Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 12 Ar 726/96
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 786/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 23. April 1997 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 1996, beide in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 13. März 1997, werden aufgehoben sowie der Bescheid vom 13. Oktober 1995 wird abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld auch in der Zeit vom 5. Juli 1995 bis 26. September 1995 zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um das Ruhen des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 05.07.1995 bis 26.09.1995.
Der Kläger, geboren 1961, ist von Beruf Stahlwerker und war seit September 1993 bei der Fa. Edelstahlwerke B. AG in W. beschäftigt. Seit dem 24.02.1994 war er arbeitsunfähig erkrankt und wurde am 04.07.1995 von der Krankenkasse ausgesteuert. Am gleichen Tag, am 04.07.1995, schloß der Kläger mit seiner Arbeitgeberin einen Aufhebungsvertrag zum 05.07.1995. Es wurde eine Abfindung in Höhe von 20.000 DM vereinbart. Die Kündigungsfrist hätte 5 Monate zum Ende des Vierteljahres betragen.
Am 05.07.1995 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Dazu legte er eine Bescheinigung von Dr. P. vom 27.07.1995 vor. Danach sei der Kläger aufgrund seiner erheblichen degenerativen LWS-Erkrankung nicht mehr in der Lage, eine mittelschwere bis schwere körperliche Tätigkeit vollschichtig auszuüben. Er habe deshalb auf ärztliches Anraten seine Tätigkeit als Stahlwerker aufgegeben.
Mit Bescheid vom 11.10.1995 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe aufgrund der erhaltenen Abfindung und der restlichen 15 Urlaubstage bis zum 11.10.95 und gewährte mit Bescheid vom 13.10.1995 Arbeitslosengeld ab 12.10.1995.
Am 17.10.1995 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Ruhensbescheid vom 11.10.1995. Dazu trug er vor, er habe aufgrund seiner Erkrankung seine Tätigkeit nicht mehr ausüben können und deshalb 1 ½ Jahre Krankengeld bezogen. Aus diesem Grunde habe er auch eine Reha-Maßnahme ins Auge gefaßt. Der Kläger legte weitere ärztliche Unterlagen vor und die Beklagte veranlaßte eine arbeitsamtsärztliche Untersuchung durch Dr. W ... Dieser kam in seinem Gutachten ohne Datum zu dem Ergebnis, bei dem Kläger liege eine bleibende Arbeitsunfähigkeit als Gießer und Pfannenmann vor.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.1996 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Ruhenstatbestand des § 117 Abs. 1 a und Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sei erfüllt, da der Kläger noch Anspruch auf 15 Tage Urlaub besessen habe und sein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet worden sei. Des weiteren erläuterte die Beklagte die Berechnung des Ruhenszeitraums aufgrund der gezahlten Abfindung. Auch greife § 117 Abs. 3 AFG nicht zu Gunsten des Klägers ein. Aufgrund der Erkrankung des Klägers hätte die Arbeitgeberin zwar aus wichtigem Grund kündigen können, aber nur unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist.
Gegen den am 01.04.1996 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 22.04.1996 Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben.
Nachdem die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 28.02.1997 mitgeteilt hatte, daß in der Abfindung von 20.000 DM der abzugeltende Urlaub enthalten sei, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 13.03.1997 anerkannt, daß § 117 Abs. 1 a AFG keine Anwendung findet und der Anspruch des Klägers gem. § 117 Abs. 2 AFG nur bis zum 26.09.1995 ruhe. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen und im übrigen sein Begehren weiter verfolgt.
Das Sozialgericht hat im Einverständnis mit den Beteiligten mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 23.04.1997 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es in den Entscheidungsgründen dargelegt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 05.07. bis zum 26.09.1995. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe gem. § 117 Abs. 1 Satz 1 und 2 AFG vom Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der Kündigungsfrist geendet hätte, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen habe und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden sei. Die Frist beginne mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen sei, bei Fehlen einer solchen mit dem Tage der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Auch greife zu Gunsten des Klägers § 117 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AFG nicht ein. Danach ruhe der Anspruch nicht über den Tag hinaus, an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grunde ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können. Vorliegend hätte die Arbeitgeberin des Klägers das Arbeitsverhältnis wegen der lang anhaltenden Krankheit nicht außerordentlich kündigen können.
Gegen das am 14.05.1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.06.1997 Berufung bei dem Sozialgericht eingelegt.
Er ist der Auffassung, § 117 AFG greife nicht ein. Er habe seinerzeit das Arbeitsverhältnis auf Anraten seines Arztes beendet. Die Abfindung habe er nur aufgrund seines Verhandlungsgeschickes unter Beteiligung des Betriebsrates erhalten. In der Abfindung sei kein Arbeitsentgelt enthalten. Da er bis zum Ausschöpfen des Anspruchs Krankengeld bezogen habe, hätte er Anspruch auf Arbeitslosengeld besessen. In seiner Situation könne die Zahlung einer Abfindung nicht zu seinen Lasten gehen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 23. April 1997 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 1996 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 13. März 1997 aufzuheben sowie den Bescheid vom 13. Oktober 1995 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen ihm Arbeitslosengeld auch in der Zeit vom 05. Juli 1995 bis 26. September 1995 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht Gießen habe mit dem angefochtenen Urteil zutreffend entschieden.
Der Senat hat die Leistungsakte der Beklagten (Stamm-Nr. XXX) beigezogen. Wegen der Einzelheiten des Vertrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und ist statthaft gem. § 151 Abs. 1 und Abs. 2; §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Sie ist auch begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 23.04.1997 und der Bescheid der Beklagten vom 11.10.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.1996, beide in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 13.03.1997 waren aufzuheben, der Bescheid vom 13.10.1995 war abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld auch in der Zeit von 05.07.1995 bis 26.09.1995 zu gewähren.
Der Kläger besitzt gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld auch für diese Zeit gem. §§ 100 Abs. 1, 101 Abs. 1, 103 Abs. 1, 104 und 105 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Der Kläger hat sich unstreitig am 05.07.1995 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet, die Gewährung von Arbeitslosengeld beantragt, war bereits ab diesem Tag arbeitslos, hatte die Anwartschaftszeit erfüllt und stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Ein Fall des Ruhens seines Leistungsanspruchs nach § 117 Abs. 2 AFG liegt nicht vor.
Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts Gießen ist die Regelung des § 117 Abs. 2 S. 1 AFG vorliegend nicht einschlägig. Danach ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitsgebers entsprechenden Frist beendet worden ist. Diese Vorschrift begründet eine typisierte Regelvermutung, daß eine solche Abfindung zumindest teilweise Lohnansprüche für die Zeit zwischen der vereinbarten Beendigung der Beschäftigung und dem Ende der ordentlichen Kündigungsfrist enthält (HLSG Urteil vom 18.07.1990, Az. L 6/Ar 603/89 in info also 1990, 209, 210).
Vorliegend kann jedoch nicht angenommen werden, daß die dem Kläger aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindung Lohnansprüche enthält.
Nach der Einstellung der Zahlung von Krankengeld am 04.07.1995 wegen des Ausschöpfens des Anspruchs nach § 48 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V), hat der Kläger keinen Lohnanspruch gegenüber seinem Arbeitgeber erworben. Da das Arbeitsverhältnis am 04. zum 05.07.1995 aufgehoben wurde, hat der Kläger nach Beendigung der Zahlung von Krankengeld keine Arbeit geleistet.
Auch ist nach dem Attest von Dr. P. vom 27.07.1995 und den Feststellungen des Arbeitsamtsarztes Dr. W. davon auszugehen, daß der Kläger die seinem Arbeitgeber geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen konnte. Nach dem Attest von Dr. P. bestand bei dem Kläger eine erhebliche degenerative LWS-Erkrankung, aufgrund derer er nicht mehr in der Lage war, eine mittelschwere bis schwere körperliche Tätigkeit vollschichtig auszuüben. Auch Dr. W. kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, daß der Kläger auf Dauer für die Tätigkeit als Gießer und Pfannenmann arbeitsunfähig ist.
Nach dem Grundsatz "ohne Arbeit kein Anspruch auf Arbeitsentgelt” besaß der Kläger somit im Zeitpunkt des Abschlusses der Aufhebungsvertrages und später keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt.
Hat der Kläger im Zeitpunkt der Vereinbarung der Abfindung gegenüber seinem Arbeitgeber keinen Lohnanspruch und kann er die geschuldete Arbeitsleistung für die Zukunft auf absehbare Zeit nicht erbringen, so stellt die bezahlte Abfindung keinen Ausgleich für den Verzicht auf Arbeitsentgelt dar. Besitzt der Arbeitslose jedoch keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt, so kann er auch nicht auf einen solchen verzichten. Damit greift § 117 Abs. 2 AFG nicht ein. Denn nach dem Grundsatz des § 117 Abs. 1 AFG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Zeit, für die der Arbeitslose Arbeitsentgelt erhält oder zu beanspruchen hat. Ziel und Zweck der Ruhensregelung ist es, die gleichzeitige Zahlung von Arbeitsentgelt und Arbeitslosengeld zu vermeiden. Besitzt der Arbeitslose jedoch keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt, so besteht nach § 117 AFG keine Veranlassung, seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhen zu lassen (HLSG Urteil vom 18.09.1996, Az.: L 6/Ar 917/94).
Damit war die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13.10.1995 zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 05.07.1995 bis 26.09.1995 zu gewähren. Der Bescheid vom 13.03.1995 war abzuändern, da die Beklagte mit diesem auf den Antrag des Klägers ihm Leistungen erst ab dem 12.10.1995 bewilligt hat. Dieser Erstbewilligungsbescheid enthielt damit die Entscheidung der Beklagten, dem Kläger nicht antragsgemäß ab 05.07.1995, sondern Leistungen ab dem 12.10.1995 zu gewähren. Als Erstbewilligungsbescheid war jedoch dieser Bescheid nicht aufzuheben, sondern abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um das Ruhen des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 05.07.1995 bis 26.09.1995.
Der Kläger, geboren 1961, ist von Beruf Stahlwerker und war seit September 1993 bei der Fa. Edelstahlwerke B. AG in W. beschäftigt. Seit dem 24.02.1994 war er arbeitsunfähig erkrankt und wurde am 04.07.1995 von der Krankenkasse ausgesteuert. Am gleichen Tag, am 04.07.1995, schloß der Kläger mit seiner Arbeitgeberin einen Aufhebungsvertrag zum 05.07.1995. Es wurde eine Abfindung in Höhe von 20.000 DM vereinbart. Die Kündigungsfrist hätte 5 Monate zum Ende des Vierteljahres betragen.
Am 05.07.1995 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Dazu legte er eine Bescheinigung von Dr. P. vom 27.07.1995 vor. Danach sei der Kläger aufgrund seiner erheblichen degenerativen LWS-Erkrankung nicht mehr in der Lage, eine mittelschwere bis schwere körperliche Tätigkeit vollschichtig auszuüben. Er habe deshalb auf ärztliches Anraten seine Tätigkeit als Stahlwerker aufgegeben.
Mit Bescheid vom 11.10.1995 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe aufgrund der erhaltenen Abfindung und der restlichen 15 Urlaubstage bis zum 11.10.95 und gewährte mit Bescheid vom 13.10.1995 Arbeitslosengeld ab 12.10.1995.
Am 17.10.1995 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Ruhensbescheid vom 11.10.1995. Dazu trug er vor, er habe aufgrund seiner Erkrankung seine Tätigkeit nicht mehr ausüben können und deshalb 1 ½ Jahre Krankengeld bezogen. Aus diesem Grunde habe er auch eine Reha-Maßnahme ins Auge gefaßt. Der Kläger legte weitere ärztliche Unterlagen vor und die Beklagte veranlaßte eine arbeitsamtsärztliche Untersuchung durch Dr. W ... Dieser kam in seinem Gutachten ohne Datum zu dem Ergebnis, bei dem Kläger liege eine bleibende Arbeitsunfähigkeit als Gießer und Pfannenmann vor.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.1996 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Ruhenstatbestand des § 117 Abs. 1 a und Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sei erfüllt, da der Kläger noch Anspruch auf 15 Tage Urlaub besessen habe und sein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet worden sei. Des weiteren erläuterte die Beklagte die Berechnung des Ruhenszeitraums aufgrund der gezahlten Abfindung. Auch greife § 117 Abs. 3 AFG nicht zu Gunsten des Klägers ein. Aufgrund der Erkrankung des Klägers hätte die Arbeitgeberin zwar aus wichtigem Grund kündigen können, aber nur unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist.
Gegen den am 01.04.1996 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 22.04.1996 Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben.
Nachdem die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 28.02.1997 mitgeteilt hatte, daß in der Abfindung von 20.000 DM der abzugeltende Urlaub enthalten sei, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 13.03.1997 anerkannt, daß § 117 Abs. 1 a AFG keine Anwendung findet und der Anspruch des Klägers gem. § 117 Abs. 2 AFG nur bis zum 26.09.1995 ruhe. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen und im übrigen sein Begehren weiter verfolgt.
Das Sozialgericht hat im Einverständnis mit den Beteiligten mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 23.04.1997 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es in den Entscheidungsgründen dargelegt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 05.07. bis zum 26.09.1995. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe gem. § 117 Abs. 1 Satz 1 und 2 AFG vom Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der Kündigungsfrist geendet hätte, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen habe und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden sei. Die Frist beginne mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen sei, bei Fehlen einer solchen mit dem Tage der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Auch greife zu Gunsten des Klägers § 117 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AFG nicht ein. Danach ruhe der Anspruch nicht über den Tag hinaus, an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grunde ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können. Vorliegend hätte die Arbeitgeberin des Klägers das Arbeitsverhältnis wegen der lang anhaltenden Krankheit nicht außerordentlich kündigen können.
Gegen das am 14.05.1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.06.1997 Berufung bei dem Sozialgericht eingelegt.
Er ist der Auffassung, § 117 AFG greife nicht ein. Er habe seinerzeit das Arbeitsverhältnis auf Anraten seines Arztes beendet. Die Abfindung habe er nur aufgrund seines Verhandlungsgeschickes unter Beteiligung des Betriebsrates erhalten. In der Abfindung sei kein Arbeitsentgelt enthalten. Da er bis zum Ausschöpfen des Anspruchs Krankengeld bezogen habe, hätte er Anspruch auf Arbeitslosengeld besessen. In seiner Situation könne die Zahlung einer Abfindung nicht zu seinen Lasten gehen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 23. April 1997 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 1996 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 13. März 1997 aufzuheben sowie den Bescheid vom 13. Oktober 1995 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen ihm Arbeitslosengeld auch in der Zeit vom 05. Juli 1995 bis 26. September 1995 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht Gießen habe mit dem angefochtenen Urteil zutreffend entschieden.
Der Senat hat die Leistungsakte der Beklagten (Stamm-Nr. XXX) beigezogen. Wegen der Einzelheiten des Vertrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und ist statthaft gem. § 151 Abs. 1 und Abs. 2; §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Sie ist auch begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 23.04.1997 und der Bescheid der Beklagten vom 11.10.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.1996, beide in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 13.03.1997 waren aufzuheben, der Bescheid vom 13.10.1995 war abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld auch in der Zeit von 05.07.1995 bis 26.09.1995 zu gewähren.
Der Kläger besitzt gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld auch für diese Zeit gem. §§ 100 Abs. 1, 101 Abs. 1, 103 Abs. 1, 104 und 105 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Der Kläger hat sich unstreitig am 05.07.1995 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet, die Gewährung von Arbeitslosengeld beantragt, war bereits ab diesem Tag arbeitslos, hatte die Anwartschaftszeit erfüllt und stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Ein Fall des Ruhens seines Leistungsanspruchs nach § 117 Abs. 2 AFG liegt nicht vor.
Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts Gießen ist die Regelung des § 117 Abs. 2 S. 1 AFG vorliegend nicht einschlägig. Danach ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitsgebers entsprechenden Frist beendet worden ist. Diese Vorschrift begründet eine typisierte Regelvermutung, daß eine solche Abfindung zumindest teilweise Lohnansprüche für die Zeit zwischen der vereinbarten Beendigung der Beschäftigung und dem Ende der ordentlichen Kündigungsfrist enthält (HLSG Urteil vom 18.07.1990, Az. L 6/Ar 603/89 in info also 1990, 209, 210).
Vorliegend kann jedoch nicht angenommen werden, daß die dem Kläger aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindung Lohnansprüche enthält.
Nach der Einstellung der Zahlung von Krankengeld am 04.07.1995 wegen des Ausschöpfens des Anspruchs nach § 48 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V), hat der Kläger keinen Lohnanspruch gegenüber seinem Arbeitgeber erworben. Da das Arbeitsverhältnis am 04. zum 05.07.1995 aufgehoben wurde, hat der Kläger nach Beendigung der Zahlung von Krankengeld keine Arbeit geleistet.
Auch ist nach dem Attest von Dr. P. vom 27.07.1995 und den Feststellungen des Arbeitsamtsarztes Dr. W. davon auszugehen, daß der Kläger die seinem Arbeitgeber geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen konnte. Nach dem Attest von Dr. P. bestand bei dem Kläger eine erhebliche degenerative LWS-Erkrankung, aufgrund derer er nicht mehr in der Lage war, eine mittelschwere bis schwere körperliche Tätigkeit vollschichtig auszuüben. Auch Dr. W. kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, daß der Kläger auf Dauer für die Tätigkeit als Gießer und Pfannenmann arbeitsunfähig ist.
Nach dem Grundsatz "ohne Arbeit kein Anspruch auf Arbeitsentgelt” besaß der Kläger somit im Zeitpunkt des Abschlusses der Aufhebungsvertrages und später keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt.
Hat der Kläger im Zeitpunkt der Vereinbarung der Abfindung gegenüber seinem Arbeitgeber keinen Lohnanspruch und kann er die geschuldete Arbeitsleistung für die Zukunft auf absehbare Zeit nicht erbringen, so stellt die bezahlte Abfindung keinen Ausgleich für den Verzicht auf Arbeitsentgelt dar. Besitzt der Arbeitslose jedoch keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt, so kann er auch nicht auf einen solchen verzichten. Damit greift § 117 Abs. 2 AFG nicht ein. Denn nach dem Grundsatz des § 117 Abs. 1 AFG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Zeit, für die der Arbeitslose Arbeitsentgelt erhält oder zu beanspruchen hat. Ziel und Zweck der Ruhensregelung ist es, die gleichzeitige Zahlung von Arbeitsentgelt und Arbeitslosengeld zu vermeiden. Besitzt der Arbeitslose jedoch keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt, so besteht nach § 117 AFG keine Veranlassung, seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhen zu lassen (HLSG Urteil vom 18.09.1996, Az.: L 6/Ar 917/94).
Damit war die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13.10.1995 zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 05.07.1995 bis 26.09.1995 zu gewähren. Der Bescheid vom 13.03.1995 war abzuändern, da die Beklagte mit diesem auf den Antrag des Klägers ihm Leistungen erst ab dem 12.10.1995 bewilligt hat. Dieser Erstbewilligungsbescheid enthielt damit die Entscheidung der Beklagten, dem Kläger nicht antragsgemäß ab 05.07.1995, sondern Leistungen ab dem 12.10.1995 zu gewähren. Als Erstbewilligungsbescheid war jedoch dieser Bescheid nicht aufzuheben, sondern abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
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