein Geld bekommen und habe auch nicht die Geschäftsunterlagen zur Verfügung gehabt. Aufgrund der widersprüchlichen und sehr unklaren Aussagen des Zeugen B. lassen sich die Angaben der Abschlußbilanz 1977 nicht widerlegen, zumal dieser Zeuge bereits im Schreiben vom 2. Mai 1981 dem Arbeitsamt Korbach mitgeteilt hat, daß das gesamte Stammkapital von DM 500.000,– verbraucht worden sei.

Auch der Zeuge L. hat seine Aussage vom 18. Februar 1982 nicht mehr aufrechterhalten. Damals hatte er noch angegeben, die Firma F.-P. habe die Einlage überhaupt nicht erbracht. Bei seiner Vernehmung vom 26. April 1985 hat er diese Meinung zwar zunächst bestätigt, dann jedoch eingeschränkt, daß er ab März 1977 keinerlei Einblick mehr hatte und daß er nicht ausschließen könne, daß die F.-P. auch während seiner Geschäftsführertätigkeit die Einlage im Wege der Verrechnung erbracht habe. Es sei möglich, daß F.-P. bei der Maschinenfabrik B.-G. in der Sch. für die dort bereits existierenden verschiedenen Formen für die neue Dünnwandtechnik Zahlungen geleistet habe. Eine einzelne Form könne durchaus mehrere 10.000,– DM gekostet haben. Es könne auch sein, daß die an der Universität in Paderborn laufenden Fortführungsversuche für das Patent von F.-P. bezahlt worden seien. Der Senat geht ferner davon aus, daß im übrigen die vom Zeugen L. gebilligten Formulierungen in der Urkunde Nr. 277/1977 des Notars F. vom 4. April 1977 nicht verständlich würde, wenn er zu diesem Zeitpunkt von der vertragswidrigen Nichtzahlung der Einlage durch die F.-P. ausgegangen wäre. Dort ist die Rede von großzügiger materieller und substantieller Vorleistung der F.-P. Wenn der Zeuge L. dies am 26. April 1985 damit erklären will, daß nur die geknüpften Verbindungen damit gemeint seien, wirkt dies nicht recht überzeugend. Zusammen mit seiner Aussage, daß er die Zahlung der Einlage nicht ausschließen könne und dies auch im Wege der Verrechnung erfolgt sein könne, hat auch die Vernehmung des Zeugen L. nicht den Beweis dafür erbracht, daß die aus der Abschlußbilanz 1977 ersichtliche vollständige Zahlung der Stammeinlagen unrichtig wäre.

Ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens wäre offensichtlich mangels Masse abgelehnt worden nach § 107 Abs. 1 Satz 1 Konkursordnung (KO). Nach übereinstimmender Angabe des Klägers und sämtlicher gehörter Zeugen war die S. K. GmbH zum Zeitpunkt der Einstellung der Betriebstätigkeit am 30. September 1977 vermögenslos. Es wurden keine Zahlungen mehr geleistet, die Betriebsmittel wurden veräußert und die Veräußerungsbeträge etwa von dem Zeugen B. verrechnet gegen persönliche Forderungen. Der Verlust hatte sich bis 31. Dezember 1977 ausweislich der Bilanz auf DM 527.624,01 erhöht, das Stammkapital war aufgezehrt. Der Mitgesellschafter Laute hatte sein Vermögen verloren und war nicht bereit und wohl auch nicht mehr in der Lage, weitere Beträge in die Firma S. einzuzahlen. Der Kläger hatte nach seinem Bekunden noch einige Beträge aus eigener Tasche bezahlt, wie etwa seine Sozialabgaben (einschließlich Arbeitgeberanteil). Wie sich aus den übereinstimmenden Angaben des Zeugen L. und des Klägers ergibt, haben beide auf Veranlassung des Herrn W. ihre Forderungen gegenüber der S. aufgeschrieben und sich von Herrn W. vertrösten lassen, daß die Nachfolgefirma diese Beträge übernehmen werde. Eine die Kosten des Verfahrens deckende Konkursmasse war nicht mehr vorhanden. Da der Senat entsprechend der Abschlußbilanz 1.977 davon ausgeht, daß das Stammkapital voll eingezahlt war, wobei sich mangels Auffindbarkeit der Geschäftsunterlagen nicht mehr feststellen läßt, ob die Zahlung der F.-P. AG direkt oder auf anderem Wege erfolgte, konnte es nicht darauf ankommen, ob zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung die F.-P. noch liquide war oder nicht. Einen über die Stammeinlage hinausgehenden Anspruch hatte die S. gegen die F.-P. nicht, so daß es auf die Vernehmung des nicht auffindbaren Zeugen W. und des Dr. C., C., nicht ankommen konnte.

Der erkennende Senat geht ferner davon aus, daß der Kläger mindestens für die Monate Juli bis September 1977 kein Gehalt von der St. mehr erhalten hat. Seine Angaben waren insoweit überzeugend. Sie fügen sich ein in die aus den Akten ersichtlichen Umstände und stehen nicht im Widerspruch zu den Angaben der Zeugen B. und L. Zwar ist der Zeuge B. in seinen Angaben etwa bezüglich der Stammeinlage widersprüchlich gewesen und hat keinen sehr sicheren Eindruck im Termin am 10. Juni 1985 gemacht, er hat jedoch von Anfang an und auch später sowohl schriftlich gegenüber dem Arbeitsamt Korbach (Anlage zum Antrag auf Kaug, Verdienstbescheinigung vom 20. Februar 1981 und Anlage zum Schreiben vom 2. Mai 1981) als auch im Termin am 10. Juni 1985 in gleicher Weise angegeben, daß der Kläger noch Gehaltsansprüche gegen die Firma St. in der angegeben Höhe hatte. Auch der Zeuge L. hat eindringlich geschildert, wie sehr er sich auch noch im Sommer 1977 auf die Versprechungen des Herrn W. verlassen hat; auch dem Kläger ist abzunehmen, daß er wegen der von Herrn W. geschickt genährten Hoffnungen auf einen adäquaten Arbeitsplatz in einem Nachfolgeunternehmen längere Zeit still gehalten hat und seinen Antrag bei der Beklagten zunächst nur zur Fristwahrung gestellt hat. Soweit dem Kläger vorgehalten wurde, daß er sein Geschäftsfahrzeug übernommen habe, hat er glaubhaft angegeben, daß der Wert zwischen DM 1.000,– und DM 2.000,– lag. Der Betrag sei mit seiner ältesten Gehaltsforderung aus April oder Mai verrechnet worden. Auf Vorhalt der Urkunde Nr. 277/1977 des Notars F. hat der Kläger angegeben, daß zum Zeitpunkt seiner Abberufung als Geschäftsführer keine Forderungen von ihm gegen die Firma S. mehr bestanden habe. Die letzte Gehaltszahlung sei für April 1977 gewesen.

Feststellungen zur Höhe des Anspruches erübrigen sich, da Streitgegenstand nur der Anspruch auf Zahlung von Kaug dem Grunde nach ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG aufgeführten Fälle vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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