L 6 AL 320/98

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 17/23 Ar 977/96
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 320/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I Der Antrag der Klägerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich des Erstattungsbescheides vom 20. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1996 wird abgewiesen.

II Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

I

Mit Gerichtsbescheid vom 27. Februar 1998 (S-17/23/Ar-977/96) wies das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage gegen die Erstattungsbescheide der Beklagten nach § 128 AFG hinsichtlich des Arbeitnehmers G. D. im wesentlichen mit der Begründung ab, daß die Beklagte zutreffend keine Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs auf eine andere Sozialleistung des früheren Arbeitnehmers gesehen habe und die Erstattungspflicht schon deshalb nicht entfalle, da das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag und nicht durch Kündigung beendet worden sei. Es liege auch keiner der übrigen Ausnahmegründe des § 128 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 7 vor. Hinsichtlich der Beschäftigung von nicht mehr als 20 Arbeitnehmern gelte, daß die Niederlassung in M. kein eigenständiger Betrieb sei. Die Stillegung des Betriebsteils in H. stelle auch keinen wichtigen Grund i.S. § 626 BGB für eine Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist dar. Hinsichtlich des Befreiungstatbestandes wegen Personalabbaus sei wiederum auf den Hauptbetrieb in H. abzustellen; insoweit habe die Beklagte einen entsprechenden Personalabbau nicht dargelegt.

Gegen den am 3. März 1998 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 10. März 1998 Berufung eingelegt.

Die Klägerin begehrt nach Rücknahme der Beschwerde gegen den die Vollstreckungsaufschiebung ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts nunmehr von dem Gericht der Hauptsache, im Wege der einstweiligen Anordnung die aufschiebende Wirkung gegen die angefochtenen Bescheide herzustellen.

Sie trägt vor, der geschlossene Aufhebungsvertrag sei einer betriebsbedingten Kündigung durch die Klägerin gleichzuachten. Es genüge daher, wenn sie nunmehr darlege und nachweise, daß die entsprechenden Kündigungsgründe vorgelegen hätten. Durch die Schließung des eigenständigen Betriebes in H. sei es zu einem Personalabbau von 100 % gekommen.

Die Beklagte widerspricht dem gestellten Antrag und verweist auf die neue Rechtsprechung des BSG und trägt ergänzend vor, hinsichtlich der Befreiungsvorschrift des § 128 Abs. Satz 2 Nr. 2 AFG komme es auf die Anzahl der Beschäftigten bei einem Arbeitgeber (und nicht in einem Betrieb – sei dieser selbständig oder nicht) an. Bei einem Arbeitgeber, der mehrere Betriebe habe, seien die Beschäftigtenzahlen zusammenzurechnen. Hinsichtlich der Befreiungstatbestände nach § 128 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 6 und 7 AFG sei die Einschätzung des Sozialgerichts nicht widerlegt, daß es sich bei der Niederlassung H. nicht um einen selbständigen Betrieb gehandelt habe. Dies ergebe sich bereits aus dem Vortrag der Klägerin, daß bei Einstellungen und Entlassungen die Personalabteilung in H. eingeschaltet worden sei.

Entscheidungsgründe:

II

Nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens bestehen für den erkennenden Senat keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitbefangenen Abrechnungsbescheides der Beklagten vom 20. Februar 1996 mit einem Erstattungsbetrag in Höhe von DM 57.090,94 für den Gesamtzeitraum vom 1. November 1994 bis 31. Oktober 1995 (seit 1. November 1995 bezieht der frühere Arbeitnehmer Altersruhegeld nach Arbeitslosigkeit). Nach §§ 128c AFG, 80 Abs. 5 VwGO (entsprechend) ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung eine unbillige Härte bedeuten würde (vgl. § 80 Abs. 4, Satz 3 VwGO, Niesel, AFG, 2. Auflage, § 128c RdNr. 3). Auszugehen ist von der gesetzgeberischen Grundentscheidung, daß im Normalfall die Erstattungsforderung im Rahmen des § 128 AFG entsprechend § 128c AFG unabhängig von Widerspruch und Klage durchgesetzt wird. Dabei sind ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheides erst dann gegeben, wenn im Hauptsacheverfahren eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit in dem Sinne besteht, daß der Erfolg wahrscheinlicher als der Mißerfolg ist (vgl. zum Meinungsstreit Kopp, VwGO, 9. Auflage, § 80, RdNr. 70). Es reicht nach Auffassung des erkennenden Senats nicht aus, daß Erfolg und Mißerfolg gleich wahrscheinlich oder unwahrscheinlich sind (sich die Waage halten), bzw. eine Voraussage des Ergebnisses noch nicht prognostiziert werden kann. Dies würde im Ergebnis die gesetzgeberische Absicht unterlaufen, im Normalfall die Erstattungsforderung ungeachtet eines eingelegten Rechtsmittels zu vollstrecken.

Die Frage der Rechtmäßigkeit des sogenannten Grundlagenbescheides vom 1. September 1995 ist für das vorliegende Verfahren im Rahmen der begehrten einstweiligen Anordnung unerheblich, da die Erstattungsbescheide eine eigene Feststellung über die Erstattungspflicht treffen und deshalb ihre Rechtmäßigkeit auch unabhängig von einer evtl. Rechtswidrigkeit des Grundlagenbescheides zu prüfen ist (vgl. Urteil des BSG vom 17. Dezember 1997 – 11 RAr 61/97) und sie dementsprechend auch bei Rechtswidrigkeit des Grundlagenbescheides Bestand haben können. Da der streitbefangene Erstattungsbescheid den Gesamtzeitraum der möglichen Erstattungsforderung abdeckt, kommt dem Grundlagenbescheid auch kein eigenständiger oder weitergehender Regelungsgehalt mehr zu.

Hinsichtlich der Auffassung der Klägerin, daß ein Aufhebungsvertrag einer sozial gerechtfertigten Kündigung des Arbeitnehmers gleichzustellen sei, ist eine Erfolgswahrscheinlichkeit nicht gegeben. Insoweit verweist der erkennende Senat entsprechend § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 27. Februar 1998, der durch Urteil des BSG vom 17. Dezember 1997 (11 RAr 61/97) insoweit inhaltlich bestätigt wird.

Es kann nach dem derzeitigen Aktenstand unter Berücksichtigung des Vertrages der Beteiligten auch nicht festgestellt werden, daß eine Erfolgswahrscheinlichkeit der Berufung hinsichtlich der weiteren Befreiungstatbestände gegeben ist. Auch insoweit verweist der erkennende Senat auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheides entsprechend § 153 Abs. 2 SGG.

Bei fehlender überwiegender Erfolgswahrscheinlichkeit des Hauptsacheverfahrens kann ein Verzicht auf den gesetzlich vorgesehenen Sofortvollzug im vorliegenden Fall ferner deshalb nicht erfolgen, da die Klägerin nicht dargelegt und glaubhaft gemacht hat, daß sie durch die gegenwärtige Zahlung der streitbefangenen Summe in wirtschaftliche Bedrängnis geraten würde, ungeachtet des späteren Ausgangs des Hauptsacheverfahrens (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 7. Mai 1998 – L 6 AL 175/98 ER).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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