Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 5 Ar 1313/88
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Ar 265/90
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Beschäftigungsverhältnis endet bei weiterbestehendem Arbeitsverhältnis, wenn der Arbeitgeber nach außen erkennbar auf seine Verfügungsgewalt über den Arbeitnehmer verzichtet. Dabei ist nicht erforderlich, daß besondere Formulierungen verwendet werden. Vielmehr kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse an. Bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit und laufendem Rentenverfahren genügt jedenfalls der wiederholte schriftliche Hinweis des Arbeitgebers, daß ein behindertengerechter Arbeitsplatz nicht vorhanden sei, sowie die Formulierung, daß dem Arbeitnehmer für die „weitere Zukunft vor allem Gesundheit und alles Gute” gewünscht wird.
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. Januar 1990 sowie die Bescheide der Beklagten vom 11. Oktober 1988 und vom 2. November 1988 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit vom 13. September 1988 bis 19. Januar 1989 zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 13. September 1988 bis 19. Januar 1989.
Bei dem 1931 geborenen Kläger anerkannte das Versorgungsamt Kassel mit Bescheid vom 9. November 1987 als Grad der Behinderung (GdB) 70 % und stellte als Behinderungen fest:
1) "Degenerative Veränderungen am Bewegungsapparat, Wirbelsäulensyndrom.
2) Minderbelastbarkeit des rechten Kniegelenkes nach Weichteil- und Seitenbandverletzung im frischen Zustand.
3) Herzleistungsminderung nach Infarkt im Stadium der Heilungsbewährung, labiler Bluthochdruck.”
Mit Bescheid vom 5. Mai 1988 lehnte die Landesversicherungsanstalt Hessen den Antrag des Klägers auf Gewährung von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente mit der Begründung ab, daß der Kläger noch vollschichtig leichte Arbeiten – mit Einschränkungen – verrichten könne z.B. als Warensortierer oder Versandfertigmacher. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 1988 zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde bindend.
Am 19. August 1988 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Im Antragsformular war von dem Bediensteten des Arbeitsamts in Spalte 4c hinsichtlich Arbeitsunfähigkeit angegeben "auf unbestimmte Zeit”, in Spalte 4a bei der Frage, ob die letzte Tätigkeit zu schwer war "ja, gesundheitliche Gründe (zwei Herzinfarkte)” und auf die Frage, welche Tätigkeiten noch in Betracht kommen "keine Leistungsfähigkeit mehr vorhanden”.
In der Arbeitsbescheinigung der Fa. A. R. & Sohn Maschinenbau GmbH vom 26. August 1988 war angegeben, daß der Kläger seit 1981 bis auf weiteres als Maschinenarbeiter beschäftigt sei und seit 2. Juni 1987 die Zahlung von Arbeitsentgelt unterbrochen sei. Von der AOK Werra-Meißner wurde Krankengeld vom 29. April 1987 bis 12. September 1988 (GA Bl. 42) gezahlt. Der Kläger legte der Beklagten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeit vom 19. August 1988 bis 18. Dezember 1988 vor. Im arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 15. September 1988 kam Dr. M. zu dem Ergebnis, der Kläger könne vollschichtig leichte Arbeiten verrichten und zwar in geschlossenen, temperierten Räumen, in Tagschicht, ohne Zeitdruck, ohne Nässe, ohne Kälte, ohne Zugluft, ohne Temperaturschwankungen, ohne Hitze, Arbeiten ohne erhöhte Verletzungsgefahr, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltung, ohne Heben und ohne Tragen.
Mit Bescheid vom 11. Oktober 1988 wies die Beklagte den Antrag ab und begründete dies damit, der Kläger sei nicht arbeitslos, da er mehr als 18 Stunden wöchentlich tätig sei.
Hiergegen hat der Kläger am 24. Oktober 1988 Widerspruch erhoben und zur Begründung u.a. vorgetragen, der Antrag auf Arbeitslosengeld sei gemäß § 105 a AFG gestellt worden. Über den Rentenantrag sei noch nicht abschließend entschieden. Er sei arbeitsunfähig und seit 12. September 1988 durch die zuständige Krankenkasse ausgesteuert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 1988 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, der Arbeitgeber gehe vom Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses aus. Solange das Beschäftigungsverhältnis noch bestehe, sei der Kläger nicht arbeitslos und stehe der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung. Die Voraussetzungen des § 105 a AFG seien ebenfalls nicht erfüllt. Diese Vorschrift enthalte nur eine Fiktion. Zugunsten von nicht nur vorübergehend leistungsgeminderten Personen werde zwar sowohl das Vorliegen von Arbeitslosigkeit als auch die objektive Verfügbarkeit fingiert. Voraussetzung für das Wirksamwerden dieser Fiktion sei aber, daß die allgemein für den Anspruch auf Arbeitslosengeld geltenden Tatbestandsmerkmale ausschließlich wegen einer nicht nur vorübergehenden Minderung der Leistungsfähigkeit nicht erfüllt werden. Der Kläger sei jedoch noch in der Lage, vollschichtig leichte Arbeiten mit Einschränkungen zu verrichten.
Hiergegen hat der Kläger am 18. November 1988 Klage erhoben und u.a. vorgetragen, seit dem am 21. April 1987 erlittenen Herzinfarkt sei er arbeitsunfähig erkrankt, aber nur für die zuletzt ausgeübte schwere Tätigkeit als Maschinenarbeiter. Das noch bestehende Arbeitsverhältnis bei der Firma A. R. schließe Arbeitslosigkeit i.S. § 101 AFG und Verfügbarkeit i.S. § 103 AFG nicht aus, da keine tatsächliche Verfügungsgewalt über seine noch vorhandene Arbeitskraft ausgeübt werde. Bereits mit Schreiben vom 23. September 1987 sei ihm von der Firma A. R. mitgeteilt worden, daß ihr für sein Restleistungsvermögen eine entsprechende Beschäftigungsmöglichkeit fehle. Dies sei durch Schreiben vom 30. Mai 1988 nochmals bestätigt worden. Er sei deshalb nicht gehindert, einen anderen Arbeitsvertrag einzugehen, der seinem Leistungsvermögen entspreche. Er habe sich der Beklagten auch von Anfang an, im Rahmen seines amtsärztlich festgestellten Leistungsvermögens, zur Verfügung gestellt. Auf welche Vorschrift er sein Leistungsbegehren stütze, sei dabei unerheblich. Die Beklagte habe die Ablehnung mit dem Fehlen von Arbeitslosigkeit begründet.
Die Beklagte hat vorgetragen, die Beendigung oder Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses sei bisher weder vereinbart worden, noch ergebe sie sich konkludent. Solange die arbeitsvertragliche Hauptpflicht lediglich ruhe, könne objektive Verfügbarkeit nicht ohne weiteres angenommen werden. Der Kläger habe sich auch nicht geäußert, was ihn eigentlich hindere, den noch bestehenden Arbeitsvertrag aufzulösen. Soweit der Bestand des Arbeitsvertrages auch mit einer denkbaren betrieblichen Altersversorgung im Zusammenhang stehe, sei hierfür eine Betriebszugehörigkeit erforderlich, die der Anerkennung der Verfügbarkeit des Klägers entgegenstehe.
Am 20. Januar 1989 hat der Kläger ein Formular "Antrag auf Wiederbewilligung des Arbeitslosengeldes” ausgefüllt und in der Spalte 5a angegeben, daß noch leichte Arbeiten in Betracht kommen unter Hinweis auf das Gutachten vom 15. September 1988. Der Kläger hat ferner ein Schreiben der Firma A. R. vom 9. Februar 1989 vorgelegt, in dem diese auf ihre Verfügungsgewalt bezüglich des weiteren Einsatzes des Klägers verzichtet. Mit Bescheid vom 20. Februar 1989 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 20. Januar 1989 für 832 Tage (täglich DM 44,50).
Mit Urteil vom 24. Januar 1990 hat das Sozialgericht Kassel die Klage im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei zwar mangels Beanspruchung der Verfügungsgewalt durch die Firma R. arbeitslos gewesen, er habe der Arbeitsvermittlung jedoch nicht zur Verfügung gestanden. Er sei zwar objektiv verfügbar gewesen, da er noch vollschichtig leichte Arbeiten verrichten könne, jedoch nicht subjektiv, da er hierzu nicht bereit gewesen sei. Bereits im Antrag habe er unterschrieben, daß keine Leistungsfähigkeit mehr vorhanden sei. Soweit er in der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 1990 angegeben habe, daß er eine solche Erklärung nicht abgegeben, sondern sich bereit erklärt habe, leichte Arbeiten zu machen, müsse er sich an seiner schriftlichen Erklärung festhalten lassen, da diese den Anscheinsbeweis ihrer Richtigkeit begründe, den der Kläger nicht widerlegen könne. Im Gegenteil habe sein Vermittler in der Bewerber/Arbeitnehmerkarte bestätigt, daß der Kläger nach eigenen Angaben keine Arbeiten mehr verrichten könne. Auch spreche die Widerspruchsbegründung gegen seine jetzige Behauptung. Selbst, wenn die Angaben des Klägers aufgrund einer unzureichenden Aufklärung durch den Vermittler zustande gekommen sein sollten, könnte die Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung nicht durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch fingiert werden.
Gegen das ihm am 20. Februar 1990 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. März 1990 Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt vor, er habe im Rahmen des amtsärztlich festgestellten Leistungsvermögens der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Er habe bei seiner Arbeitslosmeldung auch nicht erklärt, er könne keine Arbeiten mehr verrichten. Die schriftliche Eintragung im Antrag, es sei keine Leistungsfähigkeit mehr vorhanden, sei nachträglich von dem Bediensteten des Arbeitsamtes Herrn K., vorgenommen worden. Herr K. habe den Antrag in der Kopfspalte und unter Ziffer 1 ausgefüllt und ihn sodann zur vollständigen Ausfüllung übergeben. Zuvor habe er mit ihm die gesamte Angelegenheit durchgesprochen. Dabei habe er Herrn K. auch darauf hingewiesen, daß er nur noch für leichte Arbeiten zur Verfügung stehe. Dieser habe sich auf einem Zettel Notizen gemacht und ihm dann gesagt, der Amtsarzt würde über die Einsatzfähigkeit hinsichtlich leichter Arbeiten entscheiden. Nachdem er, der Kläger, den Antrag ausgefüllt habe, habe er diesen persönlich abgegeben. Nach seiner Erinnerung sei Ziffer 5 des Antrages zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgefüllt worden. Die entsprechende Eintragung sei ohne sein Wissen nachträglich von Herrn K. vorgenommen worden. Dies werde dadurch bestätigt, daß Herr K. die Eintragungen in der Kopfleiste in Maschinenschrift und unter Nr. 5 in Handschrift vorgenommen habe. Es sei auch weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren auf die angeblich fehlende subjektive Verfügbarkeit hingewiesen worden. Er habe sich freiwillig der Untersuchung durch die Arbeitsamtsärztin gestellt. In dem von ihr festgestellten Umfang wäre er natürlich bereit gewesen zu arbeiten. Die dort festgestellte Leistungsbeurteilung sei ihm aber weder von der Ärztin noch im Arbeitsamt mitgeteilt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. Januar 1990 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 1988 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Arbeitslosengeld für die Zeit vom 13. September 1988 bis 19. Januar 1989 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte trägt vor, der Kläger sei zwar aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr imstande gewesen, seine bisherige Tätigkeit auszuüben. Zeiten der Arbeitsunfähigkeit unterbrächen ein Beschäftigungsverhältnis jedoch nicht, solange die Partner des Arbeitsvertrages noch den Willen zur Fortsetzung der Beschäftigung nach der Unterbrechung hätten. Dies ergebe sich im vorliegenden Fall aus dem Festhalten am Arbeitsvertrag. Eine durch den Willen des Arbeitgebers begründete Freistellung finde sich frühestens in der schriftlichen Erklärung vom 9. Februar 1989, wonach von einer Freistellung am 20. Januar 1989 auszugehen sei. Scheitere der Anspruch am Fehlen der Arbeitslosigkeit, könne offen bleiben, ob der noch bestehende Arbeitsvertrag einer Vermittlung in andere Tätigkeiten entgegengestanden und auch die Verfügbarkeit nach § 103 AFG ausgeschlossen habe.
Der erkennende Senat hat im Termin am 10. April 1991 den Kläger angehört sowie den seinerzeit für den Kläger zuständigen Arbeitsvermittler F. K. als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Protokolls Bezug genommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist auch zulässig.
Berufungsausschließungsgründe nach §§ 144 ff SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist auch in vollem Umfang begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. Januar 1990 ist rechtsfehlerhaft und war deshalb aufzuheben.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 1988 ist rechtswidrig.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Arbeitslosengeld auch für die streitbefangene Zeit vom 13. September 1988 bis 19. Januar 1989 nach § 100 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Der Kläger war bereits am 13. September 1988 arbeitslos, stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, hatte die Anwartschaftszeit erfüllt, sich am 19. August 1988 arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt.
Zur Überzeugung des erkennenden Senats hat die Beweisaufnahme erbracht, daß der Kläger der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand.
Nach § 103 Abs. 1 Satz 1 AFG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer
1) eine zumutbare, nach § 168 die Beitragspflicht begründende oder allein nach § 169 Nr. 2 beitragsfreie Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,
2) bereit ist, - jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann und darf, sowie
3) an zumutbaren Maßnahmen zur beruflichen Ausbildung, Fortbildung und Umschulung, zur Verbesserung der Vermittlungsaussichten sowie zur beruflichen Rehabilitation teilzunehmen, sowie - das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist.
Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts geht der erkennende Senat davon aus, daß der Kläger bereit war, im Rahmen des verbliebenen und von der Arbeitsamts-Ärztin festgestellten Leistungsvermögens eine leichte ganztägige Arbeit aufzunehmen. Dies entspricht sowohl der Interessenlage als auch den Angaben des Klägers, sowie der deutlichen Bekundung des als Zeugen gehörten Arbeitsvermittlers K. daß der Kläger nicht gesagt habe, daß er nicht mehr arbeiten wolle, sondern nur, daß er nicht mehr arbeiten könne. Hierzu paßt folgerichtig das weitere Vorgehen, nämlich daß ein arbeitsamtsärztliches Gutachten zur Frage eingeholt wurde, in welchem Umfang ein Restleistungsvermögen des Klägers denn noch bestünde, die Bereitschaft des Klägers, diese Untersuchung mitzutragen und sich entsprechend dem Ergebnis der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu halten. Die sowohl vom Kläger als auch vom Zeugen K. geschilderte angenehme Gesprächsatmosphäre stützt ferner das Ergebnis, daß nicht von einer möglichen Leistungsablehnung wegen fehlender Verfügbarkeit gesprochen wurde, sondern von der Prüfung, in welchem Umfang die Bereitschaft des Klägers bestehen müsse, sich zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu halten. Dem widersprechen auch nicht die vom Zeugen K. im Antragsformular angebrachten Hinweise. Daß der Kläger auf unbestimmte Zeit vom Arzt arbeitsunfähig krank geschrieben war und die letzte Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen (zwei Herzinfarkte) zu schwer war, ist die Wiedergabe auch zwischen den Beteiligten unstreitiger Tatsachen. Soweit der Zusatz "keine Leistungsfähigkeit mehr vorhanden” angebracht wurde, wird die subjektive Meinung des Klägers über das "Können” wiedergegeben. Dies ist jedoch unschädlich, wenn der Kläger gleichzeitig bereit war, wie oben gezeigt wurde, sich im Rahmen der arbeitsamtsärztlichen Leistungsbeurteilung zur Verfügung zu halten. Insoweit ist auch keine Änderung in den Verhältnissen eingetreten, die erst ab 20. Januar 1989 zu einer Gewährung von Arbeitslosengeld geführt hat.
Der erkennende Senat ist weiter der Auffassung, daß bei dem Kläger bereits am 13. September 1988 zu Beginn des streitbefangenen Zeitraums Arbeitslosigkeit vorgelegen hat, Nach § 101 Abs. 1 Satz 1 AFG ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübt. Dabei kommt es nicht ausschlaggebend darauf an, ob ein Arbeitsverhältnis rechtlich noch weiterbesteht und Entgelt gewährt oder beansprucht wird, wie sich im Zusammenhang mit der Regelung in § 117 Abs. 1 und Abs. 4 AFG ergibt (vgl. Hennig/Kühl/Heuer, Loseblattkommentar zum AFG, Stand Dezember 1990, § 101, Nr. 4). Von entscheidender Bedeutung ist vielmehr, ob der Arbeitgeber noch seine Verfügungsgewalt (aus dem Arbeitsverhältnis) über den Arbeitnehmer beansprucht, oder der Arbeitnehmer die Verfügungsgewalt noch anerkennt. Dabei sind die tatsächlichen Verhältnisse ausschlaggebend, ohne daß es darauf ankommt, daß der Arbeitgeber bestimmte Formulierungen zur Dokumentation der Aufgabe seiner Verfügungsgewalt benutzt. Soweit der Arbeitgeber des Klägers mit Schreiben vom 9. Februar 1989 dem Kläger mitgeteilt hat "wir verzichten hiermit auf unsere Verfügungsgewalt bezüglich Ihres weiteren Einsatzes” erfüllt dieser Vorgang ohne Zweifel die Anforderungen, die an die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses bei formal noch bestehendem Arbeitsverhältnis gestellt werden. Nach Auffassung des erkennenden Senats hat das Beschäftigungsverhältnis des Klägers jedoch bereits Ende September 1987 geendet. Der Wille der A. R. & Sohn Maschinenbau GmbH, die Verfügungsgewalt über den Kläger aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr auszuüben wird deutlich durch das Schreiben vom 23. September 1987 dokumentiert. Darin wird ausgeführt, daß entsprechend dem verbliebenen Restleistungsvermögen des Klägers und dem Vorschlag aus dem Rena-Verfahren keine Arbeitsplätze für leichte oder behinderungsgerechte Arbeiten angeboten werden können. Unterstrichen wird der Verzicht des Arbeitgebers auf weitere Ausübung der Verfügungsgewalt durch den Schlußsatz: "Für Ihre weitere Zukunft wünschen wir Ihnen vor allem Gesundheit und alles Gute”. Letzteres wird vom erkennenden Senat nicht als unverbindliche Höflichkeitsformel bewertet, sondern als Hinweis darauf, daß der Arbeitgeber nicht mehr über den Kläger verfügen wollte. Bestärkt wird dies durch das Schreiben des Arbeitgebers vom 30. Mai 1988. Darin wird wiederholt, daß ein behindertengerechter Arbeitsplatz für den Kläger nicht angeboten werden könne und es werden die Bemühungen des Klägers unterstützt, das Rentenverfahren erfolgreich zum Abschluß zu bringen. Der Kläger schließlich hat spätestens durch seine Arbeitslosmeldung am 19. August 1988 deutlich und nach außen erkennbar zum Ausdruck gebracht, daß auch er die Verfügungsgewalt des Arbeitgebers nicht mehr anerkennt. Aus welchen Gründen auch immer der Kläger und sein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht aufgehoben oder gekündigt haben, ist dabei unbeachtlich, da es auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt, wie oben bereits ausgeführt wurde.
Das von der Beklagten vorgelegte Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. Februar 1989 (L-9/Al-63/88) führt zu keinem anderen Ergebnis. Dort wird auf die durch rechtsgeschäftlichen Willen begründete Freistellung abgestellt. Darin ist kein wesentlicher Unterschied zu den oben getroffenen Ausführungen des erkennenden Senats zu sehen. Wann die Aufgabe der Verfügungsgewalt vorgelegen hat, entscheidet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 13. September 1988 bis 19. Januar 1989.
Bei dem 1931 geborenen Kläger anerkannte das Versorgungsamt Kassel mit Bescheid vom 9. November 1987 als Grad der Behinderung (GdB) 70 % und stellte als Behinderungen fest:
1) "Degenerative Veränderungen am Bewegungsapparat, Wirbelsäulensyndrom.
2) Minderbelastbarkeit des rechten Kniegelenkes nach Weichteil- und Seitenbandverletzung im frischen Zustand.
3) Herzleistungsminderung nach Infarkt im Stadium der Heilungsbewährung, labiler Bluthochdruck.”
Mit Bescheid vom 5. Mai 1988 lehnte die Landesversicherungsanstalt Hessen den Antrag des Klägers auf Gewährung von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente mit der Begründung ab, daß der Kläger noch vollschichtig leichte Arbeiten – mit Einschränkungen – verrichten könne z.B. als Warensortierer oder Versandfertigmacher. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 1988 zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde bindend.
Am 19. August 1988 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Im Antragsformular war von dem Bediensteten des Arbeitsamts in Spalte 4c hinsichtlich Arbeitsunfähigkeit angegeben "auf unbestimmte Zeit”, in Spalte 4a bei der Frage, ob die letzte Tätigkeit zu schwer war "ja, gesundheitliche Gründe (zwei Herzinfarkte)” und auf die Frage, welche Tätigkeiten noch in Betracht kommen "keine Leistungsfähigkeit mehr vorhanden”.
In der Arbeitsbescheinigung der Fa. A. R. & Sohn Maschinenbau GmbH vom 26. August 1988 war angegeben, daß der Kläger seit 1981 bis auf weiteres als Maschinenarbeiter beschäftigt sei und seit 2. Juni 1987 die Zahlung von Arbeitsentgelt unterbrochen sei. Von der AOK Werra-Meißner wurde Krankengeld vom 29. April 1987 bis 12. September 1988 (GA Bl. 42) gezahlt. Der Kläger legte der Beklagten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeit vom 19. August 1988 bis 18. Dezember 1988 vor. Im arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 15. September 1988 kam Dr. M. zu dem Ergebnis, der Kläger könne vollschichtig leichte Arbeiten verrichten und zwar in geschlossenen, temperierten Räumen, in Tagschicht, ohne Zeitdruck, ohne Nässe, ohne Kälte, ohne Zugluft, ohne Temperaturschwankungen, ohne Hitze, Arbeiten ohne erhöhte Verletzungsgefahr, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltung, ohne Heben und ohne Tragen.
Mit Bescheid vom 11. Oktober 1988 wies die Beklagte den Antrag ab und begründete dies damit, der Kläger sei nicht arbeitslos, da er mehr als 18 Stunden wöchentlich tätig sei.
Hiergegen hat der Kläger am 24. Oktober 1988 Widerspruch erhoben und zur Begründung u.a. vorgetragen, der Antrag auf Arbeitslosengeld sei gemäß § 105 a AFG gestellt worden. Über den Rentenantrag sei noch nicht abschließend entschieden. Er sei arbeitsunfähig und seit 12. September 1988 durch die zuständige Krankenkasse ausgesteuert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 1988 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, der Arbeitgeber gehe vom Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses aus. Solange das Beschäftigungsverhältnis noch bestehe, sei der Kläger nicht arbeitslos und stehe der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung. Die Voraussetzungen des § 105 a AFG seien ebenfalls nicht erfüllt. Diese Vorschrift enthalte nur eine Fiktion. Zugunsten von nicht nur vorübergehend leistungsgeminderten Personen werde zwar sowohl das Vorliegen von Arbeitslosigkeit als auch die objektive Verfügbarkeit fingiert. Voraussetzung für das Wirksamwerden dieser Fiktion sei aber, daß die allgemein für den Anspruch auf Arbeitslosengeld geltenden Tatbestandsmerkmale ausschließlich wegen einer nicht nur vorübergehenden Minderung der Leistungsfähigkeit nicht erfüllt werden. Der Kläger sei jedoch noch in der Lage, vollschichtig leichte Arbeiten mit Einschränkungen zu verrichten.
Hiergegen hat der Kläger am 18. November 1988 Klage erhoben und u.a. vorgetragen, seit dem am 21. April 1987 erlittenen Herzinfarkt sei er arbeitsunfähig erkrankt, aber nur für die zuletzt ausgeübte schwere Tätigkeit als Maschinenarbeiter. Das noch bestehende Arbeitsverhältnis bei der Firma A. R. schließe Arbeitslosigkeit i.S. § 101 AFG und Verfügbarkeit i.S. § 103 AFG nicht aus, da keine tatsächliche Verfügungsgewalt über seine noch vorhandene Arbeitskraft ausgeübt werde. Bereits mit Schreiben vom 23. September 1987 sei ihm von der Firma A. R. mitgeteilt worden, daß ihr für sein Restleistungsvermögen eine entsprechende Beschäftigungsmöglichkeit fehle. Dies sei durch Schreiben vom 30. Mai 1988 nochmals bestätigt worden. Er sei deshalb nicht gehindert, einen anderen Arbeitsvertrag einzugehen, der seinem Leistungsvermögen entspreche. Er habe sich der Beklagten auch von Anfang an, im Rahmen seines amtsärztlich festgestellten Leistungsvermögens, zur Verfügung gestellt. Auf welche Vorschrift er sein Leistungsbegehren stütze, sei dabei unerheblich. Die Beklagte habe die Ablehnung mit dem Fehlen von Arbeitslosigkeit begründet.
Die Beklagte hat vorgetragen, die Beendigung oder Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses sei bisher weder vereinbart worden, noch ergebe sie sich konkludent. Solange die arbeitsvertragliche Hauptpflicht lediglich ruhe, könne objektive Verfügbarkeit nicht ohne weiteres angenommen werden. Der Kläger habe sich auch nicht geäußert, was ihn eigentlich hindere, den noch bestehenden Arbeitsvertrag aufzulösen. Soweit der Bestand des Arbeitsvertrages auch mit einer denkbaren betrieblichen Altersversorgung im Zusammenhang stehe, sei hierfür eine Betriebszugehörigkeit erforderlich, die der Anerkennung der Verfügbarkeit des Klägers entgegenstehe.
Am 20. Januar 1989 hat der Kläger ein Formular "Antrag auf Wiederbewilligung des Arbeitslosengeldes” ausgefüllt und in der Spalte 5a angegeben, daß noch leichte Arbeiten in Betracht kommen unter Hinweis auf das Gutachten vom 15. September 1988. Der Kläger hat ferner ein Schreiben der Firma A. R. vom 9. Februar 1989 vorgelegt, in dem diese auf ihre Verfügungsgewalt bezüglich des weiteren Einsatzes des Klägers verzichtet. Mit Bescheid vom 20. Februar 1989 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 20. Januar 1989 für 832 Tage (täglich DM 44,50).
Mit Urteil vom 24. Januar 1990 hat das Sozialgericht Kassel die Klage im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei zwar mangels Beanspruchung der Verfügungsgewalt durch die Firma R. arbeitslos gewesen, er habe der Arbeitsvermittlung jedoch nicht zur Verfügung gestanden. Er sei zwar objektiv verfügbar gewesen, da er noch vollschichtig leichte Arbeiten verrichten könne, jedoch nicht subjektiv, da er hierzu nicht bereit gewesen sei. Bereits im Antrag habe er unterschrieben, daß keine Leistungsfähigkeit mehr vorhanden sei. Soweit er in der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 1990 angegeben habe, daß er eine solche Erklärung nicht abgegeben, sondern sich bereit erklärt habe, leichte Arbeiten zu machen, müsse er sich an seiner schriftlichen Erklärung festhalten lassen, da diese den Anscheinsbeweis ihrer Richtigkeit begründe, den der Kläger nicht widerlegen könne. Im Gegenteil habe sein Vermittler in der Bewerber/Arbeitnehmerkarte bestätigt, daß der Kläger nach eigenen Angaben keine Arbeiten mehr verrichten könne. Auch spreche die Widerspruchsbegründung gegen seine jetzige Behauptung. Selbst, wenn die Angaben des Klägers aufgrund einer unzureichenden Aufklärung durch den Vermittler zustande gekommen sein sollten, könnte die Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung nicht durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch fingiert werden.
Gegen das ihm am 20. Februar 1990 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. März 1990 Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt vor, er habe im Rahmen des amtsärztlich festgestellten Leistungsvermögens der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Er habe bei seiner Arbeitslosmeldung auch nicht erklärt, er könne keine Arbeiten mehr verrichten. Die schriftliche Eintragung im Antrag, es sei keine Leistungsfähigkeit mehr vorhanden, sei nachträglich von dem Bediensteten des Arbeitsamtes Herrn K., vorgenommen worden. Herr K. habe den Antrag in der Kopfspalte und unter Ziffer 1 ausgefüllt und ihn sodann zur vollständigen Ausfüllung übergeben. Zuvor habe er mit ihm die gesamte Angelegenheit durchgesprochen. Dabei habe er Herrn K. auch darauf hingewiesen, daß er nur noch für leichte Arbeiten zur Verfügung stehe. Dieser habe sich auf einem Zettel Notizen gemacht und ihm dann gesagt, der Amtsarzt würde über die Einsatzfähigkeit hinsichtlich leichter Arbeiten entscheiden. Nachdem er, der Kläger, den Antrag ausgefüllt habe, habe er diesen persönlich abgegeben. Nach seiner Erinnerung sei Ziffer 5 des Antrages zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgefüllt worden. Die entsprechende Eintragung sei ohne sein Wissen nachträglich von Herrn K. vorgenommen worden. Dies werde dadurch bestätigt, daß Herr K. die Eintragungen in der Kopfleiste in Maschinenschrift und unter Nr. 5 in Handschrift vorgenommen habe. Es sei auch weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren auf die angeblich fehlende subjektive Verfügbarkeit hingewiesen worden. Er habe sich freiwillig der Untersuchung durch die Arbeitsamtsärztin gestellt. In dem von ihr festgestellten Umfang wäre er natürlich bereit gewesen zu arbeiten. Die dort festgestellte Leistungsbeurteilung sei ihm aber weder von der Ärztin noch im Arbeitsamt mitgeteilt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. Januar 1990 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 1988 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Arbeitslosengeld für die Zeit vom 13. September 1988 bis 19. Januar 1989 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte trägt vor, der Kläger sei zwar aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr imstande gewesen, seine bisherige Tätigkeit auszuüben. Zeiten der Arbeitsunfähigkeit unterbrächen ein Beschäftigungsverhältnis jedoch nicht, solange die Partner des Arbeitsvertrages noch den Willen zur Fortsetzung der Beschäftigung nach der Unterbrechung hätten. Dies ergebe sich im vorliegenden Fall aus dem Festhalten am Arbeitsvertrag. Eine durch den Willen des Arbeitgebers begründete Freistellung finde sich frühestens in der schriftlichen Erklärung vom 9. Februar 1989, wonach von einer Freistellung am 20. Januar 1989 auszugehen sei. Scheitere der Anspruch am Fehlen der Arbeitslosigkeit, könne offen bleiben, ob der noch bestehende Arbeitsvertrag einer Vermittlung in andere Tätigkeiten entgegengestanden und auch die Verfügbarkeit nach § 103 AFG ausgeschlossen habe.
Der erkennende Senat hat im Termin am 10. April 1991 den Kläger angehört sowie den seinerzeit für den Kläger zuständigen Arbeitsvermittler F. K. als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Protokolls Bezug genommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist auch zulässig.
Berufungsausschließungsgründe nach §§ 144 ff SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist auch in vollem Umfang begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. Januar 1990 ist rechtsfehlerhaft und war deshalb aufzuheben.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 1988 ist rechtswidrig.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Arbeitslosengeld auch für die streitbefangene Zeit vom 13. September 1988 bis 19. Januar 1989 nach § 100 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Der Kläger war bereits am 13. September 1988 arbeitslos, stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, hatte die Anwartschaftszeit erfüllt, sich am 19. August 1988 arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt.
Zur Überzeugung des erkennenden Senats hat die Beweisaufnahme erbracht, daß der Kläger der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand.
Nach § 103 Abs. 1 Satz 1 AFG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer
1) eine zumutbare, nach § 168 die Beitragspflicht begründende oder allein nach § 169 Nr. 2 beitragsfreie Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,
2) bereit ist, - jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann und darf, sowie
3) an zumutbaren Maßnahmen zur beruflichen Ausbildung, Fortbildung und Umschulung, zur Verbesserung der Vermittlungsaussichten sowie zur beruflichen Rehabilitation teilzunehmen, sowie - das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist.
Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts geht der erkennende Senat davon aus, daß der Kläger bereit war, im Rahmen des verbliebenen und von der Arbeitsamts-Ärztin festgestellten Leistungsvermögens eine leichte ganztägige Arbeit aufzunehmen. Dies entspricht sowohl der Interessenlage als auch den Angaben des Klägers, sowie der deutlichen Bekundung des als Zeugen gehörten Arbeitsvermittlers K. daß der Kläger nicht gesagt habe, daß er nicht mehr arbeiten wolle, sondern nur, daß er nicht mehr arbeiten könne. Hierzu paßt folgerichtig das weitere Vorgehen, nämlich daß ein arbeitsamtsärztliches Gutachten zur Frage eingeholt wurde, in welchem Umfang ein Restleistungsvermögen des Klägers denn noch bestünde, die Bereitschaft des Klägers, diese Untersuchung mitzutragen und sich entsprechend dem Ergebnis der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu halten. Die sowohl vom Kläger als auch vom Zeugen K. geschilderte angenehme Gesprächsatmosphäre stützt ferner das Ergebnis, daß nicht von einer möglichen Leistungsablehnung wegen fehlender Verfügbarkeit gesprochen wurde, sondern von der Prüfung, in welchem Umfang die Bereitschaft des Klägers bestehen müsse, sich zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu halten. Dem widersprechen auch nicht die vom Zeugen K. im Antragsformular angebrachten Hinweise. Daß der Kläger auf unbestimmte Zeit vom Arzt arbeitsunfähig krank geschrieben war und die letzte Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen (zwei Herzinfarkte) zu schwer war, ist die Wiedergabe auch zwischen den Beteiligten unstreitiger Tatsachen. Soweit der Zusatz "keine Leistungsfähigkeit mehr vorhanden” angebracht wurde, wird die subjektive Meinung des Klägers über das "Können” wiedergegeben. Dies ist jedoch unschädlich, wenn der Kläger gleichzeitig bereit war, wie oben gezeigt wurde, sich im Rahmen der arbeitsamtsärztlichen Leistungsbeurteilung zur Verfügung zu halten. Insoweit ist auch keine Änderung in den Verhältnissen eingetreten, die erst ab 20. Januar 1989 zu einer Gewährung von Arbeitslosengeld geführt hat.
Der erkennende Senat ist weiter der Auffassung, daß bei dem Kläger bereits am 13. September 1988 zu Beginn des streitbefangenen Zeitraums Arbeitslosigkeit vorgelegen hat, Nach § 101 Abs. 1 Satz 1 AFG ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübt. Dabei kommt es nicht ausschlaggebend darauf an, ob ein Arbeitsverhältnis rechtlich noch weiterbesteht und Entgelt gewährt oder beansprucht wird, wie sich im Zusammenhang mit der Regelung in § 117 Abs. 1 und Abs. 4 AFG ergibt (vgl. Hennig/Kühl/Heuer, Loseblattkommentar zum AFG, Stand Dezember 1990, § 101, Nr. 4). Von entscheidender Bedeutung ist vielmehr, ob der Arbeitgeber noch seine Verfügungsgewalt (aus dem Arbeitsverhältnis) über den Arbeitnehmer beansprucht, oder der Arbeitnehmer die Verfügungsgewalt noch anerkennt. Dabei sind die tatsächlichen Verhältnisse ausschlaggebend, ohne daß es darauf ankommt, daß der Arbeitgeber bestimmte Formulierungen zur Dokumentation der Aufgabe seiner Verfügungsgewalt benutzt. Soweit der Arbeitgeber des Klägers mit Schreiben vom 9. Februar 1989 dem Kläger mitgeteilt hat "wir verzichten hiermit auf unsere Verfügungsgewalt bezüglich Ihres weiteren Einsatzes” erfüllt dieser Vorgang ohne Zweifel die Anforderungen, die an die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses bei formal noch bestehendem Arbeitsverhältnis gestellt werden. Nach Auffassung des erkennenden Senats hat das Beschäftigungsverhältnis des Klägers jedoch bereits Ende September 1987 geendet. Der Wille der A. R. & Sohn Maschinenbau GmbH, die Verfügungsgewalt über den Kläger aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr auszuüben wird deutlich durch das Schreiben vom 23. September 1987 dokumentiert. Darin wird ausgeführt, daß entsprechend dem verbliebenen Restleistungsvermögen des Klägers und dem Vorschlag aus dem Rena-Verfahren keine Arbeitsplätze für leichte oder behinderungsgerechte Arbeiten angeboten werden können. Unterstrichen wird der Verzicht des Arbeitgebers auf weitere Ausübung der Verfügungsgewalt durch den Schlußsatz: "Für Ihre weitere Zukunft wünschen wir Ihnen vor allem Gesundheit und alles Gute”. Letzteres wird vom erkennenden Senat nicht als unverbindliche Höflichkeitsformel bewertet, sondern als Hinweis darauf, daß der Arbeitgeber nicht mehr über den Kläger verfügen wollte. Bestärkt wird dies durch das Schreiben des Arbeitgebers vom 30. Mai 1988. Darin wird wiederholt, daß ein behindertengerechter Arbeitsplatz für den Kläger nicht angeboten werden könne und es werden die Bemühungen des Klägers unterstützt, das Rentenverfahren erfolgreich zum Abschluß zu bringen. Der Kläger schließlich hat spätestens durch seine Arbeitslosmeldung am 19. August 1988 deutlich und nach außen erkennbar zum Ausdruck gebracht, daß auch er die Verfügungsgewalt des Arbeitgebers nicht mehr anerkennt. Aus welchen Gründen auch immer der Kläger und sein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht aufgehoben oder gekündigt haben, ist dabei unbeachtlich, da es auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt, wie oben bereits ausgeführt wurde.
Das von der Beklagten vorgelegte Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. Februar 1989 (L-9/Al-63/88) führt zu keinem anderen Ergebnis. Dort wird auf die durch rechtsgeschäftlichen Willen begründete Freistellung abgestellt. Darin ist kein wesentlicher Unterschied zu den oben getroffenen Ausführungen des erkennenden Senats zu sehen. Wann die Aufgabe der Verfügungsgewalt vorgelegen hat, entscheidet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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