S 12 AL 37/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 12 AL 37/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 26.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2008 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften ab 11.02.2008 zu gewähren. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) hat.

Der 1961 geborene Kläger befand sich vom 23.01.2006 bis 08.02.2008 in Österreich in Strafhaft und erwarb dort laut Bescheinigung der Justizanstalt Innsbruck in dem Zeitraum vom 21.06.2006 bis 08.02.2008 Versicherungszeiten. Am 11.02.2008 meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte unter Vorlage einer Bestätigung der Justizvollzugsanstalt Innsbruck (Bestätigung gemäß § 66a AlVG) vom 08.02.2008 Arbeitslosengeld.

Mit Bescheid vom 26.02.2008 lehnte die Beklagte seinen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld ab, weil er die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe. Innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren vor dem 11.02.2008 sei der Kläger nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gewesen.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er in Österreich im Rahmen seiner Strafhaft sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Er werde diese Zeiten noch durch eine Bescheinigung nachweisen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte hierzu aus, grundsätzlich seien nach dem Recht der Europäischen Union (EU-Verordnung, Artikel 67 Absatz 1) ausländische Versicherungszeiten, die auf der Bescheinigung E 301 durch den zuständigen Träger der Sozialversicherung im Land der letzten Beschäftigung bestätigt würden, zur Erfüllung der Anwartschaftszeit zu berücksichtigen. Dieses sei aber nur zulässig, wenn "unmittelbar vor" der Geltendmachung des Arbeitslosengeldanspruchs in Deutschland eine Versicherungszeit nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zurückgelegt worden sei (Artikel 67 Absatz 3 der EU-VO). Diese Voraussetzung habe der Kläger nicht erfüllt, so dass die Berücksichtigung der in Österreich zurückgelegten Versicherungszeiten im Rahmen der Anwartschaftszeit nicht möglich sei.

Hiergegen richtet sich die am 04.04.2008 erhobene Klage, mit der der Kläger weiterhin Arbeitslosengeld ab dem 11.02.2008 begehrt. Er trägt hierzu vor, die Beklagte habe zu Unrecht unberücksichtigt gelassen, dass er in der Zeit vom 21.06.2006 bis zum

08.02.2008 versicherungspflichtig in Österreich beschäftigt gewesen sei. Aus diesem Grund habe er innerhalb der Rahmenfrist vom 09.02.2006 bis zum 08.02.2008 mehr als 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und somit die Anwartschaftszeit für die Gewährung von Arbeitslosengeld erfüllt. Die versicherungspflichtige Beschäftigung habe er auch durch Vorlage einer Bestätigung gemäß § 66a AlVG der Justizanstalt Innsbruck nachgewiesen. Wenn die Beklagte zudem fordere, dass er unmittelbar vor Geltendmachung des Arbeitslosengeldanspruchs in Deutschland eine Versicherungszeit nach dem SGB III zurückzulegen habe, verkenne sie, dass hier ein Ausnahmefall des Artikels 71 Absatz 1 b (ii) vorliege. Danach würden Arbeitnehmer, die nicht Grenzgänger seien und die sich der Arbeitsverwaltung des Mitgliedsstaates zur Verfügung stellten in dessen Gebiet sie wohnten oder zurückkehrten bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Staates erhalten, als ob sie dort zuletzt beschäftigt gewesen wären. Er habe seit rund 20 Jahren ununterbrochen seinen Wohnsitz in I, P-weg 00 gehabt. Nach Österreich sei er nur zur Verübung einer Straftat gekommen und habe dort die Strafhaft verbüßt. Während der Haftzeit sei seine Mietwohnung in I, die sich 3 km von seinem Elternhaus entfernt befände, für ihn weiter vorgehalten worden. Er habe das in der Haftzeit verdiente Geld zum Teil an seine Verwandten nach I geschickt, damit hiervon die monatliche Miete beglichen werden konnte. Aufgrund einiger Besonderheiten in der Haftzeit (Ansparen eines Betrages von 2.000 EUR und vierteljährliche Überweisungsmöglichkeit) hätten die Verwandten hinsichtlich der Mietleistungen in Vorkasse treten müssen. Während seiner Haftzeit habe er weiterhin zu seinen Familienmitgliedern und Freunden im Umfeld von I Telefonkontakt gehalten. All diese Umstände würden dafür sprechen, dass er seine Wohnung in I auch weiterhin beibehalten und benutzen werde. Sofort nach der Beendigung der Inhaftierung sei er zu seinem Wohnort zurückgekehrt. Ein Aufenthalt in Österreich wäre auch gar nicht möglich gewesen, da er aufgrund des Strafmaßes automatisch ein Aufenthaltsverbot nach den österreichischen Gesetzen erhalten hätte. Zur weiteren Begründung überreicht der Kläger die Bescheinigung des Arbeitsmarktservices Österreich E 301 und die Meldebestätigung der Stadt I vom 08.04.2008 sowie Erklärungen der Zeugin N H vom 11.02.2009, der Zeugen J F vom 19.02.2009 und V S vom 20.02.2009.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2008 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften ab 11.02.2008 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, um zu einem Anspruch auf Arbeitslosengeld ohne vorherige Beschäftigung in Deutschland zu kommen, hätte der Kläger während der Zeit der Beschäftigung in Österreich unechter Grenzgänger im Sinne der EU-Vorschriften sein müssen. Die Tatsache, dass er aufgrund der Inhaftierung zwangsläufig keine engen Bindungen zu Deutschland habe aufrechterhalten können, spreche aber eindeutig dagegen. Sie gehe auch davon aus, dass außer der fehlenden Anwartschaftszeit alle weiteren Voraussetzungen für die Gewährung eines Arbeitslosengeldanspruchs gegeben sein dürften.

Das Gericht hat zu den Kontakten des Klägers während der Haftzeit Beweis erhoben durch Vernehmung des KFZ-Schlossers U M als Zeugen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf die Sitzungsniederschrift der öffentlichen Sitzung vom 27.02.2009. Hinsichtlich der ebenfalls zum Termin geladenen Zeugen N X und U X1 wird auf die schriftlichen Erklärungen vom 06.02.2009 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Leistungsakte der Beklagten verwiesen, der ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid vom 26.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2008 ist rechtswidrig und beschwert den Kläger in seinen Rechten gemäß § 54 Absatz 2 Satz 1 SGG.

Zu Unrecht hat es die Beklagte abgelehnt, dem Kläger ab 11.02.2008 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Der Kläger hat Anspruch auf die Gewährung entsprechender Leistungen.

Nach § 118 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) hat Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, wer arbeitslos ist, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

Diese Voraussetzungen liegen nach Auffassung der Kammer bei dem Kläger vor, wobei der Kläger auch, entgegen der Ansicht der Beklagten, die hier allein zwischen den Beteiligten umstrittene Anwartschaftszeit erfüllt hat. Die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 123 Satz 1 SGB III), wobei die Rahmenfrist zwei Jahre beträgt und mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld beginnt (§ 124 Absatz 1 SGB III). Innerhalb der von der Beklagten zutreffend festgelegten Rahmenfrist vom 09.02.2006 bis 08.02.2008 hat der Kläger mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Bei der Berechnung der Anwartschaftszeit ist nämlich die in Österreich in der Zeit vom 21.06.2006 bis zum 08.02.2008 zurückgelegte Versicherungszeit zu berücksichtigen. Dies ergibt sich aus dem EU-Recht und dabei insbesondere aus der EWG-VO Nr. 1408/71.

Als supranationales Kollisionsrecht regelt die Verordnung 1408/71 den Bereich der Arbeitslosenversicherung. Diese Verordnung bestimmt insbesondere, welcher Rechtsordnung das anzuwendende Recht zu entnehmen ist, wenn ein Sachverhalt Berührungspunkte zu mehreren Staaten der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr: Europäische Union, EU) aufweist, wenn Arbeitnehmer die innerhalb der Gemeinschaft ab- und zuwandern. Für die Bewilligung von Arbeitslosengeld gelten dabei die in Kapitel 6 (Arbeitslosigkeit der EWG-VO Nr. 1408/71) festgelegten Grundsätze. Nach Artikel 67 der Verordnung berücksichtigt der zuständige Träger eines Mitgliedsstaates, nach dessen Rechtsvorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Versicherungszeiten abhängig ist -soweit erforderlich- die Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten, die als Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt wurden, als handele es sich um Versicherungszeiten, die nach den eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind (Artikel 67 Absatz 1, 1. Halbsatz). Diese Regelung gilt insbesondere für die in Artikel 71 Absatz 1 genannten Fälle (vgl. Artikel 67 Absatz 3 EWG-VO 1408/71) ohne dass als weitere Voraussetzung unmittelbar zuvor Versicherungszeiten nach den Rechtsvorschriften zurückgelegt werden müssten, nach denen die Leistungen beantragt werden (Artikel 67 Absatz 3 EWG-VO 1408/71).

Der Kläger ist nach Auffassung der Kammer den Fallgestaltungen des Artikels 71 Absatz 1 EWG-VO 1408/71 zuzuordnen. Diese Vorschrift befasst sich mit so genannten Grenzgängern. Grenzgänger sind Arbeitnehmer, die die Beschäftigung im Gebiet eines Mitgliedstaates ausüben, aber im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnen, so dass Wohnsitz und Beschäftigungsstaat auseinander fallen. Unterschieden wird dabei zwischen dem echten und dem unechten Grenzgänger. Der echte Grenzgänger ist der Arbeitnehmer, der im Gebiet eines Mitgliedstaates beschäftigt ist und im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnt, in das er in der Regel täglich, mindestens aber einmal wöchentlich zurückkehrt (Art. 1 Buchst. b VO 1408/71). Arbeitnehmer, die unechte Grenzgänger sind, kehren also in der Regel nicht täglich und nicht mindestens einmal pro Woche in ihren Wohnsitzstaat zurück. Beispiele sind die Saison- oder Gastarbeiter. Für Leistungen bei Vollarbeitslosigkeit sieht die VO Nr. 1408/71 für echte und unechte Grenzgänger verschiedene Regelungen vor. Nach Art. 71 Abs. 1 Buchst. a Ziff. ii VO 1408/71 erhalten echte Grenzgänger bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen zwingend nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem sie wohnen, als ob während der letzten Beschäftigung die Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates für sie gegolten hätten. Der Anspruch muss sich sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch der Dauer der Zahlung nach den Vorschriften des Wohnsitzstaates richten.

Demgegenüber räumt die VO 1408/71 dem unechten Grenzgänger ein Wahlrecht zwischen Leistungsansprüchen gegen den Wohnsitzstaat oder den letzten

Beschäftigungsstaat ein (Art. 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii VO 1408/71). Arbeitnehmer, die nicht Grenzgänger sind und die sich der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaates zur Verfügung stellen, in dessen Gebiet sie wohnen, oder in das Gebiet dieses Staates zurückkehren, erhalten bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Staates, als ob sie dort zuletzt beschäftigt gewesen wären. Unechte Grenzgänger können dadurch, dass sie sich der Arbeitsvermittlung im Wohnsitz- oder im bisherigen Beschäftigungsstaat zur Verfügung stellen, letztlich zwischen den Trägern zweier Mitgliedstaaten wählen. Grund für dieses Wahlrecht ist darin zu sehen, dass der Verordnungsgeber bei den unechten Grenzgängern nicht eindeutig davon ausgehen konnte, dass in der Regel im Wohnsitz- oder im Beschäftigungsstaat die besseren Vermittlungschancen bestehen. Das sei vielmehr eine Frage des Einzelfalles, die der Einzelne selbst am besten durch Ausübung seines Wahlrechts entscheiden könne (vgl. zur Problematik: Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2. Auflage, § 37, Randnummer 165).

Nach Auffassung der Kammer ist der Kläger als so genannter unechter Grenzgänger einzustufen. "Mitgliedsstaat, in dem der Arbeitnehmer wohnt" im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b Nr. ii Satz 1 des Artikels 71 ist dabei die Bundesrepublik Deutschland. Maßgeblich ist nämlich insoweit der Staat, in dem der Arbeitnehmer -obgleich er in einem anderen Mitgliedsstaat beschäftigt ist- weiterhin gewöhnlich wohnt und in dem sich auch der gewöhnliche Mittelpunkt seiner Interessen befindet (EuGHE 1977, 315; BSG vom 05.10.2006 -B 10 EG 6/04 R). Der Zusatz der Worte -oder in das Gebiet dieses Staates zurückkehren- soll nur bedeuten, dass der Wohnort (Artikel 1 Buchstabe h: Ort des gewöhnlichen Aufenthalts) in einem Staat begrifflich "einen nicht gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedsstaat nicht zwangsläufig ausschließt" (EuGH a.a.O.). Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Nr. ii erfordert mithin, dass der Arbeitnehmer in seinem ursprünglichen Wohnstaat trotz des Auslandsaufenthalts und der Auslandstätigkeit weiterhin wohnt. Hat ein Arbeitnehmer in einem Mitgliedsstaat einen festen Arbeitsplatz, so wird an sich vermutet, dass er dort wohnt. Ob ein Inlandswohnsitz besteht, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles festzustellen z. B. Dauer und Kontinuität des Wohnorts bis zur Abwanderung des Arbeitnehmers, Dauer und Zweck seiner Abwesenheit, Art der in dem anderen Mitgliedsstaat aufgenommenen Beschäftigung, Aufenthalt der Familie, Absichten des Arbeitnehmers (EuGHE 1977, 315; EuGHE 1990, i-4163 = SozR 3-6050 Artikel 71 Nr. 1 -Reibold-). Maßgeblich ist der Umfang der beibehaltenen Bindungen, ohne dass eine Höchstdauer existiert (vgl. Kretschmer in Niesel, Kommentar zum SGB III, 4. Auflage, Artikel 71, Anhang a, Randnummer 20). Allerdings steht bei alledem nicht im Belieben eines unechten Grenzgängers, durch bloße Angabe einer Briefkastenadresse in Deutschland die Kontrolle seiner Verfügbarkeit selbst zu bestimmen bzw. herzustellen; Mindestanfordernis für die Erreichbarkeit ist die Mitteilung einer -nicht nur fingierten- Wohnanschrift (BSG vom 25.03.2003 -B 7 AL 204/02 B-). Ausgehend von diesen Grundsätzen "wohnte" der Kläger auch während seiner Strafhaft in Österreich in der Bundesrepublik Deutschland im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b Nr. ii Satz 1 des Artikels 71 EWG-VO 1408/71. Den Gesamtumständen konnte hier entnommen werden, dass der Kläger nach dem Ende der Strafhaft in die Bundesrepublik zurückkehren wollte und aufgrund der Vorstrafe auch musste und dass sein Aufenthalt in Österreich nur vorübergehender Natur war. Wenn er auch in der Zeit der gut zweijährigen Strafhaft nicht in seine Mietwohnung in I zurückkehren konnte, hat er dort doch seinen Lebensmittelpunkt behalten. Dies zeigt insbesondere die Tatsache, dass die Mietwohnung trotz der damit verbundenen Kosten auch während der Haftzeit beibehalten wurde und der Kläger seinen Verdienst während der Haftzeit auch für den Erhalt der Mietwohnung einsetzte. Auch sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger beabsichtigte, einen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedsstaat zu begründen. Auch nach Österreich war er ausschließlich zur Verübung der Straftat eingereist ohne nach glaubhaften Bekunden jemals die Absicht gehabt zu haben, dort einen Wohnsitz zu begründen. Darüberhinaus dokumentiert sich seine Absicht nach Deutschland zurückzukehren auch an den aufrechterhaltenen familiären und freundschaftlichen Bindungen im Umfeld seines Heimatortes I. Wie aus den schriftlichen Stellungnahmen seiner Schwester U X1 und seiner Mutter N X vom 06.02.2009 deutlich wird, hat er mit diesen weiterhin im telefonischen Kontakt gestanden, ebenso wie zu seiner Schwester N H und den Freunden J F und V S. Letztlich bestätigt auch der Zeuge M zumindest einen sporadischen telefonischen Kontakt. Unter Berücksichtigung auch der Dauer und Kontinuität des Wohnorts seit 01.02.1988 bis zur Abwanderung sowie der Dauer und dem Zweck seiner Abwesenheit und seinen Absichten, ist daher durchgehend von einem Lebensmittelpunkt in I, P-weg 00, auszugehen.

Sind mithin die Vorgaben des Artikels 71 Absatz 1 Buchstabe b Nr. ii der EWG-VO 1408/71 erfüllt, steht dem Kläger in Verbindung mit Artikel 67 Absatz 3 der EWG-VO 1408/71 ein Arbeitslosengeldanspruch gegenüber der Beklagten nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu.

Nach alledem musste die Klage Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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