L 7 KA 702/99

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 27 KA 1551/99 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 KA 702/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Bei Prüfung der Teilnahme an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der gesetzlich Versicherten i.S. § 95 Abs. 10 Nr. 3 SGB 5 ist auf den Umfang der Tätigkeit in niedergelassener Praxis, das daraus erzielte Erwerbseinkommen und eine sich aus der Verweisung auf die bedarfsabhängige Zulassung ergebende Härte abzustellen.
60 Behandlungsstunden in dem dreijährigen Zeitfenster reichen nicht aus.
Es kann hier dahingestellt bleiben, welche Anforderungen an die Entscheidung des Zulassungsausschusses hinsichtlich der bedarfsunabhängigen Zulassung zu stellen sind. Wenn nur mit Hilfe des Antragstellers im Einzugsbereich seiner Praxis nach Feststellung der zuständigen Bezirksstelle die psychotherapeutische Versorgung sichergestellt ist, bleibt seine Rechtsstellung bis zur Entscheidung des Zulassungsausschusses über die beantragte bedarfsabhängige Zulassung unberührt. Denn nur so kann für die Übergangszeit die psychotherapeutische Versorgung der gesetzlich Versicherten im Sinne von Artikel 10 des Gesetzes von 16. Juni 1998 sichergestellt werden.
I Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Frankfurt am Main vom 31. Mai 1999 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Anordnung zeitlich beschränkt wird bis zu einer Entscheidung des Beigeladenen zu 1) über die beantragte bedarfsabhängige Zulassung.

II Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu tragen. Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

I

Es geht in dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung noch um die Rechtmäßigkeit der vom Sozialgericht ausgesprochenen Verpflichtung der Antragsgegnerin, den Antragsteller vorläufig weiterhin zur Abrechnung im Delegationsverfahren gemäß § 3 i.V. § 12 Psychotherapievereinbarung teilnehmen zu lassen.

Der 1961 geborene Antragsteller ist als Psychologischer Psychotherapeut in A. in eigener Praxis niedergelassen. Er legte nach einem Psychologiestudium am 29. November 1989 an der Universität Marburg an der Lahn erfolgreich die Diplomprüfung ab. Ab März 1991 nahm er berufsbegleitend an einer Weiterbildung in Verhaltenstherapie bei der Weiterbildungseinrichtung für klinische Verhaltenstherapie e.V. (WKV) teil und bestand am 19. April 1997 die Abschlussprüfung. Nach seinem Lebenslauf war er beruflich tätig in der Einzel- und Gruppentherapie in den Fachkliniken für Drogenabhängige in X. (1.10.1991 – 30.9.1992) und in Y. (1.10.1992 – 30.11.1998). Mit Bescheid vom 3. Juli 1997 erteilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Genehmigung zur Durchführung von Verhaltenstherapie im Delegationsverfahren. In der Zeit vom 1. April 1996 bis zum 31. März 1997 behandelte der Antragsteller neben 10 Privatpatienten (233 Stunden) jeweils einen Patienten der Beigeladenen zu 2) und der BEK (jeweils 30 Stunden). Am 1. Januar 1999 erhielt der Antragsteller die Approbation als Psychologischer Psychotherapeut.

Am 23.12.1998 beantragte der Antragsteller die bedarfsunabhängige Zulassung und gab an, dass er aufgrund der hohen Patientenzahl seine Tätigkeit als leitender Psychologe in der Fachklinik Y. gekündigt und seine Praxisarbeit dementsprechend erweitert habe.

Am 4. März 1999 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Beigeladenen zu 1) statt. Mit am 30. November 1999 ausgefertigtem Beschluss hat der Beigeladene zu 1) den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, der Antragsteller erfülle die Voraussetzungen des Fachkundenachweises nach § 95c Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch 5. Buch – SGB 5 (§ 95 Abs. 10 Nr. 1 1. Halbsatz SGB 5). Er habe jedoch nicht die Voraussetzungen gem. § 95 Abs. 10 Nr. 3 SGB 5 nachweisen können. Intention des Gesetzgebers sei es gewesen, denjenigen Therapeuten, die vor Inkrafttreten des Psychotherapeuten-Gesetzes, das bestimmte Qualifikationsnachweise für die Zulassungsfähigkeit fordere, einen nicht unerheblichen Teil ihres Erwerbseinkommens aus der Versorgung gesetzlich krankenversicherter Patienten bezogen hätten, insofern einen Bestandsschutz zu gewähren. Der Antragsteller habe in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis 24. Juni 1997 innerhalb eines Zeitraumes von 6 bis 12 Monaten lediglich 55 Behandlungsstunden bei gesetzlich krankenversicherten Patienten nachweisen können. Zu diesen Stunden habe der Antragsteller jedoch keine Bestätigung der Krankenkassen eingereicht. Aus dieser Stundenzahl habe der Ausschuss nicht schließen können, dass die Behandlung dieser Patienten wenigstens zu einem nicht ganz unerheblichen Teil zum Erwerb des Lebensunterhaltes in der Vergangenheit beigetragen habe. Es habe somit kein schützenswerter Besitzstand festgestellt werden können.

Der Antragsteller soll schon vor Erlass des schriftlichen Bescheides vorsorglich Widerspruch eingelegt sowie einen Antrag auf bedarfsabhängige Zulassung an seinem Praxissitz gestellt haben.

Am 27. April 1999 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Ziel der weiteren Teilnahme am Delegationsverfahren bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über seinen Antrag auf bedarfsunabhängige Zulassung. Er hat u.a. vorgetragen, nach Genehmigung der Verhaltenstherapie im Wege des Delegationsverfahrens im Juli 1997 habe er am 16. August 1997 seine Praxis eröffnet. Wegen der ständig steigenden Patientenzahlen im ambulanten Bereich habe sich die Unvereinbarkeit mit seiner Angestelltentätigkeit ergeben, die er unter Einhaltung einer 6-monatigen Kündigungsfrist durch Kündigung Anfang Mai zum Ende November 1998 aufgegeben habe. Nach mündlicher Ablehnung seines Antrages auf bedarfsunabhängige Zulassung am 4. März 1999 sei ihm von der Antragsgegnerin jegliche Weiterbehandlung von gesetzlich Versicherten ab Ende März 1999 untersagt worden. Der Antrag richte sich nicht gegen den Beigeladenen zu 1), da Artikel 10 Psychotherapeutengesetz (PsychthG) zur Sicherstellung der psychotherapeutischen Versorgung den nichtärztlichen Leistungserbringern, die bis 31. Dezember 1998 an der psychotherapeutischen Versorgung der gesetzlich Versicherten mitgewirkt hätten, ermögliche, diese Leistungen bis zur Zulassung oder Ermächtigung weiterhin zu erbringen. Diese kraft Gesetzes bestehende vorübergehende Ermächtigung werde durch die Antragsgegnerin verweigert. Soweit sie als Kompromisslösung anbiete, die anbehandelten Fälle noch zu Ende zu behandeln, würden dadurch die ihm drohenden schweren und unzumutbaren Nachteile nicht abgewendet, da schon keine Verlängerung dieser Fälle möglich sei und auch neue Fälle nicht mehr angenommen werden dürften. Seit September 1997 habe er 67 gesetzlich versicherte Patienten behandelt mit einem Gesamtbehandlungsvolumen von 1.100 Stunden. Privatpatienten befänden sich zur Zeit nicht in seiner Behandlung. Zur Zeit befänden sich 38 Patienten in seiner Behandlung, wovon 9 Patienten ohne Behandlungsausweise seien. Vier Patienten hätten sich bei ihm vorgestellt, sich wegen der unsicheren kostenrechtlichen Situation jedoch dann nicht mehr gemeldet. Der eingelegte Widerspruch gegen die Ablehnung der Zulassung führe zu einer aufschiebenden Wirkung hinsichtlich Artikel 10 PsychthG. Soweit nach der mündlichen Begründung des Beigeladenen zu 1) die Ablehnung der bedarfsunabhängigen Zulassung allein mit der Nichterfüllung des sog. Zeitfensters – 250 Behandlungsstunden in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997 – begründet werde, lasse sich dies aus § 95 Abs. 10 Nr. 3 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB 5) nicht herleiten.

Der Antragsteller hat u.a. eine eidesstattliche Versicherung vom 19. April 1999 und eine gutachterliche Stellungnahme von P. vom 7. Dezember 1998 vorgelegt.

Die Antragsgegnerin hat u.a. vorgetragen, der Antrag sei wegen fehlender Beschwer des Antragstellers unzulässig. Ihr Vorstand habe beschlossen, Artikel 10 PsychthG dahin zu erweitern, dass die Rechtsstellung der bisher im Delegationsverfahren an der Versorgung der gesetzlich Versicherten teilnehmenden psychologischen Psychotherapeuten bis zur Entscheidung des Berufungsausschusses unberührt bleibe, allerdings nur für bereits anbehandelte Fälle und unter dem Vorbehalt der Rückzahlung bei Ablehnung wegen mangelnder Fachkunde.

Mit Beschluss vom 31. Mai 1999 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antragsteller weiterhin bis zu einer bestandskräftigen Verwaltungsentscheidung über seinen Zulassungsantrag, längstens bis zu einer gerichtlichen erstinstanzlichen Entscheidung zur Abrechnung im Delegationsverfahren gemäß § 3 i.V. § 12 Psychotherapie-Vereinbarung Primärkassen und Ersatzkassen in den bis zum 31.12.1998 geltenden Fassungen teilnehmen zu lassen. Im übrigen hat es den Antrag abgewiesen. In der Begründung hat es ausgeführt, unter entsprechender Anwendung von § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) seien sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf Zulassung als Psychologischer Psychotherapeut. Er sei vor Inkrafttreten des PsychthG zur Abrechnung im Delegationsverfahren berechtigt gewesen und erfülle die Voraussetzungen nach § 12 Abs. 1 PsychthG und habe den Fachkundenachweis nach § 95c Satz 2 Nr. 3 SGB 5. Er habe fristgemäß den Antrag auf Zulassung gestellt und die Approbationsurkunde vorgelegt. Es liege auch die Erfüllung des sog. Zeitfensters nach § 95 Abs. 10 Satz 1 Nr. 3 vor, da der Antragsteller in der Zeit von Februar bis Oktober 1996 einen in der AOK Versicherten 30 Stunden und einen in der BEK Versicherten 25 Stunden behandelt habe. Ein bestimmter Umfang der Teilnahme an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung verlange der Gesetzgeber in § 95 Abs. 10 SGB 5 nicht. Soweit nach der Gesetzesbegründung der Gesundheitsausschuss auf ein durch die Versorgung der gesetzlich versicherten Patienten unter anderem erzieltes Erwerbseinkommen abstelle, müsse dieses weder überwiegend noch in erheblichem Umfang das Einkommen des Psychotherapeuten ausgemacht haben. Mit der "Teilnahme”, d.h. wenigstens der psychotherapeutischen Versorgung eines gesetzlich versicherten Patienten, stelle das Gesetz die – nicht widerlegbare – Vermutung auf, dass bereits eine (sozialrechtlich) im Bestand zu schützende Praxis bestanden habe.

Der Antragsteller habe auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Im Hinblick auf die offensichtlich rechtswidrige Entscheidung des Beigeladenen zu 1) sei dem Antragsteller nicht zumutbar, die Entscheidung bis zu einer endgültigen gerichtlichen Klärung hinzunehmen. Die Kammer habe sich auch durch die Notwendigkeit, eine vorläufige Regelung zu treffen, nicht gehindert gesehen, die Antragsgegnerin zur weiteren Anwendung der bis Ende 1998 geltenden Psychotherapie-Vereinbarungen, die durch die Vereinbarungen vom 7. Dezember 1998 aufgehoben worden seien, zu verpflichten.

Hiergegen hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt (Zugang bei dem Hessischen Landessozialgericht am 9. Juni 1999, bei dem Sozialgericht spätestens am 21. Juni 1999), der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Die Antragsgegnerin trägt vor, Artikel 10 PsychthG stelle auf die Entscheidung des Beigeladenen zu 1) ab, nicht auf die Rechtskraft dieser Entscheidung und auch nicht auf die Entscheidung der Zulassungsgremien. Es sei auch nur um eine Überbrückung des Zeitraumes gegangen, bis zu dem eine Entscheidung über die Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin getroffen worden sei. Durch die von ihr eröffnete Möglichkeit, die anbehandelten Fälle bis zur Entscheidung des Beigeladenen zu 9) abzurechnen sei den Interessen des Antragstellers mehr als ausreichend Rechnung getragen, dessen Existenz damit nicht gefährdet sei. Es fehle daher das Rechtsschutzbedürfnis. Dass er keine neuen Fälle annehmen dürfe, mindere lediglich seine Erwerbschancen.

Ein Anordnungsanspruch bestehe nicht. Der Antragsteller habe zwar die Approbationsurkunde vorgelegt und erfülle unstreitig die Voraussetzungen des Fachkundenachweises, jedoch nicht des sog. Zeitfensters nach § 95 Abs. 10 Satz 1 Nr. 3 SGB 5. Er habe nicht in ausreichendem Maß an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der gesetzlich Versicherten teilgenommen. Nach Sinn und Zweck handele es sich dabei um eine Besitzstandswahrungsregelung, die diejenigen Therapeuten privilegieren solle, die bereits vor dem Tag des Einbringens des Gesetzentwurfs in den Deutschen Bundestag an der ambulanten Versorgung von Versicherten der GKV teilgenommen und hieraus u.a. ihr Erwerbseinkommen erzielt hätten. Das Wort "Teilnahme” bedeute eine gewisse regelhafte Beteiligung. So stellten die verschiedenen Formen der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung (Zulassung oder Ermächtigung) auch nur dann eine echte Teilnahme dar, wenn diese regelhaft durchgeführt würden. Bei Nichtausübung könne sowohl die Zulassung als auch die Ermächtigung von Amts wegen entzogen werden, weil die Voraussetzungen für eine Teilnahme eben nicht mehr vorlägen. Sinn und Zweck der Übergangszulassung ergebe, dass ein in der Vergangenheit gewisses schützenswertes Rechtsgut bestanden haben müsse, um in den Genuss der Privilegierung zu kommen. Deshalb gehe die Kassenärztliche Bundesvereinigung davon aus, dass eine Tätigkeit von mindestens 250 Behandlungsstunden innerhalb eines Zeitraumes von 6 bis 12 Monaten im Zeitfenster vorliegen müsse.

Zur Beantwortung der gerichtlichen Verfügung vom 21. Oktober 1999 zur Frage der psychotherapeutischen Versorgung im Bereich A. werde auf die Stellungnahme der Bezirksstelle M. verwiesen. Danach stelle ausschließlich der Antragsteller im dortigen Gebiet die psychotherapeutische Versorgung sicher. Erste bedarfsabhängige Zulassungen könnten ab Januar 2000 erfolgen. Im vorliegenden Verfahren gehe es jedoch um die Erteilung einer bedarfsunabhängigen Zulassung.

Die Antragsgegnerin hat einen Sachstandsbericht des Bundesministeriums für Gesundheit zur Umsetzung des PsychthG vom 16. Juni 1999 sowie den am 30. November 1999 ausgefertigten Beschluss des Beigeladenen zu 1) vorgelegt.

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichtes Frankfurt am Main vom 31. Mai 1999 zu ändern und den Antrag des Antragstellers in vollem Umfang abzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsteller trägt vor, ohne die Behandlung neuer Patienten und die Weiterbehandlung nach lediglich probatorischen Behandlungen wäre die von ihm bereits geschilderte existenzbedrohende Auswirkung längst eingetreten. Er behandele derzeit 51 Patienten, wobei 33 im Jahr 1999 mit der Therapie begonnen hätten, davon ein Privatpatient. Acht Patienten hätten 1999 eine Verlängerung beantragt und eine Kostenzusage bekommen. Weitere acht Bewerber befänden sich auf der Warteliste und könnten im Laufe des Novembers mit der Therapie anfangen. Im ersten Quartal 1999 habe er 243 Behandlungsstunden, im zweiten Quartal 304 Stunden und im dritten Quartal 339 Stunden erbracht. Von den bisherigen Gesamteinnahmen in den ersten 3 Quartalen 1999 in Höhe von DM 96.300,– stammten DM 91.667,– aus der gesetzlichen Krankenversicherung. Den durchschnittlichen Einnahmen im Quartal in Höhe von DM 32.000,– stünden Ausgaben in Höhe von DM 15.716,– (einschließlich DM 4.000,– für Steuern) gegenüber. Zusätzlich zu dem von der Antragsgegnerin genannten Einzugsbereich gehe er davon aus, dass auch die Bereiche H.-H.-E.-Y.-B. von ihm abgedeckt würden. Die dortige Einwohnerzahl von schätzungsweise 6.000 bis 7.000 sei also zu seinem Versorgungsbereich hinzuzurechnen. Dies führe dazu, dass er zur Zeit eine Warteliste mit einer Wartedauer von 4 bis 5 Monaten mit steigender Tendenz führe. Er habe einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Auch eine Auslegung des § 95 Abs. 10 SGB 5 ergebe nicht eine gesetzlich vorgeschriebene Mindestzahl von Behandlungsstunden. Es sei auch unberücksichtigt geblieben, dass sich seine Praxis noch in der Aufbauphase befunden habe und befinde und er erst nach der Teilnahme am Delegationsverfahren im August 1997 tätig geworden sei. Daneben habe er wegen der vertraglichen Kündigungsfrist die Praxis bis November 1998 nur neben seiner Angestelltentätigkeit betreiben können und nur geringere Werte erreichen können. Mit Urteil vom 12. Mai 1993 (6 RKa 13/92) habe das Bundessozialgericht bereits einmal entschieden, dass die faktische Ausübung der Berechtigung zur Teilnahme am Delegationsverfahren nicht zum maßgeblichen Kriterium für deren Fortbestand gemacht werden dürfe, da die Ausübung von der Entscheidung eines zur Delegation berechtigten Arztes oder von der Krankenkasse abhänge. Einen derartigen Zustand habe die Antragsgegnerin durch ihre pauschale Regelung jedoch geschaffen.

Innerhalb des 3-Jahreszeitraumes des Zeitfensters habe er nicht nur 55 sondern 60 Behandlungsstunden erbracht. Der Antragsteller hat gutachtliche Äußerungen von Redeker, zu Artikel 10 Psychotherapeutengesetz, von Wigge zu Abrechnungsmöglichkeiten nach Ablehnung der Zulassung und von Tittelbach zur Auslegung des § 95 Abs. 10 Nr. 3 bzw. Abs. 11 Nr. 3 SGB 5 vorgelegt.

Der Beigeladene zu 4) trägt vor, die in § 95 Abs. 10 Nr. 3 SGB 5 normierte Teilnahme an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der gesetzlich Versicherten verlange eine regelhafte Beteiligung. Nur dadurch würde sich ein in der Vergangenheit aufgebautes und für die Zukunft schützenswertes Rechtsgut ergeben. Nach dem Sachstandsbericht des Bundesministerium für Gesundheit vom 23. Juni 1999 sei Ratio der Rahmenfrist, dass den Psychotherapeuten, die bereits bei Einbringung der Neuregelung in den Bundestag ihren beruflichen Lebensmittelpunkt an einem bestimmten Ort aufgebaut gehabt hätten, eine berufliche Weiterarbeit an diesem Ort ermöglicht werden sollte. Ein beruflicher Lebensmittelpunkt könne jedoch nur dann angenommen werden, wenn in der Rahmenfrist eine nicht unerhebliche Anzahl von Stunden abgeleistet worden sei. Die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden aufgestellten Vorgaben seien dabei als Orientierungshilfen anzusehen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

II

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, jedoch nur hinsichtlich der Maßgabe ihrer Dauer begründet. Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichtes Frankfurt am Main vom 31. Mai 1999 ist im übrigen im Ergebnis zu Recht ergangen.

Nach Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz ist in Fällen der vorliegenden Art vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz zu gewähren, wenn ohne solchen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Hauptsacheentscheidung nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 19. Oktober 1977, 2 BvR 42/76 = BVerfGE 46, 167). Die Praxis des Antragstellers wäre nach dessen glaubhaften Darlegungen nicht mehr aufrecht zu erhalten, wenn nur die 1998 bereits anbehandelten Fälle noch weiterbehandelt werden dürften. Aus dem Jahr 1998 sind bei dem Antragsteller nur noch 18 Patienten in Behandlung, wobei 8 Patienten nach der von der Antragsgegnerin angebotenen Verfahrensweise vom Antragsteller ebenfalls nicht mehr weiterbehandelt werden dürften, da insoweit in den Monaten Juli bis Oktober 1999 Verlängerungen erfolgt sind. Mit 10 gesetzlich versicherten Patienten und einem Privatpatienten könnte der Antragsteller die Praxis nicht mehr wirtschaftlich führen bei monatlichen Kosten in Höhe von etwa DM 3.800,–, ungeachtet der monatlichen Steuervorauszahlung. Mit jedem Monat weiterer Verfahrensdauer würde sich die wirtschaftliche Situation des Antragstellers weiter verschlechtern.

Unter entsprechender Anwendung von § 123 VwGO liegen sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch vor. Auch und gerade zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung besteht die Gefahr, dass ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung die wirtschaftliche Grundlage der Praxis des Antragstellers wegbricht, dieser die Praxis aufgeben muss, sich zur Existenzsicherung auch seiner Familie eine andere Tätigkeit suchen muss und selbst bei einer späteren positiven Hauptsacheentscheidung die Zulassung als Psychologischer Psychotherapeut mangels Praxis ins Leere ginge.

Ob ein Anordnungsanspruch im vorliegenden Fall direkt aus § 95 Abs. 10 SGB 5 abgeleitet werden kann, soll bei der anzustellenden kursorischen Prüfung dahingestellt bleiben, da erhebliche Zweifel an der Erfüllung der Voraussetzungen nach § 95 Abs. 10 Nr. 3 SGB 5 bestehen, nämlich ob der Antragsteller in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997 an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung teilgenommen hat. Nach den Motiven des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucksache 13/9212 S. 52) sollte ein Bestandsschutz nur für diejenigen Psychotherapeuten eingreifen, die in den letzten 3 Jahren vor Einbringung des Gesetzes bereits an der ambulanten Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung im Delegationsverfahren oder im Wege der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB 5 teilgenommen hatten. Entgegen dem Wortlaut sollte nach dem Bericht des 14. Ausschusses die Teilnahme nicht für den gesamten Zeitraum verlangt werden, sondern diejenigen Psychotherapeuten erfassen, die in der Vergangenheit in niedergelassener Praxis an der psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten teilgenommen, unter anderem daraus ihr Erwerbseinkommen erzielt haben und für die es deshalb eine unbillige Härte darstellte, wenn sie nach Inkrafttreten des Gesetzes nur noch bedarfsabhängig an der Versorgung der Versicherten teilnehmen – d.h. sich nur in nicht gesperrten Gebieten niederlassen – dürften. Bei diesen Ausführungen sind Umfang der Teilnahme in niedergelassener Praxis und daraus erzieltes Erwerbseinkommen verknüpft mit dem Begriff der unbilligen Härte bei Verweisung auf die bedarfsabhängige Zulassung. Bei dem Antragsteller fehlt es bereits an dem Merkmal der Tätigkeit in niedergelassener Praxis vor Einbringung des Gesetzes in den Bundestag (24. Juni 1997). Sowohl in seinem Lebenslauf als auch in der Antragsschrift vom 19. April 1999 gibt der Antragsteller an, dass er im August 1997 seine Praxis eröffnet habe, die er zunächst neben seiner Haupttätigkeit im Angestelltenverhältnis betrieben habe. Dass er auch schon vorher psychotherapeutische Behandlungen neben seiner Angestelltentätigkeit durchgeführt hat, lässt einen schützenswerten bereits ergriffenen Beruf (niedergelassener Psychotherapeut) nicht erkennen. Hinzu kommt, dass auch der Umfang der ambulanten psychotherapeutischen Tätigkeit für gesetzlich Versicherte im sog. Zeitfenster von 3 Jahren (25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997) nicht so erheblich war, dass aus der Nichtberücksichtigung eine unbillige Härte festzustellen wäre. Innerhalb dieser 3 Jahre hat der Antragsteller zwei gesetzlich Versicherte mit insgesamt 60 Stunden therapiert. Dabei darf im vorliegenden Fall nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Existenzgrundlage des Antragstellers und sein beruflicher Lebensmittelpunkt die Tätigkeit als Leitender Psychologe der Fachklinik in Y. war und auch bei der nebenberuflich durchgeführten Psychotherapie (April 1996 bis März 1997) die Behandlungsstunden für die beiden gesetzlich Versicherten nur einen Anteil von etwa 22 % ausmachte. Hätte der Antragsteller in den 3 Jahren des Zeitfensters alle 3 Quartale 60 Behandlungsstunden für gesetzlich Versicherte erbracht, entspräche dies einem Anteil an seiner jetzigen Praxis (Quartale 1 bis 3/99) von 6,77 %. Im vorliegenden Fall brauchte bei dieser Relation nicht darauf eingegangen zu werden, ob die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vorgeschlagene Mindestteilnahme von 250 Stunden innerhalb von 6 bis 12 Monaten evtl. zu Gunsten der Psychotherapeuten unberücksichtigt lässt, dass der Gesetzgeber eine Teilnahme innerhalb eines 3-Jahres-Zeitraums voraussetzt, wobei aus den Motiven erkennbar ist, dass die Teilnahme nicht ununterbrochen gewesen sein muss.

Der erkennende Senat sieht jedoch einen aus Artikel 10 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16. Juni 1998 (BGBl. I, 1311 = Gesetz vom 16. Juni 1998) ableitbaren Anordnungsanspruch des Antragstellers. Danach soll die Rechtsstellung der bis zum 31. Dezember 1998 an der psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung teilnehmenden nichtärztlichen Leistungserbringer bis zur Entscheidung des Zulassungsausschusses über deren Zulassung oder Ermächtigung unberührt bleiben, sofern sie einen Antrag auf Zulassung oder Ermächtigung bis zum 31. Dezember 1998 gestellt haben. Abweichend von 95 Abs. 10 Nr. 3 SGB 5, der auf eine Teilnahme in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997 anknüpft, bleibt die Rechtsstellung derjenigen Psychotherapeuten vorläufig unberührt, die bis zum 31. Dezember 1998 an der psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung teilgenommen haben. In dieser Zeit nach dem 24. Juni 1997 – vor allem gegen Ende 1998 – hat der Kläger auch durch Aufgabe seiner Angestelltentätigkeit jedenfalls in einem Umfang gesetzlich Versicherte therapiert, dass eine Teilnahme i.S. Artikel 10 des Gesetzes vom 16. Juni 1998 vorliegt.

Nachdem der vom Beigeladenen zu 1) getroffene Beschluss am 30. November 1999 schriftlich ausgefertigt wurde, brauchte im kursorischen Verfahren der einstweiligen Anordnung nicht mehr geprüft zu werden, ob Entscheidung nur eine schriftliche Entscheidung bedeutet und damit möglicherweise die Rechtsstellung eines Antragstellers nach Artikel 10 des Gesetzes vom 16. Juni 1998 jedenfalls bis zur Bekanntgabe eines schriftlichen Bescheides erhalten bleibt. Es brauchte auch nicht geprüft zu werden, ob die Entscheidung eine bestimmte Qualität erfüllen muss, etwa nicht willkürlich sein darf oder mit ausreichenden Gründen versehen sein muss. Es brauchte deshalb auch nicht darauf eingegangen zu werden, ob auf die Begründung eines Bescheides des Zulassungsausschusses die Rechtsprechung hinsichtlich der Einhaltung einer Fünf-Monats-Frist zur Begründung entsprechend anwendbar ist (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 – GmS-OGB 1/92, BSG vom 18.10.1995 – 6 RKa 38/94).

Denn eine Entscheidung i.S. Artikel 10 des Gesetzes vom 16. Juni 1998 liegt trotz des am 30. November 1999 ausgefertigten Beschlusses des Beigeladenen zu 1) nach Auffassung des erkennenden Senats bei den hier gegebenen Besonderheiten aus den folgenden Gründen noch nicht vor. Der erkennende Senat geht davon aus, dass es sich um eine Entscheidung handeln muss, bei der von dem Beigeladenen zu 1) auch über die bedarfsabhängige Zulassung eines Antragstellers (an seinem derzeitigen Praxissitz) jedenfalls dann entschieden worden sein muss, wenn die Approbation und die fachlichen Voraussetzungen vorliegen und die zuständige Bezirksstelle der Antragsgegnerin selbst davon ausgeht, dass zur Zeit die Versorgung der gesetzlich Versicherten nur durch den Antragsteller sichergestellt wird. Denn nur so kann unter Berücksichtigung der Begründung des Gesetzgebers zu Artikel 10 des Gesetzes vom 16. Juni 1998 das dort genannte Ziel erreicht werden, dass die psychotherapeutische Versorgung für die Übergangszeit sichergestellt wird (BT Drucksache 13/9212 S. 55). Bei der hier vorliegenden Fallgestaltung steht fest, dass der Antragsteller nach der Darlegung der zuständigen Bezirksstelle Marburg derzeit als einziger Psychotherapeut in seinem Einzugsbereich (ca. 11.000 Einwohner) die Versorgung der gesetzlich Versicherten sicherstellt. Ohne Aufrechterhaltung seiner bisherigen Rechtsstellung bis zu einer Entscheidung des Beigeladenen zu 1) auch hinsichtlich der bedarfsabhängigen Zulassung des Antragstellers wäre die psychotherapeutische Versorgung im Einzugsbereich der Praxis des Antragstellers nicht sichergestellt. Dabei kommt es nicht mehr darauf an, ob der Einzugsbereich des Antragstellers entsprechend seinen Ausführungen noch großräumiger gesehen werden müsste, als die Bezirksstelle ihren Feststellungen zugrunde gelegt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 Satz 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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