Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 12 Kr 19/73
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 Kr 27/76
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Übertritt zu einem anderen Träger der Krankenversicherung beendet die Mitgliedschaft bei dem bisherigen Träger der Krankenversicherung und damit auch dessen Leistungspflicht.
2. Die Funktion des Krankengeldes übernimmt in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung die Betriebshilfe nach §§ 2, 36 KVLG.
3. Die Vorschrift des § 311 RVO findet bei Begründung einer Pflichtmitgliedschaft bei einem anderen Träger der Krankenversicherung keine Anwendung.
2. Die Funktion des Krankengeldes übernimmt in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung die Betriebshilfe nach §§ 2, 36 KVLG.
3. Die Vorschrift des § 311 RVO findet bei Begründung einer Pflichtmitgliedschaft bei einem anderen Träger der Krankenversicherung keine Anwendung.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 1. Dezember 1975 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger ist Unternehmer der Landwirtschaft im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte – KVLG. Am 5. September 1972 hatte er einen Arbeitsunfall, der zu einer Quetschung des rechten Handgelenkes und zu einer klaffenden Platzwunde führte. Als freiwilliges Mitglied der Beklagten bezog er Krankengeld bis zum 30. September 1972. Seine Arbeitsunfähigkeit dauerte bis zum 29. Oktober 1972. Aufgrund des am 1. Oktober 1972 in Kraft getretenen Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte ist er von gleichen Zeitpunkt ab krankenversicherungspflichtig und Mitglied der landwirtschaftlichen Krankenkasse Hessen-Nassau geworden. Ab 1. Oktober 1972 gewährte die Hessen-Nassauische Berufsgenossenschaft Verletztengeld wegen der Folgen des landwirtschaftlichen Arbeitsunfalles.
Mit Bescheid vom 9. April 1973 stellte die Beklagte fest, die Mitgliedschaft des Klägers bei ihr habe am 30. September 1972 geendet. Gemäß § 212 RVO sei deshalb auch der Anspruch auf Krankengeld entfallen. Zuständig für alle weiteren Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sei vom 1. Oktober 1972 ab die Landwirtschaftliche Krankenkasse Hessen-Nassau nach dem KVLG und ihrer Satzung.
Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, von der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft habe er nur Verletztengeld in Höhe von 377,10 DM erhalten. Sein Krankengeldanspruch für die gleiche Zeit betrage jedoch 626,40 DM, so daß ihm noch ein Differenzbetrag von 249,30 DM zustehe. Seinen Anspruch stütze er auf § 311 RVO, nach welchem die Mitgliedschaft während des Leistungsanspruches solange erhalten bleibe, wie die Kasse Krankengeld zu zahlen habe. Die Landwirtschaftliche Krankenkasse, bei der er seit dem 1. Oktober 1972 pflichtversichert sei, sehe keine Krankengeldzahlung vor.
Der Widerspruchsbescheid vom 15. September 1973 stellte noch fest, die Forderung auf Zahlung von Krankengeld über den 30. September 1972 hinaus ließe sich nicht mit § 311 RVO begründen. Durch das Inkrafttreten des KVLG sei eine besondere Situation eingetreten, die für ein Fortbestehen der freiwilligen Versicherung über den 30. September 1972 hinaus keinen Raum lasse.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Kassel hat der Kläger sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Die Beklagte hat dazu ausgeführt, aus § 212 RVO ergebe sich, daß sowohl die Mitgliedschaft des Klägers bei ihr als auch ihre Leistungsverpflichtung am 30. September 1972 mit Inkrafttreten des KVLG geendet habe. Maßgebend für die Leistungsgewährung bei einem Kassenwechsel sei die Vorschrift des § 212 RVO.
Das Sozialgericht hat von dem Bundesverband Landwirtschaftlichen Krankenkassen die Auskunft vom 4. November 1974 und vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung eine schriftliche Auskunft vom 28. Februar 1975 eingeholt.
Mit Urteil vom 1. Dezember 1975 hat es die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung vom Krankengeld über den 30. September 1972 hinaus zu. Der Kläger sei gemäß § 212 Abs. 1 RVO mit Wirkung vom 1. Oktober 1972 bei der Beklagten ohne weitere Leistungsansprüche ausgeschieden und stattdessen Pflichtmitglied der Landwirtschaftlichen Krankenkasse Hessen-Nassau mit Anspruch auf deren satzungsmäßige Leistungen geworden. Das Sozialgericht hat die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Gegen das an den Kläger mittels eingeschriebenen Briefes am 16. Dezember 1975 abgesandte Urteil ist die Berufung am 12. Januar 1976 bei dem Sozialgericht Kassel eingegangen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 1. Dezember 1975 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. April 1973 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 1973 zu verurteilen, für die Zeit vom 1. Oktober bis 29. Oktober 1972 Krankengeld in Höhe vom 249,30 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Verwaltungsakte der Beklagten hat vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakte beider Rechtszüge, der auszugsweise in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die durch Zulassung statthafte Berufung, über die trotz Ausbleibens der Beklagten der Senat entscheiden konnte, da die Ladung einen entsprechenden Hinweis enthielt (§ 110 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –), ist frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 2 SGG); sie ist jedoch unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht die Versicherungspflicht des Klägers ab 1. Oktober 1972 nach dem KVLG bejaht, da er landwirtschaftlicher Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG ist. Denn sein Unternehmen bildet eine auf Bodenbewirtschaftung beruhende Existenzgrundlage i.S. von § 1 Abs. 4 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL). Von der somit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG gegebenen Versicherungspflicht bei der Landwirtschaftlichen Krankenkasse Hessen-Nassau kann der Kläger nach keiner Vorschrift der RVO oder des KVLG freigestellt werden. Der damit begründete Krankenversicherungsschutz bezieht sich auf alle noch andauernden Versicherungsfälle, insbesondere auch auf diejenigen, die vor Begründung der neuen Mitgliedschaft eingetreten sind. Insbesondere sind die Versicherungspflicht und ihre Ausnahmen allein und erschöpfend im KVLG geregelt. Eine Anwendung von Vorschriften der RVO ist daneben nicht möglich.
Das führt dazu, daß der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Krankengeld gegen die Beklagte über den 30. September 1972 hinaus wegen Arbeitsunfähigkeit hat. Denn er ist mit Wirkung vom 1. Oktober 1972 aus der Mitgliedschaft bei der Beklagten ausgeschieden. Damit findet § 212 Abs. 1 RVO Anwendung, wonach ein Versicherter, gleichgültig ob Pflichtversicherter oder freiwillig Versicherter, nach einem Kassenwechsel von dem aufnehmenden Träger der Krankenversicherung die weiteren Leistungen nach dessen Satzung erhält. Die Zeit der bereits genossenen Leistung wird angerechnet. Das Gesetz verwendet für den Kassenwechsel den Begriff des "Übertritts zu einem anderen Träger der Krankenversicherung”. Die Vorschrift des § 212 RVO wurde bei Inkrafttreten des KVLG redaktionell insofern geändert, als nunmehr ausdrücklich von einem Träger der Krankenversicherung die Rede ist. Das beweist, daß damit auch bei einem übertritt der Versicherten zur Landwirtschaftlichen Krankenkasse Hessen-Nassau die Leistungen von dieser zu übernehmen sind. Unter den Begriff "Übertritt” fällt auch eine gesetzliche Begründung der Versicherungspflicht. Es kommt nicht auf den Grund des Übertritts an. Er kann sowohl freiwillig als auch kraft Gesetzes erfolgen. Einer analogen Anwendung des § 312 RVO auf den vorliegenden Fall, wie das Landessozialgericht Schleswig-Holstein (in Ortskrankenkasse 1975, 502 f.) angenommen hat, bedarf es bei dem klaren Wortlaut und dem darin zum Ausdruck gekommenen Gesetzeszweck nicht. Vielmehr folgt allein aus § 212 RVO und der durch das KVLG geänderten Fassung bereits das Erlöschen der Mitgliedschaft bei der Beklagten.
Daß das KVLG die Gewährung von Krankengeld an den landwirtschaftlichen Unternehmer selbst nicht vorsieht, ändert daran nichts. Es reicht aus, wenn sich die zu vergleichenden Leistungen nach Rechtsgrund und Funktion entsprechen. Das ist im Verhältnis von Krankengeld zu der dem landwirtschaftlichen Unternehmer gemäß §§ 34, 36 KVLG zu gewährenden Betriebshilfe der Fall. Unwesentlich ist es in diesem Zusammenhang, daß in der RVO das Krankengeld als ein Fall der Krankenhilfe und die Betriebshilfe im KVLG dagegen als eine besondere Leistungsart (vgl. §§ 7, 12 KVLG) geregelt ist (Schleswig-Holsteinisches LSG a.a.O.). Denn beide Leistungen haben dieselbe Funktion. Das Krankengeld soll nach dem ihm zugrundeliegenden Lebensstandardprinzip den Einkommensausfall ausgleichen, der dem Arbeitnehmer durch die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit entsteht. Ein derartiger Einkommensausfall tritt aber nach der Konzeption des KVLG bei einem landwirtschaftlichen Unternehmer nicht ein. Denn ihm entgeht kein Arbeitsverdienst. Die Funktion des Krankengeldes als Lohnersatzleistung übernimmt die für die Landwirtschaftliche Krankenversicherung eigentümliche Leistungsart der Betriebshilfe, die eine ordnungsgemäße Weiterführung des Betriebes im Krankheitsfalle sichern soll. Da sowohl die Betriebshilfe als auch das Krankengeld funktionell gleichwertig sind, steht dem Eintritt der in § 212 Abs. 1 Satz 1 RVO geregelten Rechtsfolge vorliegend nichts entgegen. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Weitergewährung von Krankengeld ist damit ausgeschlossen.
Dem steht auch nicht, wie das das Sozialgericht zutreffend angenommen hat, § 311 RVO entgegen. Der in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommende Schutzgedanke erfaßt nämlich nur Personen, die aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ausscheiden und wegen ihrer Arbeitsunfähigkeit ein neues versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis und damit einen Versicherungsschutz nicht begründen können. Ob Gleiches für freiwillig versicherte Mitglieder angenommen werden kann (vgl. Peters, Handbuch der Krankenversicherung Teil II, § 311, 3 a am Ende), kann dahingestellt bleiben. Einer sogenannten verlängerten Mitgliedschaft des § 311 RVO bedarf es jedenfalls nicht, wenn eine Pflichtmitgliedschaft kraft Gesetzes bei einem anderen Versicherungsträger begründet worden ist.
Nach alledem könnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben. Er ist durch seine Pflichtmitgliedschaft in der Landwirtschaftlichen Krankenkasse Hessen-Nassau mit Wirkung vom 1. Oktober 1972 ab Pflichtmitglied geworden, was dazu führt, daß er keinen Krankengeldanspruch mehr ab dieser Zeit gegen die Beklagte hat.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG kam nach Lage des Falles nicht in Betracht.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger ist Unternehmer der Landwirtschaft im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte – KVLG. Am 5. September 1972 hatte er einen Arbeitsunfall, der zu einer Quetschung des rechten Handgelenkes und zu einer klaffenden Platzwunde führte. Als freiwilliges Mitglied der Beklagten bezog er Krankengeld bis zum 30. September 1972. Seine Arbeitsunfähigkeit dauerte bis zum 29. Oktober 1972. Aufgrund des am 1. Oktober 1972 in Kraft getretenen Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte ist er von gleichen Zeitpunkt ab krankenversicherungspflichtig und Mitglied der landwirtschaftlichen Krankenkasse Hessen-Nassau geworden. Ab 1. Oktober 1972 gewährte die Hessen-Nassauische Berufsgenossenschaft Verletztengeld wegen der Folgen des landwirtschaftlichen Arbeitsunfalles.
Mit Bescheid vom 9. April 1973 stellte die Beklagte fest, die Mitgliedschaft des Klägers bei ihr habe am 30. September 1972 geendet. Gemäß § 212 RVO sei deshalb auch der Anspruch auf Krankengeld entfallen. Zuständig für alle weiteren Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sei vom 1. Oktober 1972 ab die Landwirtschaftliche Krankenkasse Hessen-Nassau nach dem KVLG und ihrer Satzung.
Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, von der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft habe er nur Verletztengeld in Höhe von 377,10 DM erhalten. Sein Krankengeldanspruch für die gleiche Zeit betrage jedoch 626,40 DM, so daß ihm noch ein Differenzbetrag von 249,30 DM zustehe. Seinen Anspruch stütze er auf § 311 RVO, nach welchem die Mitgliedschaft während des Leistungsanspruches solange erhalten bleibe, wie die Kasse Krankengeld zu zahlen habe. Die Landwirtschaftliche Krankenkasse, bei der er seit dem 1. Oktober 1972 pflichtversichert sei, sehe keine Krankengeldzahlung vor.
Der Widerspruchsbescheid vom 15. September 1973 stellte noch fest, die Forderung auf Zahlung von Krankengeld über den 30. September 1972 hinaus ließe sich nicht mit § 311 RVO begründen. Durch das Inkrafttreten des KVLG sei eine besondere Situation eingetreten, die für ein Fortbestehen der freiwilligen Versicherung über den 30. September 1972 hinaus keinen Raum lasse.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Kassel hat der Kläger sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Die Beklagte hat dazu ausgeführt, aus § 212 RVO ergebe sich, daß sowohl die Mitgliedschaft des Klägers bei ihr als auch ihre Leistungsverpflichtung am 30. September 1972 mit Inkrafttreten des KVLG geendet habe. Maßgebend für die Leistungsgewährung bei einem Kassenwechsel sei die Vorschrift des § 212 RVO.
Das Sozialgericht hat von dem Bundesverband Landwirtschaftlichen Krankenkassen die Auskunft vom 4. November 1974 und vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung eine schriftliche Auskunft vom 28. Februar 1975 eingeholt.
Mit Urteil vom 1. Dezember 1975 hat es die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung vom Krankengeld über den 30. September 1972 hinaus zu. Der Kläger sei gemäß § 212 Abs. 1 RVO mit Wirkung vom 1. Oktober 1972 bei der Beklagten ohne weitere Leistungsansprüche ausgeschieden und stattdessen Pflichtmitglied der Landwirtschaftlichen Krankenkasse Hessen-Nassau mit Anspruch auf deren satzungsmäßige Leistungen geworden. Das Sozialgericht hat die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Gegen das an den Kläger mittels eingeschriebenen Briefes am 16. Dezember 1975 abgesandte Urteil ist die Berufung am 12. Januar 1976 bei dem Sozialgericht Kassel eingegangen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 1. Dezember 1975 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. April 1973 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 1973 zu verurteilen, für die Zeit vom 1. Oktober bis 29. Oktober 1972 Krankengeld in Höhe vom 249,30 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Verwaltungsakte der Beklagten hat vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakte beider Rechtszüge, der auszugsweise in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die durch Zulassung statthafte Berufung, über die trotz Ausbleibens der Beklagten der Senat entscheiden konnte, da die Ladung einen entsprechenden Hinweis enthielt (§ 110 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –), ist frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 2 SGG); sie ist jedoch unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht die Versicherungspflicht des Klägers ab 1. Oktober 1972 nach dem KVLG bejaht, da er landwirtschaftlicher Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG ist. Denn sein Unternehmen bildet eine auf Bodenbewirtschaftung beruhende Existenzgrundlage i.S. von § 1 Abs. 4 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL). Von der somit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG gegebenen Versicherungspflicht bei der Landwirtschaftlichen Krankenkasse Hessen-Nassau kann der Kläger nach keiner Vorschrift der RVO oder des KVLG freigestellt werden. Der damit begründete Krankenversicherungsschutz bezieht sich auf alle noch andauernden Versicherungsfälle, insbesondere auch auf diejenigen, die vor Begründung der neuen Mitgliedschaft eingetreten sind. Insbesondere sind die Versicherungspflicht und ihre Ausnahmen allein und erschöpfend im KVLG geregelt. Eine Anwendung von Vorschriften der RVO ist daneben nicht möglich.
Das führt dazu, daß der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Krankengeld gegen die Beklagte über den 30. September 1972 hinaus wegen Arbeitsunfähigkeit hat. Denn er ist mit Wirkung vom 1. Oktober 1972 aus der Mitgliedschaft bei der Beklagten ausgeschieden. Damit findet § 212 Abs. 1 RVO Anwendung, wonach ein Versicherter, gleichgültig ob Pflichtversicherter oder freiwillig Versicherter, nach einem Kassenwechsel von dem aufnehmenden Träger der Krankenversicherung die weiteren Leistungen nach dessen Satzung erhält. Die Zeit der bereits genossenen Leistung wird angerechnet. Das Gesetz verwendet für den Kassenwechsel den Begriff des "Übertritts zu einem anderen Träger der Krankenversicherung”. Die Vorschrift des § 212 RVO wurde bei Inkrafttreten des KVLG redaktionell insofern geändert, als nunmehr ausdrücklich von einem Träger der Krankenversicherung die Rede ist. Das beweist, daß damit auch bei einem übertritt der Versicherten zur Landwirtschaftlichen Krankenkasse Hessen-Nassau die Leistungen von dieser zu übernehmen sind. Unter den Begriff "Übertritt” fällt auch eine gesetzliche Begründung der Versicherungspflicht. Es kommt nicht auf den Grund des Übertritts an. Er kann sowohl freiwillig als auch kraft Gesetzes erfolgen. Einer analogen Anwendung des § 312 RVO auf den vorliegenden Fall, wie das Landessozialgericht Schleswig-Holstein (in Ortskrankenkasse 1975, 502 f.) angenommen hat, bedarf es bei dem klaren Wortlaut und dem darin zum Ausdruck gekommenen Gesetzeszweck nicht. Vielmehr folgt allein aus § 212 RVO und der durch das KVLG geänderten Fassung bereits das Erlöschen der Mitgliedschaft bei der Beklagten.
Daß das KVLG die Gewährung von Krankengeld an den landwirtschaftlichen Unternehmer selbst nicht vorsieht, ändert daran nichts. Es reicht aus, wenn sich die zu vergleichenden Leistungen nach Rechtsgrund und Funktion entsprechen. Das ist im Verhältnis von Krankengeld zu der dem landwirtschaftlichen Unternehmer gemäß §§ 34, 36 KVLG zu gewährenden Betriebshilfe der Fall. Unwesentlich ist es in diesem Zusammenhang, daß in der RVO das Krankengeld als ein Fall der Krankenhilfe und die Betriebshilfe im KVLG dagegen als eine besondere Leistungsart (vgl. §§ 7, 12 KVLG) geregelt ist (Schleswig-Holsteinisches LSG a.a.O.). Denn beide Leistungen haben dieselbe Funktion. Das Krankengeld soll nach dem ihm zugrundeliegenden Lebensstandardprinzip den Einkommensausfall ausgleichen, der dem Arbeitnehmer durch die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit entsteht. Ein derartiger Einkommensausfall tritt aber nach der Konzeption des KVLG bei einem landwirtschaftlichen Unternehmer nicht ein. Denn ihm entgeht kein Arbeitsverdienst. Die Funktion des Krankengeldes als Lohnersatzleistung übernimmt die für die Landwirtschaftliche Krankenversicherung eigentümliche Leistungsart der Betriebshilfe, die eine ordnungsgemäße Weiterführung des Betriebes im Krankheitsfalle sichern soll. Da sowohl die Betriebshilfe als auch das Krankengeld funktionell gleichwertig sind, steht dem Eintritt der in § 212 Abs. 1 Satz 1 RVO geregelten Rechtsfolge vorliegend nichts entgegen. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Weitergewährung von Krankengeld ist damit ausgeschlossen.
Dem steht auch nicht, wie das das Sozialgericht zutreffend angenommen hat, § 311 RVO entgegen. Der in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommende Schutzgedanke erfaßt nämlich nur Personen, die aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ausscheiden und wegen ihrer Arbeitsunfähigkeit ein neues versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis und damit einen Versicherungsschutz nicht begründen können. Ob Gleiches für freiwillig versicherte Mitglieder angenommen werden kann (vgl. Peters, Handbuch der Krankenversicherung Teil II, § 311, 3 a am Ende), kann dahingestellt bleiben. Einer sogenannten verlängerten Mitgliedschaft des § 311 RVO bedarf es jedenfalls nicht, wenn eine Pflichtmitgliedschaft kraft Gesetzes bei einem anderen Versicherungsträger begründet worden ist.
Nach alledem könnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben. Er ist durch seine Pflichtmitgliedschaft in der Landwirtschaftlichen Krankenkasse Hessen-Nassau mit Wirkung vom 1. Oktober 1972 ab Pflichtmitglied geworden, was dazu führt, daß er keinen Krankengeldanspruch mehr ab dieser Zeit gegen die Beklagte hat.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG kam nach Lage des Falles nicht in Betracht.
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