Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 12 Ar 1305/93
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Ar 66/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 8. Dezember 1994 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Weitergewährung von originärer Arbeitslosenhilfe über den 11. Juni 1993 hinaus.
Der Kläger, geboren 1959, ist nigerianischer Staatsangehöriger und beantragte in der Bundesrepublik Deutschland die Gewährung von Asyl. Er war vom
11. März 1991 bis zum 19. März 1991 als Hilfsarbeiter 15. Mai 1991 bis zum 10. Juni 1991 als Gärtnerhilfsarbeiter 29. Juli 1991 bis zum 10. Juni 1992 als Oberflächenbearbeiter tätig.
Für diese Tätigkeiten besaß der Kläger jeweils eine Arbeitserlaubnis gemäß § 1 Abs. 1 der Arbeitserlaubnisverordnung (AEVO).
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 27. August 1992 Arbeitslosenhilfe vom 11. Juni 1992 bis zum 11. Juni 1993. Der Kläger stellte am 6. April 1993 einen Antrag auf Weitergewährung der Arbeitslosenhilfe. Die Beklagte teilte ihm mit Bescheid vom 1. Juli 1993 mit, seinem Antrag könne nicht entsprochen werden. Personen, die zur Aufnahme einer Tätigkeit eine Arbeitserlaubnis nach § 2 AEVO benötigten, besäßen nur dann einen Anspruch auf Leistungen, wenn der deutsche Arbeitsmarkt für sie offen sei. Im Falle des Klägers habe sich gezeigt, dass der Arbeitsmarkt verschlossen sei. Trotz ihrer Vermittlungsbemühungen innerhalb eines Jahres habe sich für den Kläger keine Dauerbeschäftigung finden lassen. Auch die Möglichkeiten der überbezirklichen Vermittlung seien ausgeschöpft worden. Berufliche Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen seien nicht in Betracht gekommen. Die vorhersehbare Entwicklung des Arbeitsmarktes ließe eine Verbesserung der Vermittlungsmöglichkeiten des Klägers nicht erkennen.
Dagegen erhob der Kläger am 28. Juli 1993 Widerspruch und führte dazu aus, es treffe nicht zu, dass er innerhalb eines Jahres nicht habe vermittelt werden können. Er habe eine Arbeitsstelle gefunden, die Beklagte habe jedoch die Erteilung einer Arbeitserlaubnis abgelehnt. Auch könne der Umstand der einjährigen erfolglosen Vermittlungsbemühungen nicht als Indiz für die Verschlossenheit des Arbeitsmarktes angesehen werden. Andernfalls müsste auch eine einjährige Arbeitsunfähigkeit eines deutschen Sozialversicherten auf eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes hinweisen. Auch für sie sei eine einjährige Arbeitslosigkeit nicht ungewöhnlich.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 1993 den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger stehe dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, da er weder im Besitz einer gültigen Arbeitserlaubnis sei noch einen Anspruch auf Erteilung einer besonderen Arbeitserlaubnis nach § 2 AEVO habe. Der deutsche Arbeitsmarkt sei verschlossen, da mindestens ein Jahr nach dem Tag der Arbeitslosmeldung der Kläger nicht vermittelt werden konnte, weil deutsche und ihnen gleichgestellte ausländische Arbeitnehmer der Stellenvermittlung zur Verfügung gestanden hätten. Eine überbezirkliche Vermittlung sei nicht in Betracht gekommen, da bekannt sei, dass in anderen Bezirken ebenfalls keine Vermittlungsmöglichkeit bestanden habe. Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung und Umschulung seien nicht in Betracht gekommen, da der Kläger hierfür keine ausreichenden Sprachkenntnisse habe. Schließlich sei erkennbar, dass sich nach der vorhersehbaren Entwicklung des Arbeitsmarktes auch künftig keine Vermittlungsmöglichkeiten ergeben würden.
Dagegen hat der Kläger am 2. November 1993 Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben.
Ergänzend hat der Kläger vorgetragen, es sei nicht ersichtlich, welche Vermittlungsbemühungen die Beklagte unternommen habe. Tatsächlich bestehe auf dem Arbeitsmarkt ein Bedarf an ausländischen Arbeitskräften, insbesondere nach Asylbewerbern, da deutsche Arbeitnehmer für deren Tätigkeit oftmals nicht zu gewinnen seien.
Die Beklagte hat ergänzend vorgetragen, die Vermittlungsbemühungen des zuständigen Arbeitsvermittlers seien wegen der Arbeitsmarktlage und des Vorrangs deutscher und ihnen gleichgestellter ausländischer Arbeitnehmer erfolglos geblieben.
Das Sozialgericht Gießen hat mit Urteil vom 8. Dezember 1994 die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosenhilfe über den 11. Juni 1993 hinaus in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger besitze einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe auch über den 11. Juni 1993 hinaus, da er der Arbeitsvermittlung über diesen Zeitraum weiterhin zur Verfügung stehe und er die übrigen Voraussetzungen des § 134 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erfülle. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stehe ein Arbeitsloser der Arbeitsvermittlung gemäß § 134 Abs. 4 i.V.m. § 103 Abs. 1 AFG nicht zur Verfügung, wenn er für die Ausübung einer Beschäftigung einer besonderen Erlaubnis bedürfe und diese nicht besitze. Dies treffe insbesondere auf ausländische Arbeitnehmer zu, für die nach § 19 Abs. 1 AFG ein allgemeines Beschäftigungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt gelte. Es genüge jedoch, wenn zu erwarten sei, dass eine Arbeitserlaubnis erteilt werde, wenn ein Arbeitsplatz gefunden werde. Sei ein Arbeitnehmer nicht im Besitz der erforderlichen Arbeitserlaubnis, so sei für die Zukunft zu prüfen, ob die Erteilung einer Arbeitserlaubnis nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht komme. Erst wenn nach längeren erfolglosen Vermittlungsbemühungen sich herausstelle, dass auf dem Arbeitsmarkt keine Beschäftigung zu finden sei, für die eine Arbeitserlaubnis erteilt werden könne, und damit der ausländische Arbeitnehmer gemäß § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG nicht arbeiten dürfe, fehle es ab diesem Zeitpunkt an der Voraussetzung für die Gewährung von Arbeitslosenhilfe. Um dies feststellen zu können, müssten die Vermittlungsbemühungen mindestens ein Jahr angedauert haben. Die Kammer könne der Auffassung der zitieren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Anspruch eines Ausländers auf Arbeitslosenhilfe aus Rechtsgründen nicht folgen. Der Begriff des "Arbeitendürfens” in § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG sei dahingehend zu verstehen, dass der Beschäftigung keine Rechtshindernisse im Wege stehen dürften, wie z.B. Berufs- oder Beschäftigungsverbot oder eine bestandskräftige Ausweisungsverfügung. Die Verfügbarkeit betreffe dagegen die sachliche und persönliche Bereitschaft des Arbeitslosen zu arbeiten und könne deshalb nicht je nach Lage des Arbeitsmarktes wechseln. Das Merkmal "Verschlossenheit des Arbeitsmarktes” stamme aus dem Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung und sei der Arbeitslosenversicherung fremd. Das in der Rentenversicherung entwickelte Kriterium habe dort die Funktion der Abgrenzung der Risikobereiche zwischen Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Im Hinblick auf die Funktion der Arbeitslosenversicherung, das Risiko auch der langjährigen Arbeitslosigkeit abzudecken, zeige, dass das Kriterium der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes systemfremd sei. Treffe die gegenteilige Auffassung zu, so müssten auch für andere Erwerbslose Konsequenzen gezogen werden. Auch leistungsgeminderte und ältere Arbeitnehmer seien derzeit praktisch nicht vermittelbar. Auch diesen Arbeitnehmern müßte jede Leistung verweigert werden, da es bei ihnen zwar nicht am "Arbeiten dürfen”, aber am "Arbeiten können” fehle. Auch sei aus verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht auf das Merkmal des "Arbeitendürfens” abzustellen. Durch die Einbeziehung dieses Merkmals sei die Versicherungsleistung an ausländische Arbeitnehmer auf ein Jahr begrenzt. Ausländische Arbeitnehmer seien jedoch der Beitragspflicht der Bundesanstalt für Arbeit unterworfen. Je nach Dauer der beitragspflichtigen Beschäftigung bestehe ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zu 832 Tage. Diese Anwartschaft unterfalle der Eigentumsgarantie des Artikel 14 Grundgesetz (GG). Die Begrenzung des Bezuges von Arbeitslosengeld auf ein Jahr greife damit in den Schutzbereich des Artikel 14 Abs. 1 GG ein. Auch der allgemeine Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG sei berührt. Die Verneinung der Verfügbarkeit habe schwere versicherungsrechtliche Konsequenzen. Die Möglichkeit der Anerkennung der Zeit der Arbeitslosigkeit als Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch (SGB VI) entfalle. Damit entfalle auch die Möglichkeit, die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Erwerb von Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrente durch weitere Arbeitslosmeldung beim Arbeitsamt nach § 43 Abs. 3, § 44 Abs. 4 SGB VI aufrecht zu erhalten. Das Ziel des Gesetzgebers, Zeiten einer unverschuldeten Arbeitslosigkeit den Versicherten nicht zum Nachteil werden zu lassen (§ 58 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI) könne bei Aufrechterhaltung des Kriteriums der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes nicht erreicht werden.
Gegen das am 22. Dezember 1994 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20. Januar 1995 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, sie habe die Verschlossenheit des Arbeitsmarktes für den Kläger in der Zeit von Juni 1992 bis Juni 1993 geprüft. Sie habe Vermittlungsbemühungen für alle Tätigkeiten im gewerblichen Bereich unterhalb der Facharbeiterebene durchgeführt. Eine darüber hinausgehende Einschränkung der Vermittlungsbemühungen sei nicht gemacht worden. Nach den statistischen Unterlagen seien im September 1992 333 Stellen gemeldet gewesen. Diese Zahl beinhalte 114 Stellen unterhalb der Facharbeiterebene. Im September 1993 seien insgesamt 245 Stellen und 100 Stellen unterhalb der Facharbeiterebene verzeichnet gewesen. Die Anzahl der bevorrechtigten Arbeitslosen habe sich in einer Größenordnung von 1.200 Arbeitslosen bewegt. Aufgrund dieser Arbeitsmarktlage habe man dem Kläger keinen Vermittlungsvorschlag unterbreitet. Das Sozialgericht Gießen habe des weiteren die Absicht des Bundessozialgerichts verkannt, durch die Einführung einer Prüfungsfrist den Arbeitslosen die Möglichkeit zu geben, ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld auszuschöpfen. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stamme aus einer Zeit, in der der Anspruch auf Arbeitslosengeld höchstens 312 Tage betragen habe. Im übrigen erfordere ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für 832 Tage, dass der Arbeitslose u.a. 1.920 Tage (5 Jahre und 4 Monate) in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden habe. Einen Rechtsanspruch auf eine Arbeitserlaubnis nach § 19 Abs. 6 AFG werde durch eine Beschäftigungszeit von fünf Jahren erfüllt. Auch gehe das Gericht in seiner Annahme fehl, die Prognose für die weitere Vermittelbarkeit von Ausländern und die Verneinung der Verfügbarkeit wegen der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes müsse Konsequenzen für den Leistungsanspruch eines weiten Kreises deutscher Arbeitsloser haben. Das Gericht übersehe dabei, dass Ausländer für die Ausübung einer Beschäftigung einer Arbeitserlaubnis bedürften, die bei nicht bevorrechtigten Bewerbern nur erteilt werde, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes dies zulasse. Es bestünden damit durchaus zahlreiche Gründe für eine unterschiedliche Betrachtungsweise zwischen bevorrechtigten und nichtbevorrechtigten Arbeitslosen. Im übrigen gehe es vorliegend allein um einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe. Damit stelle sich nicht die Frage, ob durch die Feststellung der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes eine Versicherungsleistung eingeschränkt werde. Gemäß § 3 Abs. 4 AFG gewähre sie im Auftrag des Bundes die Arbeitslosenhilfe. Damit sei diese nicht beitragsfinanziert. Auch habe der Gesetzgeber durch die Gewährung der Arbeitslosenhilfe nicht vollständig das Risiko der Arbeitslosigkeit abdecken wollen. Dies zeige z.B. § 134 Abs. 4 Satz 2 AFG, nach dem das Teilzeitprivileg des § 102 Abs. 2 Satz 1 AFG für den Bereich der Arbeitslosenhilfe nicht gelte. Offensichtlich habe es der Gesetzgeber auch in Kauf genommen, dass den Arbeitnehmern indirekt Nachteile in der Rentenversicherung entstünden. Im übrigen sei zu der Frage der fehlenden Anrechnungszeiten wegen der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes ein Verfahren vor dem Bundessozialgericht anhängig.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 8. Dezember 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, das Sozialgericht Gießen habe zutreffend entschieden. Die Beklagte habe keine hinreichenden Bemühungen, den Kläger zu vermitteln, dargetan. Im übrigen habe er vom 19. Mai 1995 bis zum 30. April 1996 bei der Firma E. Apparatebau-GmbH als Maschinenbediener gearbeitet. Das Beschäftigungsverhältnis sei wegen Arbeitsmangel gekündigt worden. Diese Beschäftigung habe er durch eigene Initiative erlangt. Die Beklagte habe ihm für diese Tätigkeit eine Arbeitserlaubnis gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 AEVO erteilt.
Das Gericht hat die Leistungsakte der Beklagten, die Akte des Rechtsstreits des Klägers vor dem Verwaltungsgericht Gießen – Az.: 4 E 13015/91 sowie Az.: 2 H 13014/91, die Ausländerakte des Landrats des Lahn-Dill-Kreises beigezogen und auszugsweise kopiert. Des weiteren hat der Senat den für den Kläger zuständigen Arbeitsvermittler, den Zeugen R. N., vernommen. Wegen der Einzelheiten des Vertrags der Beteiligten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und ist statthaft gemäß § 151 Abs. 1; §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist auch begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 8. Dezember 1994 war aufzuheben und die Klage abzuweisen, da der Kläger über den 11. Juni 1993 hinaus keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe besitzt.
Die Beklagte stellte mit den angefochtenen Bescheiden zutreffend die Verschlossenheit des Arbeitsmarktes für den Kläger fest und, dass er der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung steht.
Wie das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 22. September 1988 – Az.: 7 RAr 81/86 – InfoAuslR 1989, 22 ff. ausführt, ist zwar von einer fehlenden Verfügbarkeit nicht bereits dann auszugehen, wenn ein ausländischer Arbeitsloser über keine gültige Arbeitserlaubnis verfüge. Für die Annahme der Verfügbarkeit ist ausreichend, dass dieser Arbeitslose erwarten kann, eine Arbeitserlaubnis im Falle einer Beschäftigungsmöglichkeit zu erhalten. Dabei sei es ohne Unterschied, ob diese unabhängig von dem Arbeitsmarkt gemäß § 19 Abs. 4 Satz 2 AFG oder nach der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 AFG, § 1 AEVO zu erteilen sei. Ein Arbeitsloser, der für eine Beschäftigung nicht über die erforderliche Arbeitserlaubnis verfüge, dürfe jedoch keine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes gemäß § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG ausüben, wenn der deutsche Arbeitsmarkt für ihn verschlossen sei. Verschlossen in diesem Sinne sei der Arbeitsmarkt für den ausländischen Arbeitslosen regelmäßig nicht schon bei der Ungewissheit, ob und wann bzw. für welche Arbeit eine Arbeitserlaubnis in Betracht komme. Die Schlussfolgerung der Verschlossenheit des deutschen Arbeitsmarktes setze eine Prüfzeit der Bundesanstalt für Arbeit von einem Jahr mit nachhaltigen und fortgesetzten Vermittlungsbemühungen in dem Sinne voraus, dass bei jeder gemeldeten offenen Stelle, die für den ausländischen Arbeitsuchenden in Betracht komme, geprüft werde, ob er dort hin vermittelt und ob ihm hierfür eine Arbeitserlaubnis erteilt werden könne. Zwar könne aus dem Umstand, dass dem ausländischen Arbeitslosen innerhalb eines Jahres keine Stellenangebote gemacht worden seien, nicht der Schluss gezogen werden, dass keine Vermittlungsversuche unternommen worden seien. Die Vermittlungsbemühungen könnten sich auch auf gedankliche Operationen beschränken, wenn durch sie gewährleistet sei, dass bei jeder gemeldeten offenen Stelle geprüft werde, ob sie trotz des Vorrangs deutscher und gleichgestellter ausländischer Arbeitnehmer mit den Arbeitnehmern ohne Arbeitserlaubnis besetzt werden könne (BSG SozR 4100 § 19 Nr. 6, § 103 Nr. 22). Nach Überzeugung des Senats müssen die Vermittlungsversuche im Einzelfall soweit wie möglich nachgewiesen werden (ähnlich BSG Urteil vom 19.06.1979 – 7 RAr 49/78).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Wie der Kläger zwar zutreffend ausführt, enthält seine Leistungsakte keinerlei Hinweise auf Vermittlungsbemühen der Beklagten und zwar von seiner Arbeitslosmeldung am 2. Juni 1992 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 30. September 1993.
Die vom Zeugen dargelegten gedanklichen Prozesse haben jedoch sichergestellt, dass bei einer Vermittlung eines auch für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsplatzes seine Vermittlung gedanklich geprüft wurde. Diese Prüfung hatte sich zwar verkürzt, da auf die wenig offenen Stellen zahlenmäßig genügend bevorrechtigte Arbeitslose zur Verfügung standen und somit eine Vermittlung des Klägers nicht in Betracht kam. Die wenigen mit Bevorrechtigten nicht zu besetzenden offenen Stellen wurden nach Aussage des Zeugen zur überbezirklichen Vermittlung weitergegeben, um dort diese Stelle bevorrechtigten Arbeitslosen anbieten zu können. So stieg die Arbeitslosenquote von Dezember 1992 von 7,5 % auf 8,5 % im Juni 1993. Später stieg die Arbeitslosenquote sogar auf 10,2 % im Januar 1994. Eine aktive Vermittlung des Klägers kam somit nicht in Betracht.
Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen kam es im Falle des Klägers auch nicht zu einer Prüfung im Einzelfall in dem Sinne, dass ein Arbeitgeber ein konkretes Gesuch, den Kläger einstellen zu wollen an sie gewendet hätte. Aber auch in einem solchen Falle werde vier Wochen lang geprüft, ob die Stelle mit einem bevorrechtigten Arbeitnehmer besetzt werden könne.
Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG gegeben sind.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Weitergewährung von originärer Arbeitslosenhilfe über den 11. Juni 1993 hinaus.
Der Kläger, geboren 1959, ist nigerianischer Staatsangehöriger und beantragte in der Bundesrepublik Deutschland die Gewährung von Asyl. Er war vom
11. März 1991 bis zum 19. März 1991 als Hilfsarbeiter 15. Mai 1991 bis zum 10. Juni 1991 als Gärtnerhilfsarbeiter 29. Juli 1991 bis zum 10. Juni 1992 als Oberflächenbearbeiter tätig.
Für diese Tätigkeiten besaß der Kläger jeweils eine Arbeitserlaubnis gemäß § 1 Abs. 1 der Arbeitserlaubnisverordnung (AEVO).
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 27. August 1992 Arbeitslosenhilfe vom 11. Juni 1992 bis zum 11. Juni 1993. Der Kläger stellte am 6. April 1993 einen Antrag auf Weitergewährung der Arbeitslosenhilfe. Die Beklagte teilte ihm mit Bescheid vom 1. Juli 1993 mit, seinem Antrag könne nicht entsprochen werden. Personen, die zur Aufnahme einer Tätigkeit eine Arbeitserlaubnis nach § 2 AEVO benötigten, besäßen nur dann einen Anspruch auf Leistungen, wenn der deutsche Arbeitsmarkt für sie offen sei. Im Falle des Klägers habe sich gezeigt, dass der Arbeitsmarkt verschlossen sei. Trotz ihrer Vermittlungsbemühungen innerhalb eines Jahres habe sich für den Kläger keine Dauerbeschäftigung finden lassen. Auch die Möglichkeiten der überbezirklichen Vermittlung seien ausgeschöpft worden. Berufliche Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen seien nicht in Betracht gekommen. Die vorhersehbare Entwicklung des Arbeitsmarktes ließe eine Verbesserung der Vermittlungsmöglichkeiten des Klägers nicht erkennen.
Dagegen erhob der Kläger am 28. Juli 1993 Widerspruch und führte dazu aus, es treffe nicht zu, dass er innerhalb eines Jahres nicht habe vermittelt werden können. Er habe eine Arbeitsstelle gefunden, die Beklagte habe jedoch die Erteilung einer Arbeitserlaubnis abgelehnt. Auch könne der Umstand der einjährigen erfolglosen Vermittlungsbemühungen nicht als Indiz für die Verschlossenheit des Arbeitsmarktes angesehen werden. Andernfalls müsste auch eine einjährige Arbeitsunfähigkeit eines deutschen Sozialversicherten auf eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes hinweisen. Auch für sie sei eine einjährige Arbeitslosigkeit nicht ungewöhnlich.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 1993 den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger stehe dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, da er weder im Besitz einer gültigen Arbeitserlaubnis sei noch einen Anspruch auf Erteilung einer besonderen Arbeitserlaubnis nach § 2 AEVO habe. Der deutsche Arbeitsmarkt sei verschlossen, da mindestens ein Jahr nach dem Tag der Arbeitslosmeldung der Kläger nicht vermittelt werden konnte, weil deutsche und ihnen gleichgestellte ausländische Arbeitnehmer der Stellenvermittlung zur Verfügung gestanden hätten. Eine überbezirkliche Vermittlung sei nicht in Betracht gekommen, da bekannt sei, dass in anderen Bezirken ebenfalls keine Vermittlungsmöglichkeit bestanden habe. Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung und Umschulung seien nicht in Betracht gekommen, da der Kläger hierfür keine ausreichenden Sprachkenntnisse habe. Schließlich sei erkennbar, dass sich nach der vorhersehbaren Entwicklung des Arbeitsmarktes auch künftig keine Vermittlungsmöglichkeiten ergeben würden.
Dagegen hat der Kläger am 2. November 1993 Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben.
Ergänzend hat der Kläger vorgetragen, es sei nicht ersichtlich, welche Vermittlungsbemühungen die Beklagte unternommen habe. Tatsächlich bestehe auf dem Arbeitsmarkt ein Bedarf an ausländischen Arbeitskräften, insbesondere nach Asylbewerbern, da deutsche Arbeitnehmer für deren Tätigkeit oftmals nicht zu gewinnen seien.
Die Beklagte hat ergänzend vorgetragen, die Vermittlungsbemühungen des zuständigen Arbeitsvermittlers seien wegen der Arbeitsmarktlage und des Vorrangs deutscher und ihnen gleichgestellter ausländischer Arbeitnehmer erfolglos geblieben.
Das Sozialgericht Gießen hat mit Urteil vom 8. Dezember 1994 die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosenhilfe über den 11. Juni 1993 hinaus in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger besitze einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe auch über den 11. Juni 1993 hinaus, da er der Arbeitsvermittlung über diesen Zeitraum weiterhin zur Verfügung stehe und er die übrigen Voraussetzungen des § 134 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erfülle. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stehe ein Arbeitsloser der Arbeitsvermittlung gemäß § 134 Abs. 4 i.V.m. § 103 Abs. 1 AFG nicht zur Verfügung, wenn er für die Ausübung einer Beschäftigung einer besonderen Erlaubnis bedürfe und diese nicht besitze. Dies treffe insbesondere auf ausländische Arbeitnehmer zu, für die nach § 19 Abs. 1 AFG ein allgemeines Beschäftigungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt gelte. Es genüge jedoch, wenn zu erwarten sei, dass eine Arbeitserlaubnis erteilt werde, wenn ein Arbeitsplatz gefunden werde. Sei ein Arbeitnehmer nicht im Besitz der erforderlichen Arbeitserlaubnis, so sei für die Zukunft zu prüfen, ob die Erteilung einer Arbeitserlaubnis nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht komme. Erst wenn nach längeren erfolglosen Vermittlungsbemühungen sich herausstelle, dass auf dem Arbeitsmarkt keine Beschäftigung zu finden sei, für die eine Arbeitserlaubnis erteilt werden könne, und damit der ausländische Arbeitnehmer gemäß § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG nicht arbeiten dürfe, fehle es ab diesem Zeitpunkt an der Voraussetzung für die Gewährung von Arbeitslosenhilfe. Um dies feststellen zu können, müssten die Vermittlungsbemühungen mindestens ein Jahr angedauert haben. Die Kammer könne der Auffassung der zitieren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Anspruch eines Ausländers auf Arbeitslosenhilfe aus Rechtsgründen nicht folgen. Der Begriff des "Arbeitendürfens” in § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG sei dahingehend zu verstehen, dass der Beschäftigung keine Rechtshindernisse im Wege stehen dürften, wie z.B. Berufs- oder Beschäftigungsverbot oder eine bestandskräftige Ausweisungsverfügung. Die Verfügbarkeit betreffe dagegen die sachliche und persönliche Bereitschaft des Arbeitslosen zu arbeiten und könne deshalb nicht je nach Lage des Arbeitsmarktes wechseln. Das Merkmal "Verschlossenheit des Arbeitsmarktes” stamme aus dem Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung und sei der Arbeitslosenversicherung fremd. Das in der Rentenversicherung entwickelte Kriterium habe dort die Funktion der Abgrenzung der Risikobereiche zwischen Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Im Hinblick auf die Funktion der Arbeitslosenversicherung, das Risiko auch der langjährigen Arbeitslosigkeit abzudecken, zeige, dass das Kriterium der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes systemfremd sei. Treffe die gegenteilige Auffassung zu, so müssten auch für andere Erwerbslose Konsequenzen gezogen werden. Auch leistungsgeminderte und ältere Arbeitnehmer seien derzeit praktisch nicht vermittelbar. Auch diesen Arbeitnehmern müßte jede Leistung verweigert werden, da es bei ihnen zwar nicht am "Arbeiten dürfen”, aber am "Arbeiten können” fehle. Auch sei aus verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht auf das Merkmal des "Arbeitendürfens” abzustellen. Durch die Einbeziehung dieses Merkmals sei die Versicherungsleistung an ausländische Arbeitnehmer auf ein Jahr begrenzt. Ausländische Arbeitnehmer seien jedoch der Beitragspflicht der Bundesanstalt für Arbeit unterworfen. Je nach Dauer der beitragspflichtigen Beschäftigung bestehe ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zu 832 Tage. Diese Anwartschaft unterfalle der Eigentumsgarantie des Artikel 14 Grundgesetz (GG). Die Begrenzung des Bezuges von Arbeitslosengeld auf ein Jahr greife damit in den Schutzbereich des Artikel 14 Abs. 1 GG ein. Auch der allgemeine Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG sei berührt. Die Verneinung der Verfügbarkeit habe schwere versicherungsrechtliche Konsequenzen. Die Möglichkeit der Anerkennung der Zeit der Arbeitslosigkeit als Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch (SGB VI) entfalle. Damit entfalle auch die Möglichkeit, die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Erwerb von Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrente durch weitere Arbeitslosmeldung beim Arbeitsamt nach § 43 Abs. 3, § 44 Abs. 4 SGB VI aufrecht zu erhalten. Das Ziel des Gesetzgebers, Zeiten einer unverschuldeten Arbeitslosigkeit den Versicherten nicht zum Nachteil werden zu lassen (§ 58 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI) könne bei Aufrechterhaltung des Kriteriums der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes nicht erreicht werden.
Gegen das am 22. Dezember 1994 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20. Januar 1995 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, sie habe die Verschlossenheit des Arbeitsmarktes für den Kläger in der Zeit von Juni 1992 bis Juni 1993 geprüft. Sie habe Vermittlungsbemühungen für alle Tätigkeiten im gewerblichen Bereich unterhalb der Facharbeiterebene durchgeführt. Eine darüber hinausgehende Einschränkung der Vermittlungsbemühungen sei nicht gemacht worden. Nach den statistischen Unterlagen seien im September 1992 333 Stellen gemeldet gewesen. Diese Zahl beinhalte 114 Stellen unterhalb der Facharbeiterebene. Im September 1993 seien insgesamt 245 Stellen und 100 Stellen unterhalb der Facharbeiterebene verzeichnet gewesen. Die Anzahl der bevorrechtigten Arbeitslosen habe sich in einer Größenordnung von 1.200 Arbeitslosen bewegt. Aufgrund dieser Arbeitsmarktlage habe man dem Kläger keinen Vermittlungsvorschlag unterbreitet. Das Sozialgericht Gießen habe des weiteren die Absicht des Bundessozialgerichts verkannt, durch die Einführung einer Prüfungsfrist den Arbeitslosen die Möglichkeit zu geben, ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld auszuschöpfen. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stamme aus einer Zeit, in der der Anspruch auf Arbeitslosengeld höchstens 312 Tage betragen habe. Im übrigen erfordere ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für 832 Tage, dass der Arbeitslose u.a. 1.920 Tage (5 Jahre und 4 Monate) in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden habe. Einen Rechtsanspruch auf eine Arbeitserlaubnis nach § 19 Abs. 6 AFG werde durch eine Beschäftigungszeit von fünf Jahren erfüllt. Auch gehe das Gericht in seiner Annahme fehl, die Prognose für die weitere Vermittelbarkeit von Ausländern und die Verneinung der Verfügbarkeit wegen der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes müsse Konsequenzen für den Leistungsanspruch eines weiten Kreises deutscher Arbeitsloser haben. Das Gericht übersehe dabei, dass Ausländer für die Ausübung einer Beschäftigung einer Arbeitserlaubnis bedürften, die bei nicht bevorrechtigten Bewerbern nur erteilt werde, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes dies zulasse. Es bestünden damit durchaus zahlreiche Gründe für eine unterschiedliche Betrachtungsweise zwischen bevorrechtigten und nichtbevorrechtigten Arbeitslosen. Im übrigen gehe es vorliegend allein um einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe. Damit stelle sich nicht die Frage, ob durch die Feststellung der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes eine Versicherungsleistung eingeschränkt werde. Gemäß § 3 Abs. 4 AFG gewähre sie im Auftrag des Bundes die Arbeitslosenhilfe. Damit sei diese nicht beitragsfinanziert. Auch habe der Gesetzgeber durch die Gewährung der Arbeitslosenhilfe nicht vollständig das Risiko der Arbeitslosigkeit abdecken wollen. Dies zeige z.B. § 134 Abs. 4 Satz 2 AFG, nach dem das Teilzeitprivileg des § 102 Abs. 2 Satz 1 AFG für den Bereich der Arbeitslosenhilfe nicht gelte. Offensichtlich habe es der Gesetzgeber auch in Kauf genommen, dass den Arbeitnehmern indirekt Nachteile in der Rentenversicherung entstünden. Im übrigen sei zu der Frage der fehlenden Anrechnungszeiten wegen der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes ein Verfahren vor dem Bundessozialgericht anhängig.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 8. Dezember 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, das Sozialgericht Gießen habe zutreffend entschieden. Die Beklagte habe keine hinreichenden Bemühungen, den Kläger zu vermitteln, dargetan. Im übrigen habe er vom 19. Mai 1995 bis zum 30. April 1996 bei der Firma E. Apparatebau-GmbH als Maschinenbediener gearbeitet. Das Beschäftigungsverhältnis sei wegen Arbeitsmangel gekündigt worden. Diese Beschäftigung habe er durch eigene Initiative erlangt. Die Beklagte habe ihm für diese Tätigkeit eine Arbeitserlaubnis gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 AEVO erteilt.
Das Gericht hat die Leistungsakte der Beklagten, die Akte des Rechtsstreits des Klägers vor dem Verwaltungsgericht Gießen – Az.: 4 E 13015/91 sowie Az.: 2 H 13014/91, die Ausländerakte des Landrats des Lahn-Dill-Kreises beigezogen und auszugsweise kopiert. Des weiteren hat der Senat den für den Kläger zuständigen Arbeitsvermittler, den Zeugen R. N., vernommen. Wegen der Einzelheiten des Vertrags der Beteiligten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und ist statthaft gemäß § 151 Abs. 1; §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist auch begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 8. Dezember 1994 war aufzuheben und die Klage abzuweisen, da der Kläger über den 11. Juni 1993 hinaus keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe besitzt.
Die Beklagte stellte mit den angefochtenen Bescheiden zutreffend die Verschlossenheit des Arbeitsmarktes für den Kläger fest und, dass er der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung steht.
Wie das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 22. September 1988 – Az.: 7 RAr 81/86 – InfoAuslR 1989, 22 ff. ausführt, ist zwar von einer fehlenden Verfügbarkeit nicht bereits dann auszugehen, wenn ein ausländischer Arbeitsloser über keine gültige Arbeitserlaubnis verfüge. Für die Annahme der Verfügbarkeit ist ausreichend, dass dieser Arbeitslose erwarten kann, eine Arbeitserlaubnis im Falle einer Beschäftigungsmöglichkeit zu erhalten. Dabei sei es ohne Unterschied, ob diese unabhängig von dem Arbeitsmarkt gemäß § 19 Abs. 4 Satz 2 AFG oder nach der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 AFG, § 1 AEVO zu erteilen sei. Ein Arbeitsloser, der für eine Beschäftigung nicht über die erforderliche Arbeitserlaubnis verfüge, dürfe jedoch keine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes gemäß § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG ausüben, wenn der deutsche Arbeitsmarkt für ihn verschlossen sei. Verschlossen in diesem Sinne sei der Arbeitsmarkt für den ausländischen Arbeitslosen regelmäßig nicht schon bei der Ungewissheit, ob und wann bzw. für welche Arbeit eine Arbeitserlaubnis in Betracht komme. Die Schlussfolgerung der Verschlossenheit des deutschen Arbeitsmarktes setze eine Prüfzeit der Bundesanstalt für Arbeit von einem Jahr mit nachhaltigen und fortgesetzten Vermittlungsbemühungen in dem Sinne voraus, dass bei jeder gemeldeten offenen Stelle, die für den ausländischen Arbeitsuchenden in Betracht komme, geprüft werde, ob er dort hin vermittelt und ob ihm hierfür eine Arbeitserlaubnis erteilt werden könne. Zwar könne aus dem Umstand, dass dem ausländischen Arbeitslosen innerhalb eines Jahres keine Stellenangebote gemacht worden seien, nicht der Schluss gezogen werden, dass keine Vermittlungsversuche unternommen worden seien. Die Vermittlungsbemühungen könnten sich auch auf gedankliche Operationen beschränken, wenn durch sie gewährleistet sei, dass bei jeder gemeldeten offenen Stelle geprüft werde, ob sie trotz des Vorrangs deutscher und gleichgestellter ausländischer Arbeitnehmer mit den Arbeitnehmern ohne Arbeitserlaubnis besetzt werden könne (BSG SozR 4100 § 19 Nr. 6, § 103 Nr. 22). Nach Überzeugung des Senats müssen die Vermittlungsversuche im Einzelfall soweit wie möglich nachgewiesen werden (ähnlich BSG Urteil vom 19.06.1979 – 7 RAr 49/78).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Wie der Kläger zwar zutreffend ausführt, enthält seine Leistungsakte keinerlei Hinweise auf Vermittlungsbemühen der Beklagten und zwar von seiner Arbeitslosmeldung am 2. Juni 1992 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 30. September 1993.
Die vom Zeugen dargelegten gedanklichen Prozesse haben jedoch sichergestellt, dass bei einer Vermittlung eines auch für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsplatzes seine Vermittlung gedanklich geprüft wurde. Diese Prüfung hatte sich zwar verkürzt, da auf die wenig offenen Stellen zahlenmäßig genügend bevorrechtigte Arbeitslose zur Verfügung standen und somit eine Vermittlung des Klägers nicht in Betracht kam. Die wenigen mit Bevorrechtigten nicht zu besetzenden offenen Stellen wurden nach Aussage des Zeugen zur überbezirklichen Vermittlung weitergegeben, um dort diese Stelle bevorrechtigten Arbeitslosen anbieten zu können. So stieg die Arbeitslosenquote von Dezember 1992 von 7,5 % auf 8,5 % im Juni 1993. Später stieg die Arbeitslosenquote sogar auf 10,2 % im Januar 1994. Eine aktive Vermittlung des Klägers kam somit nicht in Betracht.
Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen kam es im Falle des Klägers auch nicht zu einer Prüfung im Einzelfall in dem Sinne, dass ein Arbeitgeber ein konkretes Gesuch, den Kläger einstellen zu wollen an sie gewendet hätte. Aber auch in einem solchen Falle werde vier Wochen lang geprüft, ob die Stelle mit einem bevorrechtigten Arbeitnehmer besetzt werden könne.
Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG gegeben sind.
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