L 6 AL 320/98

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 17/23 Ar 977/96
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 320/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 19/00 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. Februar 1998 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1996 wird hinsichtlich der geforderten Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge herabgesetzt auf DM 9.438,00. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Instanzen zu erstatten. Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Es geht in dem Rechtsstreit um die Erstattung von Arbeitslosengeld sowie von Beiträgen zur Krankenversicherung und Rentenversicherung im Rahmen des § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) den früheren Arbeitnehmer der Klägerin G.D. und die Zeit vom 1. November 1994 bis 31. Oktober 1995 betreffend. Der am 5. Juni 1935 geborene frühere Arbeitnehmer war von 1974 bis zum 31. Oktober 1994 bei der Klägerin, Niederlassung H. als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. In der Zeit vom 1. April bis zum 30. September 1994 erzielte er ein Bruttoeinkommen in Höhe von DM 46.128,– bei einer tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit von 37,5 Stunden je Woche. In der Arbeitsbescheinigung gab die Klägerin als maßgebliche Kündigungsfrist 7 Monate zum Monatsende an und bestätigte, dass das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsvertrag vom 18. Februar 1994 zum 31. Oktober 1994 beendet worden sei wegen Schließung der NL-H. und der frühere Arbeitnehmer eine Abfindung in Höhe von DM 35.000,– erhalten habe. In einer Bescheinigung vom 2. März 1994 bestätigte die Klägerin, dass dem früheren Arbeitnehmer fristgerecht aus betriebsbedingten Gründen (Schließung der Niederlassung H.) gekündigt worden wäre, wenn er der Vereinbarung vom 18. Februar 1994 nicht zugestimmt hätte. Der frühere Arbeitnehmer hatte die Steuerklasse 3 (ohne Kinderfreibeträge).

Auf seinen Antrag und Arbeitslosmeldung vom 14. Oktober 1994 gewährte die Beklagte dem früheren Arbeitnehmer Arbeitslosengeld für 832 Tage ab 1. November 1994 in Höhe von DM 666,– wöchentlich (Bemessungsentgelt DM 1.770,– wöchentlich). Ab 1. Januar 1995 betrug das Arbeitslosengeld 649,20 wöchentlich (Leistungsverordnung 1995) und ab 2. Oktober 1995 DM 662,40 wöchentlich (bei dynamisiertem Bemessungsentgelt in Höhe von DM 1.810,–). Die Krankenversicherung wurde bei der Barmer Ersatzkasse mit einem gleichbleibenden Beitrag in Höhe von 13,5 % durchgeführt. Ab 1. November 1995 erhielt der frühere Arbeitnehmer Altersrente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte.

Im Antrag auf Arbeitslosengeld hatte der frühere Arbeitnehmer keine Einschränkung seiner Vermittlungsfähigkeit angegeben. Ermittlungen der Beklagten hinsichtlich des Gesundheitszustandes des früheren Arbeitnehmers fanden nicht statt. Auch im Gerichtsverfahren fanden insoweit keine Ermittlungen statt.

Nach Anhörung der Klägerin stellte die Beklagte mit Grundbescheid vom 1. September 1995 fest, dass die Klägerin verpflichtet sei, dem früheren Arbeitnehmer ab 1. November 1994 gezahltes Arbeitslosengeld sowie Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und Rentenversicherung für längstens 624 Tage zu erstatten.

Hiergegen hat die Klägerin am 14. September 1995 Widerspruch eingelegt und u.a. vorgetragen, die Niederlassung H. sei zum 31. Oktober 1994 geschlossen worden. Im Innendienst der Niederlassung seien bis Juni 6 danach 5 Mitarbeiter beschäftigt gewesen, die komplett ausgeschieden seien. Im Außendienst seien 6 Mitarbeiter beschäftigt gewesen, die der Niederlassung P. zugeordnet worden seien. Der Befreiungstatbestand gem. § 128 Abs. 1 Ziff. 2 ergebe sich daraus, dass im Betrieb H. weniger als 20 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen seien. Der Betrieb in H. sei schon deshalb als eigenständig anzusehen, weil er vom Hauptbetrieb in H. weit entfernt sei. Der Befreiungstatbestand gem. § 128 Abs. 1 Ziff. 4 ergebe sich daraus, dass eine betriebsbedingte Kündigung möglich gewesen wäre, da der Betrieb komplett geschlossen worden sei. Dies rechtfertige auch den Befreiungstatbestand nach § 128 Abs. 1 Ziff. 5. Die Befreiungstatbestände § 128 Abs. 1 Ziff. 6 und 7 lägen vor, da ein Personalabbau von 100 % vorgelegen habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 1996 hat die Beklagte den Widerspruch u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, es sei die Beschäftigtenzahl des Unternehmens zu berücksichtigen, da dieses aus mehreren Betrieben bestünde. Eine Befreiung nach § 128 Abs. 1 Ziffer 5 AFG komme nicht in Betracht, da eine (Teil) Betriebsstillegung im Regelfall keinen wichtigen Grund i.S. § 626 BGB darstelle. Die Befreiungstatbestände des § 128 Abs. 1 Ziffer 6 und 7 AFG lägen ebenfalls nicht vor, da die Klägerin die erforderlichen Voraussetzungen nicht für den Gesamtbetrieb nachgewiesen habe. Mit weiterem Bescheid vom 20. Februar 1996 hat die Beklagte für die Zeit vom 1. November 1994 bis zum 31. Oktober 1995 folgende

Erstattung verlangt:
Arbeitslosengeld DM 34.072,20
Beiträge zur Krankenversicherung DM 10.412,95
Beiträge zur Rentenversicherung DM 12.605,79
insgesamt DM 57.090,94

Den Widerspruch der Klägerin vom 13. März 1996 hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 1996 zurückgewiesen zum Teil mit der bisherigen Begründung. Zusätzlich hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass es bei Vorliegen eines Aufhebungsvertrages nicht mehr darauf ankommen könne, ob das Arbeitsverhältnis durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung hätte beendet werden können.

Gegen beide Bescheide hat die Klägerin am 12. März 1996 Klage erhoben. Die Klägerin hat u.a. vorgetragen, die Schließung des Betriebes in H. habe den Sinn gehabt, die Arbeitsplätze der Innendienstmitarbeiter zu reduzieren und deren Arbeit von einer anderen Niederlassung mit erledigen zu lassen. Die Außendienstmitarbeiter seien weiterhin in ihren Bezirken tätig und würden von der anderen Dienststelle geführt.

Mit Gerichtsbescheid vom 27. Februar 1998 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen. In der Begründung hat es ausgeführt, es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der frühere Arbeitnehmer die Voraussetzungen für eine Sozialleistung nach § 118 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 bis 4 AFG oder für Berufsunfähigkeit erfülle. Dementsprechend habe weder die Beklagte noch das Gericht weitergehende Ermittlungen tätigen müssen. Die Klägerin habe auch nicht ausreichend darlegen und beweisen können, dass einer der Fälle des § 128 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 bis 4 AFG gegeben sei. Der ehemaligen Niederlassung H. komme nicht der Status eines eigenständigen Betriebes zu, da sie nicht über eine eigenständige Organisation und Leitung verfügt habe. Insbesondere seien dort Entscheidungen wie Einstellungen und Entlassungen nicht eigenständig getroffen worden. Da ein Auflösungsvertrag geschlossen worden sei, könne es nicht darauf ankommen, ob eine Kündigung sozial gerechtfertigt gewesen sei. Die Stillegung eines Betriebsteils bzw. eines Verkaufsbüros stelle auch keinen wichtigen Grund i.S. § 626 BGB dar. Die Befreiungstatbestände des § 128 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 6 und 7 AFG lägen bereits deshalb nicht vor, da auf den Hauptbetrieb abzustellen sei.

Gegen das ihr am 3. März 1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. März 1998 Berufung eingelegt. Die Klägerin trägt vor, in H. Habe es einen Niederlassungsleiter gegeben, der für die personellen Maßnahmen innerhalb der Abteilung zuständig gewesen sei. In der Niederlassung sei auch die normale Abwicklung des Arbeitsverhältnisses erfolgt wie Einteilung der Arbeitszeiten, Urlaubsabwicklung und Zuteilung der konkreten Arbeit. Bei Einstellungen habe der Niederlassungsleiter die Personalabteilung in Hanau eingeschaltet. Das Gleiche habe bei der Durchführung von Einzelentlassungen gegolten. Die Niederlassung H. sei deshalb als eigenständiger Betrieb anzusehen, so dass aufgrund der Betriebsgröße von weniger als 20 Mitarbeitern der Befreiungstatbestand nach § 128 Abs. 1 Ziffer 2 AFG gegeben sei. Sie (die Klägerin) sei auch berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis wegen der Betriebsschließung aus wichtigem Grund zu kündigen, so dass die Befreiungsmöglichkeit nach § 128 Abs. 1 Ziffer 5 AFG gegeben sei (BAG Urteil vom 5.2.1998 – 2 AZR 227/97).

Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Frankfurt am Main vom 27. Februar 1998 zu ändern sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1996 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, es komme im Rahmen des § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AFG nicht auf die Anzahl der in einem Betrieb, sondern der bei einem Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmer an. Arbeitgeber sei hier die Klägerin. Erst bei den Befreiungstatbeständen des § 128 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 6 und 7 AFG komme es auf die Selbständigkeit eines Betriebes an. Soweit die Klägerin selbst vortrage, dass die Personalabteilung in H. gewisse Kompetenzen gehabt habe, zeige dies eindeutig eine einheitliche Personalverwaltung und eine betriebsorganisatorische Verflechtung. Es, obliege insoweit auch der Klägerin, Nachweise für die Eigenständigkeit des Betriebes zu erbringen. Das Vorliegen eines außerordentlichen Kündigungsgrundes habe die Klägerin hier nicht dargelegt. Eine Betriebsschließung berechtige nicht zur außerordentlichen Kündigung, da sie in der Regel von langer Hand vorbereitet werde (Schaub Arbeitsrechtshandbuch, § 129 VII 13). Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des BAG vom 5.2.1998 betreffe den Sonderfall eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers. Es sei hier nicht ersichtlich, dass der frühere Arbeitnehmer unkündbar gewesen sei.

Im Termin am 17. November 1999 haben die Beteiligten übereinstimmend den Streitgegenstand auf den Abrechnungsbescheid vom 20. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1996 begrenzt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), ist zulässig und nur zu einem geringen Teil begründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist nach der Erklärung der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 17. November 1999 nur noch der Abrechnungsbescheid vom 20. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1996. Die Beklagte hat zutreffend von der Klägerin die Erstattung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. November 1994 bis zum 31. Oktober 1995 bezüglich des früheren Arbeitnehmers verlangt, § 128 Abs. 1 Satz 1 AFG. Der frühere Arbeitnehmer stand bei der Klägerin in den letzten vier Jahren vor dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit am 1. November 1994 (Rahmenfrist 1. November 1990 bis 31. Oktober 1994) mehr als 720 Kalendertage in einem die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis. Der frühere Arbeitnehmer stand in den letzten 12 Jahren vor der Arbeitslosigkeit durchgehend in einem Arbeitsverhältnis bei der Klägerin. Die Voraussetzungen des § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1b AFG liegen damit nicht vor.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der frühere Arbeitnehmer hinsichtlich des streitbefangenen Zeitraumes Ansprüche auf andere Leistungen entsprechend § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 4 AFG hatte. Insoweit hat der frühere Arbeitnehmer in seinem Antrag auf Arbeitslosengeld keine Einschränkungen seiner Vermittlungsfähigkeit angegeben. Auch sind der Beklagten in der Folgezeit keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des früheren Arbeitnehmers vorgelegt worden. Es fehlte mithin für die Beklagte ein Ansatzpunkt hinsichtlich anderer Sozialleistungen weiter zu ermitteln; ein solcher war auch für das Gericht nicht zu erkennen.

Die Erstattungspflicht tritt auch nicht nach § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AFG nicht ein. Die Klägerin beschäftigt in der Regel mehr als 20 Arbeitnehmer. Es kommt bei dieser Vorschrift nicht auf die Größe des Betriebes an. Der in diesem Zusammenhang verwendete Begriff "Kleinbetriebsklausel” ist unzutreffend und irreführend (vgl. Meyer-Ladewig AFG 2. Aufl. § 128, 28). Entscheidend ist vielmehr die Zahl der Arbeitnehmer bei der Klägerin als Arbeitgeberin auch für die Beschäftigten der Niederlassung H.

Die Klägerin hat das Arbeitsverhältnis auch nicht durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet, § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AFG, sondern durch Aufhebungsvertrag mit dem früheren Arbeitnehmer.

Die Klägerin wäre auch nicht berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund zu kündigen, § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AFG. Die Betriebsstillegung stellt in der Regel keinen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung dar (vgl. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch 7. Aufl. § 125 VII 13), da sie in der Regel von langer Hand vorbereitet werden kann. Insoweit hat die Klägerin nichts vorgetragen, was auf eine notwendig kurzfristige Stillegung der Niederlassung H. hindeutet. Ebenso hat die Klägerin der Behauptung der Beklagten, der frühere Arbeitnehmer gehöre nicht zu den unkündbaren Arbeitnehmern, nicht widersprochen. Die Angaben in der Arbeitsbescheinigung vom 29. September 1994 gehen von einer 7-monatigen Kündigungsfrist aus.

Die Voraussetzungen nach § 128 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 6 und 7 AFG für einen Nichteintritt der Erstattungspflicht liegen ebenfalls nicht vor. Die Niederlassung in H. kann nicht als eigenständiger Betrieb angesehen werden. Hinsichtlich des Personalabbaus unter Berücksichtigung auch des Hauptbetriebes der Klägerin in H. fehlt es schon an einer entsprechenden Darlegung der Klägerin.

Im allgemeinen wird unter Betrieb verstanden die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (vgl. Schaub § 18 II 1). Im vorliegenden Fall fehlt es jedenfalls an einer in sich geschlossenen Organisation der Niederlassung H. Die Personalabteilung der Klägerin im Hauptbetrieb in H. war z.B. für Einstellungen und Entlassungen von Mitarbeitern in H. zuständig (Schaub § 18 II 3). Nicht ausreichend ist hingegen, dass in H. etwa die Einteilung der Arbeit, Urlaubsregelungen und Arbeitszeitregelungen erfolgten.

Die Beklagte hat die Erstattungsforderung hinsichtlich Arbeitslosengeld und Rentenversicherungsbeiträgen auch der Höhe nach richtig berechnet.

Der frühere Arbeitnehmer hatte einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die streitbefangene Zeit ab 1. November 1994. Er war ab diesem Tag arbeitslos, stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, hatte die Anwartschaftszeit erfüllt, sich am 14. Oktober 1994 arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt, § 100 Abs. 1 AFG.

Eine Sperrzeit nach § 119 Abs. 1 Satz 1 AFG ist in vorliegendem Fall nicht eingetreten. Der frühere Arbeitnehmer hatte einen wichtigen Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Die Klägerin hätte wegen der Stillegung der Niederlassung H. am Tag des Auflösungsvertrages auch fristgemäß zum 31.10.1994 mit Erfolg kündigen können, ohne dass eine Sozialauswahl hätte erfolgen müssen. Damit ist keine Sperrzeit eingetreten und kann auch nicht im Erstattungsverfahren nach § 128 AFG fiktiv berücksichtigt werden.

Der Anspruch des früheren Arbeitnehmers auf Arbeitslosengeld bestand auch in der tatsächlich gezahlten Höhe von DM 34.072,20, entsprechend einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von DM 1.770,– (dynamisiert auf DM 1.810,–) unter Berücksichtigung der Steuerklasse 3 (Leistungsgruppe C) und dem allgemeinen Leistungssatz (ohne Kindermerkmal). Nach den Leistungsverordnungen 1994 und 1995 ergaben sich daraus wöchentliche Leistungssätze in Höhe von DM 666.– (1994), DM 649,20 (Januar bis September 1995) und DM 662,40 (Oktober 1995). Dem entspricht die von der Beklagten gegenüber der Klägerin geltend gemachte Erstattungsforderung für den streitbefangenen Zeitraum.

Die Verpflichtung der Klägerin zur Erstattung der auf das gewährte Arbeitslosengeld entfallenden Beiträge zur Rentenversicherung und zur Krankenversicherung folgt aus § 128 Abs. 4 AFG. Die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Rentenversicherungsbeiträge folgt aus § 170 Abs. 1 Nr. 2b Sozialgesetzbuch 6. Buch (SGB 6); die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Krankenversicherungsbeiträge folgt aus §§ 155, 157 Abs. 1 AFG.

Hinsichtlich der Höhe der Erstattungsforderung der Krankenversicherungsbeiträge ist die Klage teilweise begründet, im übrigen –auch hinsichtlich der Rentenversicherungsbeiträge– jedoch unbegründet.

Die Beklagte hat die Höhe der Krankenversicherungsbeiträge nach einer zwar von ihr immer verwendeten, jedoch unzutreffenden, Berechnungsformel ermittelt, die bewirkt, dass während des Arbeitslosengeldbezuges Woche für Woche Beiträge fortlaufend gezahlt werden (§ 114 AFG) ohne eine Begrenzung auf 30 Beitragstage im Monat bzw. auf 360 Beitragstage im Jahr wie in der Krankenversicherung (§ 223 Abs. 2 Satz 2 SGB 5). Aus dieser unterschiedlichen Berechnung ergibt sich im vorliegenden Fall eine rechtswidrige Mehrforderung der Beklagten in Höhe von insgesamt DM 974,95. Die Klägerin ist nur zur Beitragserstattung in der Höhe verpflichtet, in der eine rechtmäßige Beitragszahlung der Beklagten vorlag (vgl. Urteil des BSG vom 16. September 1998 – B 11 AL 59/97 R). Soweit die Beklagte tatsächlich höhere Beiträge an die Barmer Ersatzkasse gezahlt hat, kann sie den überschießenden Betrag nicht von der Klägerin im Wege der Erstattungsforderung nach § 128 Abs. 4 AFG verlangen. Der rechtmäßige Krankenversicherungsbeitrag errechnet sich für die Zeit bis 31.12.1994 nach § 157 Abs. 3 Satz 1 AFG a.F ... Danach gilt als beitragspflichtige Einnahme das durch 7 geteilte wöchentliche Arbeitsentgelt, das der Bemessung des Arbeitslosengeldes zugrunde liegt. Im Zeitraum vom 1. November 1994 bis 31. Dezember 1994 betrug das wöchentliche Arbeitsentgelt des früheren Arbeitnehmers DM 1.770,–, die beitragspflichtige Einnahme (je Tag) zunächst DM 252,86 (DM 1.770,–: 7), die jedoch begrenzt wird durch die Jahresarbeitsentgeltgrenze der Krankenversicherung (1994 DM 190,– je Tag und 1995 DM 195,– je Tag), die bei dieser Fallgestaltung die Bedeutung einer Beitragsbemessungsgrenze hat (vgl. Meyer-Ladewig § 157, 8). Bei einem Beitragssatz von 13,5 % errechnet sich daraus für 1994 ein täglicher Beitrag in Höhe von DM 25,65 bzw. ein monatlicher Beitrag in Höhe von DM 769,50 (25,65 × 30), mithin für November und Dezember 1994 ein Betrag in Höhe von DM 1.539,– Für die Zeit ab. 1. Januar 1995 gilt eine Begrenzung auf 80 % des Bemessungsentgeltes (eingeführt durch das Rentenreformgesetz), was im vorliegenden Fall jedoch ohne Auswirkung bleibt, da das fiktive Bemessungsentgelt des früheren Arbeitnehmers höher als die Bemessungsgrenze der Krankenversicherung ist (1.770,– × 80 % = 1.416,–: 7 = 202,28). Für 1995 betrug der rechtmäßige Beitrag damit 7.899,– (10 × 789,90), wobei sich ausgehend von der Bemessungsgrenze für 1995 in Höhe von DM 195,– ein täglicher Beitragssatz in Höhe von DM 26,33 (13,5 % × 195,–) und ein monatlicher Beitragssatz in Höhe von DM 789,90 (30 × 26,33) errechnet.

Daraus ergibt sich ein rechtmäßiger Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von DM 9.438,–, den die Beklagte von der Klägerin erstattet verlangen kann.

Soweit die Beklagte unter Berufung auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des BT-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucksache 8/4022 S. 91) und das Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherung vom 1. Dezember 1994 (vgl. Theuerkauf in Hennig/Kühl/Heuer/Henke § 157 AFG Rd.Nr. 20) das wöchentliche Bemessungsentgelt (bzw. ab 1. Januar 1995 80 % des wöchentlichen Bemessungsentgeltes) durch 6 teilt, daraus den Beitrag für die Krankenversicherung je Leistungstag errechnet und diesen mit der Zahl der Leistungstage multipliziert, verstößt sie gegen den Gesetzeswortlaut des § 157 Abs. 3 AFG und umgeht damit die Begrenzung in der Krankenversicherung auf 30 Tagesbeiträge je Monat bzw. auf 360 Tagesbeiträge je Jahr (vgl. Urteil des BSG vom 19. März 1998 – B 7 AL 20/97 R). Soweit das Landessozialgericht Baden-Württemberg im Urteil vom 30. März 1999 (L 13 AL 4163/97) die Berechnungsmethode der Beklagten bestätigt, hat dies den erkennenden Senat nicht überzeugt. Der entscheidende Fehler der Beklagten liegt nicht darin, dass sie eine Teilung des Bemessungsentgeltes durch 6 (statt durch 7) vornimmt, sondern, dass sie entgegen dem System der Krankenversicherung für mehr als 360 Tage im Jahr (bzw. 30 Tage im Monat) Beiträge entrichtet. Ob und wie eine richtige Beitragsberechnung mit einer Begrenzung auf 360 Beitragstage im Jahr bzw. auf 30 Tage im Monat ausgehend von dem ersten Berechnungsschritt der Beklagten (Bemessungsentgelt: 6) funktionieren würde, brauchte hier nicht geprüft zu werden. Der erkennende Senat hatte lediglich die Höhe der Erstattungsforderung zu überprüfen, gleichgültig auf welchem Wege die Beklagte die Erstattungsforderung berechnet hat. Soweit das LSG Baden-Württemberg (s.o.) sich auf die Bestätigung seiner ständigen Rechtsprechung durch das BSG beruft (Urteil BSG vom 3. Dezember 1998 – B 7 AL 110/97 R), führt das bei der Frage der richtigen Berechnung der Krankenversicherungsbeiträge zu keinen weitergehenden Erkenntnissen, da das BSG hierzu in dem zitierten Urteil keine Ausführungen macht, aus welchem Grund auch immer.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Grundlagenbescheid war schon wegen fehlender Rechtsgrundlage rechtswidrig (vgl. Urteil des BSG vom 17. Dezember 1997 – 11 RAr 103/96), hinsichtlich des Bescheides vom 20. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1996 war die erhobene Klage im wesentlichen ohne Erfolg. Dementsprechend hat die Beklagte ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Instanzen zu erstatten.

Die Revision ist vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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