Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 22 Eg 754/94
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Eg 895/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Liegt bei Beginn des einkommensabhängigen Zeitraums für den Anspruch auf Erziehungsgeld der Wohnsitz des Anspruchsberechtigten in den alten Bundesländern und wird dieser Wohnsitz für den einkommensabhängigen Zeitraum beibehalten, ist auch dann das Einkommen aus dem vorletzten Jahr vor der Geburt des Kindes (§ 6 Abs. 1 S. 1 BErzGG in der bis zum 30.6.1993 maßgeblichen Fassung) für die Einkommensberechnung maßgeblich, wenn der Wohnsitz des Anspruchsberechtigten zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes im Beitrittsgebiet gelegen hat.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. Juli 1995 aufgehoben. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 1. September 1992 und des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 1993 in der Gestalt des Bescheides vom 2. Mai 1994 verurteilt, der Klägerin in der Zeit vom 1. August 1992 bis zum 31. Juli 1993 für die Betreuung und Erziehung ihres Sohnes I. ungemindertes Erziehungsgeld zu gewähren.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des der Klägerin im einkommensabhängigen Zeitraum zustehenden Erziehungsgeldes streitig.
Die Klägerin (geb. 1967) ist mit (geb. 1966) verheiratet. Aus dieser am 28. April 1990 geschlossenen Ehe ist der am 1. Februar 1992 in Leipzig geborene Sohn I. hervorgegangen. Die Eheleute hatten zum Zeitpunkt der Geburt ihres Sohnes ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet der neuen Bundesländer.
Die Klägerin sowie ihr Ehemann waren im Jahre 1990 Studenten an der Technischen Hochschule Z ... Bis Juni 1990 erhielt die Klägerin sowie ihr Ehemann eine Studienförderung von jeweils monatlich 200,– Mark; ab Juli 1990 wurde jeweils ein Betrag von 390,– DM und ab September 1990 in Höhe von jeweils 510,– DM gezahlt. Die Klägerin schloß ihr Studium im Januar 1992 ab. Ihr Ehemann hatte sein Studium bereits im August 1991 abgeschlossen.
Der Ehemann der Klägerin war seit dem 15. September 1991 im Gebiet der alten Bundesländer als Dipl.-Ing. beschäftigt. Der Wohnsitz im Beitrittsgebiet war von den Eheleuten jedoch zunächst beibehalten worden. Erst im Juni 1992 verzogen sie in das Gebiet der alten Bundesländer. Sie wohnen seither in.
Innerhalb der Höchstdauer für den Leistungsbezug von Erziehungsgeld von 18 Monaten ab dem Zeitpunkt der Geburt von übte die Klägerin keine Erwerbstätigkeit aus.
Durch Bescheid vom 17. Februar 1992 wurde der Klägerin vom Beklagten für die ersten sechs Monate ab der Geburt von Erziehungsgeld in Höhe von insgesamt 3.600,– DM gewährt. Für die anschließende Zeit wurde die Gewährung von Erziehungsgeld durch Bescheid vom 1. September 1992 zunächst abgelehnt. Aufgrund des hiergegen eingelegten Widerspruchs erfolgte durch Bescheid vom 23. November 1993 eine Teilabhilfeentscheidung. Der weitergeführte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 1993 zurückgewiesen. Dagegen erhob die Klägerin Klage. Durch einen im Verlauf des sozialgerichtlichen Verfahrens ergangenen weiteren Bescheid vom 2. Mai 1994 setzte der Beklagte für die Zeit ab dem 1. August 1992 bis zum 31. Juli 1993 das Erziehungsgeld auf monatlich 360,– DM fest. Die Festsetzung der Höhe des Zahlbetrages erfolgte auf der Grundlage des am 2. März 1994 gegenüber den Eheleuten ergangenen Einkommensteuerbescheides des Finanzamtes für 1992.
Die von der Klägerin weiterverfolgte Klage, mit der diese die Zahlung von Erziehungsgeld auf der Grundlage des Einkommens aus dem vorletzten Jahr vor der Geburt von begehrte, hat das Sozialgericht Frankfurt am Main durch Gerichtsbescheid vom 3. Juli 1995 abgewiesen. Das Sozialgericht hat unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 1993 die Auffassung vertreten, die Beklagte habe nach Maßgabe des Einigungsvertrages (Anl. I, Kap. X, Sachgeb. H, Abschnitt III 2.c) zutreffend das voraussichtliche Einkommen des Geburtsjahres von seiner Berechnung zugrunde gelegt. Daß die Beklagte den Einigungsvertrag angewandt habe, verstoße insbesondere nicht gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes.
Gegen den der Klägerin am 12. Juli 1995 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 14. August 1995 (Montag) eingegangene Berufung. Die Klägerin ist der Auffassung, sie werde, sofern man tatsächlich das Einkommen aus dem Jahre 1992 der Einkommensberechnung zugrunde lege, gegenüber Berechtigten benachteiligt, die bereits vor der Geburt des den Anspruch begründenden Kindes in den alten Bundesländern wohnten, da bei dem zuletzt genannten Personenkreis die Summe der im vorletzten Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes erzielten positiven Einkünfte maßgeblich sei. Da ihr Sohn von ihr im einkommensabhängigen Zeitraum in betreut und erzogen worden sei, müsse auch ihr im einkommensabhängigen Zeitraum aufgrund des im Jahre 1990 erzielten geringen Einkommens das volle Erziehungsgeld gewährt werden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. Juli 1995 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 1. September 1992 sowie des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 1993 in der Gestalt des Bescheides vom 2. Mai 1994 zu verurteilen, ihr in der Zeit vom 1. August 1992 bis zum 31. Juli 1993 ungemindertes Erziehungsgeld für die Betreuung und Erziehung ihres Sohnes I. zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält den ergangenen Bescheid vom 2. Mai 1994 für zutreffend. Maßgebend für die Einkommensanrechnung für die in 1991 und 1992 geborenen Kinder seien vorliegend die Bestimmungen des Einigungsvertrages zur Überleitung des Bundeserziehungsgeldgesetzes. Die Klägerin habe an ihrem früheren Wohnsitz einen Antrag auf Erziehungsgeld gestellt. Wechsele der Wohnsitz eines Erziehungsgeldbeziehers, bleibe die bisherige örtliche Zuständigkeit für die Leistungsbewilligung bestehen. Die Änderung des Wohnsitzes wirke sich nicht auf die Höhe des Erziehungsgeldes aus. Die beibehaltene örtliche Zuständigkeit habe insoweit auch materiell-rechtliche Konsequenzen. Maßgebend und anzuwenden sei das Recht des Bundeslandes, das für die Entscheidung örtlich zuständig sei. Liege die örtliche Zuständigkeit in einem neuen Bundesland, sei bei Geburtsfällen der Jahre 1991 und 1992 für die Berechnung des Einkommens die getroffene Übergangsregelung des Einigungsvertrages bindend. Soweit nach § 5 Abs. 2 S. 2 und S. 3 BErzGG die Verhältnisse am Beginn des 7. Lebensmonats des Kindes als maßgeblich anzusehen seien, betreffe dies nur den Familienstand und die Zahl der zu berücksichtigenden Kinder, nicht dagegen die Frage des Wohnsitzes.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vertrags der Beteiligten wird im übrigen auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Erziehungsgeld-Akte des Beklagten (Az.: XXXXXXX) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) ist zulässig. Ausschließungsgründe nach § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist auch begründet. Der Klägerin steht im einkommensabhängigen Zeitraum ab Beginn des 7. Lebensmonats des Kindes Erziehungsgeld in ungeminderter Höhe zu.
Der Erziehungsgeldanspruch der Klägerin richtet sich allein nach den Bestimmungen des Bundeserziehungsgeldgesetzes in der Fassung vom 21. Januar 1992 (BGBl. I, S. 68). Die materiellrechtlichen Regelungen des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag; Anlage I, Kapitel X, Sachgebiet H, Abschnitt III 2.c), nach denen – anders als dies in § 6 Abs. 1 Satz 1 BErzGG in der vorliegend maßgeblichen Fassung vorgesehen ist – im einkommensabhängigen Zeitraum bei der Berechnung des zugrundezulegenden Einkommens allein auf das Einkommen im Geburtsjahr des Kindes abzustellen ist, sind auf die Fallgestaltung der Klägerin nicht anzuwenden. Denn zu Beginn des einkommensabhängigen Zeitraums hatte die Familie der Klägerin bereits ihren Wohnsitz im Gebiet der alten Bundesländer genommen. Die Anwendung der Maßgaberegelung im Einigungsvertrag setzt jedoch voraus, daß der Berechtigte in der jeweiligen Bezugsperiode seinen ständigen Aufenthalt oder Wohnsitz im Beitrittsgebiet hatte (BSG Urteil vom 12.4.1995 – 14 REg 3/94 = SozR 3 8110 Kap. X H III Nr. 2 Nr. 1).
Die hier maßgebliche Bezugsperiode für das Erziehungsgeld bestimmt sich nach dem Beginn des einkommensabhängigen Zeitraums. Für diesen ist in § 5 Abs. 2 Satz 2 BErzGG ausdrücklich eine Anknüpfung an die Verhältnisse am Beginn des 7. Lebensmonats des Kindes vorgesehen, wodurch gegenüber dem vorangegangenen Zeitraum insoweit eine deutliche Zäsur eintritt, der auch im Hinblick auf die Regelungen im Einigungsvertrag eine besondere rechtliche Bedeutung zukommt. Zu den maßgeblichen Verhältnissen zu Beginn des 7. Lebensmonats im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 3 BErzGG in der hier maßgeblichen Fassung gehört dabei insbesondere auch der Wohnsitz des Anspruchstellers.
Dafür, daß sich diese Bestimmung – wie der Beklagte meint – lediglich auf den Familienstand und die Zahl der zu berücksichtigenden Kinder beziehen soll, gibt es im Gesetz keine Anhaltspunkte. Daß die Richtlinien zur Durchführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes die Beibehaltung der sachlichen Zuständigkeit für die Entscheidung über den Erziehungsgeldanspruch im einkommensabhängigen Zeitraum eine Beibehaltung der vor der Wohnsitzänderung maßgeblichen örtlichen Zuständigkeit vorsehen, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang.
Stellt man maßgeblich auf den Wohnsitz zu Beginn des einkommensabhängigen Zeitraums ab, kann die Klägerin verlangen, daß nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BErzGG die Summe der im vorletzten Kalenderjahr vor der Geburt (sog. "historisches Jahr”, vgl. BSG a.a.O.) erzielten positiven Einkünfte der Berechnung zugrunde gelegt werden.
Da das von den Eheleuten in 1990 erzielte Einkommen, das allein aus der gewährten Studienförderung erzielt wurde, auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 6 Abs. 2 a für die Zeiten der Einkommenserzielung in der ehemaligen DDR, ganz offensichtlich unterhalb der Freibetragsgrenze des § 5 Abs. 2 BErzGG in der hier maßgeblichen Fassung lag, kommt eine Minderung des der Klägerin zustehenden Erziehungsgeldes nicht in Betracht. Der Klägerin steht vielmehr Erziehungsgeld in ungeminderter Höhe zu.
Die Anknüpfung an den Wohnsitz zu Beginn des einkommensabhängigen Zeitraums und die darauf beruhende Möglichkeit, auf das Einkommen im vorletzten Jahr vor der Geburt des Kindes abzustellen, erscheint auch aus Gründen der Gleichberechtigung naheliegend. So sind insbesondere keine sachlich einleuchtenden Gründe dafür erkennbar, weshalb Eheleute, die in den alten Bundesländern im "historischen Jahr” – ebenso wie die Eheleute – als Studenten allein von Mitteln der Studienförderung gelebt haben und deshalb im einkommensabhängigen Zeitraum ungemindertes Kindergeld erhalten können, bei ansonsten gleichen Lebensbedingungen besser gestellt werden sollen als die Klägerin. Die Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 BErzGG dient nämlich nicht nur der Verwaltungsvereinfachung, sondern stellt, wie die in § 6 Abs. 4 BErzGG getroffene Regelung deutlich macht, eine vom Gesetzgeber gewollte Begünstigung desjenigen Personenkreises dar, der in demjenigen Zeitraum, in dem einkommensabhängiges Erziehungsgeld zu gewähren ist, höhere Einkünfte als im "historischen Jahr” erzielt und dem deshalb wegen dieses höheren Einkommens kein oder nur ein geringeres Erziehungsgeld zustehen würde. Es gibt keine sachlichen Gründe dafür, die Klägerin von dieser Begünstigung auszuschließen.
Auf die Berufung der Kläger war deshalb der sozialgerichtliche Gerichtsbescheid aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von ungemindertem Erziehungsgeld in der Zeit vom 1. August 1992 bis zum 31. Juli 1993 (§ 4 Abs. 1 Satz 1 BErzGG in der hier maßgeblichen Fassung) zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, da er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des der Klägerin im einkommensabhängigen Zeitraum zustehenden Erziehungsgeldes streitig.
Die Klägerin (geb. 1967) ist mit (geb. 1966) verheiratet. Aus dieser am 28. April 1990 geschlossenen Ehe ist der am 1. Februar 1992 in Leipzig geborene Sohn I. hervorgegangen. Die Eheleute hatten zum Zeitpunkt der Geburt ihres Sohnes ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet der neuen Bundesländer.
Die Klägerin sowie ihr Ehemann waren im Jahre 1990 Studenten an der Technischen Hochschule Z ... Bis Juni 1990 erhielt die Klägerin sowie ihr Ehemann eine Studienförderung von jeweils monatlich 200,– Mark; ab Juli 1990 wurde jeweils ein Betrag von 390,– DM und ab September 1990 in Höhe von jeweils 510,– DM gezahlt. Die Klägerin schloß ihr Studium im Januar 1992 ab. Ihr Ehemann hatte sein Studium bereits im August 1991 abgeschlossen.
Der Ehemann der Klägerin war seit dem 15. September 1991 im Gebiet der alten Bundesländer als Dipl.-Ing. beschäftigt. Der Wohnsitz im Beitrittsgebiet war von den Eheleuten jedoch zunächst beibehalten worden. Erst im Juni 1992 verzogen sie in das Gebiet der alten Bundesländer. Sie wohnen seither in.
Innerhalb der Höchstdauer für den Leistungsbezug von Erziehungsgeld von 18 Monaten ab dem Zeitpunkt der Geburt von übte die Klägerin keine Erwerbstätigkeit aus.
Durch Bescheid vom 17. Februar 1992 wurde der Klägerin vom Beklagten für die ersten sechs Monate ab der Geburt von Erziehungsgeld in Höhe von insgesamt 3.600,– DM gewährt. Für die anschließende Zeit wurde die Gewährung von Erziehungsgeld durch Bescheid vom 1. September 1992 zunächst abgelehnt. Aufgrund des hiergegen eingelegten Widerspruchs erfolgte durch Bescheid vom 23. November 1993 eine Teilabhilfeentscheidung. Der weitergeführte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 1993 zurückgewiesen. Dagegen erhob die Klägerin Klage. Durch einen im Verlauf des sozialgerichtlichen Verfahrens ergangenen weiteren Bescheid vom 2. Mai 1994 setzte der Beklagte für die Zeit ab dem 1. August 1992 bis zum 31. Juli 1993 das Erziehungsgeld auf monatlich 360,– DM fest. Die Festsetzung der Höhe des Zahlbetrages erfolgte auf der Grundlage des am 2. März 1994 gegenüber den Eheleuten ergangenen Einkommensteuerbescheides des Finanzamtes für 1992.
Die von der Klägerin weiterverfolgte Klage, mit der diese die Zahlung von Erziehungsgeld auf der Grundlage des Einkommens aus dem vorletzten Jahr vor der Geburt von begehrte, hat das Sozialgericht Frankfurt am Main durch Gerichtsbescheid vom 3. Juli 1995 abgewiesen. Das Sozialgericht hat unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 1993 die Auffassung vertreten, die Beklagte habe nach Maßgabe des Einigungsvertrages (Anl. I, Kap. X, Sachgeb. H, Abschnitt III 2.c) zutreffend das voraussichtliche Einkommen des Geburtsjahres von seiner Berechnung zugrunde gelegt. Daß die Beklagte den Einigungsvertrag angewandt habe, verstoße insbesondere nicht gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes.
Gegen den der Klägerin am 12. Juli 1995 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 14. August 1995 (Montag) eingegangene Berufung. Die Klägerin ist der Auffassung, sie werde, sofern man tatsächlich das Einkommen aus dem Jahre 1992 der Einkommensberechnung zugrunde lege, gegenüber Berechtigten benachteiligt, die bereits vor der Geburt des den Anspruch begründenden Kindes in den alten Bundesländern wohnten, da bei dem zuletzt genannten Personenkreis die Summe der im vorletzten Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes erzielten positiven Einkünfte maßgeblich sei. Da ihr Sohn von ihr im einkommensabhängigen Zeitraum in betreut und erzogen worden sei, müsse auch ihr im einkommensabhängigen Zeitraum aufgrund des im Jahre 1990 erzielten geringen Einkommens das volle Erziehungsgeld gewährt werden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. Juli 1995 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 1. September 1992 sowie des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 1993 in der Gestalt des Bescheides vom 2. Mai 1994 zu verurteilen, ihr in der Zeit vom 1. August 1992 bis zum 31. Juli 1993 ungemindertes Erziehungsgeld für die Betreuung und Erziehung ihres Sohnes I. zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält den ergangenen Bescheid vom 2. Mai 1994 für zutreffend. Maßgebend für die Einkommensanrechnung für die in 1991 und 1992 geborenen Kinder seien vorliegend die Bestimmungen des Einigungsvertrages zur Überleitung des Bundeserziehungsgeldgesetzes. Die Klägerin habe an ihrem früheren Wohnsitz einen Antrag auf Erziehungsgeld gestellt. Wechsele der Wohnsitz eines Erziehungsgeldbeziehers, bleibe die bisherige örtliche Zuständigkeit für die Leistungsbewilligung bestehen. Die Änderung des Wohnsitzes wirke sich nicht auf die Höhe des Erziehungsgeldes aus. Die beibehaltene örtliche Zuständigkeit habe insoweit auch materiell-rechtliche Konsequenzen. Maßgebend und anzuwenden sei das Recht des Bundeslandes, das für die Entscheidung örtlich zuständig sei. Liege die örtliche Zuständigkeit in einem neuen Bundesland, sei bei Geburtsfällen der Jahre 1991 und 1992 für die Berechnung des Einkommens die getroffene Übergangsregelung des Einigungsvertrages bindend. Soweit nach § 5 Abs. 2 S. 2 und S. 3 BErzGG die Verhältnisse am Beginn des 7. Lebensmonats des Kindes als maßgeblich anzusehen seien, betreffe dies nur den Familienstand und die Zahl der zu berücksichtigenden Kinder, nicht dagegen die Frage des Wohnsitzes.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vertrags der Beteiligten wird im übrigen auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Erziehungsgeld-Akte des Beklagten (Az.: XXXXXXX) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) ist zulässig. Ausschließungsgründe nach § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist auch begründet. Der Klägerin steht im einkommensabhängigen Zeitraum ab Beginn des 7. Lebensmonats des Kindes Erziehungsgeld in ungeminderter Höhe zu.
Der Erziehungsgeldanspruch der Klägerin richtet sich allein nach den Bestimmungen des Bundeserziehungsgeldgesetzes in der Fassung vom 21. Januar 1992 (BGBl. I, S. 68). Die materiellrechtlichen Regelungen des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag; Anlage I, Kapitel X, Sachgebiet H, Abschnitt III 2.c), nach denen – anders als dies in § 6 Abs. 1 Satz 1 BErzGG in der vorliegend maßgeblichen Fassung vorgesehen ist – im einkommensabhängigen Zeitraum bei der Berechnung des zugrundezulegenden Einkommens allein auf das Einkommen im Geburtsjahr des Kindes abzustellen ist, sind auf die Fallgestaltung der Klägerin nicht anzuwenden. Denn zu Beginn des einkommensabhängigen Zeitraums hatte die Familie der Klägerin bereits ihren Wohnsitz im Gebiet der alten Bundesländer genommen. Die Anwendung der Maßgaberegelung im Einigungsvertrag setzt jedoch voraus, daß der Berechtigte in der jeweiligen Bezugsperiode seinen ständigen Aufenthalt oder Wohnsitz im Beitrittsgebiet hatte (BSG Urteil vom 12.4.1995 – 14 REg 3/94 = SozR 3 8110 Kap. X H III Nr. 2 Nr. 1).
Die hier maßgebliche Bezugsperiode für das Erziehungsgeld bestimmt sich nach dem Beginn des einkommensabhängigen Zeitraums. Für diesen ist in § 5 Abs. 2 Satz 2 BErzGG ausdrücklich eine Anknüpfung an die Verhältnisse am Beginn des 7. Lebensmonats des Kindes vorgesehen, wodurch gegenüber dem vorangegangenen Zeitraum insoweit eine deutliche Zäsur eintritt, der auch im Hinblick auf die Regelungen im Einigungsvertrag eine besondere rechtliche Bedeutung zukommt. Zu den maßgeblichen Verhältnissen zu Beginn des 7. Lebensmonats im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 3 BErzGG in der hier maßgeblichen Fassung gehört dabei insbesondere auch der Wohnsitz des Anspruchstellers.
Dafür, daß sich diese Bestimmung – wie der Beklagte meint – lediglich auf den Familienstand und die Zahl der zu berücksichtigenden Kinder beziehen soll, gibt es im Gesetz keine Anhaltspunkte. Daß die Richtlinien zur Durchführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes die Beibehaltung der sachlichen Zuständigkeit für die Entscheidung über den Erziehungsgeldanspruch im einkommensabhängigen Zeitraum eine Beibehaltung der vor der Wohnsitzänderung maßgeblichen örtlichen Zuständigkeit vorsehen, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang.
Stellt man maßgeblich auf den Wohnsitz zu Beginn des einkommensabhängigen Zeitraums ab, kann die Klägerin verlangen, daß nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BErzGG die Summe der im vorletzten Kalenderjahr vor der Geburt (sog. "historisches Jahr”, vgl. BSG a.a.O.) erzielten positiven Einkünfte der Berechnung zugrunde gelegt werden.
Da das von den Eheleuten in 1990 erzielte Einkommen, das allein aus der gewährten Studienförderung erzielt wurde, auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 6 Abs. 2 a für die Zeiten der Einkommenserzielung in der ehemaligen DDR, ganz offensichtlich unterhalb der Freibetragsgrenze des § 5 Abs. 2 BErzGG in der hier maßgeblichen Fassung lag, kommt eine Minderung des der Klägerin zustehenden Erziehungsgeldes nicht in Betracht. Der Klägerin steht vielmehr Erziehungsgeld in ungeminderter Höhe zu.
Die Anknüpfung an den Wohnsitz zu Beginn des einkommensabhängigen Zeitraums und die darauf beruhende Möglichkeit, auf das Einkommen im vorletzten Jahr vor der Geburt des Kindes abzustellen, erscheint auch aus Gründen der Gleichberechtigung naheliegend. So sind insbesondere keine sachlich einleuchtenden Gründe dafür erkennbar, weshalb Eheleute, die in den alten Bundesländern im "historischen Jahr” – ebenso wie die Eheleute – als Studenten allein von Mitteln der Studienförderung gelebt haben und deshalb im einkommensabhängigen Zeitraum ungemindertes Kindergeld erhalten können, bei ansonsten gleichen Lebensbedingungen besser gestellt werden sollen als die Klägerin. Die Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 BErzGG dient nämlich nicht nur der Verwaltungsvereinfachung, sondern stellt, wie die in § 6 Abs. 4 BErzGG getroffene Regelung deutlich macht, eine vom Gesetzgeber gewollte Begünstigung desjenigen Personenkreises dar, der in demjenigen Zeitraum, in dem einkommensabhängiges Erziehungsgeld zu gewähren ist, höhere Einkünfte als im "historischen Jahr” erzielt und dem deshalb wegen dieses höheren Einkommens kein oder nur ein geringeres Erziehungsgeld zustehen würde. Es gibt keine sachlichen Gründe dafür, die Klägerin von dieser Begünstigung auszuschließen.
Auf die Berufung der Kläger war deshalb der sozialgerichtliche Gerichtsbescheid aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von ungemindertem Erziehungsgeld in der Zeit vom 1. August 1992 bis zum 31. Juli 1993 (§ 4 Abs. 1 Satz 1 BErzGG in der hier maßgeblichen Fassung) zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, da er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
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