L 6 AL 467/97

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 12 Ar 1247/96
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 467/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 20. Februar 1997 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Es geht in dem Rechtsstreit um die Höhe des Arbeitslosengeldes ab 6. Juli 1995 und dabei um das Problem des Lohnsteuerklassenwechsels.

Der 1951 geborene Kläger arbeitete von Januar 1992 bis Juni 1993 als Kreditberater bei der Sparkasse W. in B. S. und ab Juli 1993 bis zum 30. Juni 1995 als Sparkassenangestellter der S. S. O ... Er erzielte dort im Januar und Februar 1995 ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von je DM 6.476,45, im März von DM 6.630,80, im April von DM 6.776,40 und in den Monaten Mai und Juni 1995 von jeweils DM 6.845,93. Seine Ehefrau erzielte bei der B.-B. im Januar 1995 ein Bruttoentgelt in Höhe von DM 5.890,–. Ab Februar 1995 war sie im Mutterschutz unter Bezug von Mutterschaftsgeld. Am 18. März 1995 wurde die Tochter Helen geboren. Bis einschließlich 13. Mai 1995 bezog die Ehefrau des Klägers Mutterschaftsgeld und Zuschuß zum Mutterschaftsgeld durch den Arbeitgeber und befand sich anschließend in Erziehungsurlaub. Ausweislich des Erziehungsgeldbescheides vom 22. Juni 1995 erhielt die Klägerin für die Zeit vom 18.3. bis 17.4.1995 kein Erziehungsgeld, vom 18.4. bis 17.5.1995 DM 80,–, vom 18.5. bis 17.9.1995 DM 600,– und für das folgende Halbjahr kein Erziehungsgeld, da das zu berücksichtigende Einkommen zu hoch war. Zu Beginn des Jahres 1995 war in den Lohnsteuerkarten des Klägers und seiner Ehefrau jeweils die Steuerklasse 4 eingetragen. Am 27. April 1995 wurden die Steuerklassen mit Wirkung zum 1. Mai 1995 geändert in 3 (Kläger) und 5 (Ehefrau).

Am 19. Mai 1995 kündigte die S. S. O. das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30. Juni 1995. Am 6. Juli 1995 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Wegen Prüfung der Beachtlichkeit des Lohnsteuerklassenwechsels bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld zunächst in vorläufiger Höhe. Nach Durchführung der erforderlichen Ermittlungen bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Mai 1996 Arbeitslosengeld vom 6. Juli 1995 bis 31. Dezember 1995 in Höhe von DM 547,20 wöchentlich nach einem Bemessungsentgelt von DM 1.540.–, Leistungsgruppe A, 67 %. Mit Bescheid vom 21. Mai 1996 bewilligte die Beklagte für die Zeit ab 1. Januar 1996 Arbeitslosengeld in Höhe von DM 543,– wöchentlich entsprechend der Leistungsverordnung 1996.

Hiergegen hat der Kläger am 21. Mai 1996 Widerspruch eingelegt, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 1996 zurückgewiesen hat. In der Begründung hat sie ausgeführt, daß die Ehefrau des Klägers zum Zeitpunkt des Steuerklassenwechsels Mutterschaftsgeld bezogen habe und deshalb die Arbeitsentgelte, die der Lohnersatzleistung zugrunde gelegen hätten, zu berücksichtigen gewesen seien. Der Steuerklassenwechsel zum 1. Mai 1995 sei somit unbeachtlich, da unter diesen Voraussetzungen die Kombination IV/IV zweckmäßig gewesen sei.

Mit Bescheid vom 11. Juli 1996 wurde für die Zeit ab 1. Juli 1996 der wöchentliche Leistungssatz erhöht auf DM 556,80 unter Berücksichtigung des durch Dynamisierung auf DM 1.590,– erhöhten Bemessungsentgeltes.

Gegen den am 14. Juni 1996 durch Niederlegung bei der Post zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 19. Juli 1996 Klage erhoben. Durch Beschluss vom 19. Dezember 1996 hat das Sozialgericht Gießen hinsichtlich der versäumten Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Der Kläger hat u.a. vorgetragen, das von seiner Ehefrau bezogene Mutterschaftsgeld müsse außer Betracht bleiben, da es nur bis 13. Mai 1995 gelaufen sei. Es habe damit zum Zeitpunkt des Steuerklassenwechsels bereits festgestanden, daß sie nur noch für 13 Tage Lohnersatzleistungen bekomme und danach keine Bezüge mehr. Die vom BSG für erforderlich gehaltene Prognose sehe so aus, daß er Alleinverdiener sei, so daß eine mißbräuchliche Gestaltung nicht ersichtlich sei. Es sei seine Pflicht gewesen, die günstigste Lohnsteuerklasse zu wählen, um als Alleinernährer für die junge Familie die nötigen finanziellen Mittel aufzubringen. Ab 1. Januar 1996 müsse die Wahl der Lohnsteuerklasse auch aus Sicht des Arbeitsamtes gebilligt werden, da seine Ehefrau über keinerlei Bezüge mehr verfügt habe.

Mit Urteil vom 20. Februar 1997 hat das Sozialgericht Kassel die Klage abgewiesen im wesentlichen mit der Begründung, die Beklagte habe das dem Kläger zustehende Arbeitslosengeld richtig berechnet. Der Änderungsbescheid vom 11. Juli 1996 sei gemäß § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens geworden. Die Zuordnung zur Leistungsgruppe C mit einem entsprechend höheren Leistungssatz könne der Kläger nicht verlangen. Die in seiner Lohnsteuerkarte mit Wirkung vom 1. Mai 1995 eingetragene Steuerklasse III habe von der Beklagten nicht berücksichtigt werden dürfen, da die Kombination III/V nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne der Ehegatten entsprochen habe. Ein Vergleich des Bruttoeinkommens des Klägers im Mai 1995 mit dem Mutterschafts- oder Erziehungsgeld seiner Ehefrau sei nicht statthaft nach § 113 Abs. 2 Satz 3 AFG. Vielmehr müsse auf das dieser Lohnersatzleistung zugrundeliegende Arbeitsentgelt der Ehefrau zurückgegriffen werden. Danach sei der Steuerklassenwechsel nicht zweckmäßig gewesen, da im Januar 1995 die Ehefrau brutto DM 5.890,– und der Kläger DM 6.476,45 verdient hätten. Nach den Tabellen des Bundesministers der Finanzen zur Lohnsteuerklassenwahl sei die Kombination III/V erst dann zweckmäßig, wenn der Ehegatte mit der Steuerklasse V nicht mehr als 60 % des anderen Ehegatten verdiene. Auf das Erziehungsgeld könne es schon deshalb nicht ankommen, da der Steuerklassenwechsel vor dem Bezug des Erziehungsgeldes erfolgt sei. Es sei nicht erforderlich, daß ein mißbräuchlicher Steuerklassenwechsel vorliege. Es komme vielmehr darauf an, daß kein Steuerklassenwechsel, der allein im Hinblick auf einen Lohnausfall bei einem der beiden Ehegatten vorgenommen werde, sich auf die Höhe des Arbeitslosengeldes auswirke, wenn der Lohnausfall einen Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung begründe. Die zutreffende Leistungsgruppe bleibe auch für die Zeit ab 1. Januar 1996 maßgeblich, da es hinsichtlich der Steuerklasse auf den Zeitpunkt der Entstehung des Arbeitslosengeldanspruchs ankomme. Dies sei hier der 6. Juli 1995 gewesen.

Gegen das am 10. März 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. März 1997 Berufung eingelegt. Der Kläger trägt vor, das Sozialgericht habe nicht berücksichtigt, daß das Mutterschaftsgeld lediglich bis 13. Mai 1995 zu erwarten gewesen wäre, sondern habe lediglich die Relation am 1. Mai 1995 berücksichtigt. Es müsse aber auf die Monatsrelation abgestellt werden; insoweit habe Gewißheit bestanden, daß ab 14. Mai 1995 überhaupt keine Lohnersatzleistung für seine Ehefrau mehr anzutreffen gewesen wäre. Die geänderte Steuerklasse habe sich erst am 1. Juni 1995 ausgewirkt. Es müsse bezweifelt werden, daß das Erziehungsgeld auch als Lohnersatzleistung bewertet werden könne, wie sich aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 10/10.1996 (Rs. C 245/94 und C 312/94) ergebe, wonach es sich um eine Familienleistung handele. Dem entspreche auch das Urteil des BSG vom 29. April 1997 (5 RJ 84/95 = NZS 1997, Seite VI). Der Schutz der Ansprüche auf Arbeitslosengeld falle unter die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes. Seine (des Klägers) vernünftige und sachgerechte Disposition hinsichtlich der Lohnsteuerkarte sei unter Beachtung der Freiheitsrechte aus der Eigentumsgarantie und dem Schutz der Familie zu würdigen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 20. Februar 1997 aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 10. Mai 1996 und vom 21. Mai 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 1996 sowie den Bescheid vom 11. Juli 1996 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm höheres Arbeitslosengeld ab dem 6. Juli 1995 unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe C zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen,
höchst hilfsweise,
dem Bundesverfassungsgericht nach Artikel 100 GG die Frage vorzulegen, daß die vom Sozialgericht zitierte Auslegung der §§ 112, 113 AFG mit Art. 14 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG nicht vereinbar ist.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, angesichts der eindeutigen Regelung des § 113 Abs. 2 AFG könne die Rechtslage nicht im Sinne des Klägers bewertet werden. Es komme auf den Tag des Steuerklassenwechsels und auf die Einkommensverhältnisse an diesem Tag an. Es sei deshalb nicht entscheidungserheblich, wie sich die Rechtslage ausgewirkt hätte, wenn der Steuerklassenwechsel erst am 14. Mai 1995 vorgenommen worden wäre. Nach der Rechtsprechung des BSG sei jedoch das Erziehungsgeld ebenfalls eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung, so daß die angefochtenen Bescheide auch unter diesem Gesichtspunkt rechtmäßig seien. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Berufung ist auch zulässig, jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 20. Februar 1997 ist nicht zu beanstanden.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 10. Mai 1996 und vom 21. Mai 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 1996 sowie der Bescheid vom 11. Juli 1996 sind zu Recht ergangen.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld für die Zeit ab 6. Juli 1995.

Bei einem Bemessungsentgelt in Höhe von DM 1.540,– wöchentlich, erhöhtem Leistungssatz von 67 % (bei einem Kind), sowie Leistungsgruppe A (Steuerklasse 4) stand dem Kläger nach der Leistungsverordnung 1995 ein wöchentlicher Leistungssatz in Höhe von DM 547,20 zu, den die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 10. Mai 1996 für die Zeit vom 6. Juli bis 31. Dezember 1995 auch bewilligt hat. Nach der Leistungsverordnung 1996 verringerte sich ab 1. Januar 1996 der wöchentliche Leistungssatz auf DM 543,–, den die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 21. Mai 1996 für die Zeit ab 1. Januar 1996 auch bewilligt hat. Unter Berücksichtigung der Dynamisierung des Bemessungsentgeltes auf DM 1.590,– mit Wirkung ab 1. Juli 1996 stand dem Kläger ab diesem Zeitpunkt Arbeitslosengeld in Höhe von DM 556,80 wöchentlich zu; Arbeitslosengeld in dieser Höhe wurde dem Kläger mit dem ebenfalls streitgegenständlichen Bescheid vom 11. Juli 1996 bewilligt.

Die Berücksichtigung einer günstigeren Leistungsgruppe (hier C) mit einem um ca. DM 100,– höheren wöchentlichen Leistungssatz war auch nach Auffassung des erkennenden Senats nicht möglich. Nach § 113 Abs. 1 AFG ist die Lohnsteuerklasse maßgebend, die zu Beginn des Kalenderjahres eingetragen war, in dem der Anspruch entstanden ist, hier also die Steuerklasse 4. Der vom Kläger und seiner Ehefrau mit Wirkung zum 1. Mai 1995 vorgenommene Lohnsteuerklassenwechsel (3 – Kläger, 5 – Ehefrau) muß entsprechend § 113 Abs. 2 AFG unberücksichtigt bleiben, da er an dem Tag, an dem die Änderung wirksam wurde (1. Mai 1995), offensichtlich nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne der Ehegatten entsprach. Dabei hatte nach § 113 Abs. 2 Satz 3 AFG ein Ausfall des Arbeitslohnes der Ehefrau außer Betracht zu bleiben, da darauf die lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung des von der Ehefrau bezogenen Mutterschaftsgeldes sowie des vom Arbeitgeber gezahlten Zuschusses zum Mutterschaftsgeld beruhte, §§ 13, 14 MuSchG (vgl. Urteil des BSG vom 20. März 1984 – 7 RAr 40/83). Das Mutterschaftsgeld sowie der Zuschuß zum Mutterschaftsgeld sollen während der Schutzfrist das ausfallende Arbeitsentgelt ersetzen. Das Arbeitsentgelt des Klägers sowie das Arbeitsentgelt seiner Ehefrau (das durch Mutterschaftsgeld und Zuschuß zum Mutterschaftsgeld ersetzt wurde) waren am Stichtag (1. Mai 1995) von der Höhe her nicht so unterschiedlich, daß eine andere als die zu Beginn des Jahres 1995 eingetragene Kombination (4/4) diesem Verhältnis entsprochen hätte, bzw. die ab 1. Mai wirksame Kombination (3/5) entsprach offensichtlich nicht dem Verhältnis der beiderseitigen Arbeitslöhne. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit ergänzend auf die Gründe des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Gießen Bezug genommen, § 153 Abs. 2 SGG.

Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es dabei nicht auf eine prognostische Betrachtung der Beklagten an dergestalt, daß zu prüfen wäre, ob in Zukunft (in wenigen Wochen?, in spätestens einem Monat? oder durchschnittlich für den Rest des Jahres?) die Verhältnisse sich so ändern werden, daß der Lohnsteuerklassenwechsel nachträglich den dann eintretenden Verhältnissen entspricht. Dies widerspräche dem Gesetzeswortlaut, der eine Prüfung am Stichtag des Beginns der Wirksamkeit der neuen Lohnsteuerklassen vorschreibt (vgl. Urteil BSG vom 27.9.1989 – 11 RAr 57/88 = SozR 4100, § 113 AFG Nr. 11). Dabei entfaltet die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte (hier: Diese Eintragung gilt, wenn sie nicht widerrufen wird, vom 1. Mai 1995 bis zum 31.12.1995) für die sozialrechtliche Überprüfung Tatbestandswirkung. Es muß deshalb unbeachtlich bleiben, daß sich die Einkommensverhältnisse der Eheleute Mitte Mai durch den Übergang von den Mutterschaftsleistungen zum Erziehungsgeld und ab 18. September 1995 durch den Wegfall des Erziehungsgeldes änderten und mit der letzten Änderung ein dann vorgenommener Lohnsteuerklassenwechsel erfolgreich i.S. § 113 Abs. 2 AFG gewesen wäre. Ein Lohnsteuerklassenwechsel "zur Unzeit” wird durch das Gesetz jedoch nicht geschützt (vgl. Urteil BSG 11.2.1988 – 7 RAr 4/87 = SozR 4100, § 113 AFG, Nr. 7).

Grundrechte des Klägers sind nicht verletzt, insbesondere schon deshalb nicht, da die von ihm gewünschte Gestaltung bei anderer Zeitwahl durchaus möglich gewesen wäre.

Da im vorliegenden Fall die Charakterisierung von Mutterschaftsgeld und Zuschuß zum Mutterschaftsgeld als Lohnersatzleistung ausschlaggebend für die getroffene Entscheidung ist, kommt es auf die diskutierte Frage, ob Erziehungsgeld unter Berücksichtigung des neuen Urteils des EuGH vom 10. Oktober 1996 (C-245/94 und C-312/94 = NJW 1997, S. 43) und gegen die bisherige Rechtsprechung sowohl des erkennenden Senats (vgl. Beschluss vom 11. März 1997 – L 6/Ar 51/96, Urteil vom 22. Oktober 1997 – L 6/Ar 474/96, Urteil vom 22. Oktober 1997 – L 6/Ar 1355/95) als auch des BSG (vgl. Urteil vom 29.4.1992 = SozR 3-4100 § 113 AFG Nr. 1) noch weiterhin als Lohnersatzleistung i.S. § 113 Abs. 2 AFG angesehen werden kann, nicht mehr an. Nur hilfsweise ist auszuführen, daß nach Auffassung des erkennenden Senats die vom Kläger vorgenommene Interpretation hinsichtlich des im Urteil des EuGH (s.o.) verwendeten Begriffs des Erziehungsgeldes als Familienleistung nicht zu dem gewünschten Ergebnis im vorliegenden Fall führen kann. Mit diesem Urteil ist nicht die negative Feststellung verbunden, daß diese Familienleistung bisherigen Arbeitslohn nicht ersetzen kann. Immerhin erkennt der EuGH, daß das Erziehungsgeld teilweise vom Alter und der Zahl der Kinder sowie vom Einkommen der Eltern abhängt. Damit wird nicht ausgeschlossen, daß Erziehungsgeld i.S. der bisherigen Rechtsprechung auch als Ersatz für früheren Arbeitslohn angesehen werden kann, ungeachtet eines weitergehenden Anspruchserwerbs als Familienleistung.

Zu einem abweichenden Ergebnis führt auch nicht die Feststellung des 5. Senats des BSG im Urteil vom 29. April 1997 – 5 RJ 84/95 (= SGb 1998, S. 33, 35), (handelt es sich beim Erziehungsgeld damit ausdrücklich nicht um eine Lohnersatzleistung, sondern um eine familienpolitisch motivierte Sozialleistung, die die Kindererziehung in den ersten Lebensjahren fördern soll), da sie nicht entscheidungserheblich war. Im dortigen Rechtsstreit ging es entscheidungserheblich nur um die Frage, ob sich die Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB 10 geändert hatten und es wurde festgestellt, daß durch den Erziehungsurlaub das Ausbildungsverhältnis nur unterbrochen, aber nicht beendet worden sei und deshalb kein Grund bestanden habe, die gewährte Waisenrente zu entziehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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