Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 2 Kr 4/79
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 Kr 1264/80
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Wirkt ein Versicherter bei der Aufklärung des maßgeblichen Sachverhalts nicht ausreichend mit, so geht die Unerweislichkeit von Tatsachen, aus denen er günstige Rechtsfolgen für sich herleiten will, zu seinen Lasten.
2. Liegen für den Versicherten keine Gründe zur Rechtfertigung der Verweigerung der Mitwirkung vor, so darf die Leistungsgewährung auch deswegen versagt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die notwendigen Feststellungen von dem Versicherungsträger nicht auf andere Art und Weise getroffen werden können.
2. Liegen für den Versicherten keine Gründe zur Rechtfertigung der Verweigerung der Mitwirkung vor, so darf die Leistungsgewährung auch deswegen versagt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die notwendigen Feststellungen von dem Versicherungsträger nicht auf andere Art und Weise getroffen werden können.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 19. September 1980 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte berechtigt war, der Klägerin in der Zeit vom 10. Juni bis zum 27. September 1978 kein Krankengeld auszuzahlen.
Die im Jahre 1933 geborene Klägerin befand sich wegen des Verdachts auf einen Bandscheibenvorfall zur stationären Heilbehandlung in der Zeit vom 28. März bis zum 24. Mai 1978 in der Klinik Sch. B ... Von dort wurde der Beklagten unter dem 29. Mai 1978 mitgeteilt, daß die Klägerin nach der Entlassung am 24. Mai 1978 noch für weitere 15 Tage arbeitsunfähig sei; danach bestehe Arbeitsfähigkeit. Der Ladung zur vertrauensärztlichen Untersuchung bei der Sozialärztlichen Dienststelle in L. zum 6. Juni 1978 folgte sie nicht, da sie nicht gehfähig gewesen sei. Hierauf veranlaßte die Beklagte einen neuen Untersuchungstermin für den 9. Juni 1978. In einem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 7. Juni 1978 teilte sie dieser mit, daß mangelnde Gehfähigkeit als erwiesen nur anerkannt werden könne, wenn sie durch den behandelnden Arzt bestätigt werde; um eine solche Bescheinigung bitte sie. Außerdem hieß es in diesem Schreiben: "Der Vertrauensarzt teilte uns ferner mit, er hätte durch die Nachbarin mitteilen lassen, sich bei uns zu melden. Wir haben jedoch von Ihnen bis heute keine Mitteilung erhalten. Sie sind somit Ihrer Mitteilungspflicht nicht nachgekommen.
Wir lassen Ihnen als Anlage eine erneute Vorladung zum Vertrauensarzt für Freitag, den 09.06.1978 zugehen. Sollten Sie diesen Termin wieder ohne ärztlich bestätigte Entschuldigung nicht wahrnehmen, werden wir die Zahlung des Krankengeldes ab 10.6.1978 einstellen, sofern bis zu diesem Zeitpunkt noch Anspruch besteht.”
Auch den neuerlichen Untersuchungstermin nahm die Klägerin nicht wahr. Hierauf stellte die Beklagte die Krankengeldzahlungen ab dem 10. Juni 1978 ein. Unter dem 3. Juli 1978 teilte sie der Klägerin mit, da sie dem Untersuchungstermin vom 9. Juni 1978 ohne Vorlage einer ärztlichen Entschuldigung ferngeblieben sei, sei die angekündigte Krankengeldsperre wirksam geworden. Der weiteren Vorladung zu Nachuntersuchung bei der Sozialärztlichen Dienststelle zum 1. August 1978 folgte die Klägerin ebenfalls nicht.
Gegen die ihr formlos übersandte und ohne Rechtsmittelbelehrung versehene Entscheidung der Beklagten vom 3. Juli 1978 legte die Klägerin am 2. Oktober 1978 Widerspruch ein, der jedoch erfolglos blieb. Die Beklagte wies ihn mit Bescheid vom 20. Dezember 1978 zurück.
Gegen diesen am 29. Dezember 1978 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Wiesbaden – SG – am 24. Januar 1979 Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht: Sie habe die Nachuntersuchungstermine nicht wahrnehmen können, da sie krankheitsbedingt nicht gehfähig gewesen sei. Das könnten ihr Hausarzt Dr. B. (L.) und der mit ihr zusammenlebende G. P. bestätigen. Das SG hat die Auskunft des Hausarztes Dr. B. vom 10. März 1979 eingeholt. Er hat mitgeteilt, daß er die Klägerin am 13. Juni 1978 besucht habe und darüber, ob sie am 6. und 9. Juni 1978 gehfähig gewesen sei, keine verbindliche Aussage machen könne. Sodann hat das SG die Klage abgewiesen (Urteil vom 19. September 1980) und sich für den hier streitigen Zeitraum auf die mangelnde Mitwirkung der Klägerin berufen. Wegen der Einzelheiten wird auf das sozialgerichtliche Urteil verwiesen.
Gegen dieses ihr am 6. Oktober 1980 zugestellte Urteil hat die Klägerin schriftlich bei dem Hessischen Landessozialgericht am 22. Oktober 1980 Berufung eingelegt. Sie bezieht sich zu ihrer Begründung auf ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus: Das SG habe zu Unrecht ihr Beweisangebot, ihren Freund P. als Zeugen zu hören, übergangen. Dieser sei in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich dafür benannt worden, daß sie an den Tagen der vorgesehenen Untersuchungstermine nach dem Aufstehen aus dem Bett zusammengebrochen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 19. September 1980 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 1978 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 10. Juni 1978 bis zum 27. September 1978 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen, hilfsweise,
G. P. als Zeugen dazu zu hören, daß sie am 6. und 9. Juni 1978 zusammengebrochen sei, als sie habe aufstehen wollen,
hilfsweise,
Dr. B. als Zeugen dazu zu hören, daß er am 8. Juni 1978 einen Hausbesuch abgestattet und ihr dabei erklärt habe, daß sie nicht gehfähig sei.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und das Vorbringen der Klägerin für widersprüchlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungs- und Streitakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die mangels Vorliegens von Ausschließungsgründen zulässige Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Sie ist jedoch nicht begründet. Das auf die bezüglich des allein noch streitigen Krankengeldes für die Zeit vom 10. Juni bis zum 27. September 1978 zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte nicht aufgehoben werden, da das SG diese zu Recht abgewiesen hat. Der angefochtene Bescheid vom 3. Juli 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 1978 (§ 95 SGG) ist nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat für die hier streitige Zeit keinen Anspruch auf die Gewährung des Krankengeldes, da mangels ihrer Mitwirkung ab dem 10. Juni 1978 keine Arbeitsunfähigkeit feststellbar ist (§ 182 Abs. 1 Nr. 2 Reichsversicherungsordnung – RVO – in Verbindung mit §§ 62, 65, 66 1. Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil – SGB 1). Krankengeld wird dem Versicherten gewährt, wenn ihn eine Krankheit arbeitsunfähig macht (§ 182 Abs. 1 Nr. 2 RVO). Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Erkrankte wegen seiner Krankheit nicht oder nur mit der Gefahr, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen (vgl. Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Auflage, Stand: April 1980, Anm. 4.1. zu § 182 RVO). Hierzu hat die Beklagte zunächst zu Recht angenommen, daß bei der Klägerin eine solche, den Krankengeldanspruch begründende Arbeitsunfähigkeit bis zum 9. Juni 1978 bestanden hat. Das ergibt sich aus den Mitteilungen der Klinik Sch. B. vom 24. und 29. Mai 1978. Aus diesen folgt ferner, daß die Arbeitsfähigkeit 15 Tage nach der Entlassung aus der stationären Heilbehandlung wegen des Verdachts auf Bandscheibenvorfall eintreten werde. Die Beklagte hatte daher zu Recht zu prüfen, ob ab dem 10. Juni 1978 Arbeitsunfähigkeit und damit ein Anspruch auf Krankengeld fortbestand. Maßgebend ist dabei die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, solange an der Richtigkeit derselben keine ernstlichen Zweifel bestehen. Die Arbeitsunfähigkeit ist ein Rechtsbegriff, dessen medizinische Voraussetzungen der Arzt lediglich festzustellen hat. Es ist Sache des Versicherungsträgers und der im Rechtsstreit damit befaßten Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit dazu Feststellungen zu treffen, ob die objektiven medizinischen Befunde den Rechtsbegriff der Arbeitsunfähigkeit ausfüllen. So hat ein Attest mit der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit lediglich die Bedeutung eines medizinischen Gutachtens, das die Grundlage für den über den Krankengeldbezug zu erteilenden Verwaltungsakt des Versicherungsträgers (Krankenkasse) bildet (vgl. Hessisches LSG, Urt. vom 9. Juli 1980 – L 8/Kr –1111/79 – mit weiteren Nachweisen). Hier fehlt es bereits am Vorliegen einer solchen ärztlichen Bescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit ab dem 10. Juni 1978. Den Aufforderungen der Beklagten, sich am 6. und 9. Juni sowie am 1. August 1978 bei der Sozialärztlichen Dienststelle in L. zur Untersuchung vorzustellen, ist die Klägerin nicht gefolgt. Andere ärztliche Bescheinigungen, die verläßliche Rückschlüsse auf das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit zuließen, sind weder im Verwaltungs- noch im gerichtlichen Verfahren vorgelegt worden. Auf die Anfrage der Beklagten vom 7. Juni 1978 hat nach fernmündlicher Rücksprache der Hausarzt Dr. B. am 28. Juni 1978 mitgeteilt, daß sein Urlaubsvertreter die Klägerin am 13. Juni 1978 zu Hause besucht habe. Die Klägerin habe auch ihm, d.h., Dr. B., und damit also auch gegenüber dem Urlaubsvertreter eine nähere Untersuchung zur Frage, ob die Diagnose Bandscheibenvorfall zutreffe, abgelehnt. Damit konnte Dr. B. keine schlüssige Aussage zur Arbeitsfähigkeit machen. Hiermit in Einklang steht seine im Streitverfahren erteilte Auskunft vom 10. März 1979, nach der er sich nicht in der Lage sieht, eine verbindliche Erklärung dazu abgeben zu können. Auch die Mitteilung des Dr. B. vom 6. Juli 1978, in der er sich auf einen Besuch vom Vortage und den bisherigen Zustand bezog sowie die Ansicht vertrat, die Klägerin dürfe zur Zeit als erwerbsunfähig angesehen werden, stellt keine ausreichende Grundlage zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit dar. Sie enthält keine überprüfbaren, objektiven Befunde.
Weder die Beklagte noch das SG brauchten den als Zeugen benannten P. zur Behauptung der Klägerin zu hören, sie sei am 6. und 9. Juni 1978 krankheitshalber nicht in der Lage gewesen, das Haus zu verlassen, insbesondere deswegen, weil sie nach dem Aufstehen zusammengebrochen sei. Der Senat unterstellt, daß dieser benannte Zeuge in diesem Sinne aussagen würde. Damit ist aber nicht der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit ab dem 10. Juni 1978 geführt, weswegen seine Vernehmung auch im Berufungsverfahren nicht in Betracht kam. Ferner brauchte der Senat auch nicht dem weiteren Hilfsantrag, den Hausarzt Dr. B. als Zeugen zu hören, zu entsprechen. Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist es unerheblich, ob Dr. B. bei einem Hausbesuch am 8. Juni 1978 erklärt hatte, die Klägerin sei nicht gehfähig. Maßgebend sind die Verhältnisse am 6. und 9. Juni 1978, wie oben ausgeführt ist. Der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit kann auch nicht mehr erbracht werden, da die Klägerin entgegen ihrer Mitwirkungspflicht (§ 62 SGB 1) auch ab dem 10. Juni 1978 die dazu nötigen Feststellungen nicht ermöglicht hat. Obwohl von der Beklagten im Schreiben vom 7. Juni 1978 auf diese Verpflichtung und die Folgen ihrer Nichteinhaltung hingewiesen, hat sie es unterlassen, am 9. Juni 1978 oder danach von einem Arzt ein entsprechendes Attest bei zubringen oder aber ab dem 10. Juni 1978 von sich aus die Sozialärztliche Dienststelle aufzusuchen. Auch die Aufforderung zur Untersuchung zum 1. August 1978 hat sie ohne Angabe von Gründen übergangen. Wirkt aber ein Versicherter bei der Aufklärung des maßgeblichen Sachverhalts nicht ausreichend mit, so geht die Unerweislichkeit von Tatsachen, aus denen er günstige Rechtsfolgen für sich herleiten will, zu seinen Lasten (vgl. Krauskopf/Schroeder-Printzen, a.a.O., Anm. 1 zu § 61 SGB 1 unter Hinweis auf BSG, SozR Nr. 62 zu § 542 RVO a.F.; SozR Nr. 75 zu § 128 SGG). Da nach alledem keine Gründe ersichtlich sind, die die Mitwirkungspflicht der Klägerin außer Kraft gesetzt haben (§ 65 SGB 1), durfte die Beklagte auch deswegen das Krankengeld ab dem 10. Juni 1978 für den hier streitigen Zeitraum bis zum 27. September 1978 versagen (§§ 62, 65, 66 Abs. 1 SGB 1).
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 193, 160 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte berechtigt war, der Klägerin in der Zeit vom 10. Juni bis zum 27. September 1978 kein Krankengeld auszuzahlen.
Die im Jahre 1933 geborene Klägerin befand sich wegen des Verdachts auf einen Bandscheibenvorfall zur stationären Heilbehandlung in der Zeit vom 28. März bis zum 24. Mai 1978 in der Klinik Sch. B ... Von dort wurde der Beklagten unter dem 29. Mai 1978 mitgeteilt, daß die Klägerin nach der Entlassung am 24. Mai 1978 noch für weitere 15 Tage arbeitsunfähig sei; danach bestehe Arbeitsfähigkeit. Der Ladung zur vertrauensärztlichen Untersuchung bei der Sozialärztlichen Dienststelle in L. zum 6. Juni 1978 folgte sie nicht, da sie nicht gehfähig gewesen sei. Hierauf veranlaßte die Beklagte einen neuen Untersuchungstermin für den 9. Juni 1978. In einem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 7. Juni 1978 teilte sie dieser mit, daß mangelnde Gehfähigkeit als erwiesen nur anerkannt werden könne, wenn sie durch den behandelnden Arzt bestätigt werde; um eine solche Bescheinigung bitte sie. Außerdem hieß es in diesem Schreiben: "Der Vertrauensarzt teilte uns ferner mit, er hätte durch die Nachbarin mitteilen lassen, sich bei uns zu melden. Wir haben jedoch von Ihnen bis heute keine Mitteilung erhalten. Sie sind somit Ihrer Mitteilungspflicht nicht nachgekommen.
Wir lassen Ihnen als Anlage eine erneute Vorladung zum Vertrauensarzt für Freitag, den 09.06.1978 zugehen. Sollten Sie diesen Termin wieder ohne ärztlich bestätigte Entschuldigung nicht wahrnehmen, werden wir die Zahlung des Krankengeldes ab 10.6.1978 einstellen, sofern bis zu diesem Zeitpunkt noch Anspruch besteht.”
Auch den neuerlichen Untersuchungstermin nahm die Klägerin nicht wahr. Hierauf stellte die Beklagte die Krankengeldzahlungen ab dem 10. Juni 1978 ein. Unter dem 3. Juli 1978 teilte sie der Klägerin mit, da sie dem Untersuchungstermin vom 9. Juni 1978 ohne Vorlage einer ärztlichen Entschuldigung ferngeblieben sei, sei die angekündigte Krankengeldsperre wirksam geworden. Der weiteren Vorladung zu Nachuntersuchung bei der Sozialärztlichen Dienststelle zum 1. August 1978 folgte die Klägerin ebenfalls nicht.
Gegen die ihr formlos übersandte und ohne Rechtsmittelbelehrung versehene Entscheidung der Beklagten vom 3. Juli 1978 legte die Klägerin am 2. Oktober 1978 Widerspruch ein, der jedoch erfolglos blieb. Die Beklagte wies ihn mit Bescheid vom 20. Dezember 1978 zurück.
Gegen diesen am 29. Dezember 1978 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Wiesbaden – SG – am 24. Januar 1979 Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht: Sie habe die Nachuntersuchungstermine nicht wahrnehmen können, da sie krankheitsbedingt nicht gehfähig gewesen sei. Das könnten ihr Hausarzt Dr. B. (L.) und der mit ihr zusammenlebende G. P. bestätigen. Das SG hat die Auskunft des Hausarztes Dr. B. vom 10. März 1979 eingeholt. Er hat mitgeteilt, daß er die Klägerin am 13. Juni 1978 besucht habe und darüber, ob sie am 6. und 9. Juni 1978 gehfähig gewesen sei, keine verbindliche Aussage machen könne. Sodann hat das SG die Klage abgewiesen (Urteil vom 19. September 1980) und sich für den hier streitigen Zeitraum auf die mangelnde Mitwirkung der Klägerin berufen. Wegen der Einzelheiten wird auf das sozialgerichtliche Urteil verwiesen.
Gegen dieses ihr am 6. Oktober 1980 zugestellte Urteil hat die Klägerin schriftlich bei dem Hessischen Landessozialgericht am 22. Oktober 1980 Berufung eingelegt. Sie bezieht sich zu ihrer Begründung auf ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus: Das SG habe zu Unrecht ihr Beweisangebot, ihren Freund P. als Zeugen zu hören, übergangen. Dieser sei in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich dafür benannt worden, daß sie an den Tagen der vorgesehenen Untersuchungstermine nach dem Aufstehen aus dem Bett zusammengebrochen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 19. September 1980 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 1978 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 10. Juni 1978 bis zum 27. September 1978 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen, hilfsweise,
G. P. als Zeugen dazu zu hören, daß sie am 6. und 9. Juni 1978 zusammengebrochen sei, als sie habe aufstehen wollen,
hilfsweise,
Dr. B. als Zeugen dazu zu hören, daß er am 8. Juni 1978 einen Hausbesuch abgestattet und ihr dabei erklärt habe, daß sie nicht gehfähig sei.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und das Vorbringen der Klägerin für widersprüchlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungs- und Streitakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die mangels Vorliegens von Ausschließungsgründen zulässige Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Sie ist jedoch nicht begründet. Das auf die bezüglich des allein noch streitigen Krankengeldes für die Zeit vom 10. Juni bis zum 27. September 1978 zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte nicht aufgehoben werden, da das SG diese zu Recht abgewiesen hat. Der angefochtene Bescheid vom 3. Juli 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 1978 (§ 95 SGG) ist nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat für die hier streitige Zeit keinen Anspruch auf die Gewährung des Krankengeldes, da mangels ihrer Mitwirkung ab dem 10. Juni 1978 keine Arbeitsunfähigkeit feststellbar ist (§ 182 Abs. 1 Nr. 2 Reichsversicherungsordnung – RVO – in Verbindung mit §§ 62, 65, 66 1. Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil – SGB 1). Krankengeld wird dem Versicherten gewährt, wenn ihn eine Krankheit arbeitsunfähig macht (§ 182 Abs. 1 Nr. 2 RVO). Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Erkrankte wegen seiner Krankheit nicht oder nur mit der Gefahr, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen (vgl. Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Auflage, Stand: April 1980, Anm. 4.1. zu § 182 RVO). Hierzu hat die Beklagte zunächst zu Recht angenommen, daß bei der Klägerin eine solche, den Krankengeldanspruch begründende Arbeitsunfähigkeit bis zum 9. Juni 1978 bestanden hat. Das ergibt sich aus den Mitteilungen der Klinik Sch. B. vom 24. und 29. Mai 1978. Aus diesen folgt ferner, daß die Arbeitsfähigkeit 15 Tage nach der Entlassung aus der stationären Heilbehandlung wegen des Verdachts auf Bandscheibenvorfall eintreten werde. Die Beklagte hatte daher zu Recht zu prüfen, ob ab dem 10. Juni 1978 Arbeitsunfähigkeit und damit ein Anspruch auf Krankengeld fortbestand. Maßgebend ist dabei die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, solange an der Richtigkeit derselben keine ernstlichen Zweifel bestehen. Die Arbeitsunfähigkeit ist ein Rechtsbegriff, dessen medizinische Voraussetzungen der Arzt lediglich festzustellen hat. Es ist Sache des Versicherungsträgers und der im Rechtsstreit damit befaßten Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit dazu Feststellungen zu treffen, ob die objektiven medizinischen Befunde den Rechtsbegriff der Arbeitsunfähigkeit ausfüllen. So hat ein Attest mit der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit lediglich die Bedeutung eines medizinischen Gutachtens, das die Grundlage für den über den Krankengeldbezug zu erteilenden Verwaltungsakt des Versicherungsträgers (Krankenkasse) bildet (vgl. Hessisches LSG, Urt. vom 9. Juli 1980 – L 8/Kr –1111/79 – mit weiteren Nachweisen). Hier fehlt es bereits am Vorliegen einer solchen ärztlichen Bescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit ab dem 10. Juni 1978. Den Aufforderungen der Beklagten, sich am 6. und 9. Juni sowie am 1. August 1978 bei der Sozialärztlichen Dienststelle in L. zur Untersuchung vorzustellen, ist die Klägerin nicht gefolgt. Andere ärztliche Bescheinigungen, die verläßliche Rückschlüsse auf das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit zuließen, sind weder im Verwaltungs- noch im gerichtlichen Verfahren vorgelegt worden. Auf die Anfrage der Beklagten vom 7. Juni 1978 hat nach fernmündlicher Rücksprache der Hausarzt Dr. B. am 28. Juni 1978 mitgeteilt, daß sein Urlaubsvertreter die Klägerin am 13. Juni 1978 zu Hause besucht habe. Die Klägerin habe auch ihm, d.h., Dr. B., und damit also auch gegenüber dem Urlaubsvertreter eine nähere Untersuchung zur Frage, ob die Diagnose Bandscheibenvorfall zutreffe, abgelehnt. Damit konnte Dr. B. keine schlüssige Aussage zur Arbeitsfähigkeit machen. Hiermit in Einklang steht seine im Streitverfahren erteilte Auskunft vom 10. März 1979, nach der er sich nicht in der Lage sieht, eine verbindliche Erklärung dazu abgeben zu können. Auch die Mitteilung des Dr. B. vom 6. Juli 1978, in der er sich auf einen Besuch vom Vortage und den bisherigen Zustand bezog sowie die Ansicht vertrat, die Klägerin dürfe zur Zeit als erwerbsunfähig angesehen werden, stellt keine ausreichende Grundlage zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit dar. Sie enthält keine überprüfbaren, objektiven Befunde.
Weder die Beklagte noch das SG brauchten den als Zeugen benannten P. zur Behauptung der Klägerin zu hören, sie sei am 6. und 9. Juni 1978 krankheitshalber nicht in der Lage gewesen, das Haus zu verlassen, insbesondere deswegen, weil sie nach dem Aufstehen zusammengebrochen sei. Der Senat unterstellt, daß dieser benannte Zeuge in diesem Sinne aussagen würde. Damit ist aber nicht der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit ab dem 10. Juni 1978 geführt, weswegen seine Vernehmung auch im Berufungsverfahren nicht in Betracht kam. Ferner brauchte der Senat auch nicht dem weiteren Hilfsantrag, den Hausarzt Dr. B. als Zeugen zu hören, zu entsprechen. Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist es unerheblich, ob Dr. B. bei einem Hausbesuch am 8. Juni 1978 erklärt hatte, die Klägerin sei nicht gehfähig. Maßgebend sind die Verhältnisse am 6. und 9. Juni 1978, wie oben ausgeführt ist. Der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit kann auch nicht mehr erbracht werden, da die Klägerin entgegen ihrer Mitwirkungspflicht (§ 62 SGB 1) auch ab dem 10. Juni 1978 die dazu nötigen Feststellungen nicht ermöglicht hat. Obwohl von der Beklagten im Schreiben vom 7. Juni 1978 auf diese Verpflichtung und die Folgen ihrer Nichteinhaltung hingewiesen, hat sie es unterlassen, am 9. Juni 1978 oder danach von einem Arzt ein entsprechendes Attest bei zubringen oder aber ab dem 10. Juni 1978 von sich aus die Sozialärztliche Dienststelle aufzusuchen. Auch die Aufforderung zur Untersuchung zum 1. August 1978 hat sie ohne Angabe von Gründen übergangen. Wirkt aber ein Versicherter bei der Aufklärung des maßgeblichen Sachverhalts nicht ausreichend mit, so geht die Unerweislichkeit von Tatsachen, aus denen er günstige Rechtsfolgen für sich herleiten will, zu seinen Lasten (vgl. Krauskopf/Schroeder-Printzen, a.a.O., Anm. 1 zu § 61 SGB 1 unter Hinweis auf BSG, SozR Nr. 62 zu § 542 RVO a.F.; SozR Nr. 75 zu § 128 SGG). Da nach alledem keine Gründe ersichtlich sind, die die Mitwirkungspflicht der Klägerin außer Kraft gesetzt haben (§ 65 SGB 1), durfte die Beklagte auch deswegen das Krankengeld ab dem 10. Juni 1978 für den hier streitigen Zeitraum bis zum 27. September 1978 versagen (§§ 62, 65, 66 Abs. 1 SGB 1).
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 193, 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved