Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 12 Kr 50/79
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 Kr 636/81
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Begrenzung des Krankengeldanspruchs auf 6 Wochen während des Bezugs von Erwerbsunfähigkeit, Rente oder Altersruhegeld verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Dies gilt auch im Hinblick darauf, daß der Anspruch auf das Krankengeld ruht, wenn und soweit der Versicherte während der Krankheit Arbeitsentgelt erhält.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 1. April 1981 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten hoben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Klägers zur Beitragszahlung und die Rückgewährung des an die Beklagte geleisteten Beitrage.
Der im Jahre 1911 geborene Kläger bezieht seit 1967 von der Landesversicherungsanstalt – LVA – Hessen Altersruhegeld, das sich im Jahr 1979 auf monatlich 794,30 DM belief. Unter dem 14. Mai 1979 meldete die Firma C. S. KG (X.) der Beklagten, daß der Kläger seit dem 9. April 1979 bei ihr als Lagerarbeiter auf unbestimmte Zeit eingestellt sei. Bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden erhalte er ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1.600,– DM. Den Antrag des Klägers vom 6. Juni 1979, die aus seinem Arbeitsentgelt einbehaltenen Beiträge zur Krankenversicherung zu erstatten sowie ihn von der Beitragsverpflichtung zukünftig freizustellen, wies die Beklagte mit formlosem Bescheid vom 25. Juni 1979 zurück. Die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) trete gegenüber derjenigen aus abhängiger Beschäftigung nach § 165 Absatz 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zurück. Den am 3. Juli 1979 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte aus den gleichen Gründen mit dem Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 1979 zurück. Auch der Umstand, daß der Kläger gemäß § 183 Absatz 4 RVO nur für sechs Wochen Anspruch auf Krankengeld habe, dieser aber im Hinblick auf die Lohnfortzahlungsverpflichtung des Arbeitgebers (§ 1 des Lohnfortzahlungsgesetzes –LFZG–) nach § 189 RVO ruhe, ändere nichts an der Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung nach § 385 Absatz 1 RVO.
Gegen diesen ihm am 2. November 1979 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger bei dem Sozialgericht Kassel –SG– am 23. November 1979 Klage erhoben und im wesentlichen geltend gemacht: Als Rentner habe er lediglich für sechs Wochen Anspruch auf Krankengeld. Diesen Anspruch könne er aber nicht realisieren, da dieser wegen der vom Arbeitgeber zu erfüllenden Lohnfortzahlungspflicht ruhe. Er brauche daher auch keine Beiträge zur Krankenversicherung zu entrichten. Wenn § 385 Absatz 1 RVO eine solche Regelung nicht enthalte, so sei dies verfassungswidrig.
Das SG hat die Verfassungsmäßigkeit der §§ 183 Absatz 4, 189 und 385 Absatz 1 RVO bejaht und mit Urteil vom 1. April 1981 die Klage aus den Gründen der angefochtenen Bescheide abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird nur das sozialgerichtliche Urteil verwiesen.
Gegen dieses an ihn mit Einschreiben am 6. Mai 1981 abgesandte Urteil hat der Kläger schriftlich bei dem SG am 20. Mai 1981 Berufung eingelegt.
Es sind im Berufungsverfahren der Arbeitgeber des Klägers, die Fa. C. S. KG, und die Landesversicherungsanstalt Hessen beigeladen worden.
Der Kläger wiederholt zur Begründung der Berufung sein bisheriges Vorbringen und beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 1. April 1981 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 1979 aufzuheben und diese unter Feststellung der Beitragsfreiheit zur Krankenversicherung zu verurteilen, die seit dem 9. April 1979 aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses bei der Beigeladenen von ihm entrichteten Beiträge zu erstatten.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Kassen- und Streitakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die mangels Ausschließungsgründen statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher insgesamt zulässig (§§ 143, 149, 151 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –).
Sie ist jedoch unbegründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte nicht aufgehoben werden, da das SG diese zu Recht abgewiesen hat. Der Bescheid vom 25. Juni 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 1979 (§ 95 SGG) ist nicht rechtswidrig. Mit ihnen hat es die Beklagte zutreffend abgelehnt, den Kläger von der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen zur Krankenversicherung ab dem 9. April 1979 freizustellen und eingezogene Beiträge zu erstatten. Er ist seitdem krankenversicherungspflichtig beschäftigt (§ 165 Absatz 1 Nr. 1 RVO) und damit auch beitragspflichtig (§§ 380, 381, 385 RVO).
Auf Grund der Ermittlungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren ist zunächst erwiesen, daß der Kläger seit 1967 von der Beigeladenen zu 2. das Altersruhegeld bezieht. Insoweit bestand gemäß § 165 Absatz 1 Nr. 3 RVO die KVdR. Ferner steht fest, daß der Kläger seit 9. April 1979 vollschichtig als Lagerarbeiter bei einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von mindestens 1.600,– DM in abhängiger Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1. tätig ist. Dies ergibt sich aus deren Meldung vom 14. Mai 1979. Hierüber besteht unter den Beteiligten kein Streit.
Zutreffend hat die Beklagte daraus den Schluß gezogen, daß der Kläger seit dem 9. April 1979 nach § 165 Absatz 1 Nr. 1 RVO krankenversicherungspflichtig ist und diese Krankenversicherungspflicht diejenige aus der KVdR (§ 165 Absatz 1 Nr. 3 RVO) verdrängt (§ 165 Absatz 6 Nr. 1 RVO). Da offenkundig weder die Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit noch diejenigen zur Befreiung von der Krankenversicherungspflicht vorliegen (§§ 168 bis 175 RVO), hat die Beklagte ferner rechtsfehlerfrei sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach die Beitragspflicht des Klägers gemäß der §§ 380, 381, 385 RVO i.V.m. § 15 ihrer Satzung festgestellt. Das ist mit zutreffenden Erwägungen von dem SG dargelegt worden. Der Umstand, daß der Kläger als Altersruhegeldbezieher mit dem Anspruch auf Krankengeld auf sechs Wochen beschränkt ist (§ 183 Absatz 4 RVO) und dieser gemäß § 189 RVO wegen der Lohnfortzahlungsverpflichtung der Beigeladenen zu 1. ruht, gestattet es der Beklagten nicht, von der Beitragserhebung abzusehen oder den allgemeinen Beitragssatz zu ermäßigen.
Es fehlt an einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung. Vielmehr gilt der allgemeine Beitragssatz für alle Pflichtversicherten, unabhängig davon, ob der Anspruch auf das Krankengeld begrenzt ist oder nicht. Eine Abstufung nach dem Versicherungsrisiko ist grundsätzlich nicht statthaft (vgl. Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Auflage, Stand Januar 1981, Anm. 2.2. zu § 385 RVO; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: 31. Lieferung, August 1981, Anm. 2 zu § 385 RVO), soweit nicht Sonderregelungen bestehen, wie z.B. bei Versicherten ohne Anspruch auf Lohnfortzahlung (§ 385 Abs. 1 Satz 4 RVO), freiwillig Versicherten (§ 215 Absatz 3 RVO), freiwillig Weiterversicherten (§ 313 Absatz 4. und 5 RVO), bei im Wehrdienst befindlichen Personen (§ 209 a RVO) oder Auszubildenden und bei Personen in Einrichtungen der Jugendhilfe (§ 494 RVO, § 4 des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter i.V.m. § 165 Absatz 1 Nr. 2 a RVO).
Die hier für den Kläger anzuwendenden Vorschriften über die Beitragspflicht und Beitragsbemessung hält der Senat – ebenso wie das SG – nicht für verfassungswidrig; insbesondere sind nicht der Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – GG – noch das Sozialstaatsprinzip aus Artikel 20 GG verletzt. Dies gilt sowohl für den Vorrang der Krankenversicherungspflicht aus § 165 Absatz 1 Nr. 1 RVO gegenüber derjenigen aus § 165 Absatz 1 Nr. 3 RVO (KVdR) nach § 165 Absatz 6 RVO als auch der Begrenzung des Krankengeldanspruchs auf sechs Wochen nach § 183 Absatz 4 RVO bei gleichzeitigem Ruhen desselben im Falle der Lohnfortzahlung (§ 189 RVO i.V.m. § 1 LFZG), aber auch hinsichtlich des einheitlich geltenden allgemeinen Bemessungssatzes (§ 385 Absatz 1 RVO). Das Recht der sozialen Krankenversicherung ist als Pflichtversicherung aller abhängig beschäftigten Erwerbstätigen vom Prinzip der Solidargemeinschaft und Solidarhaftung geprägt. Hieraus erklärt sich die Berechtigung des Vorranges der Versicherung des abhängig Beschäftigten gegenüber der KVdR. Es handelt sich um eine sachbezogene, systematisch geordnete Entscheidung des Gesetzgebers, durch die das Willkürverbot aus Artikel 3 GG (vgl. statt vieler: Leibholz-Rinck, GG, Anm. 9 zu Artikel 3 GG mit weiteren Nachweisen) nicht berührt wird. Dies gilt auch für die Begrenzung des Krankengeldanspruchs des Beziehers von Altersruhegeld oder der Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit auf sechs Wochen in § 183 Absatz 4 SGG durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 12. Juli 1961 (BGBl. I S. 913). Zutreffend hat das SG auf die Einzelheiten des Gesetzgebungsverfahrens hingewiesen (vgl. im einzelnen Peters, a.a.O., Anm. 4 d zu § 183 RVO), denen nichts weiter anzufügen ist. Die Regelung soll im übrigen den Doppelbezug von Leistungen mit gleicher Zweckbestimmung, nämlich der Lohnersatzfunktion, verhindern und ist daher verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.7.1980, –1 BvR 491/80 – in SozR 2200, § 183 RVO Nr. 33 mit, weiteren Nachweisen; BSG, Urteil vom 18.3.1966 – 3 RK 98/63 – in E 24, 285 = USK, 6612 mit weiteren Nachweisen).
Der Gesetzgeber war auch nicht genötigt, wegen der Begrenzung des Krankengeldanspruchs auf sechs Wochen und das Ruhen desselben bei Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber eine differenziertere Beitragsbemessungsgrundlage in den §§ 380, 381, 385 Absatz 1 RVO zu schaffen. Die Beklagte hat nämlich gleichwohl das Risiko der Krankengeldzahlung zu tragen, da der Anspruch nur solange ruht, wie von dem Beigeladenen zu 1. als Arbeitgeber dem Kläger der Lohn nach § 1 LFZG fortgezahlt wird. Das Ruhen eines Anspruchs bedeutet, daß er zwar besteht, aber wegen Vorliegens bestimmter Sachverhalte zur Zeit nicht realisierbar ist (vgl. Schmatz/Fischwasser, Vergütung der Arbeitnehmer bei Krankheit und Mutterschaft, 6. Auflage, Stand April 1981, Anm. II 1 zu § 189 RVO unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 21. Dezember 1953 – 3 RK 47/55 – in E 2, 142; 27.2.1957 – 1 RA 94/56 – in E 5, 4; 14.5.1958 – 11/9 RV 1042/55 – in E 7, 187; 19.6.1963 – 3 RK 37/59 – in E 19, 179). So entfällt der Anspruch auf die Lohnfortzahlung dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit vom Arbeitnehmer (Versicherten) selbst verschuldet ist (§ 1 LFZG). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – BAG – liegt ein solches Verschulden des Arbeitnehmers (Versicherten) stets dann vor, wenn ein gröblicher Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende (gebotene) Verhalten (als subjektives Merkmal) gegeben ist, dessen Folgen auf den Arbeitgeber abzuwälzen als unbillig anzusehen wäre (als objektives Merkmal). So ist es wiederholt angenommen worden, z.B. bei Verkehrsunfällen infolge Trunkenheit (vgl. Schmatz/Fischwasser, a.a.O., Anm. II S. C 133 zu § 1 LFZG mit zahlreichen Nachweisen) oder wenn die Arbeitsunfähigkeit darauf beruht, daß der Arbeitnehmer unter Verstoß Gegen § 21 a Absatz 1 Satz 1. der Straßenverkehrsordnung den Sicherheitsgurt nicht angelegt hatte (vgl. Schmatz/Fischwasser mit weiteren Nachweisen und BAG, Urteil vom 7. Oktober 1981 – 5 AzR 113/79 und 475/80 – in ErsK 1981, 451). Nicht nur in den Fällen der verschuldeten Arbeitsunfähigkeit mit der Folge des Wegfalls der Lohnfortzahlung würde der Krankengeldanspruch realisierbar sein. Die Krankenkasse muß schlechthin leisten, wenn der Arbeitgeber – aus welchen Gründen auch immer – den Lohn nicht fortzahlt, d.h., das Arbeitsentgelt muß dem Versicherten tatsächlich zufließen, soll der Anspruch auf das Krankengeld ruhen (vgl. Schmatz/Fischwasser, a.a.O., Anm. II S. F 903 zu § 189 RVO).
Nach alledem ergeben sich im Vergleich zu anderen Pflichtversicherten, die keine Bezieher von Altersruhegeld oder Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit sind, keine so wesentlichen Unterschiede, daß daraus entnommen werden dürfte, die Beitragspflicht und die Art der Beitragsbemessung für diesen Personenkreis nach den §§ 380, 381, 385 Absatz 1 RVO seien verfassungsrechtlich bedenklich. Da der Senat die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen bejaht: kam keine Vorlage der Sache an das Bundesverfassungsgericht in Betracht (Artikel 100 GG).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
II. Die Beteiligten hoben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Klägers zur Beitragszahlung und die Rückgewährung des an die Beklagte geleisteten Beitrage.
Der im Jahre 1911 geborene Kläger bezieht seit 1967 von der Landesversicherungsanstalt – LVA – Hessen Altersruhegeld, das sich im Jahr 1979 auf monatlich 794,30 DM belief. Unter dem 14. Mai 1979 meldete die Firma C. S. KG (X.) der Beklagten, daß der Kläger seit dem 9. April 1979 bei ihr als Lagerarbeiter auf unbestimmte Zeit eingestellt sei. Bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden erhalte er ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1.600,– DM. Den Antrag des Klägers vom 6. Juni 1979, die aus seinem Arbeitsentgelt einbehaltenen Beiträge zur Krankenversicherung zu erstatten sowie ihn von der Beitragsverpflichtung zukünftig freizustellen, wies die Beklagte mit formlosem Bescheid vom 25. Juni 1979 zurück. Die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) trete gegenüber derjenigen aus abhängiger Beschäftigung nach § 165 Absatz 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zurück. Den am 3. Juli 1979 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte aus den gleichen Gründen mit dem Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 1979 zurück. Auch der Umstand, daß der Kläger gemäß § 183 Absatz 4 RVO nur für sechs Wochen Anspruch auf Krankengeld habe, dieser aber im Hinblick auf die Lohnfortzahlungsverpflichtung des Arbeitgebers (§ 1 des Lohnfortzahlungsgesetzes –LFZG–) nach § 189 RVO ruhe, ändere nichts an der Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung nach § 385 Absatz 1 RVO.
Gegen diesen ihm am 2. November 1979 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger bei dem Sozialgericht Kassel –SG– am 23. November 1979 Klage erhoben und im wesentlichen geltend gemacht: Als Rentner habe er lediglich für sechs Wochen Anspruch auf Krankengeld. Diesen Anspruch könne er aber nicht realisieren, da dieser wegen der vom Arbeitgeber zu erfüllenden Lohnfortzahlungspflicht ruhe. Er brauche daher auch keine Beiträge zur Krankenversicherung zu entrichten. Wenn § 385 Absatz 1 RVO eine solche Regelung nicht enthalte, so sei dies verfassungswidrig.
Das SG hat die Verfassungsmäßigkeit der §§ 183 Absatz 4, 189 und 385 Absatz 1 RVO bejaht und mit Urteil vom 1. April 1981 die Klage aus den Gründen der angefochtenen Bescheide abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird nur das sozialgerichtliche Urteil verwiesen.
Gegen dieses an ihn mit Einschreiben am 6. Mai 1981 abgesandte Urteil hat der Kläger schriftlich bei dem SG am 20. Mai 1981 Berufung eingelegt.
Es sind im Berufungsverfahren der Arbeitgeber des Klägers, die Fa. C. S. KG, und die Landesversicherungsanstalt Hessen beigeladen worden.
Der Kläger wiederholt zur Begründung der Berufung sein bisheriges Vorbringen und beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 1. April 1981 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 1979 aufzuheben und diese unter Feststellung der Beitragsfreiheit zur Krankenversicherung zu verurteilen, die seit dem 9. April 1979 aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses bei der Beigeladenen von ihm entrichteten Beiträge zu erstatten.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Kassen- und Streitakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die mangels Ausschließungsgründen statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher insgesamt zulässig (§§ 143, 149, 151 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –).
Sie ist jedoch unbegründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte nicht aufgehoben werden, da das SG diese zu Recht abgewiesen hat. Der Bescheid vom 25. Juni 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 1979 (§ 95 SGG) ist nicht rechtswidrig. Mit ihnen hat es die Beklagte zutreffend abgelehnt, den Kläger von der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen zur Krankenversicherung ab dem 9. April 1979 freizustellen und eingezogene Beiträge zu erstatten. Er ist seitdem krankenversicherungspflichtig beschäftigt (§ 165 Absatz 1 Nr. 1 RVO) und damit auch beitragspflichtig (§§ 380, 381, 385 RVO).
Auf Grund der Ermittlungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren ist zunächst erwiesen, daß der Kläger seit 1967 von der Beigeladenen zu 2. das Altersruhegeld bezieht. Insoweit bestand gemäß § 165 Absatz 1 Nr. 3 RVO die KVdR. Ferner steht fest, daß der Kläger seit 9. April 1979 vollschichtig als Lagerarbeiter bei einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von mindestens 1.600,– DM in abhängiger Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1. tätig ist. Dies ergibt sich aus deren Meldung vom 14. Mai 1979. Hierüber besteht unter den Beteiligten kein Streit.
Zutreffend hat die Beklagte daraus den Schluß gezogen, daß der Kläger seit dem 9. April 1979 nach § 165 Absatz 1 Nr. 1 RVO krankenversicherungspflichtig ist und diese Krankenversicherungspflicht diejenige aus der KVdR (§ 165 Absatz 1 Nr. 3 RVO) verdrängt (§ 165 Absatz 6 Nr. 1 RVO). Da offenkundig weder die Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit noch diejenigen zur Befreiung von der Krankenversicherungspflicht vorliegen (§§ 168 bis 175 RVO), hat die Beklagte ferner rechtsfehlerfrei sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach die Beitragspflicht des Klägers gemäß der §§ 380, 381, 385 RVO i.V.m. § 15 ihrer Satzung festgestellt. Das ist mit zutreffenden Erwägungen von dem SG dargelegt worden. Der Umstand, daß der Kläger als Altersruhegeldbezieher mit dem Anspruch auf Krankengeld auf sechs Wochen beschränkt ist (§ 183 Absatz 4 RVO) und dieser gemäß § 189 RVO wegen der Lohnfortzahlungsverpflichtung der Beigeladenen zu 1. ruht, gestattet es der Beklagten nicht, von der Beitragserhebung abzusehen oder den allgemeinen Beitragssatz zu ermäßigen.
Es fehlt an einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung. Vielmehr gilt der allgemeine Beitragssatz für alle Pflichtversicherten, unabhängig davon, ob der Anspruch auf das Krankengeld begrenzt ist oder nicht. Eine Abstufung nach dem Versicherungsrisiko ist grundsätzlich nicht statthaft (vgl. Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Auflage, Stand Januar 1981, Anm. 2.2. zu § 385 RVO; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: 31. Lieferung, August 1981, Anm. 2 zu § 385 RVO), soweit nicht Sonderregelungen bestehen, wie z.B. bei Versicherten ohne Anspruch auf Lohnfortzahlung (§ 385 Abs. 1 Satz 4 RVO), freiwillig Versicherten (§ 215 Absatz 3 RVO), freiwillig Weiterversicherten (§ 313 Absatz 4. und 5 RVO), bei im Wehrdienst befindlichen Personen (§ 209 a RVO) oder Auszubildenden und bei Personen in Einrichtungen der Jugendhilfe (§ 494 RVO, § 4 des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter i.V.m. § 165 Absatz 1 Nr. 2 a RVO).
Die hier für den Kläger anzuwendenden Vorschriften über die Beitragspflicht und Beitragsbemessung hält der Senat – ebenso wie das SG – nicht für verfassungswidrig; insbesondere sind nicht der Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – GG – noch das Sozialstaatsprinzip aus Artikel 20 GG verletzt. Dies gilt sowohl für den Vorrang der Krankenversicherungspflicht aus § 165 Absatz 1 Nr. 1 RVO gegenüber derjenigen aus § 165 Absatz 1 Nr. 3 RVO (KVdR) nach § 165 Absatz 6 RVO als auch der Begrenzung des Krankengeldanspruchs auf sechs Wochen nach § 183 Absatz 4 RVO bei gleichzeitigem Ruhen desselben im Falle der Lohnfortzahlung (§ 189 RVO i.V.m. § 1 LFZG), aber auch hinsichtlich des einheitlich geltenden allgemeinen Bemessungssatzes (§ 385 Absatz 1 RVO). Das Recht der sozialen Krankenversicherung ist als Pflichtversicherung aller abhängig beschäftigten Erwerbstätigen vom Prinzip der Solidargemeinschaft und Solidarhaftung geprägt. Hieraus erklärt sich die Berechtigung des Vorranges der Versicherung des abhängig Beschäftigten gegenüber der KVdR. Es handelt sich um eine sachbezogene, systematisch geordnete Entscheidung des Gesetzgebers, durch die das Willkürverbot aus Artikel 3 GG (vgl. statt vieler: Leibholz-Rinck, GG, Anm. 9 zu Artikel 3 GG mit weiteren Nachweisen) nicht berührt wird. Dies gilt auch für die Begrenzung des Krankengeldanspruchs des Beziehers von Altersruhegeld oder der Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit auf sechs Wochen in § 183 Absatz 4 SGG durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 12. Juli 1961 (BGBl. I S. 913). Zutreffend hat das SG auf die Einzelheiten des Gesetzgebungsverfahrens hingewiesen (vgl. im einzelnen Peters, a.a.O., Anm. 4 d zu § 183 RVO), denen nichts weiter anzufügen ist. Die Regelung soll im übrigen den Doppelbezug von Leistungen mit gleicher Zweckbestimmung, nämlich der Lohnersatzfunktion, verhindern und ist daher verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.7.1980, –1 BvR 491/80 – in SozR 2200, § 183 RVO Nr. 33 mit, weiteren Nachweisen; BSG, Urteil vom 18.3.1966 – 3 RK 98/63 – in E 24, 285 = USK, 6612 mit weiteren Nachweisen).
Der Gesetzgeber war auch nicht genötigt, wegen der Begrenzung des Krankengeldanspruchs auf sechs Wochen und das Ruhen desselben bei Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber eine differenziertere Beitragsbemessungsgrundlage in den §§ 380, 381, 385 Absatz 1 RVO zu schaffen. Die Beklagte hat nämlich gleichwohl das Risiko der Krankengeldzahlung zu tragen, da der Anspruch nur solange ruht, wie von dem Beigeladenen zu 1. als Arbeitgeber dem Kläger der Lohn nach § 1 LFZG fortgezahlt wird. Das Ruhen eines Anspruchs bedeutet, daß er zwar besteht, aber wegen Vorliegens bestimmter Sachverhalte zur Zeit nicht realisierbar ist (vgl. Schmatz/Fischwasser, Vergütung der Arbeitnehmer bei Krankheit und Mutterschaft, 6. Auflage, Stand April 1981, Anm. II 1 zu § 189 RVO unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 21. Dezember 1953 – 3 RK 47/55 – in E 2, 142; 27.2.1957 – 1 RA 94/56 – in E 5, 4; 14.5.1958 – 11/9 RV 1042/55 – in E 7, 187; 19.6.1963 – 3 RK 37/59 – in E 19, 179). So entfällt der Anspruch auf die Lohnfortzahlung dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit vom Arbeitnehmer (Versicherten) selbst verschuldet ist (§ 1 LFZG). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – BAG – liegt ein solches Verschulden des Arbeitnehmers (Versicherten) stets dann vor, wenn ein gröblicher Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende (gebotene) Verhalten (als subjektives Merkmal) gegeben ist, dessen Folgen auf den Arbeitgeber abzuwälzen als unbillig anzusehen wäre (als objektives Merkmal). So ist es wiederholt angenommen worden, z.B. bei Verkehrsunfällen infolge Trunkenheit (vgl. Schmatz/Fischwasser, a.a.O., Anm. II S. C 133 zu § 1 LFZG mit zahlreichen Nachweisen) oder wenn die Arbeitsunfähigkeit darauf beruht, daß der Arbeitnehmer unter Verstoß Gegen § 21 a Absatz 1 Satz 1. der Straßenverkehrsordnung den Sicherheitsgurt nicht angelegt hatte (vgl. Schmatz/Fischwasser mit weiteren Nachweisen und BAG, Urteil vom 7. Oktober 1981 – 5 AzR 113/79 und 475/80 – in ErsK 1981, 451). Nicht nur in den Fällen der verschuldeten Arbeitsunfähigkeit mit der Folge des Wegfalls der Lohnfortzahlung würde der Krankengeldanspruch realisierbar sein. Die Krankenkasse muß schlechthin leisten, wenn der Arbeitgeber – aus welchen Gründen auch immer – den Lohn nicht fortzahlt, d.h., das Arbeitsentgelt muß dem Versicherten tatsächlich zufließen, soll der Anspruch auf das Krankengeld ruhen (vgl. Schmatz/Fischwasser, a.a.O., Anm. II S. F 903 zu § 189 RVO).
Nach alledem ergeben sich im Vergleich zu anderen Pflichtversicherten, die keine Bezieher von Altersruhegeld oder Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit sind, keine so wesentlichen Unterschiede, daß daraus entnommen werden dürfte, die Beitragspflicht und die Art der Beitragsbemessung für diesen Personenkreis nach den §§ 380, 381, 385 Absatz 1 RVO seien verfassungsrechtlich bedenklich. Da der Senat die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen bejaht: kam keine Vorlage der Sache an das Bundesverfassungsgericht in Betracht (Artikel 100 GG).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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