L 8 Kr 1141/80

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 9 Kr 14/80
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 Kr 1141/80
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Gewährung von Krankengeld aufgrund einer Entscheidung des Krankenversicherungsträgers stellt regelmäßig einen der Bindungswirkung des § 77 SGG fähigen Verwaltungsakt dar, der nur unter den Voraussetzungen des § 1744 RVO zurückgenommen werden kann
2. Zum Vorbehalt bei einer Krankengeldbewilligung.
3. Die freiwillige Versicherung als selbständiger Unternehmer bei einer gesetzlichen Krankenkasse (§ 225 RVO) endet unabhängig von dem Willen der Beteiligten und ggf. rückwirkend ab dem Tag des Bezüge von Arbeitslosenhilfe. Das allein durch den tatsächlichen Bezug dieser Leistung kraft Gesetzes begründete und nach § 311 Nr. 2 RVO fortgeführte Pflichtversicherungsverhältnis wird durch eine rückwirkend vorgenommene Gewerbeanmeldung nicht berührt.
4. Das Krankengeld des infolge, des Bezugs von Arbeitslosenhilfe in der Krankenversicherung der Arbeitslosen Pflichtversicherten bemißt sich nach dem Betrag der ihm zuletzt gezahlten Arbeitslosenhilfe. Eine rückwirkende Gewerbeanmeldung kann auch nicht zu einer anderen – höheren – Leistungsbemessung gem. § 158 AFG führen.
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 6. August 1980 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 1980 sowie die weiteren Bescheide vom 29. Juli 1980 und 6. August 1980 aufgehoben. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger 2/3 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger für die Zeit vom 2. November 1975 bis 11. März 1980 Krankengeld in Höhe von 74,40 DM täglich oder lediglich in Höhe der für die vorangehende Zeit bewilligten Arbeitslosenhilfe zusteht und die Beklagte für die Zeit vom 2. November 1979 bis 12. Januar 1980 Krankengeld in Höhe von 3.386,10 DM zurückfordern kann.

Der 1936 geborene Kläger betrieb seit 20. April 1972 ein Tankschutz-Unternehmen und war seit 16. April 1972 bei der Beklagten als Selbständiger mit Anspruch auf Barleistungen bei einem Beitragssatz von zuletzt 410,13 DM monatlich krankenversichert. Am 27. September 1979 meldete er den Betrieb wegen "Arbeitsmangel und Führerscheinentzug” ab. Am 28. September 1979 meldete er sich beim Arbeitsamt Gießen arbeitslos und beantragte Arbeitslosenhilfe. In dem am 10. Dezember 1979 zurückgereichten Antragsvordruck gab er an, daß er während des Leistungsbezugs weiterhin der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) G. angehören wolle. Ferner erklärte er schriftlich, daß er sich von seiner hauptberuflich ausgeübten Tätigkeit als Selbständiger, einschl. der dazu gehörigen Betriebsmittel, gelöst, sie nicht nur vorübergehend aufgegeben habe und ernstlich bereit sei, künftig in der Hauptsache als Arbeitnehmer tätig zu sein.

Vom 1. November 1979 bis 11. März 1980 war der Kläger wegen Lumbalgien und eines Magenleidens arbeitsunfähig krank geschrieben und befand sich vom 11. Dezember bis 18. Dezember 1979 sowie 13. Februar bis 28. Februar 1980 in stationärer Behandlung. Der Beklagten teilte er unter dem 12. November 1979 mit, daß er sein Einkommen als selbständiger Handwerker bzw. Betriebsunternehmer infolge der Erkrankung und des dadurch bedingten Ausfalls der Arbeitskraft überwiegend bzw. ganz einbüße. Die Beklagte wies ihm daraufhin am 14., 22. und 27. November 1979 für die Zeit vom 2. November 1979 bis 12. Januar 1980 (= 71 Tage) Krankengeld berechnet nach dem Grundlohn von 93,– DM in Höhe von kalendertäglich 74,40 DM an.

Mit Bescheid vom 15. Januar 1980 bewilligte das Arbeitsamt Gießen dem Kläger nach Ermittlung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nachträglich Arbeitslosenhilfe ab 28. September 1979 in Höhe von 79,92 DM wöchentlich/13,32 DM täglich unter Anrechnung von Mieteinnahmen mit einem Betrag von 70,65 DM wöchentlich. Ab 1. November 1979 hob es die Entscheidung über die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe mit Bescheid vom gleichen Tage – 15. Januar 1980 – auf, weil der Kläger Anspruch auf Krankengeld habe. Die Beklagte erhielt hiervon am 18. Januar 1980 Kenntnis. Mit Bescheid vom 8. Februar 1980 teilte sie dem Kläger mit, daß er lediglich Anspruch auf Krankengeld in Höhe der ihm zustehenden Arbeitslosenhilfe von werktäglich 13,32 DM habe, weil er als Arbeitsloser arbeitsunfähig krank geworden sei. Bis zum 12. Januar 1980 sei eine Überzahlung in Höhe von insgesamt 4.443,24 DM eingetreten (5.282,40 DM (71 Tage × 74,40 DM) – 839,16 DM (63 Tage × 13,32 DM) = 4.443,24 DM), die zurückzuerstatten sei. Mit Schreiben vom gleichen Tage legte der Kläger beim Arbeitsamt Gießen gegen die Höhe der ihm bewilligten Arbeitslosenhilfe Widerspruch ein und kündigte die rückwirkende Anmeldung seines Gewerbebetriebes ab 1. November 1979 an, die dann am 11. Februar 1980 tatsächlich erfolgte. Gegen den Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 1980 legte er unter Hinweis darauf mit Schreiben vom 12. Februar 1980 Widerspruch ein und verlangte mit Ergänzungsschreiben vom 11. März 1980 für die Zeit vom 13. Januar bis 11. März 1980 einschließlich Krankengeld in Höhe von 74,40 DM kalendertäglich statt der von der Beklagten in Höhe der Arbeitslosenhilfe gezahlten 13,32 DM wochentäglich. Diesen Widerspruch "wegen Neuberechnung und Rückforderung von Krankengeld” wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 26. März 1980 als unbegründet zurück, weil bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 1. November 1979 die freiwillige Mitgliedschaft durch die wegen des Bezugs von Arbeitslosenhilfe ab 28. September 1979 begründete Pflichtmitgliedschaft nach § 155 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) beendet gewesen und durch die rückwirkende Gewerbeanmeldung nicht wieder aufgelebt sei.

Am 8. April 1980 hat der Kläger Klage erhoben. Während des Klageverfahrens hat das Arbeitsamt Gießen durch Änderungsbescheid vom 9. Juni 1980 Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 28. September 1979 bis 31. Oktober 1979 in Höhe von 180,60 DM statt 79,92 DM wöchentlich bewilligt. Mit Schriftsatz vom 29. Juli 1980 erklärte die Beklagte, daß dem Kläger dementsprechend Krankengeld in Höhe von 180,60 DM wöchentlich/30,10 DM werktäglich zustehe und die Überzahlung sich auf 2.547,10 DM belaufe; der Bescheid vom 8. Februar 1980 werde insoweit abgeändert. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG erklärte sie ferner, daß sie den Rückforderungsbetrag unter Berücksichtigung zu Unrecht vereinnahmter Beiträge für Oktober und November 1979 in Höhe von 861,27 DM auf 1.685,83 DM ermäßige. Der Kläger nahm das "Teilanerkenntnis” der Beklagten nicht an. Durch Urteil vom 6. August 1980 hat das Sozialgericht (SG) Gießen daraufhin den Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 1980 dahingehend abgeändert, daß der Rückforderungsbetrag sich auf 1.685,83 DM ermäßige. Im übrigen hat es die Klage aus den Gründen des angefochtenen Bescheides abgewiesen. Ergänzend hat es ausgeführt, daß dem auf allgemeine verwaltungsrechtliche Grundsätze zu stützenden Rückforderungsanspruch der Grundsatz von Treu und Glauben nicht entgegenstehe, da der Kläger die Beklagte von der Aufgabe des Gewerbes nicht unterrichtet habe.

Gegen das an ihn am 29. August 1980 zur Post aufgelieferte Urteil hat der Kläger am 16. September 1980 Berufung eingelegt. Er trägt vor: Die freiwillige Versicherung habe er bis zur Bewilligung von Arbeitslosenhilfe gar nicht kündigen können, weil er sonst ohne Versicherungsschutz gewesen sei. Zu Beginn der freiwilligen Versicherung habe die Beklagte ihn mit Bestätigungsschreiben vom 9. Mai 1972 auch darauf hingewiesen, daß die Abmeldung bei Bezügen vom Arbeitsamt nur unter Vorlage des Bewilligungsbescheides getätigt werden könne. Sein Gewerbe habe er erst nach entsprechender Beratung durch einen Sachbearbeiter der Beklagten am 7. Februar 1980 rückwirkend wieder angemeldet. Sofern tatsächlich eine Überzahlung vorliege, könne ihm jedenfalls kein Schuldvorwurf gemacht werden, zumal die Beklagte noch für Oktober/November 1979 den vollen Monatsbeitrag für die freiwillige Versicherung eingezogen habe.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 6. August 1980 abzuändern sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 1980 sowie die weiteren Bescheide vom 29. Juli 1980 und 6. August 1980 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm auch für die Zeit vom 13. Januar 1980 bis 11. März 1980 Krankengeld in Höhe von 74,40 DM kalendertäglich zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere auf den der Kassenakte der Beklagten und der Akte des Arbeitsamtes Gießen, Stamm-Nr. , die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG–) eingelegte Berufung ist statthaft. Sie betrifft die Höhe des Krankengeldes für die Zeit vom 2. November 1979 bis 11. März 1980 und damit eine wiederkehrende Leistung für einen Zeitraum von mehr als 13 Wochen (3 Monaten) im Sinne von § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Auch soweit die Rückforderung von Krankengeld im Streit steht, ist die Berufung zulässig, da der Beschwerdewert von 1.000,– DM (§ 149 SGG) bei weitem überschritten wird.

Die Berufung ist auch teilweise begründet.

Sie mußte Erfolg haben, soweit sie sich gegen die Neuberechnung von Krankengeld für die Zeit vom 1. November 1979 bis 12. Januar 1980 und die Rückforderung von Leistungen richtet, die ausgehend von dem mit Schriftsatz vom 29. Juli 1980 entsprechend dem Arbeitslosenhilfe-Änderungsbescheid vom 9. Juni 1980 als maßgeblich anerkannten Krankengeldsatz von 180,60 DM wöchentlich/30,10 DM wochentäglich und ohne Berücksichtigung der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 29. Juli 1980 und im Termin vom 6. August 1980 konkludent erklärten Aufrechnungen ("Ermäßigungen”) gegen einen sich nach Erhöhung des Krankengeldsatzes von 13,32 DM auf 30,10 DM für die Zeit vom 13. Januar 1980 bis 11. März 1980 ergebenden Nachzahlungsanspruch in Höhe von 839,00 DM und einen angenommenen Beitragserstattungsanspruch des Klägers in Höhe von 861,27 DM, insgesamt 3.386,10 DM beträgt (= 5.282,40 DM (71 Tage × 74,40 DM) – 1.896,30 DM (63 Tage × 30,10 DM)). Insoweit kann dahinstehen, ob eine Überzahlung nach materiellem Recht tatsächlich eingetreten ist oder nicht. Denn für die an den Kläger für die Zeit vom 1. November 1979 bis 12. Januar 1980 erbrachten Leistungen besteht eine davon unabhängige Rechtsgrundlage in Gestalt von in der Sache bindend gewordenen Verwaltungsakten (§ 77 SGG). Verwaltungsakt ist jede Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen trifft (vgl. u.a. Bundessozialgericht – BSGE 17, 124; jetzt auch die Legaldefinition in § 31 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – SGB 10 – vom 18. August 1980, BGBl. I 1469). Dazu gehören auch die Entscheidungen des Krankenversicherungsträgers über einen geltend gemachten Krankengeldanspruch, gleichgültig in welcher Form sie dem Berechtigten bekanntgemacht werden, ob dies durch förmliches Schreiben, mündlich, durch Mitteilung in Form von Auszahlungsscheinen oder nur durch konkludente Handlung (Überweisung des Geldes) erfolgt (BSG SozR 2200 § 183 Nr. 19). Ebensowenig wie es für die Qualität als Verwaltungsakt wesentlich ist, ob die Leistungsgewährung in einem formalisierten Verfahren oder häufig "am Schalter” erfolgt (so "klarstellend” die Begründung zu § 31 SGB 10 der BReg, BT-Drucks. 8/2034, S. 33), ist es von Bedeutung, ob der Versicherungsträger unter "Zeitdruck” steht oder nur "summarisch” den Sachverhalt prüfen kann und prüft (so auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. bis 9. Auflage, Stand August 1980, Bd. II, S. 382 i). Der Rechtsprechung des BSG (BSGE 25, 280; 32, 52; BSG SozR Nrn. 3 und 4 zu § 223 RVO), die aus diesen Erwägungen heraus der Gewährung von Kassenleistungen außer in Fällen eines darüber geführten Streits regelmäßig den Charakter "schlichten” Verwaltungshandelns beimißt, kann der Senat deshalb nicht folgen Auch der 3. Senat des BSG hat in seinem Urteil vom 20. Dezember 1978 – 3 RK 42/78 – (SozR 2200 § 183 Nr. 19) erhebliche Bedenken geäußert (ebenso Schroeder-Printzen in Festschrift für Walter Bogs, 1967, S. 185, 195) und jedenfalls für den zu entscheidenden Fall der Wiedergewährung von Krankengeld bei durchgehend unstreitiger Arbeitsunfähigkeit einen Verwaltungsakt angenommen (so auch Urteil des Senats vom 24. September 1980 – L 8/Kr – 1413/78 –). Für die "Erstgewährung” von Krankengeld kann nichts anderes gelten. Denn einheitlicher Ausgangspunkt für die Beurteilung eines Verwaltungsaktes ist immer die Frage, ob ein Einzelfall auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbar rechtlicher Wirkung geregelt wird. Auch der Kläger hat die Zahlungsanweisungen nicht etwa aufgrund verwaltungstechnischer Versehen, sondern aufgrund von "Entscheidungen” der Beklagten über den von ihm geltend gemachten Krankengeldanspruch erhalten, die ihm damit bekanntgegeben wurden. Das Vorliegen von Verwaltungsakten kann danach hier nicht zweifelhaft sein. Die Frage ist allenfalls die, ob es sich um Verwaltungsakte mit einer Nebenbestimmung in Form einer Bedingung bzw. eines Widerrufsvorbehalts oder um Verwaltungsakte handelte, für die der § 77 SGG nicht gilt. Auch dies ist jedoch zu verneinen. Ein Widerrufsvorbehalt ist bei Verwaltungsakten, auf die – wie beim Krankengeld – ein Rechtsanspruch besteht, grundsätzlich unzulässig (BSGE 7, 226; 20, 287; 30, 218). Sie dürfen nur dann unter einem solchen Vorbehalt ergehen, wenn aus besonderen Gründen ausnahmsweise zunächst Abschlagszahlungen und Vorschüsse gewährt werden dürfen oder nur gewährt werden können, weil das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen bei der Entscheidung über den Anspruch noch nicht abschließend beantwortet werden kann, ein Interesse an einer alsbaldigen Entscheidung besteht und nur auf diese Weise künftigen Ungewissen Umständen Rechnung getragen werden kann (BSG a.a.O. und BSGE 42, 184; SozR 4100 § 152 Nr. 9; Brackmann, a.a.O., Bd. II, S. 382 i). Ein rechtfertigender Grund, in der Krankenversicherung eine solche Situation regelmäßig als gegeben anzusehen und dem Krankenversicherungsträger in Umkehrung des o.a. Grundsatzes im Regelfall gerade die Befugnis zu einem Handeln unter dem Vorbehalt des späteren Widerrufs zuzubilligen, gibt es nicht (a. A. offenbar Schroeder-Printzen, a.a.O., S. 196 f.), ganz abgesehen davon, daß es reine Spekulation ist, ihm einen solchen Willen jeweils zu unterstellen. Der bei jedem Versicherungsträger zu vermutende Wunsch, nicht zu Unrecht zu leisten, reicht dafür nicht aus. Ebensowenig kann die "Eigenart” bzw. "Natur” der Leistung, das Interesse an einer schnellen Abwicklung des Leistungsfalls, eine ausreichende Begründung sein. Auch für die Arbeitslosenversicherung, deren Leistungen anerkanntermaßen in gleicher Weise zügig erbracht werden sollen und müssen, ist im Rahmen des Rückforderungsrechts der Ausnahmecharakter eines Widerrufsvorbehalts in dem dargelegten Sinne und vor allem auch die Notwendigkeit unstreitig, daß ein Vorbehalt ggfs. gegenüber dem Versicherten und Leistungsempfänger unmißverständlich zum Ausdruck zu bringen ist (vgl. u.a. BSGE 42, 184; SozR 4100 § 152 Nr. 9). Einen – zulässigen – Vorbehalt hat die Beklagte im Falle des Klägers aber weder ausdrücklich noch schlüssig angebracht. Sie hatte den Umständen nach vielmehr ersichtlich gar keinen Zweifel daran, daß die Anspruchsvoraussetzungen hinreichend geklärt waren und vorlagen. Daß eine solche Annahme unter Umständen nicht richtig ist, gehört zum typischen Risiko eines jeden Versicherungsträgers und wandelt eine ohne jede Einschränkung vorgenommene Leistungsgewährung nicht mit rückwirkender Kraft in eine solche mit Widerrufsvorbehalt entsprechend dem sich ggfs. nachträglich herausstellenden Mangel um. Danach gilt aber § 77 SGG, wonach unanfechtbar gewordene Verwaltungsakte für die Beteiligten in der Sache bindend werden, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt wird. Diese Vorschrift kann weder "verfassungskonform” dahin ausgelegt werden, daß sie nur für die im förmlichen Verfahren festgestellten Verwaltungsakt gilt (so Brackmann, a.a.O., Bd. II, S. 382 k und Bd. I/2, S. 232 o; a. A. BSGE 25, 280) noch ist aus dem weitgehenden Fehlen von gesetzlichen Vorschriften im Bereich der Krankenversicherung über die Beseitigung der Bindungswirkung von Verwaltungsakten nach dem hier noch anzuwendenden Recht vor Inkrafttreten des SGB 10, die im Sinne von § 77 SGG gerade die Ausnahme darstellen, ein einschränkender Anwendungsbereich der Grundnorm herzuleiten (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Komm. z. Sozialgerichtsbarkeit, Bd. I, Anm. 8 zu § 77; a. A. Brackmann, a.a.O., Bd. II, S. 382 k m.w.N.). Liegen hiernach aber verbindliche Verwaltungsakte vor, die den rechtlichen Grund für das dem Kläger in der Zeit vom 1. November 1979 bis 12. Januar 1980 gezahlte Krankengeld darstellen, so war eine Rücknahme und Neuberechnung nur unter den Voraussetzungen des § 1744 RVO möglich (BSG SozR 2200 § 183 Nr. 19), die aber eindeutig nicht vorliegen. Der allein in Betracht kommende Tatbestand des § 1744 Abs. 1 Nr. 4 RVO scheidet schon deshalb aus, weil die dort normierten Täuschungshandlungen nur dann eine erneute Prüfung durch den Versicherungsträger zulassen, wenn ihretwegen eine strafgerichtliche Verurteilung erfolgt ist oder die Nichtdurchführbarkeit eines Strafverfahrens aus anderen als Beweisgründen feststeht (§ 1744 Abs. 2 RVO; BSG SozR Nr. 10 zu § 1744 RVO). Eine Rücknahme nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts kommt nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der der Senat zustimmt, nur bei Nichtleistungsbescheiden in Betracht (BSG SozR 2200 § 183 Nr. 19 m.w.N.; vgl. auch Urteil vom 16. Dezember 1980 – 3 RK 18/78). Unter diesen Umständen konnte dahinstehen, ob die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe im Bescheid vom 15. Januar 1980 überhaupt rückwirkenden Einfluß auf die Wirksamkeit der erbrachten Leistungen und entrichteten Beiträge nehmen konnte (vgl. dazu Urteile des BSG vom 28. Mai 1980 – 5 RKn 21/79 –; 26. Juni 1980 – 5 RKn 5/78 –; 16. Dezember 1980 – 3 RK 18/78; 22. Januar 1981 – 8/8a RK 12/79 –) und ob jedenfalls eine Rückforderung u.U. deshalb entfallen müßte, weil die Beklagte unabhängig von den Angaben des Klägers zu seiner beruflichen und wirtschaftlichen Situation bis zur Arbeitslosenhilfe-Bewilligung am 15. Januar 1980 zur Zahlung von Krankengeld in Höhe des gewährten Betrages (zunächst) verpflichtet war und deshalb durch Handlungen oder Unterlassungen des Klägers dazu nicht veranlaßt werden konnte.

Soweit der Kläger auch für die Zeit vom 13. Januar 1980 bis 11. März 1980 Krankengeld in Höhe des zuvor erhaltenen Betrages von 74,40 DM kalendertäglich, begehrt konnte die Berufung hingegen keinen Erfolg haben. Die Höhe der zu gewährenden Leistung richtet sich nach den Verhältnissen bei Eintritt des Versicherungs- bzw. Leistungsfalls am 1. November 1979. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger jedoch nicht mehr freiwilliges Mitglied der Beklagten mit Anspruch auf Krankengeld aus dem Grundlohn, sondern pflichtversichertes Mitglied in der Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA).

Gemäß § 155 Abs. 1 AFG ist für den Fall der Krankheit versichert, wer Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Übergangsgeld bezieht. Die Versicherung wird gemäß § 155 Abs. 2 AFG vorbehaltlich anderweitiger Regelung nach den Vorschriften des 2. Buches der RVO durchgeführt. Dabei tritt an die Stelle der versicherungspflichtigen Beschäftigung der Bezug von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Übergangsgeld, soweit es sich um Rechte und Pflichten aus der Krankenversicherung handelt. Der Kläger hat Arbeitslosenhilfe vom 28. September 1979 bis 30. Oktober 1979 bezogen aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 15. Januar 1980. Allein durch diesen tatsächlichen Bezug wurde kraft Gesetzes das krankenversicherungsrechtliche Pflichtversicherungsverhältnis begründet (vgl. u.a. BSG SozR 4100 § 155 Nr. 5) und zwar rückwirkend von dem Tage, ab dem die Bezugsberechtigung anerkannt wurde und der Leistungsbezug an die Stelle der versicherungspflichtigen Beschäftigung trat (§ 155 Abs. 2 Satz 1 und 2 AFG i.V.m. § 306 Abs. 1 RVO; vgl. auch BSG SozR 4100 § 159 Nrn. 1 und 2; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. September 1976 in Breithaupt 1977, S. 652; Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Anm. 6 zu § 306). Eine Befreiung von dieser Pflichtversicherung ist – wenn überhaupt – allenfalls ähnlich wie bei der Versicherungspflichtigen Beschäftigung nach § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO auf Antrag und bei Bestehen einer ausreichenden privaten Versicherung denkbar (§ 173 b RVO), woran es hier aber fehlt. Durch die Pflichtversicherung in der KVdA wurde die freiwillige Versicherung des Klägers gemäß § 176 Abs. 1 Nr. 3 RVO als Gewerbetreibender verdrängt. Außer z.B. bei Tod (§ 312 Abs. 1 Nr. 1 RVO) und Zahlungsverzug (§ 314 RVO) endet die freiwillige Versicherung unabhängig vom Willen der Beteiligten regelmäßig auch bei Begründung einer Pflichtmitgliedschaft kraft Gesetzes. Deren Vorrang vor der freiwilligen Versicherung ist – wie das SG zu Recht angenommen hat – als Grundsatz aus § 312 Abs. 1 RVO zu entnehmen, wonach die Mitgliedschaft erlischt, sobald der Versicherte Mitglied einer anderen Kasse wird (vgl. auch Peters, Handbuch der Sozialversicherung, Teil II Anm. 4, 5 zu § 312; BSGE 42, 64). Damit ist klargestellt, daß eine Doppelversicherung bei mehreren gesetzlichen Krankenkassen im Sinne des § 225 RVO oder auch bei einer einzigen Krankenkasse nicht stattfindet. Ob für versicherungsberechtigte Mitglieder von Ersatzkassen, für die § 312 Abs. 1 RVO nicht gilt (BSG SozR 2200 § 517 Nr. 4), etwas anderes gilt (vgl. dazu BSG SozR 4100 § 155 Nr. 5; Urteil vom 22. Januar 1981 – 8/8a RK 12/79), kann hier dahinstehen. Die Pflichtversicherung wurde mit dem Wegfall des Arbeitslosenhilfe-Bezuges bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 1. November 1979 auch nicht beendet, sondern dauerte gemäß § 155 Abs. 2 Satz 1 und 2 AFG i.V.m. § 311 Nr. 2 RVO für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld mit allen ihren Rechten und Pflichten an (Peters, a.a.O., Anm. 8 und 3 a zu § 311; Krauskopf, a.a.O., Anm. 2 zu § 311; BSG SozR 2200 § 311 Nr. 11). Die gemäß § 311 fortgeführte Mitgliedschaft nach § 155 AFG war dabei dem Willen der Beteiligten ebenfalls entzogen (Peters, a.a.O., Anm. 3 zu § 311; Krauskopf, a.a.O., Anm. 2 zu § 311) und nur im Verhältnis zu einer neu begründeten Versicherung aufgrund aktiver Berufstätigkeit subsidiär, die hier aber nicht zustande kam (vgl. BSGE 42, 64; 48, 235). Schließlich kommt auch der Neuanmeldung des Gewerbebetriebes am 11. Februar 1979, für die allein durch den tatsächlichen Leistungsbezug ab 28. September 1979 begründete Pflichtmitgliedschaft in der KVdA keinerlei Bedeutung zu, selbst wenn infolgedessen die Voraussetzungen für die Arbeitslosenhilfe nicht mehr vorgelegen hätten (BSG SozR 4100 § 155 Nr. 5). Dies folgt aus der Vorschrift des § 155 Abs. 2 Satz 3 AFG, wonach das Versicherungsverhältnis selbst durch eine – hier nicht gegebene – rückwirkend Aufhebung der Bewilligungsentscheidung oder die Rückzahlung oder die Rückforderung der Leistung nicht berührt wird.

Der Inhalt dieses kraft Gesetzes gemäß § 155 AFG begründeten und gemäß § 311 Nr. 2 RVO fortgeltenden Pflichtversicherungsverhältnisses, für das die Mitgliedschaft bei der örtlich zuständigen und vom Kläger im Antrag auf Arbeitslosenhilfe als Kasse bestimmten Beklagten begründet wurde (§ 159 AFG), richtet sich ebenfalls nach dem Gesetz. Danach hat der Kläger Anspruch auf Krankengeld aber nur in Höhe der ihm zuletzt gezahlten Arbeitslosenhilfe. Denn nach § 158 Abs. 1 AFG ist aus der KVdA als Krankengeld vom ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit an der Betrag zu gewähren, auf den der Versicherte zuletzt vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit Anspruch hatte bzw. den er gehabt hätte, wenn er nicht arbeitsunfähig geworden wäre (BSG SozR 4100 § 155 Nr. 5). Diese Regelung beruht auf der Erwägung, daß der Arbeitslose im Falle der Arbeitsunfähigkeit so gestellt sein soll, wie er ohne die Erkrankung stehen sollte, zumal die Leistungen des Arbeitsamtes wie das Krankengeld gleichfalls teilweise Lohnersatzfunktion haben. Durch die Anbindung des Krankengeldes an die vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erzielten Einkünfte – Leistungen – soll eine gleichbleibende wirtschaftliche Basis gewährleistet werden, andererseits aber auch der Versuchung vorgebeugt werden, daß der Arbeitslose sich gegebenenfalls wegen des höheren Krankengeldes arbeitsunfähig meldet (vgl. BSG SozR Nr. 1 zu § 110 AVAVG; BSGE 47, 71). Insoweit kann weder an die vor der Arbeitslosmeldung erzielten Einnahmen noch an das der Bemessung der Arbeitslosenhilfe zugrunde gelegte – fiktive – Arbeitsentgelt angeknüpft werden. Die vom BSG in seinem Urteil vom 21. März 1978 (SozR 4100 § 155 Nr. 4) für den Fall eines nur kurzfristigen Arbeitslosengeld-Bezuges (2 Tage) nach den Grundsätzen des mißglückten Arbeitsversuchs anerkannte Ausnahme von der Bemessungsregelung des § 158 Abs. 1 AFG ist auf den vorliegenden Fall schon wegen der nicht lediglich geringfügigen Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe nicht entsprechend übertragbar. Ebenso scheidet eine günstigere Bemessung mit Rücksicht auf die rückwirkende Gewerbeanmeldung nach der allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 158 Abs. 2 AFG aus. Danach ist zwar, sofern sich die nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit für den Anspruch auf Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Unterhaltsgeld maßgebenden Verhältnisse des Versicherten ändern, auf Antrag als Krankengeld derjenige Betrag zu gewähren, den der Versicherte als Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld erhält. Eine rückwirkende Gewerbeanmeldung hat aber grundsätzlich keinerlei Auswirkungen auf Berechnung und Höhe der Arbeitslosenhilfe, da diese bei vorherige selbständiger Tätigkeit immer auf der Grundlage eines fiktiven – als Arbeitnehmer erzielbaren – Arbeitsentgelts ermittelt wird (§ 136 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 112 Abs. 7 AFG). Den sich aus dem Änderungsbescheid des Arbeitsamtes vom 9. Juni 1980 ergebenden höheren Arbeitslosenhilfe-Betrag von 180,60 DM statt 145,00 DM wöchentlich hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 29. Juli 1980 für die Höhe des Krankengeldes bereits als maßgeblich anerkannt. Die daraus errechnete Nachzahlung von 839,00 DM, die die Beklagte bislang nur in der Weise berücksichtigt hat, daß sie die geltend gemachte Rückforderung für die Zeit vom 1. November 1979 bis 12. Januar 1980 in Höhe von insgesamt 3.386,10 DM außer um die Beiträge für Oktober und November 1979 in Höhe von 861,27 DM um den Betrag von 839,00 DM auf den auch vom SG angenommenen Endbetrag von 1.685,83 DM reduzierte, wird dem Kläger nunmehr allerdings anzuweisen sein. Denn da ein Rückforderungsanspruch nicht besteht entbehrt auch die damit vorgenommene Aufrechnung gegen Ansprüche des Klägers schon deshalb der Grundlage und war aufzuheben.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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