Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 1/8 J 1367/95
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 RJ 1077/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 10. Juli 1997 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Erstattungsanspruch für Kosten, die der Kläger für die Teilnahme des J. S. (Versicherter) an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt für Behinderte (WfB) in der Zeit vom 15. Juni 1994 bis 14. Juni 1995 auf gewandt hat.
Bei dem 1955 geborenen Versicherten liegt eine leichte geistige Behinderung und eine Problematik im Sozialverhalten vor; zusätzlich besteht nach einem schweren Schädelhirntrauma mit offener Schädelbasisfraktur eine neurologische Restsymptomatik (Peronaeusparese rechts). Seit seiner Einweisung in das Psychiatrische Krankenhaus H. (PKH) vom 12. Mai 1986 bzw. seit seiner Übernahme in die heilpädagogische Einrichtung H. zum 1. Januar 1989 war der Versicherte im Rahmen einer Arbeitstherapie regelmäßig beschäftigt. Bis Mitte 1992 arbeitete er auf dem Gutshof des PKH, dann wurde er als vorbereitende Maßnahme in der Arbeitstherapie des Therapiehauses des PKH mit leichten Industriearbeiten beschäftigt (täglich maximal 5 Stunden). Am 24. Januar 1992 beantragte der Versicherte beim Arbeitsamt W. die Gewährung von Leistungen zur beruflichen Rehabilitation. Der Antrag wurde mit arbeitsamtsärztlichem Gutachten des R. W. vom 13. Juli 1992 im September 1992 zuständigkeitshalber an die Beklagte abgegeben. Nach Einholung eines Kurzgutachtens des Arztes für Psychiatrie Dr. K. vom 5. Januar 1993 und einer Stellungnahme ihrer prüfärztlichen Beraterin Frau Dr. B. vom 23. April 1993 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 28. Mai 1993 dem Versicherten als berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation eine Teilnahme am Arbeitstraining für voraussichtlich 12 Monate Dauer in den X. Werkstätten (WfB) vom 15. Juni 1993 bis voraussichtlich 14. Juni 1994.
Unter Vorlage eines Entwicklungsberichts der Sozialpädagogin A. P. vom 26. April 1994 beantragten die X. Werkstätten bei der Beklagten am 9. Mai 1994 die Verlängerung der Arbeitstrainingsmaßnahme um ein Jahr. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 15. Juni 1994 die Verlängerung des Arbeitstrainings über den 14. Juni 1994 hinaus ab. Der Stellungnahme der Werkstatt sei zu entnehmen, daß der Versicherte flexibel arbeite und für die verschiedensten Tätigkeiten eingesetzt werde. Das Mindestziel der beruflichen Rehabilitation (das Erreichen des Mindestmaßes wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Sinne des § 54 Abs. 3 Schwerbehindertengesetz SchwbG) sei damit erreicht. Der Versicherte werde deshalb für fähig gehalten, im Arbeits- bzw. Produktionsbereich der Werkstatt tätig zu sein. Die im Schreiben der Werkstätten aufgeführten Defizite beträfen den psycho-sozialen Bereich. Die entsprechende Förderung und Stabilisierung falle aber nicht mehr in den Zuständigkeitsbereich des Rentenversicherungsträgers. Der Versicherte erhob Widerspruch. Die Beklagte veranlaßte eine Stellungnahme ihrer ärztlichen Beraterin vom 2. September 1994 und wies den Widerspruch mit Bescheid vom 18. Januar 1995 zurück. Nach den Vorschriften der §§ 9, 10, 16, 18 und 19 des Sozialgesetzbuches (SGB) VI erhielten Versicherte berufsfördernde Leistungen auch zur Teilnahme an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich einer anerkannten WfB. Trainingsziel sei die Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Im allgemeinen seien die Maßnahmen jedoch darauf ausgerichtet, den Behinderten auf dem Sonderarbeitsmarkt der WfB einzugliedern. Insoweit sei das Rehabilitationsziel darauf beschränkt, den Versicherten fachlich zu befähigen, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen, um einen Arbeitsplatz oder ein Platz zur Ausübung einer geeigneten Tätigkeit in einer WfB anzunehmen. Mit dem Erreichen dieses Ziels bestehe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urt. vom 22.02.1984, Az.: 7 RAr 72/82) kein weitergehender Anspruch auf Förderung gegen den Rehabilitationsträger. Zwar habe das BSG in seinem Urteil vom 16. Dezember 1993 (Az.: 13 RJ 21/93) entschieden, daß der Rentenversicherungsträger im Arbeitstrainingsbereich auch Maßnahmen fördern könne, die über das Erreichen des Mindestziels hinaus eine Steigerung der Leistungsfähigkeit des Versicherten erwarten ließen. Dieses Urteil könne jedoch nicht als gesicherte Rechtsprechung angesehen werden. Nach der Stellungnahme ihrer ärztlichen Beraterin vom 23. August 1994 (gemeint 2. September 1994) erscheine die Wiedereingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr möglich. Der Versicherte beziehe seit 1. April 1987 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Eine über das übliche Rehabilitationsziel hinausgehende Förderung sei nicht mehr gerechtfertigt. Der Entwicklungsbericht der X. Werkstätten vom 26. April 1994 belege, daß damit das mit der Rehabilitationsmaßnahme angestrebte und in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten fallende Mindestziel erreicht und eine weitere Förderung des Arbeitstrainings im Rahmen der Vorschriften der §§ 9 ff. SGB VI über den 14. Juni 1994 hinaus nicht möglich sei. Weitere Maßnahmen zur Stabilisierung der Persönlichkeit des Versicherten fielen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Rentenversicherung.
Der Versicherte, der auch in der Zeit vom 15. Juni 1994 bis 14. Juni 1995 im Trainingsbereich der X. Werkstätten verblieb, wurde anschließend in deren Arbeitsbereich übernommen. Der Kläger als zuständiger überörtlicher Sozialhilfeträger erteilte für diese Zeit (2. Trainingsjahr) mit Schreiben vom 17. Mai 1995 eine Kostenzusage und beanspruchte gleichzeitig von der Beklagten Kostenerstattung. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 22. Juni 1995 ab und verwies auf die Begründung ihres Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 1995.
Der Kläger erhob am 22. November 1995 beim Sozialgericht Kassel Klage, mit der er von der Beklagten Kostenerstattung in Höhe von 27.004,76 DM beanspruchte. Die Leistungen der Beklagten seien nach § 2 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gegenüber Leistungen der Sozialhilfe vorrangig. Nach Abschluß des Arbeitstrainings im ersten Jahr sei der Versicherte nur mit Einschränkungen belastbar gewesen, jedoch habe nach dem Leistungsbericht der X. Werkstätten vom 26. April 1994 davon ausgegangen werden können, da im zweiten Jahr des Arbeitstrainings noch eine weitere Verbesserung der Leistungsfähigkeit habe erfolgen können. Dies sei der Fall gewesen, denn der Versicherte sei nach Abschluß des zweiten Arbeitstrainings auch in den Produktionsbereich der X. Werkstätten eingegliedert gewesen. Das Ziel, die Verminderung der Fehlerhäufigkeit und die Erweiterung der arbeitstechnischen Fähigkeiten, sei erreicht worden. Die Beklagte sei mit dem Erreichen eines Mindestziels nach einem Jahr nicht von der Kostenträgerschaft befreit gewesen, zumal die zeitliche Obergrenze der Förderung im Arbeitstrainingsbereich von 2 Jahren noch nicht ausgeschöpft gewesen sei. Die Beklagte widersprach der Rechtsauffassung des Klägers. Der Entwicklungsbericht der X. Werkstätten vom 26. April 1994 zeige noch deutliche Defizite des Versicherten, vor allem im psycho-sozialen Bereich auf, versage sich aber eine Prognose hinsichtlich der weiteren Entwicklung des Versicherten. Dessen Haltung mache deutlich, daß mit einer wesentlichen Steigerung seiner Leistungsfähigkeit kaum habe gerechnet werden können.
Das Sozialgericht erhob Beweis durch Einholung eines neuro-psychiatrischen Gutachtens der Frau Dr. K. nach Aktenlage vom 11. September 1996. Nach Auffassung der Sachverständigen war zum Zeitpunkt der Vorlage des Entwicklungsberichts der X. Werkstätten vom 26. April 1994 im Sinne einer Prognoseentscheidung nicht auszuschließen, daß der Versicherte aufgrund seiner Behinderung und seines Leistungsvermögens im Arbeitsbereich der WfB würde tätig sein können. Hinsichtlich einer Prognoseentscheidung sei wegen der geistigen Behinderung und der verbliebenen Störungen im psychosozialen Bereich allerdings auszuschließen gewesen, daß Tätigkeiten von wirtschaftlichem Nutzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (im Rahmen ungelernter Tätigkeiten) hätten verrichtet werden können. Der Aufenthalt des Versicherten über den 15. Juni 1993 hinaus bis zum 14. Juni 1994 im Rahmen eines zweiten Jahres im Arbeitstrainingsbereich sei zur Erhöhung der Erwerbsfähigkeit erforderlich gewesen. Es habe nach einem zweiten Arbeitstrainingsjahr nicht nur wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Sinne des § 54 Abs. 3 SchwbG erwartet werden können, sondern darüber hinaus eine weitere Steigerung der individuellen Leistungsfähigkeit, um im Arbeits- bzw. Produktionsbereich der WfB eine entsprechend qualifizierte Arbeit zu verrichten.
Durch Urteil vom 10. Juli 1997 verpflichtete das Sozialgericht die Beklagte, an den Kläger 27.004,76 DM zu zahlen. Die Beklagte habe dem Kläger die Kosten des Arbeitstrainings des Versicherten in den X. Werkstätten in der Zeit vom 15. Juni 1994 bis 14. Juni 1995 in dieser Höhe gemäß § 104 SGB VI i.V.m. §§ 18, 19 SGB VI zu erstatten. Die Beklagte sei vorrangig verpflichteter Leistungsträger im Sinne des § 104 SGB X, so daß sie dem Kläger zur Kostenerstattung verpflichtet sei. Der Rentenversicherungsträger habe innerhalb des gesetzlichen Rahmens von 2 Jahren Maßnahmen in der Eingangsstufe und im Arbeitstrainingsbereich einer WfB solange zu fördern, als über das Mindestziel, ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen, hinaus eine Steigerung der Leistungsfähigkeit des Versicherten erwartet werden könne (Anschluß an BSG, Urteil vom 16. Dezember 1993, Az.: 13 RJ 21/93). Diese Voraussetzungen seien im Falle des Versicherten für eine weitere Teilnahme an der Arbeitstrainingsmaßnahme als erfüllt anzusehen. Dies ergebe sich zur Überzeugung der Kammer aus dem eingeholten neuro-psychiatrischen Gutachten der Frau Dr. K. vom 11. September 1996. Dem Einwand der Beklagten, die Sachverständige habe die Entwicklung des Versicherten im zweiten Jahr der Arbeitstrainingsmaßnahme rückwirkend beurteilt, schließe sich die Kammer nicht an. Zwar sei es zutreffend, daß insbesondere rückblickend eine weitere Leistungssteigerung des Versicherten im zweiten Trainingsjahr zu verzeichnen gewesen sei, und er auch erst nach Abschluß des zweiten Trainingsjahres in den Arbeits- bzw. Produktionsbereich der WfB habe aufgenommen werden können. Eine Prognoseentscheidung dahingehend, daß nach Abschluß des ersten Trainingsjahres noch eine wesentliche Verbesserung des Leistungsvermögens des Versicherten zu erzielen gewesen sei, hätte jedoch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Sachverständigen und des Berichts der X. Werkstätten vom 26. April 1994 getroffen werden können. Die Beklagte könne nicht deswegen aus der Verantwortung für die Kostentragung für das zweite Arbeitstrainingsjahr entlassen werden, weil die für dieses zweite Jahr zutreffende Prognose sich endgültig erst nach Ablauf des zweiten Jahres und Aufnahme des Versicherten in den Arbeitsbereich der Werkstatt bestätigt habe. Dementsprechend habe die Zahlungsklage des Klägers in vollem Umfang Erfolg.
Gegen das ihr am 25. Juli 1997 zugestellte Urteil richtet sich die von der Beklagten am 15. August 1997 eingelegte Berufung. Die Beklagte meint, für das zweite Jahr der Arbeitstrainings Maßnahme des Versicherten sei sie als zuständiger Leistungsträger nicht mehr in Betracht gekommen. Unabdingbare Voraussetzung für die Verlängerung einer zunächst nur für ein Jahr bewilligten Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich sei stets die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Leistungssteigerung. Dabei reiche für die erforderliche Prognose nur eine entfernt liegende Möglichkeit nicht aus; vielmehr sei Voraussetzung, daß der Erfolg der Reha-Leistung wahrscheinlich sei. Diese Voraussetzung müsse aber im Sinne einer Erfolgsprognose bei Beginn der Reha-Leistung erfüllt sein. Daran habe es aber im vorliegenden Fall gefehlt. Als Beurteilungsgrundlage für die danach erforderliche Prognoseentscheidung komme allein der Entwicklungsbericht der Werkstatt vom 26. April 1994 in Betracht. Dieser begründe jedoch in keiner Weise die Erwartung, daß eine weitere Leistungssteigerung wahrscheinlich gewesen sei. Auch das vom Sozialgericht eingeholte neuro-psychiatrische Aktengutachten der Frau Dr. K. liefere keinen Beweis dafür, daß – vorausschauend mit einer wesentlichen Steigerung der Leistungsfähigkeit des Versicherten im Falle der weiteren Teilnahme an der Arbeitstrainingsmaßnahme habe gerechnet werden können.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 10. Juli 1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Senat hat Auskünfte der X. Werkstätten vom 11. März 1998 eingeholt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Akten der Beklagten und des Klägers Bezug genommen, die vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist sachlich begründet.
Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger Kosten in Höhe von 27.004,76 DM für die Teilnahme des Versicherten an der Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich der WfB in der Zeit vom 15. Juni 1994 bis 14. Juni 1995 zu erstatten.
Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 104 Sozialgesetzbuch (SGB) X. Danach muß ein Leistungsträger, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, einem nachrangig verpflichteten Leistungsträger erbrachte Sozialleistungen erstatten, sofern nicht die Voraussetzungen von § 101 Abs. 1 SGB X vorliegen oder der Leistungsträger bereits selbst ohne Kenntnis der Leistung des anderen Leistungsträgers geleistet hat. Die Vorschrift ist auch dann anzuwenden, wenn wie vorliegend der Sozialhilfeträger eine vorläufige Hilfeleistung nach § 44 BSHG erbracht hat (BSG, Urteil vom 16. Dezember 1993, Az.: 13 RJ 21/93). Dabei richtet sich der Umfang des Erstattungsanspruchs gem. § 104 Abs. 3 SGB X nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Dies waren die §§ 18 und 19 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung.
Nach § 18 SGB VI werden berufsfördernde Leistungen in einer anerkannten WfB erbracht, wenn sie erforderlich sind
1. im Eingangsverfahren, um die Eignung der Versicherten für die Aufnahme in die Werkstatt festzustellen,
2. im Arbeitstrainingsbereich, um die Versicherten zu befähigen, ihre Erwerbsfähigkeit zu erhöhen oder wiederzugewinnen und erwartet werden kann, daß sie danach wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung i.S.d. § 54 Abs. 3 des Schwerbehindertengesetzes erbringen.
Nach § 19 Abs. 2 SGB VI wurden Leistungen in einer WfB insgesamt bis zu 2 Jahren erbracht. In diesem Zusammenhang hat das Bundessozialgericht zur inhaltlich entsprechenden Vorgängervorschrift des § 1237a Reichsversicherungsordnung entschieden (Urteil vom 16. Dezember 1993, Az.: 13 RJ 21/93) ‚ daß die Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers zur Förderung einer Ausbildung in einer Werkstatt für Behinderte nicht schon dann endet, wenn der Versicherte ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen kann. Vielmehr sind Leistungen für Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich zu erbringen, wenn diese erforderlich sind, um die Erwerbstätigkeit des Behinderten zu erhöhen oder wiederzugewinnen. Betreute, die ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Arbeitstrainingsbereich erreicht hätten, könnten zur Erhöhung des Bildungserfolges weiterhin gefördert werden, und zwar bis zum Erreichen der zeitlichen Höchstgrenze oder einer bereits vorher erreichten Grenze der individuellen Förderungsfähigkeit.
Die dargestellten Voraussetzungen für eine Förderung des Versicherten über den 15. Juni 1994 hinaus waren nicht gegeben. Voraussetzung für die Gewährung einer Leistung zur Rehabilitation ist, daß die Erwerbsfähigkeit des Versicherten voraussichtlich erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann. Die bloße und jede noch so entfernt liegende Möglichkeit einer Erhaltung, wesentlichen Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit genügt dabei nicht, vielmehr muß nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung insbesondere des Gesundheitszustandes des Versicherten, seiner persönlichen Verhältnisse und seiner Bereitschaft zur Mitwirkung wahrscheinlich sein, daß die Maßnahme zur Erhaltung, wesentlichen Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbstätigkeit führen wird. Wahrscheinlich ist nur diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter und vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt; es muß sich unter Würdigung des Ergebnisses der Sachaufklärung ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, daß ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden (BSG, Urteil vom 17. Februar 1982, Az.: 1 RJ 102/80). Daß der Erfolg einer Reha-Maßnahme wahrscheinlich ist, hat der Rentenversicherungsträger bei der Entscheidung über die Gewährung der Maßnahme im Vorausschauen als Prognoseentscheidung zu prüfen. Dementsprechend hat auch das Gericht die Vorausschau auf den Zeitpunkt der Bescheiderteilung zurückzuverlegen und darf nach diesem Zeitpunkt eingetretene Umstände nicht berücksichtigen. Deswegen kann auch der Senat im vorliegenden Fall nur die Umstände berücksichtigen, die bis zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung bekannt waren.
Im vorliegenden Fall lag für die Prognoseentscheidung der Entwicklungsbericht der WfB vom 26. April 1994 vor, der von einer Sozialpädagogin verfaßt ist. Dementsprechend werden auch die beim Versicherten vorhandenen Probleme und Defizite im psycho- sozialen Bereich schwerpunktmäßig herausgestellt mit dem Hinweis auf weiterhin benötigte konsequente pädagogische Anleitung und Führung. Der eher beiläufige Hinweis darauf, daß die arbeitstechnischen Fähigkeiten noch erweitert werden müßten bei Flexibilität hinsichtlich der Einsetzbarkeit für verschiedene Tätigkeiten, ist kein ausreichender Beleg dafür, daß ein weiteres Training auch prognostisch nicht nur erforderlich, sondern auch erfolgversprechend sein würde. Die inhaltlichen Aussagen im Bericht vom 26. April 1994 sind nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall für eine Prognoseentscheidung nicht ausreichend, unabhängig von der grundsätzlichen Frage, ob ein von einer Sozialpädagogin verfaßter Bericht überhaupt eine geeignete Grundlage für die hier anstehende Prognoseentscheidung zur Erhaltung, wesentlichen Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit sein kann. Entsprechende Zweifel dürften auch beim Sozialgericht bestanden haben, das noch ein sozialmedizinische Gutachten eingeholt hat. Dieses zusätzlich eingeholte neuro-psychiatrische Gutachten der Sachverständigen Dr. K. vom 11. September 1996, auf das das Sozialgericht seine Überzeugung und Entscheidung gestützt hat, kann nach Auffassung des Senats keine Grundlage für eine positive Entscheidung zugunsten der Klägerin sein, denn die Sachverständige hat die Entwicklung des Versicherten im zweiten Jahr der Arbeitstrainingsmaßnahme rückwirkend mitbeurteilt, wenn sie bestätigt, daß bei Vergleich der Entwicklungsberichte vom 26. April 1994 und 3. April 1995 hinsichtlich der Arbeitsleistung im zweiten Jahr offensichtlich doch eine wesentliche Verbesserung des Leistungsvermögens des Versicherten habe erzielt werden können. Diese ergebnisorientierte Betrachtung ist aber nicht entscheidend, denn es kam darauf an, ob im Sinne einer Prognose mit einer wesentlichen Steigerung der Leistungsfähigkeit des Versicherten im Fall der weiteren Teilnahme an der Arbeitstrainingsmaßnahme vorab und nicht rückschauend hat gerechnet werden können. Dafür standen auch der Sachverständigen außer dem insoweit wenig aussagekräftigen Entwicklungsbericht vom 26. April 1994 keine besseren Informationen zur Verfügung. Zutreffend hat daher die Beklagte den Beweiswert des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens in Frage gestellt.
Da es aus Sicht des Senats im Sinne einer Prognoseentscheidung keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür gab, die die Erwartung einer Steigerung der Leistungsfähigkeit des Versicherten für das zweite Jahr der Arbeitstrainingsmaßnahme rechtfertigen konnten, kam die Beklagte nicht mehr als zuständiger Leistungsträger in Betracht. Folglich kann der Kläger von der Beklagten auch mit Recht keine Erstattung der von ihm hierfür aufgewandten Kosten verlangen.
Der Berufung der Beklagten war damit im Sinne der Aufhebung des Urteils und Abweisung der Klage zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Erstattungsanspruch für Kosten, die der Kläger für die Teilnahme des J. S. (Versicherter) an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt für Behinderte (WfB) in der Zeit vom 15. Juni 1994 bis 14. Juni 1995 auf gewandt hat.
Bei dem 1955 geborenen Versicherten liegt eine leichte geistige Behinderung und eine Problematik im Sozialverhalten vor; zusätzlich besteht nach einem schweren Schädelhirntrauma mit offener Schädelbasisfraktur eine neurologische Restsymptomatik (Peronaeusparese rechts). Seit seiner Einweisung in das Psychiatrische Krankenhaus H. (PKH) vom 12. Mai 1986 bzw. seit seiner Übernahme in die heilpädagogische Einrichtung H. zum 1. Januar 1989 war der Versicherte im Rahmen einer Arbeitstherapie regelmäßig beschäftigt. Bis Mitte 1992 arbeitete er auf dem Gutshof des PKH, dann wurde er als vorbereitende Maßnahme in der Arbeitstherapie des Therapiehauses des PKH mit leichten Industriearbeiten beschäftigt (täglich maximal 5 Stunden). Am 24. Januar 1992 beantragte der Versicherte beim Arbeitsamt W. die Gewährung von Leistungen zur beruflichen Rehabilitation. Der Antrag wurde mit arbeitsamtsärztlichem Gutachten des R. W. vom 13. Juli 1992 im September 1992 zuständigkeitshalber an die Beklagte abgegeben. Nach Einholung eines Kurzgutachtens des Arztes für Psychiatrie Dr. K. vom 5. Januar 1993 und einer Stellungnahme ihrer prüfärztlichen Beraterin Frau Dr. B. vom 23. April 1993 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 28. Mai 1993 dem Versicherten als berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation eine Teilnahme am Arbeitstraining für voraussichtlich 12 Monate Dauer in den X. Werkstätten (WfB) vom 15. Juni 1993 bis voraussichtlich 14. Juni 1994.
Unter Vorlage eines Entwicklungsberichts der Sozialpädagogin A. P. vom 26. April 1994 beantragten die X. Werkstätten bei der Beklagten am 9. Mai 1994 die Verlängerung der Arbeitstrainingsmaßnahme um ein Jahr. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 15. Juni 1994 die Verlängerung des Arbeitstrainings über den 14. Juni 1994 hinaus ab. Der Stellungnahme der Werkstatt sei zu entnehmen, daß der Versicherte flexibel arbeite und für die verschiedensten Tätigkeiten eingesetzt werde. Das Mindestziel der beruflichen Rehabilitation (das Erreichen des Mindestmaßes wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Sinne des § 54 Abs. 3 Schwerbehindertengesetz SchwbG) sei damit erreicht. Der Versicherte werde deshalb für fähig gehalten, im Arbeits- bzw. Produktionsbereich der Werkstatt tätig zu sein. Die im Schreiben der Werkstätten aufgeführten Defizite beträfen den psycho-sozialen Bereich. Die entsprechende Förderung und Stabilisierung falle aber nicht mehr in den Zuständigkeitsbereich des Rentenversicherungsträgers. Der Versicherte erhob Widerspruch. Die Beklagte veranlaßte eine Stellungnahme ihrer ärztlichen Beraterin vom 2. September 1994 und wies den Widerspruch mit Bescheid vom 18. Januar 1995 zurück. Nach den Vorschriften der §§ 9, 10, 16, 18 und 19 des Sozialgesetzbuches (SGB) VI erhielten Versicherte berufsfördernde Leistungen auch zur Teilnahme an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich einer anerkannten WfB. Trainingsziel sei die Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Im allgemeinen seien die Maßnahmen jedoch darauf ausgerichtet, den Behinderten auf dem Sonderarbeitsmarkt der WfB einzugliedern. Insoweit sei das Rehabilitationsziel darauf beschränkt, den Versicherten fachlich zu befähigen, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen, um einen Arbeitsplatz oder ein Platz zur Ausübung einer geeigneten Tätigkeit in einer WfB anzunehmen. Mit dem Erreichen dieses Ziels bestehe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urt. vom 22.02.1984, Az.: 7 RAr 72/82) kein weitergehender Anspruch auf Förderung gegen den Rehabilitationsträger. Zwar habe das BSG in seinem Urteil vom 16. Dezember 1993 (Az.: 13 RJ 21/93) entschieden, daß der Rentenversicherungsträger im Arbeitstrainingsbereich auch Maßnahmen fördern könne, die über das Erreichen des Mindestziels hinaus eine Steigerung der Leistungsfähigkeit des Versicherten erwarten ließen. Dieses Urteil könne jedoch nicht als gesicherte Rechtsprechung angesehen werden. Nach der Stellungnahme ihrer ärztlichen Beraterin vom 23. August 1994 (gemeint 2. September 1994) erscheine die Wiedereingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr möglich. Der Versicherte beziehe seit 1. April 1987 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Eine über das übliche Rehabilitationsziel hinausgehende Förderung sei nicht mehr gerechtfertigt. Der Entwicklungsbericht der X. Werkstätten vom 26. April 1994 belege, daß damit das mit der Rehabilitationsmaßnahme angestrebte und in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten fallende Mindestziel erreicht und eine weitere Förderung des Arbeitstrainings im Rahmen der Vorschriften der §§ 9 ff. SGB VI über den 14. Juni 1994 hinaus nicht möglich sei. Weitere Maßnahmen zur Stabilisierung der Persönlichkeit des Versicherten fielen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Rentenversicherung.
Der Versicherte, der auch in der Zeit vom 15. Juni 1994 bis 14. Juni 1995 im Trainingsbereich der X. Werkstätten verblieb, wurde anschließend in deren Arbeitsbereich übernommen. Der Kläger als zuständiger überörtlicher Sozialhilfeträger erteilte für diese Zeit (2. Trainingsjahr) mit Schreiben vom 17. Mai 1995 eine Kostenzusage und beanspruchte gleichzeitig von der Beklagten Kostenerstattung. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 22. Juni 1995 ab und verwies auf die Begründung ihres Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 1995.
Der Kläger erhob am 22. November 1995 beim Sozialgericht Kassel Klage, mit der er von der Beklagten Kostenerstattung in Höhe von 27.004,76 DM beanspruchte. Die Leistungen der Beklagten seien nach § 2 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gegenüber Leistungen der Sozialhilfe vorrangig. Nach Abschluß des Arbeitstrainings im ersten Jahr sei der Versicherte nur mit Einschränkungen belastbar gewesen, jedoch habe nach dem Leistungsbericht der X. Werkstätten vom 26. April 1994 davon ausgegangen werden können, da im zweiten Jahr des Arbeitstrainings noch eine weitere Verbesserung der Leistungsfähigkeit habe erfolgen können. Dies sei der Fall gewesen, denn der Versicherte sei nach Abschluß des zweiten Arbeitstrainings auch in den Produktionsbereich der X. Werkstätten eingegliedert gewesen. Das Ziel, die Verminderung der Fehlerhäufigkeit und die Erweiterung der arbeitstechnischen Fähigkeiten, sei erreicht worden. Die Beklagte sei mit dem Erreichen eines Mindestziels nach einem Jahr nicht von der Kostenträgerschaft befreit gewesen, zumal die zeitliche Obergrenze der Förderung im Arbeitstrainingsbereich von 2 Jahren noch nicht ausgeschöpft gewesen sei. Die Beklagte widersprach der Rechtsauffassung des Klägers. Der Entwicklungsbericht der X. Werkstätten vom 26. April 1994 zeige noch deutliche Defizite des Versicherten, vor allem im psycho-sozialen Bereich auf, versage sich aber eine Prognose hinsichtlich der weiteren Entwicklung des Versicherten. Dessen Haltung mache deutlich, daß mit einer wesentlichen Steigerung seiner Leistungsfähigkeit kaum habe gerechnet werden können.
Das Sozialgericht erhob Beweis durch Einholung eines neuro-psychiatrischen Gutachtens der Frau Dr. K. nach Aktenlage vom 11. September 1996. Nach Auffassung der Sachverständigen war zum Zeitpunkt der Vorlage des Entwicklungsberichts der X. Werkstätten vom 26. April 1994 im Sinne einer Prognoseentscheidung nicht auszuschließen, daß der Versicherte aufgrund seiner Behinderung und seines Leistungsvermögens im Arbeitsbereich der WfB würde tätig sein können. Hinsichtlich einer Prognoseentscheidung sei wegen der geistigen Behinderung und der verbliebenen Störungen im psychosozialen Bereich allerdings auszuschließen gewesen, daß Tätigkeiten von wirtschaftlichem Nutzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (im Rahmen ungelernter Tätigkeiten) hätten verrichtet werden können. Der Aufenthalt des Versicherten über den 15. Juni 1993 hinaus bis zum 14. Juni 1994 im Rahmen eines zweiten Jahres im Arbeitstrainingsbereich sei zur Erhöhung der Erwerbsfähigkeit erforderlich gewesen. Es habe nach einem zweiten Arbeitstrainingsjahr nicht nur wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Sinne des § 54 Abs. 3 SchwbG erwartet werden können, sondern darüber hinaus eine weitere Steigerung der individuellen Leistungsfähigkeit, um im Arbeits- bzw. Produktionsbereich der WfB eine entsprechend qualifizierte Arbeit zu verrichten.
Durch Urteil vom 10. Juli 1997 verpflichtete das Sozialgericht die Beklagte, an den Kläger 27.004,76 DM zu zahlen. Die Beklagte habe dem Kläger die Kosten des Arbeitstrainings des Versicherten in den X. Werkstätten in der Zeit vom 15. Juni 1994 bis 14. Juni 1995 in dieser Höhe gemäß § 104 SGB VI i.V.m. §§ 18, 19 SGB VI zu erstatten. Die Beklagte sei vorrangig verpflichteter Leistungsträger im Sinne des § 104 SGB X, so daß sie dem Kläger zur Kostenerstattung verpflichtet sei. Der Rentenversicherungsträger habe innerhalb des gesetzlichen Rahmens von 2 Jahren Maßnahmen in der Eingangsstufe und im Arbeitstrainingsbereich einer WfB solange zu fördern, als über das Mindestziel, ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen, hinaus eine Steigerung der Leistungsfähigkeit des Versicherten erwartet werden könne (Anschluß an BSG, Urteil vom 16. Dezember 1993, Az.: 13 RJ 21/93). Diese Voraussetzungen seien im Falle des Versicherten für eine weitere Teilnahme an der Arbeitstrainingsmaßnahme als erfüllt anzusehen. Dies ergebe sich zur Überzeugung der Kammer aus dem eingeholten neuro-psychiatrischen Gutachten der Frau Dr. K. vom 11. September 1996. Dem Einwand der Beklagten, die Sachverständige habe die Entwicklung des Versicherten im zweiten Jahr der Arbeitstrainingsmaßnahme rückwirkend beurteilt, schließe sich die Kammer nicht an. Zwar sei es zutreffend, daß insbesondere rückblickend eine weitere Leistungssteigerung des Versicherten im zweiten Trainingsjahr zu verzeichnen gewesen sei, und er auch erst nach Abschluß des zweiten Trainingsjahres in den Arbeits- bzw. Produktionsbereich der WfB habe aufgenommen werden können. Eine Prognoseentscheidung dahingehend, daß nach Abschluß des ersten Trainingsjahres noch eine wesentliche Verbesserung des Leistungsvermögens des Versicherten zu erzielen gewesen sei, hätte jedoch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Sachverständigen und des Berichts der X. Werkstätten vom 26. April 1994 getroffen werden können. Die Beklagte könne nicht deswegen aus der Verantwortung für die Kostentragung für das zweite Arbeitstrainingsjahr entlassen werden, weil die für dieses zweite Jahr zutreffende Prognose sich endgültig erst nach Ablauf des zweiten Jahres und Aufnahme des Versicherten in den Arbeitsbereich der Werkstatt bestätigt habe. Dementsprechend habe die Zahlungsklage des Klägers in vollem Umfang Erfolg.
Gegen das ihr am 25. Juli 1997 zugestellte Urteil richtet sich die von der Beklagten am 15. August 1997 eingelegte Berufung. Die Beklagte meint, für das zweite Jahr der Arbeitstrainings Maßnahme des Versicherten sei sie als zuständiger Leistungsträger nicht mehr in Betracht gekommen. Unabdingbare Voraussetzung für die Verlängerung einer zunächst nur für ein Jahr bewilligten Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich sei stets die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Leistungssteigerung. Dabei reiche für die erforderliche Prognose nur eine entfernt liegende Möglichkeit nicht aus; vielmehr sei Voraussetzung, daß der Erfolg der Reha-Leistung wahrscheinlich sei. Diese Voraussetzung müsse aber im Sinne einer Erfolgsprognose bei Beginn der Reha-Leistung erfüllt sein. Daran habe es aber im vorliegenden Fall gefehlt. Als Beurteilungsgrundlage für die danach erforderliche Prognoseentscheidung komme allein der Entwicklungsbericht der Werkstatt vom 26. April 1994 in Betracht. Dieser begründe jedoch in keiner Weise die Erwartung, daß eine weitere Leistungssteigerung wahrscheinlich gewesen sei. Auch das vom Sozialgericht eingeholte neuro-psychiatrische Aktengutachten der Frau Dr. K. liefere keinen Beweis dafür, daß – vorausschauend mit einer wesentlichen Steigerung der Leistungsfähigkeit des Versicherten im Falle der weiteren Teilnahme an der Arbeitstrainingsmaßnahme habe gerechnet werden können.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 10. Juli 1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Senat hat Auskünfte der X. Werkstätten vom 11. März 1998 eingeholt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Akten der Beklagten und des Klägers Bezug genommen, die vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist sachlich begründet.
Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger Kosten in Höhe von 27.004,76 DM für die Teilnahme des Versicherten an der Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich der WfB in der Zeit vom 15. Juni 1994 bis 14. Juni 1995 zu erstatten.
Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 104 Sozialgesetzbuch (SGB) X. Danach muß ein Leistungsträger, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, einem nachrangig verpflichteten Leistungsträger erbrachte Sozialleistungen erstatten, sofern nicht die Voraussetzungen von § 101 Abs. 1 SGB X vorliegen oder der Leistungsträger bereits selbst ohne Kenntnis der Leistung des anderen Leistungsträgers geleistet hat. Die Vorschrift ist auch dann anzuwenden, wenn wie vorliegend der Sozialhilfeträger eine vorläufige Hilfeleistung nach § 44 BSHG erbracht hat (BSG, Urteil vom 16. Dezember 1993, Az.: 13 RJ 21/93). Dabei richtet sich der Umfang des Erstattungsanspruchs gem. § 104 Abs. 3 SGB X nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Dies waren die §§ 18 und 19 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung.
Nach § 18 SGB VI werden berufsfördernde Leistungen in einer anerkannten WfB erbracht, wenn sie erforderlich sind
1. im Eingangsverfahren, um die Eignung der Versicherten für die Aufnahme in die Werkstatt festzustellen,
2. im Arbeitstrainingsbereich, um die Versicherten zu befähigen, ihre Erwerbsfähigkeit zu erhöhen oder wiederzugewinnen und erwartet werden kann, daß sie danach wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung i.S.d. § 54 Abs. 3 des Schwerbehindertengesetzes erbringen.
Nach § 19 Abs. 2 SGB VI wurden Leistungen in einer WfB insgesamt bis zu 2 Jahren erbracht. In diesem Zusammenhang hat das Bundessozialgericht zur inhaltlich entsprechenden Vorgängervorschrift des § 1237a Reichsversicherungsordnung entschieden (Urteil vom 16. Dezember 1993, Az.: 13 RJ 21/93) ‚ daß die Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers zur Förderung einer Ausbildung in einer Werkstatt für Behinderte nicht schon dann endet, wenn der Versicherte ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen kann. Vielmehr sind Leistungen für Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich zu erbringen, wenn diese erforderlich sind, um die Erwerbstätigkeit des Behinderten zu erhöhen oder wiederzugewinnen. Betreute, die ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Arbeitstrainingsbereich erreicht hätten, könnten zur Erhöhung des Bildungserfolges weiterhin gefördert werden, und zwar bis zum Erreichen der zeitlichen Höchstgrenze oder einer bereits vorher erreichten Grenze der individuellen Förderungsfähigkeit.
Die dargestellten Voraussetzungen für eine Förderung des Versicherten über den 15. Juni 1994 hinaus waren nicht gegeben. Voraussetzung für die Gewährung einer Leistung zur Rehabilitation ist, daß die Erwerbsfähigkeit des Versicherten voraussichtlich erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann. Die bloße und jede noch so entfernt liegende Möglichkeit einer Erhaltung, wesentlichen Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit genügt dabei nicht, vielmehr muß nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung insbesondere des Gesundheitszustandes des Versicherten, seiner persönlichen Verhältnisse und seiner Bereitschaft zur Mitwirkung wahrscheinlich sein, daß die Maßnahme zur Erhaltung, wesentlichen Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbstätigkeit führen wird. Wahrscheinlich ist nur diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter und vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt; es muß sich unter Würdigung des Ergebnisses der Sachaufklärung ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, daß ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden (BSG, Urteil vom 17. Februar 1982, Az.: 1 RJ 102/80). Daß der Erfolg einer Reha-Maßnahme wahrscheinlich ist, hat der Rentenversicherungsträger bei der Entscheidung über die Gewährung der Maßnahme im Vorausschauen als Prognoseentscheidung zu prüfen. Dementsprechend hat auch das Gericht die Vorausschau auf den Zeitpunkt der Bescheiderteilung zurückzuverlegen und darf nach diesem Zeitpunkt eingetretene Umstände nicht berücksichtigen. Deswegen kann auch der Senat im vorliegenden Fall nur die Umstände berücksichtigen, die bis zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung bekannt waren.
Im vorliegenden Fall lag für die Prognoseentscheidung der Entwicklungsbericht der WfB vom 26. April 1994 vor, der von einer Sozialpädagogin verfaßt ist. Dementsprechend werden auch die beim Versicherten vorhandenen Probleme und Defizite im psycho- sozialen Bereich schwerpunktmäßig herausgestellt mit dem Hinweis auf weiterhin benötigte konsequente pädagogische Anleitung und Führung. Der eher beiläufige Hinweis darauf, daß die arbeitstechnischen Fähigkeiten noch erweitert werden müßten bei Flexibilität hinsichtlich der Einsetzbarkeit für verschiedene Tätigkeiten, ist kein ausreichender Beleg dafür, daß ein weiteres Training auch prognostisch nicht nur erforderlich, sondern auch erfolgversprechend sein würde. Die inhaltlichen Aussagen im Bericht vom 26. April 1994 sind nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall für eine Prognoseentscheidung nicht ausreichend, unabhängig von der grundsätzlichen Frage, ob ein von einer Sozialpädagogin verfaßter Bericht überhaupt eine geeignete Grundlage für die hier anstehende Prognoseentscheidung zur Erhaltung, wesentlichen Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit sein kann. Entsprechende Zweifel dürften auch beim Sozialgericht bestanden haben, das noch ein sozialmedizinische Gutachten eingeholt hat. Dieses zusätzlich eingeholte neuro-psychiatrische Gutachten der Sachverständigen Dr. K. vom 11. September 1996, auf das das Sozialgericht seine Überzeugung und Entscheidung gestützt hat, kann nach Auffassung des Senats keine Grundlage für eine positive Entscheidung zugunsten der Klägerin sein, denn die Sachverständige hat die Entwicklung des Versicherten im zweiten Jahr der Arbeitstrainingsmaßnahme rückwirkend mitbeurteilt, wenn sie bestätigt, daß bei Vergleich der Entwicklungsberichte vom 26. April 1994 und 3. April 1995 hinsichtlich der Arbeitsleistung im zweiten Jahr offensichtlich doch eine wesentliche Verbesserung des Leistungsvermögens des Versicherten habe erzielt werden können. Diese ergebnisorientierte Betrachtung ist aber nicht entscheidend, denn es kam darauf an, ob im Sinne einer Prognose mit einer wesentlichen Steigerung der Leistungsfähigkeit des Versicherten im Fall der weiteren Teilnahme an der Arbeitstrainingsmaßnahme vorab und nicht rückschauend hat gerechnet werden können. Dafür standen auch der Sachverständigen außer dem insoweit wenig aussagekräftigen Entwicklungsbericht vom 26. April 1994 keine besseren Informationen zur Verfügung. Zutreffend hat daher die Beklagte den Beweiswert des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens in Frage gestellt.
Da es aus Sicht des Senats im Sinne einer Prognoseentscheidung keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür gab, die die Erwartung einer Steigerung der Leistungsfähigkeit des Versicherten für das zweite Jahr der Arbeitstrainingsmaßnahme rechtfertigen konnten, kam die Beklagte nicht mehr als zuständiger Leistungsträger in Betracht. Folglich kann der Kläger von der Beklagten auch mit Recht keine Erstattung der von ihm hierfür aufgewandten Kosten verlangen.
Der Berufung der Beklagten war damit im Sinne der Aufhebung des Urteils und Abweisung der Klage zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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