L 6 Kg 240/95

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 14 Kg 780/94
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Kg 240/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1) Ein „unbestimmter” Zeitraum i.S.v. § 1 Abs. 3 BKGG liegt nicht nur dann vor, wenn der Aufenthalt von vorneherein auf eine unbegrenzte Dauer angelegt ist, also voraussichtlich mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte andauern soll. Für das Moment der Dauerhaftigkeit ist bei ausländischen Staatsangehörigen vielmehr ausreichend, daß innerhalb eines überschaubaren Zeitraums der Aufenthalt so gesichert ist, daß nicht mit einer behördlich aufgezwungenen Änderung der aufenthaltsrechtlichen Situation gerechnet werden muß.
2) Ein Abschiebestop auf „unbestimmte Zeit”, wie er nach § 1 Abs. 3 BKGG gefordert wird, liegt jedenfalls auch dann vor, wenn die – befristeten – Abschiebestopregelungen zunächst offen lassen, daß sich angesichts der politischen Verhältnisse im Herkunftsland – hier Bosnien-Herzegowina – gleichlautende Abschiebestopregelungen an die erstmalige Regelung anschließen.
3) Liegt die steuerrechtlich durch Kinderfreibeträge eingeräumte Entlastung unterhalb des Sozialhilfegesamtbedarfs der betroffenen Kinder, kann bei ausländischen Staatsangehörigen, die zur Einkommensteuer herangezogen werden, deren Aufenthalt jedoch lediglich geduldet ist, zumindest bis zum Ablauf des Jahres 1993 ein Kindergeldanspruch nicht versagt werden, weil nur durch diesen Anspruch im Zusammenwirken mit den steuerrechtlichen Regelungen dem verfassungsrechtlichen Gebot (vgl. dazu BVerfG NJW 1990 S. 2869, NJW 1990 S. 2876, NJW 1994 S. 2817) entsprochen wird, Familien mit Kindern in Höhe des Existenzminimums von der Besteuerung freizustellen.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. November 1994 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger in der Zeit von Oktober 1992 bis Dezember 1993 Kindergeld für seine 1987 geborene Tochter zusteht.

Der Kläger ist 1959 geboren. Er lebte nach seinen Angaben erstmals zwischen 1972 und 1974 in der Bundesrepublik Deutschland. Im Oktober 1991 reiste der Kläger als Bürgerkriegsflüchtling erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein, nunmehr mit seiner 1964 geborenen Lebensgefährtin und seiner Tochter. Er lebt seither mit und in einem gemeinsamen Haushalt in Frankfurt am Main. Seine Tochter besucht dort seit Beginn des Schuljahres 1993/94 die Ackermannschule.

Der Kläger besitzt, ebenso wie seine Lebensgefährtin, die Staatsangehörigkeit von Bosnien-Herzegowina. Sein Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ist seit seiner Einreise geduldet. Die erstmalige Duldung für den vorliegend streitbefangenen Zeitraum beruht auf dem Erlaß des Hessischen Ministeriums des Innern und für Europaangelegenheiten vom 7. Mai 1992 (unveröffentlicht; Az. II A 51-23 d). Mit diesem Erlaß wurde im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern die Abschiebung von Personen aus Bosnien-Herzegowina gem. § 54 Ausländergesetz (AuslG) ausgesetzt und die nachgeordneten Behörden angewiesen, den Aufenthalt dieses Personenkreises nach §§ 55, 56 AuslG zu dulden. Der Erlaß vom 7. Mai 1992 war ursprünglich bis zum 7. November 1992 befristet. Er wurde in der Folgezeit – wiederum im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern – für die Dauer von jeweils sechs Monaten verlängert (Erlasse vom 10.9.1992, 10.3.1993, 22.9.1993 usw.).

Entsprechend diesen Erlassen wurde auch beim Kläger verfahren. Die zunächst bis zum 7. November 1992 gültige Duldung wurde, gerechnet vom jeweiligen Antragsdatum, im streitbefangenen Zeitraum sukzessive für jeweils sechs Monate, zunächst bis zum 31. März 1993, danach bis zum 30. September 1993 bzw. bis zum 31. März 1994 verlängert. Auch derzeit wird der Aufenthalt des Klägers weiterhin geduldet.

In den Jahren 1992 und 1993 war der Kläger berufstätig. Aufgrund der ausgeübten nichtselbständigen Arbeit wurde er in beiden Jahren zur Einkommensteuer herangezogen. In 1992 hatte er bei einem Bruttoarbeitslohn von 51.912,– DM eine Einkommensteuer in Höhe von 6.975,– DM zuzüglich Solidaritätszuschlag in Höhe von 261,56 DM zu entrichten (Bescheid vom 2.7.1993), in 1993 wurde bei einem Bruttoarbeitslohn von 55.198,– DM eine Einkommensteuer vom zuständigen Finanzamt Frankfurt am Main II in Höhe von 7.775,– DM festgesetzt (Bescheid vom 16.9.1994). Für beide Jahre war dem Kläger vom Finanzamt ein Kinderfreibetrag von jeweils 4.104,– DM zugebilligt worden.

Im Dezember 1992 beantragte der Kläger die Zahlung von Kindergeld für seine Tochter. Die Mutter von war mit der Zahlung des Kindergeldes an den Kläger einverstanden.

Durch Bescheid vom 1. September 1993 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kindergeld mit der Begründung ab, der Kläger verfüge in der Bundesrepublik Deutschland über keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 1 Abs. 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG). Der Aufenthalt des Klägers als Flüchtling aus Bosnien-Herzegowina sei lediglich für die Dauer des Bürgerkrieges geduldet und habe damit nur vorübergehenden Charakter. Dies schließe einen Anspruch auf Kindergeld aus.

Der dagegen eingelegte Widerspruch mit dem der Kläger darauf hinwies, daß er zur Einkommensteuer herangezogen werde und keine Sozialhilfe beziehe, wurde durch Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 1994 zurückgewiesen.

Auf die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main durch Urteil vom 22. November 1994 die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 18. November 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 1994 verurteilt, dem Kläger Kindergeld in gesetzlich zustehendem Umfang für die Zeit von Oktober 1992 bis Dezember 1993 zu gewähren. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Für die bis zum 31. Dezember 1993 maßgebliche Rechtslage hat das Sozialgericht die Auffassung vertreten, die besondere Lage des Klägers als Bürgerkriegsflüchtling aus Bosnien-Herzegowina und seine aufenthaltsrechtliche Behandlung durch die Ausländerbehörde rechtfertigten die Annahme, daß er, ebenso wie die gesamte Personengruppe der Bürgerkriegsflüchtlinge aus diesem Gebiet, auf unbestimmte Zeit nicht aus dem Bundesgebiet abgeschoben werde. Zwar sei die Ausgestaltung des aufenthaltsrechtlichen Status der Bürgerkriegsflüchtlinge durch die Ausländerbehörden in unterschiedlichen Rechtsformen erfolgt, nämlich teilweise in Form von Duldungen nach dem Ausländergesetz, teilweise aber auch in Form von Aufenthaltsbefugnissen nach §§ 32, 32 a Ausländergesetz (AuslG). Ungeachtet des ausländerrechtlichen Status der Betroffenen lasse die Praxis der Ausländerbehörden allerdings das Ziel erkennen, dieser Personengruppe einen rechtmäßigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen, um sie Verfolgungen und Beeinträchtigungen aufgrund der anhaltenden Kriegsereignisse in ihrem Heimatgebiet nicht auszusetzen, solange von einer entsprechenden kriegsbedingten Gefährdung auszugehen sei. Dies könne sowohl den entsprechenden Erlassen des Hessischen Ministeriums des Innern als auch der praktischen Handhabung der ausländerrechtlichen Vorschriften durch die Ausländerbehörden entnommen werden. Die insoweit zu Gunsten der Betroffenen positive Prognoseentscheidung rechtfertige die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts i.S.d. §§ 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch I (SGB I), 1 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 3 BKGG a.F. Der in § 1 Abs. 3 BKGG a.F. geforderte einjährige ununterbrochene Aufenthalt des Klägers habe ab dem Monat Oktober 1992 vorgelegen, so daß diesem aufgrund seines im Dezember 1992 gestellten Antrags nach § 9 Abs. 2 BKGG Kindergeld für die Zeit ab Oktober 1992 bis einschließlich Dezember 1993 zustehe.

Gegen das der Beklagten am 10. Februar 1995 zugestellte Urteil richtet sich die am 9. März 1995 eingegangene Berufung. Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe auch für die Zeit bis Dezember 1993 keinen Anspruch auf Kindergeld. Daß der Kläger zur Einkommensteuer herangezogen worden sei, sei in diesem Zusammenhang nicht relevant.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. November 1994 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der Vertrags der Beteiligten wird im übrigen auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte, die beigezogenen Ausländerakten des Klägers und seiner Lebensgefährtin sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten (XXXXXX) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe i.S.v. § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht für den streitbefangenen Zeitraum Kindergeld für das in seinem Haushalt lebende Kind zu.

Anspruch auf Kindergeld für seine Kinder hat nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 BKGG in der bis zum 31. Dezember 1995 maßgeblichen Fassung nur, wer im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für Ausländer bestimmt § 1 Abs. 3 BKGG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl. I S. 1354), daß diesen, soweit sie sich ohne Aufenthaltsgenehmigung im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten, ein Anspruch auf Kindergeld nur zusteht, wenn sie nach den §§ 51, 53 oder 54 AuslG auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden können, frühestens jedoch für die Zeit nach einem gestatteten oder geduldeten ununterbrochenen Aufenthalt von einem Jahr.

Das Wartejahr des § 1 Abs. 3 BKGG war beim Kläger vor Beginn des streitbefangenen Zeitraums abgelaufen. Streitentscheidend ist vorliegend deshalb allein, ob in diesem Zeitraum für den Kläger unter Zugrundelegung der vom Bundessozialgericht entwickelten "Prognoserechtsprechung”, die entsprechend auch für die ab dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts (a.a.O.) maßgebende Zeit heranzuziehen ist (vgl. insoweit BSG Urteil vom 30.4.1996 – 10 RKg 33/93), ein Abschiebeverbot nach den §§ 51, 53 oder 54 AuslG auf unbestimmte Zeit gegolten hat. Nach Auffassung des Senats war dies tatsächlich der Fall.

Dabei geht der Senat davon aus, daß ein "unbestimmter” Zeitraum i.S.v. § 1 Abs. 3 BKGG nicht nur dann vorliegt, wenn der Aufenthalt von vornherein auf eine unbegrenzte Dauer (vgl. dazu BSG Urteil vom 9.8.1995 – 13 RJ 59/93 = SozR 3-1200 § 30 Nr. 15) angelegt ist, also voraussichtlich mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte andauern soll. Eine solche Anforderung müßte nämlich, worauf der Senat in seinem Urteil vom 14. Februar 1996 (L-6/Kg-958/94; Revision anhängig BSG 10 RKg 19/96) bereits hingewiesen hat, dazu führen, daß z.B. auch bei deutschen Staatsangehörigen, die sich mit dem Gedanken tragen, die Bundesrepublik. Deutschland ggf. zu verlassen, zur Klärung der Frage des Vorliegens eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts stets geprüft werden müßte, ob eine Auswanderungsabsicht besteht, mit der Folge, daß bereits ab dem Zeitpunkt des Aufkommens einer solchen Absicht für diesen Personenkreis ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt verneint werden müßte, was den Wegfall des Kindergeldanspruchs nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKGG bewirken würde.

Eine solche Überprüfung ist nach Meinung des Senats indes nicht erforderlich. Für das Moment der Dauerhaftigkeit ist vielmehr ausreichend, daß innerhalb eines überschaubaren Zeitraums der Aufenthalt so gesichert ist, daß nicht mit einer aufgezwungenen Änderung der aufenthaltsrechtlichen Situation gerechnet werden muß. Ein Abschiebeverbot auf "unbestimmte Zeit” i.S.v. § 1 Abs. 3 BKGG besteht bei einem geduldeten ausländischen Staatsangehörigen deshalb immer dann, wenn dieser nicht mit einem zeitlich absehbaren und behördlich verfügten Aufenthaltswechsel zu rechnen braucht.

Diese Voraussetzung ist beim Kläger für die Dauer des streitbefangenen Zeitraums gegeben.

Dies ergibt sich zum einen aus dem Inhalt der dem Kläger erteilten Duldung, die, anders als dies z.B. bei abgelehnten Asylbewerbern noch vor Eintritt der Bindungswirkung des Ablehnungsbescheides i.d.R. nach § 34 Abs. 2 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) geschieht, nicht mit einer Abschiebungsandrohung, die ihrerseits den Aufenthalt unter eine auflösende Bedingung auch während der Laufzeit der jeweiligen Duldung gestellt hätte, verbunden gewesen war.

Daß die ministeriellen Erlasse vom 7. Mai 1992, 10. September 1992, 10. März 1993 und 22. September 1993, auf denen die dem Kläger gegenüber ausgesprochenen Duldungen beruhen, jeweils zeitlich befristet waren, steht der Annahme der unbestimmten Zeitdauer des Aufenthalts des Klägers nicht entgegen. Entscheidend ist insoweit nach Auffassung des Senats vielmehr allein, daß diese Erlasse nicht auf eine Beendigung, sondern zukunftsoffen (zur "Zukunftsoffenheit” des Aufenthalts vgl. insoweit BSG Urteil vom 30.9.1993 – 4 RA 49/92 = SozR 3-6710 Art. 1 Nr. 1; Urteil vom 9.5.1995 – 8 RKn 11/94; Urteil vom 9.8.1995 – 13 RJ 59/93 a.a.O.), und deshalb in dem oben beschriebenen Sinne auf unbestimmte Zeit angelegt waren. Die fraglichen Erlasse sehen nämlich gerade nicht vor, daß nach Ablauf der jeweils maßgeblichen Sechsmonatsfrist nunmehr aufenthaltsbeendende Maßnahmen ergriffen werden sollen.

Dem einzelnen Bürgerkriegsflüchtling aus Bosnien-Herzegowina wird durch diese Erlasse damit eine rechtlich gesicherte Bleibemöglichkeit (vgl. insoweit auch Ziff. 6 des Beschlusses der Innenministerkonferenz vom 22.5.1992) eingeräumt, und nicht etwa nur die vorübergehende Billigung eines ansonsten rechtswidrigen Zustandes. Aufgrund dieser unterschiedlichen Ausgangssituation haben deshalb auch mehrere Verwaltungsgerichte (VG Berlin, Beschl, v. 31.7.1995 – 35 A 2436.94 = AuAS 1995, S. 235; Beschl. v. 22.1.1996 – 35 A 1608.95 = InfAuslR 1996, S. 188; VG Wiesbaden, Beschl. v. 12.12.1995 – 4/1 E 930/94) für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina, jedenfalls für die Dauer der das Bleiberecht regelnden ministeriellen Erlasse, das Bestehen eines Anspruchs auf die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis abgeleitet.

Für den streitbefangenen Zeitraum gilt diese Annahme eines rechtlich gesicherten Aufenthalts im übrigen um so mehr, als während dieser Zeit weder von der Innenministerkonferenz, noch von den insoweit zuständigen Ländern-Innenministern, Rückführungsmaßnahmen in Aussicht genommen worden sind.

Deshalb kommt es nach Auffassung des Senats auch nicht darauf an, ob ein "unbefristeter” Abschiebestop nach Herstellung des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Innern gem. § 54 Satz 2 AuslG überhaupt durch die zuständige oberste Landesbehörde angeordnet werden könnte, oder ob Satz 2 dieser Bestimmung grundsätzlich – wie Satz 1 – auf eine Befristung angelegt ist. Wenn nämlich – wie hier – trotz der Befristung, die Möglichkeit offen bleibt, daß sich angesichts der politischen Verhältnisse im Herkunftsland gleichlautende Abschiebeverbote an die erstmalige Regelung anschließen, steht die Tatsache der Befristung der Annahme eines Abschiebeverbots auf unbestimmte Zeit nicht entgegen (so schon Urteil des Senats vom 28.9.1994 – L-6/Kg-916/93, Revision anhängig BSG 10 RKg 1/95). Die Annahme aber, daß sich gleichlautende Abschiebeverbote angesichts des Bürgerkriegs im ehemaligen Jugoslawien anschließen würden, war jedenfalls während des streitbefangenen Zeitraums im Hinblick auf das seinerzeit nicht absehbare Ende dieses Bürgerkrieges zumindest naheliegend.

§ 2 Abs. 5 BKGG setzt auf selten des betroffenen Kindes voraus, daß auch dieses seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes hat. Bei der Tochter des Klägers liegen auch diese Tatbestandsvoraussetzungen vor. Nach den zuvor für den Kläger beschriebenen Umständen kann auch bei bei vorausschauender Betrachtungsweise (vgl. dazu BSG Urteil vom 12.12.1995 – 10 RKg 7/95 m.w.N.) von einem Aufenthalt auf unbestimmte Zeit ausgegangen werden.

Das so gefundene Ergebnis findet seine Rechtfertigung im übrigen auch im Verfassungsrecht. Denn nur durch diese Kindergeldgewährung wird dem bestehenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprochen, Familien mit Kindern in Höhe des – mit dem ungefähren Sozialhilfegesamtbedarf definierten – Existenzminimums von der Besteuerung freizustellen (BVerfG, Beschluss vom 29.5.1990 – 1 BvL 20/84 u.a. = NJW 1990 S. 2869; Beschluss vom 12.6.1990 – 1 BvL 72/86 = NJW 1990 S. 2876; Beschluss vom 14.6.1994 – 1 BvR 1022/88 = NJW 1994, S. 2817; vgl. insoweit auch BSG, Urteil vom 31.10.1995 – 10 RKg 23/94 = SozR 3 5870 § 1 Nr. 6). Der Sozialhilfegesamtbedarf für die Tochter des Klägers betrug im Jahre 1992 6.720,00 DM und im Jahre 1993 7.020,00 DM, wie der Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheit vom 15. April 1997 entnommen werden kann. Dem Kläger waren jedoch in beiden Jahren lediglich Kinderfreibeträge in Höhe von jeweils 4.104,– DM eingeräumt worden, die zu einer Entlastung geführt haben, die deutlich unterhalb dieses Sozialhilfegesamtbedarfs liegt und lediglich durch die vom Kläger beanspruchte Kindergeldgewährung im Zusammenwirken mit den bestehenden steuerrechtlichen Regelungen in einer dem beschriebenen verfassungsrechtlichen Gebot entsprechenden Weise ausgeglichen werden kann.

Im Ergebnis war auch aus diesem Grunde die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision hat der Senat zugelassen, da er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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