Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 6 R 272/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 49/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 15. Dezember 2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2010 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten – für beide Rechtszüge – zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides bezüglich der der Klägerin für November 2009 gezahlten Erwerbsminderungsrente, weil nach Auffassung der Beklagten ein in diesem Monat aus einem sogenannten gestörten Altersteilzeitvertrag ausgezahltes Wertguthaben auf die Rente anzurechnen sei.
Die 1949 geborene Klägerin war vor ihrer Berentung als Reiseverkehrskauffrau bei der D. GmbH tätig (Anstellungsvertrag vom 2. März 1998, Bl. 109 der Gerichtsakte – im Folgenden: GA –). Die Arbeitsvertragsparteien schlossen im Dezember 2003 für die Zeit ab 1. Januar 2005 einen Altersteilzeitvertrag im sogenannten Blockmodell, also mit einer dreijährigen Arbeits- und Ansparphase und einer anschließenden ebenso langen Ruhephase, wobei das durch die Mehrarbeitsstunden während der Ansparphase erarbeitete Arbeitsentgelt einem Wertguthaben gutgeschrieben wird, das dann in der Ruhephase ausgezahlt wird. Wegen der Einzelheiten der geschlossenen Vereinbarung wird auf Bl. 111 ff. GA Bezug genommen.
Die Klägerin erkrankte noch während der dreijährigen Arbeits- und Ansparphase und war ab 3. Februar 2006 durchgehend arbeitsunfähig. Die Beklagte bewilligte ihr – auf Grundlage eines umgedeuteten Antrags auf Leistungen zur Rehabilitation vom 2. Juni 2006 – durch Bescheid vom 7. Februar 2008 (Bl. 125 Verwaltungsakte Band I – im Folgenden: VA I –) zunächst befristet Rente wegen voller Erwerbsminderung (ab 1. September 2006 bis 31. August 2009). Nachdem die Klägerin bereits während des laufenden Antragsverfahrens auf den (gestörten) Altersteilzeitvertrag hingewiesen hatte, gab die D. der Beklagten mit Schreiben vom 15. April 2008 (Bl. 161 VA I) bekannt, durch die bereits abgeleisteten Mehrstunden bestehe ein Wertguthaben von ca. 17.000 Euro. Dieses Wertguthaben sei nach dem sozialversicherungspflichtigen Entstehungsprinzip den Jahren 2005 und 2006 zuzurechnen. Durch die Erkrankung der Klägerin sei die planmäßige Einhaltung des Altersteilzeitvertrags ruhend gestellt, so dass eine Auszahlung des Wertguthabens mit anschließender sozialversicherungspflichtiger Meldung noch nicht habe erfolgen können. Erst nach einer unbefristeten Verrentung könnte ein Störfall der Altersteilzeit festgestellt werden, was zur Auszahlung führe.
Auf Weitergewährungsantrag der Klägerin vom 25. März 2009 (Bl. 235 Verwaltungsakte Band II – im Folgenden: VA II –) bewilligte die Beklagte die Rente wegen voller Erwerbsminderung (seit 1. Juli 2009 mit einem Rentenbetrag von 1.242,44 Euro und einem Zahlbetrag von 1.116,96 Euro) über das bisherige Enddatum hinaus bis Ende August 2012 (Bescheid vom 10. Juni 2009, Bl. 263 VA II); durch weiteren Bescheid vom 22. Juni 2009 (Bl. 38 Gerichtsakte – im Folgenden: GA –) gewährte sie zudem der Klägerin rückwirkend ab 1. Juni 2006 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer, wobei diese in der Zeit ihres Zusammentreffens mit der Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht gezahlt wurde. Auf ihren unter dem 19. Juni 2009 gestellten Antrag (Bl. 285 VA II) schließlich bewilligte die Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 29. Oktober 2009 (Bl. 325 VA II) Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1. Januar 2010.
Das Wertguthaben aus dem Altersteilzeitvertrag, also das durch die Mehrstunden zwischen Januar 2005 und Februar 2006 erarbeitete Gehalt in Höhe von 19.648,66 Euro brutto, zahlte die Arbeitgeberin vor dem Hintergrund der dauerhaften Berentung der Klägerin am 30. November 2009 an diese aus (Bestätigungsschreiben der Arbeitgeberin vom 18. Januar 2010, Bl. 352R VA II) und meldete die entsprechenden Entgelte zur Sozialversicherung. Am 31. Dezember 2009 endete das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin mit der D. GmbH.
Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 12. Januar 2010 die Altersrente der Klägerin unter Berücksichtigung des Wertguthabens neu fest (vgl. Bl. 349 f. VA II), hörte diese andererseits mit Schreiben vom 1. Februar 2010 (Bl. 364 VA II) zu einem Wegfall der Erwerbsminderungsrente für den Monat November 2009 auf Grund der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen nach § 96a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) – Gesetzliche Rentenversicherung – wegen der Auszahlung des Wertguthabens an. In ihrer Stellungnahme (Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 5. Februar 2010, Bl. 367 VA II) wandte die Klägerin dagegen ein, die Nachzahlung ihres Arbeitgebers betreffe einen vor Rentenbeginn abgelaufenen Lohnabrechnungszeitraum.
Mit dem streitigen Bescheid vom 7. September 2010 berechnete die Beklagte, so die Formulierung des Bescheids, die der Klägerin gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. November 2009 neu. Unter Berücksichtigung der individuellen Hinzuverdienstgrenzen stehe ihr die Rente für die Zeit vom 1. November bis 30. November 2009 nicht, für die Zeit ab 1. Dezember 2009 dagegen [wieder] in voller Höhe zu. Die Überzahlung von 1.116,96 Euro sei zu erstatten. In der dem Bescheid beigefügten Anlage 10 führte die Beklagte unter "ergänzende Begründungen und Hinweise" zudem aus, der Rentenbescheid vom 7. Februar 2008 in der Gestalt des Bescheides vom 10. Juni 2009 werde hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 1. November 2009 nach § 48 SGB X aufgehoben, die entstandene Überzahlung sei von der Klägerin nach § 50 SGB X zu erstatten. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 391 ff. VA II Bezug genommen.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 24. September 2010 (Bl. 407 VA II) Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, es handele sich um einen gestörten Altersteilzeitvertrag. Die Auszahlung sei 2005/2006 erdient worden, so dass sie diesem Lohnabrechnungszeitraum zuzuordnen sei. Sie bitte darum, diejenigen, die ihre Altersteilzeit aus gesundheitlichen Gründen nicht zu Ende führen könnten, nicht zu bestrafen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2010 (VA II Bl. 409) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Wenn ein Beschäftigungsverhältnis mit einer flexiblen Arbeitszeitregelung in Form eines Blockmodells gemäß § 7 Abs. 1a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – vor dem vereinbarten Zeitpunkt ende, also ein Störfall eintrete, sei das Brutto-Wertguthaben, ggf. vermindert um vom Arbeitnehmer zurückgeforderte Aufstockungsleistungen, dem Monat der Auszahlung zuzuordnen (Zuflussprinzip), sofern das Beschäftigungsverhältnis nach Beginn der Rente noch bestanden habe. Im Fall der Klägerin sei das Wertguthaben am 30. November 2009 ausgezahlt worden. Mit 19.648,66 Euro seien sämtliche Hinzuverdienstgrenzen bis zum Doppelten überschritten, so dass die für November 2009 gezahlte Rente in voller Höhe zu erstatten sei.
Durch Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 21. Dezember 2010 (Bl. 1 GA), eingegangen bei Gericht am 24. Dezember 2010, hat die Klägerin daraufhin Klage zum Sozialgericht (SG) Darmstadt erhoben. Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen aus dem Anhörungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft und dabei ergänzend darauf verwiesen, dass ihre frühere Arbeitgeberin das Wertguthaben zunächst nicht ausgezahlt habe, sondern dazu erst nach Feststellung der Dauerrente bereit gewesen sei.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Den Urteilen des BSG vom 10. Juli 2012 (Az.: B 13 R 81/11 R und B 13 R 85/11 R) werde nur in den dort entschiedenen Konstellationen gefolgt. Vorliegend habe das Arbeitsverhältnis der Klägerin dagegen nicht aufgrund arbeits- oder tarifrechtlicher Regelungen seit Rentenbeginn geruht, sondern sei (erst) nach Rentenbeginn zum 31. Dezember 2009 beendet worden. Auch sei der Rechtsauffassung der Klägerin, das aufgebaute Wertguthaben sei in der Zeit vor Rentenbeginn angespart worden und daher nicht als Hinzuverdienst zu berücksichtigen, nicht zuzustimmen. Durch die Einführung der Hinzuverdienstgrenze bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit habe die Lohnersatzfunktion der Rente gestärkt werden sollen. Versicherte sollten aus der gezahlten Rente und einem Einkommen aus einer Beschäftigung kein höheres Gesamteinkommen erzielen als vor dem Rentenbezug. Sofern also Versicherte neben der Rente Einkünfte aus einer Beschäftigung erzielten, seien diese bei der Rente als Hinzuverdienst zu berücksichtigen.
Das SG hat die Klage durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Wertguthaben sei als Arbeitsentgelt auf die Rente wegen voller Erwerbsminderung anzurechnen und führe wegen des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen für alle Erwerbsminderungsrenten auf der Grundlage von § 96a SGB VI zu einem Wegfall des Rentenanspruchs. Die Auszahlung des Wertguthabens sei eine Einnahme aus einer Beschäftigung (Verweis auf LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. Juni 2012 – L 1 R 344/11), denn sie habe ihren Ursprung in der Beschäftigung der Klägerin und habe bestimmungsgemäß auch nicht für eine Zeit nach dem Ende der Beschäftigung ausgezahlt werden sollen, sondern der Finanzierung der Zeit, in der die Klägerin von der Arbeit habe freigestellt werden sollen, gedient. Der Anrechnung des ausgezahlten Wertguthabens auf die Erwerbsminderungsrente der Klägerin stehe nicht entgegen, dass dieses Guthaben zu einem Zeitpunkt ausgezahlt worden sei, zu dem die Klägerin ihre Beschäftigung krankheitsbedingt nicht mehr ausgeübt habe. Nach der Rechtsprechung des BSG sei zwar eine Zahlung dann nicht als Hinzuverdienst zu berücksichtigen, wenn das Beschäftigungsverhältnis im Zeitpunkt der Einmalzahlung geruht habe, weil aus Sicht des BSG in diesem Fall die Zahlung nicht aus einem Beschäftigungsverhältnis während des Rentenbezugs resultiere (Verweis auf die Urteile des BSG vom 10. Juli 2012 – B 13 R 81/11 R und B 13 R 85/11 R –). Das Sozialgericht vermöge jedoch der restriktiven Auslegung des Bundessozialgerichts, wonach rentenschädlich nur Einkommen aus einer neben dem Rentenbezug noch bestehenden Beschäftigung im leistungsrechtlichen Sinn sei, die das BSG vor allem anhand der Entstehungsgeschichte des § 96a SGB VI begründet habe, nicht zu folgen. Wenn es – wie vom BSG angeführt – der gesetzgeberische Wille gewesen sein sollte, nur Einkommen aus Beschäftigungen zu Lasten der Restgesundheit als rentenschädlich anzusehen, habe sich dieser gesetzgeberische Wille nicht ausreichend im Gesetzeswortlaut niedergeschlagen. Denn dort heiße es nur "Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung". Der Wortlaut des § 96a SGB VI spreche damit für eine weite Auslegung des Begriffs "aus der Beschäftigung". Eine entsprechende Auslegung sei auch mit dem aus der Gesetzesbegründung zu der ursprünglichen mit Wirkung zum 1. Januar 1996 durch Gesetz vom 15. Dezember 1995 (BGBl I 1995, S. 1824) eingeführten Fassung erkennbaren Willen des Gesetzgebers vereinbar. Die Gesetzesmaterialien machten zwar deutlich, dass Anlass für die gesetzliche Neuregelung einer Hinzuverdienstgrenze für Erwerbsminderungsrenten Beschäftigungen zulasten der Restgesundheit neben dem Rentenbezug gewesen seien. Insofern der Gesetzgeber jedoch die Lohnersatzfunktion der Erwerbsminderungsrenten "auf ihre wesentliche Aufgaben zurückführen will" und erkannt habe, dass nicht nur Beschäftigungen zu Lasten der Restgesundheit, sondern auch "die tatsächlichen Möglichkeiten, neben der Rente wegen Berufsunfähigkeit unbegrenzt hinzuverdienen zu können, [ ...die Lohnersatzfunktion ausgehöhlt haben]", beziehe er alle Arten von tatsächlichem Hinzuverdienst in die gesetzliche Neuregelung ein. Gegen eine restriktive Auslegung des Gesetzeswortlauts wie vom BSG vertreten spreche vor allem die teleologische Auslegung. Wenn es Sinn und Zweck der Einführung des § 96a SGB VI gewesen sei, die Lohnersatzfunktion der Erwerbsminderungsrente zu stärken, müsse jedes neben dem Bezug einer Erwerbsminderungsrente erhaltene Arbeitsentgelt rentenschädlich sein. Denn die Lohnersatzfunktion der Rente werde durch jede Einnahme berührt, die dem Versicherten monatlich tatsächlich zur Verfügung stehe. Versicherte dürften bei Beachtung der Lohnersatzfunktion der Erwerbsminderungsrente nach Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente nicht finanziell besser stehen als ohne diese (Verweis auf BT-Drs. 13/8671 S. 118). Die Klägerin werde jedoch durch die Auszahlung des Wertguthabens neben der laufenden vollen Erwerbsminderungsrente ohne Anrechnung als Hinzuverdienst finanziell besser gestellt als ohne die Erwerbsminderungsrente. Für dieses Ergebnis spreche im Übrigen auch das für das Leistungsrecht der Sozialversicherung geltende Zuflussprinzip (Verweis auf: Werner, in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 14 SGB IV Rn. 52; Knospe, in: Hauck/Noftz, SGB IV, K § 14 Rn. 34) als Anknüpfungspunkt für die Frage, wann Einnahmen erzielt worden (und dementsprechend auf mögliche Sozialleistungen anzurechnen) seien. Das Wertguthaben sei von der Klägerin nicht bereits in ihrer aktiven Beschäftigungsphase erzielt worden und daher nicht dem aktiven Beschäftigungszeitraum zuzuordnen. Hier liege der Unterschied zu dem vom BSG entschiedenen Fall. Dort sei das Anrecht auf die Urlaubsabgeltung in dem Jahr erworben worden, in dem dann später die Erwerbsminderung eingetreten sei. Die Einmalzahlung sei leistungsrechtlich dem Beschäftigungszeitraum zuzuordnen gewesen (Verweis auf Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, SGB VI, § 96a Rn. 15c) und habe nach der Hilfserwägung des BSG (Verweis auf BSG, Urteil vom 10. Juli 2012 – B 13 R 85/11 Rn. 50 f.: "für Zeiten vor Rentenbeginn") daher als vor dem Rentenbeginn erzielt gegolten. Eine spätere Auszahlung habe dann für das Gericht nachvollziehbar nicht mehr zur Anrechnung geführt. Das BSG habe entsprechend die Frage, wie über für Zeiten des Rentenbezugs fortgezahltes laufendes Arbeitsentgelt zu entscheiden gewesen wäre, ausdrücklich nicht entschieden (Verweis auf ebd., Rn. 54). Hier sei es dagegen so gewesen, dass das Wertguthaben bestimmungsgemäß in der zweiten Phase der Altersteilzeit habe ausgezahlt werden und eigentlich dazu habe dienen sollen, die Freistellung zu finanzieren. Erzielt sei es nach dem im Leistungsrecht geltenden Zuflussprinzip erst mit der Auszahlung, nicht bereits mit der Erwirtschaftung. Hierfür spreche im Übrigen auch, dass die Erzielung des Wertguthabens im Leistungsrecht nicht zu einem Zeitpunkt eingetreten sein könne, der vor der beitragsrechtlichen Erzielung im Sinne des sogenannten Entstehungs- oder Anspruchsprinzips (Verweis auf Werner, in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 14 SGB IV Rn. 51) liege. Beiträge auf das Wertguthaben seien nach § 23b Abs. 2 Satz 9 SGB IV jedoch erst fällig geworden, nachdem der Bescheid über die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt habe. Auch bei regelgerechtem Verlauf entstünden die Beitragsansprüche für die Freistellungsphase der Altersteilzeit erst in dieser Zeit (vgl. § 23b Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Dann könne der Zufluss des Wertguthabens beim Berechtigten aber nicht vor der Freistellungsphase erfolgt sein. Dass der Zufluss des Wertguthabens im November 2009 die für die Klägerin geltenden Hinzuverdienstgrenzen bei weitem überschritten habe, sei ebenso unstreitig, wie dass bei Anrechnung des Wertguthabens als Hinzuverdienst für den Monat November 2009 kein Rentenanspruch der Klägerin bestanden habe. Die Beklagte sei auch berechtigt gewesen, den Bewilligungsbescheid mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X aufzuheben. Auf subjektive Umstände komme es bei § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X nicht an. Ein sogenannter atypischer Fall im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X, der eine Ermessensausübung erforderlich gemacht hätte, habe nicht vorgelegen.
Nach Zustellung des Urteils bei ihren Prozessbevollmächtigten am 16. Januar 2015 (Bl. 72 GA) hat die Klägerin durch Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten am 9. Februar 2015 (Bl. 75/82 GA) Berufung eingelegt. Zur Begründung vertieft sie nochmals ihr bisheriges Vorbringen.
Sie beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 16. Januar 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des SG sowie ihre Bescheide.
Der Senat hat die Personalakte der Klägerin aus ihrer Tätigkeit bei der Fa. D. GmbH beigezogen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte – einschließlich der beigezogenen Personalakte der Fa. D. – sowie der zur Klägerin geführten Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das erstinstanzliche Urteil kann ebenso wenig Bestand haben wie der angegriffene Bescheid der Beklagten, denn die Voraussetzungen für eine Rückforderung der Erwerbsminderungsrente für November 2009 lagen nicht vor.
I. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2010, mit dem diese die Leistungsbewilligung für den November 2009 vollständig aufgehoben und die Erstattung der für diesen Zeitraum gezahlten Rente in Höhe von 1116,96 Euro geltend gemacht hat. Die Klägerin verfolgt ihr Begehren in zulässiger Weise mit der reinen Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]); dabei ist unschädlich, dass sie in dem schriftsätzlich formulierten Berufungsantrag nur die Aufhebung des sozialgerichtlichen Urteils ausdrücklich verlangt hat; ihr Wille, dass das Berufungsgericht (außerdem) den angefochtenen Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2010 aufheben möge, ist aus ihrem gesamten Vorbringen hinreichend eindeutig erkennbar.
II. Die Berufung ist angesichts des streitigen Betrags ohne Zulassung statthaft (§§ 143 f. SGG) und auch im Übrigen zulässig, namentlich form- und fristgerecht (vgl. § 151 SGG) beim zuständigen Gericht eingelegt.
III. Die Berufung ist auch begründet, da die Voraussetzungen für eine Rückforderung der Rente nicht vorlagen.
Dabei hat die Beklagte im Ausgangspunkt zu Recht § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X als Grundlage für die Aufhebungsentscheidung herangezogen. Da nach dem Zufluss des Wertguthabens kein Bescheid zur Erwerbsminderungsrente mehr ergangen ist (sondern nur zur Altersrente), würden die erzielten Einnahmen – sofern das Wertguthaben rentenschädlich wäre – nachträglich zu einer wesentlichen Änderung der für die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente maßgeblichen Verhältnisse geführt haben. Der angegriffene Bescheid ist jedoch rechtswidrig, da das während der Arbeits- und Ansparphase erarbeitete Wertguthaben aus dem Altersteilzeitvertrag auf die Erwerbsminderungsrente nicht anrechenbar ist.
Die Anrechnung von Einkommen und das dadurch bewirkte (ggf. teilweise) Ruhen einer Erwerbsminderungsrente ist in § 96a SGB VI geregelt: Nach dessen Abs. 1 wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht geleistet, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen des Leistungsberechtigten aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen – auf Grund von Abs. 3 sind zudem unter bestimmten weiteren Voraussetzungen auch Krankengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld berücksichtigungsfähig – die in Abs. 2 genannten Beträge nicht übersteigt (sog. Hinzuverdienstgrenze), wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt.
Rentenschädlich sind daher nicht alle denkbaren, sondern nur die in § 96a SGB VI aufgeführten Einnahmen des Versicherten, zu denen ein nachträglich auf Grund eines Störfalles eines Altersteilzeitvertrages ausgezahltes Wertguthaben wie im hiesigen Fall nicht gehört (vgl. allg. zur Berücksichtigungsfähigkeit von bei bereits ruhendem Arbeitsverhältnis gezahltem Einkommen BSG, Urteile vom 10 Juli 2012 – B 13 R 85/11 R – SozR 4-2600 § 96a Nr. 14 [zu einer nachträglich gezahlten Urlaubsabgeltung] sowie B 13 R 81/11 [zu einer unter gleichen Umständen erbrachten Jahressonderzahlung] – und speziell für ein Wertguthaben aus einem Altersteilzeitvertrag Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Februar 2015 – L 16 R 458/14 – und Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22. Mai 2014 – L 1 R 419/12 –, beide unter Verweis auf das o.g. BSG-Urteil; außerdem: Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. Juni 2012 – L 1 R 344/11 – sowie Jentsch in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 96a SGB VI Rn. 17 und Kamprad in: Hauck/Noftz, SGB VI K § 96a Rn. 10).
Entscheidend hierfür sind folgende Überlegungen: Das SG hat zwar zu Recht hervorgehoben, dass gerade durch die Einfügung von § 96a SGB VI mit Wirkung zum 1. Januar 1996 durch das Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 15. Dezember 1995 (BGBl. I S. 1824) die Lohnersatzfunktion der Erwerbsminderungsrenten hervorgehoben werden sollte. Der Gesetzgeber hat die Anrechnung von Einkommen allerdings (stark) begrenzt: So hat er von vornherein nicht die Anrechnung aller Einkommen und Einnahmen vorgesehen und auch die von Arbeitseinkommen oder Arbeitsentgelt auf entsprechende Zuflüsse "aus einer Beschäftigung" beschränkt. Dementsprechend sollte, wie in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 13/2590 S. 19, 23 [zu § 34 – dort sollte die Regelung nach dem Gesetzentwurf ihren Platz finden]) im Einzelnen ausgeführt ist, (nur) eine Einkommenserhöhung nach Eintritt der Erwerbsminderung auf Grund des parallelen Bezugs der Rente und von Einkommen aus einer (auf Kosten der Gesundheit oder nach dem Recht der Berufungsunfähigkeit "eigentlich" nicht zumutbaren, aber dennoch) parallel zum Rentenbezug (weiter) ausgeübten Tätigkeit verhindert werden. Dieser Gesetzeszweck kommt nach Auffassung des Senats in dem eingrenzenden Tatbestandsmerkmal "aus einer Beschäftigung" auch hinreichend deutlich zum Ausdruck: Im Sozialrecht wird vielfach zwischen Arbeitsverhältnis und Beschäftigungsverhältnis unterschieden (vgl. z.B. – im Kontext des Arbeitsförderungsrechts – für viele BSG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – B 11 AL 2/14 R – SozR 4-4300 § 124 Nr. 6; zur Unterscheidung von Beschäftigungsverhältnis im beitragsrechtlichen Sinne einerseits und im leistungsrechtlichen Sinne andererseits neben den Entscheidungen des BSG vom 10. Juli 2012 z.B. auch BSG, Urteil vom 24. September 2008 – B 12 KR 27/07 R – BSGE 101, 273), so dass angesichts der Gesetzesbegründung davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzeswortlaut im Bewusstsein dieser Differenzierung so formuliert wurde.
Vor diesem Hintergrund ist der (nachträgliche) Zufluss von Einkommen aus einem Arbeitsverhältnis jedenfalls dann nicht rentenschädlich, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist oder ruht. So scheidet die Anrechnung nach § 96a SGB VI aus, wenn es sich um Entgelt handelt, das sich als Gegenleistung für bereits vorher erbrachte Arbeitsleistung darstellt und nachträglich zu einem Zeitpunkt zufließt, in dem der Arbeitgeber sein Direktionsrecht nicht mehr ausübt bzw. die Beteiligten (übereinstimmend) davon ausgehen, dass die arbeitsvertraglichen Hauptpflichten, also der Austausch von Arbeitskraft gegen Entgelt in einem bestimmten Zeitabschnitt, suspendiert sind; in diesem Fall geht es nicht (mehr) um Einkommen "aus einer [aktuell noch ausgeübten] Beschäftigung", sondern der Sache nach um (Nach-)Zahlungen aus dem rechtlich zwar fortbestehenden, aber nicht mehr im Vollzug befindlichen Arbeitsverhältnis.
Im konkreten Fall war das Arbeitsverhältnis im streitigen Zeitraum zwar noch nicht endgültig beendet. Es ruhte aber und beide Beteiligte waren sich einig, dass die Klägerin bei Auszahlung des Wertguthabens im November 2009 auf Grund ihrer (vollen) Erwerbsminderung ihre Arbeitsleistung (dauerhaft) nicht mehr erbringen (konnte und) musste und die Arbeitgeberin ihr Direktionsrecht nicht ausüben konnte (und wollte). Es ist zwar – auch nach der im Berufungsverfahren eingeholten Auskunft der Arbeitgeberin – nicht ersichtlich, dass diesbezüglich eindeutige einzelvertragliche oder für die Arbeitsvertragsparteien bindende tarifvertragliche Regelungen existiert hätten. Dennoch kann kein Zweifel bestehen, dass die Klägerin und ihre Arbeitgeberin im fraglichen Zeitraum (übereinstimmend) davon ausgingen, dass das Beschäftigungsverhältnis ruhte, wie sich deutlich schon aus den in der beigezogenen Personalakte enthaltenen Schreiben der früheren Arbeitgeberin an die Beklagte vom 15. April 2008 und 29. Juli 2013 ergibt. Dementsprechend handelte es sich bei dem streitigen Einkommen um ein (Wert-)Guthaben, also angespartes Entgelt für Arbeitsleistungen, die die Klägerin bereits in einem früheren Zeitraum erbracht hatte: Damit ist die aus den Gesetzesmaterialien entnehmbare ratio für die Anrechnung nach § 96a SGB VI in einer Konstellation wie der hiesigen nicht erfüllt: Das Einkommen führt nämlich gerade nicht zu der vom Gesetzgeber nicht gewünschten Besserstellung auf Grund der Kombination des Rentenbezugs mit Einnahmen aus einer dennoch fortgeführten Beschäftigung; die Rente hat also – bezogen auf den November 2009 – nicht nur "Prestige- und Entschädigungsfunktion"; im streitigen Zeitraum hat die Klägerin nämlich ihre Arbeitskraft gerade nicht mehr einsetzen und daher auch keine Gegenleistung für in diesem Zeitraum erbrachte Arbeitsleistung mehr erhalten können. Vielmehr handelte es sich – auch wenn das SG zutreffend festgestellt hat, dass die Klägerin auf Grund der Alterszeitvertrags rechtlich im Erarbeitungszeitraum und vor Eintritt des Störfalls noch keinen Anspruch auf die Auszahlung des aufzusparenden Entgelts hatte – wirtschaftlich doch um den Gegenwert für die in einem früheren Zeitraum erbrachte Arbeitsleistung. Der fehlende Auszahlungsanspruch zum damaligen Zeitpunkt ergab sich (allein) aus der Altersteilzeitabrede; der diesbezüglich eingetretene Störfall lässt es gerechtfertigt erscheinen, auch unter diesem Gesichtspunkt von der Nichtanrechenbarkeit des Einkommens auf die Rente auszugehen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
V. Die Revision ist nicht zuzulassen; da das BSG in den bereits zitierten Entscheidungen vom 10. Juli 2012 die maßgeblichen Rechtsfragen bereits entschieden hat, liegt keiner der in § 160 Abs. 2 SGG aufgeführten Revisionszulassungsgründe vor.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten – für beide Rechtszüge – zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides bezüglich der der Klägerin für November 2009 gezahlten Erwerbsminderungsrente, weil nach Auffassung der Beklagten ein in diesem Monat aus einem sogenannten gestörten Altersteilzeitvertrag ausgezahltes Wertguthaben auf die Rente anzurechnen sei.
Die 1949 geborene Klägerin war vor ihrer Berentung als Reiseverkehrskauffrau bei der D. GmbH tätig (Anstellungsvertrag vom 2. März 1998, Bl. 109 der Gerichtsakte – im Folgenden: GA –). Die Arbeitsvertragsparteien schlossen im Dezember 2003 für die Zeit ab 1. Januar 2005 einen Altersteilzeitvertrag im sogenannten Blockmodell, also mit einer dreijährigen Arbeits- und Ansparphase und einer anschließenden ebenso langen Ruhephase, wobei das durch die Mehrarbeitsstunden während der Ansparphase erarbeitete Arbeitsentgelt einem Wertguthaben gutgeschrieben wird, das dann in der Ruhephase ausgezahlt wird. Wegen der Einzelheiten der geschlossenen Vereinbarung wird auf Bl. 111 ff. GA Bezug genommen.
Die Klägerin erkrankte noch während der dreijährigen Arbeits- und Ansparphase und war ab 3. Februar 2006 durchgehend arbeitsunfähig. Die Beklagte bewilligte ihr – auf Grundlage eines umgedeuteten Antrags auf Leistungen zur Rehabilitation vom 2. Juni 2006 – durch Bescheid vom 7. Februar 2008 (Bl. 125 Verwaltungsakte Band I – im Folgenden: VA I –) zunächst befristet Rente wegen voller Erwerbsminderung (ab 1. September 2006 bis 31. August 2009). Nachdem die Klägerin bereits während des laufenden Antragsverfahrens auf den (gestörten) Altersteilzeitvertrag hingewiesen hatte, gab die D. der Beklagten mit Schreiben vom 15. April 2008 (Bl. 161 VA I) bekannt, durch die bereits abgeleisteten Mehrstunden bestehe ein Wertguthaben von ca. 17.000 Euro. Dieses Wertguthaben sei nach dem sozialversicherungspflichtigen Entstehungsprinzip den Jahren 2005 und 2006 zuzurechnen. Durch die Erkrankung der Klägerin sei die planmäßige Einhaltung des Altersteilzeitvertrags ruhend gestellt, so dass eine Auszahlung des Wertguthabens mit anschließender sozialversicherungspflichtiger Meldung noch nicht habe erfolgen können. Erst nach einer unbefristeten Verrentung könnte ein Störfall der Altersteilzeit festgestellt werden, was zur Auszahlung führe.
Auf Weitergewährungsantrag der Klägerin vom 25. März 2009 (Bl. 235 Verwaltungsakte Band II – im Folgenden: VA II –) bewilligte die Beklagte die Rente wegen voller Erwerbsminderung (seit 1. Juli 2009 mit einem Rentenbetrag von 1.242,44 Euro und einem Zahlbetrag von 1.116,96 Euro) über das bisherige Enddatum hinaus bis Ende August 2012 (Bescheid vom 10. Juni 2009, Bl. 263 VA II); durch weiteren Bescheid vom 22. Juni 2009 (Bl. 38 Gerichtsakte – im Folgenden: GA –) gewährte sie zudem der Klägerin rückwirkend ab 1. Juni 2006 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer, wobei diese in der Zeit ihres Zusammentreffens mit der Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht gezahlt wurde. Auf ihren unter dem 19. Juni 2009 gestellten Antrag (Bl. 285 VA II) schließlich bewilligte die Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 29. Oktober 2009 (Bl. 325 VA II) Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1. Januar 2010.
Das Wertguthaben aus dem Altersteilzeitvertrag, also das durch die Mehrstunden zwischen Januar 2005 und Februar 2006 erarbeitete Gehalt in Höhe von 19.648,66 Euro brutto, zahlte die Arbeitgeberin vor dem Hintergrund der dauerhaften Berentung der Klägerin am 30. November 2009 an diese aus (Bestätigungsschreiben der Arbeitgeberin vom 18. Januar 2010, Bl. 352R VA II) und meldete die entsprechenden Entgelte zur Sozialversicherung. Am 31. Dezember 2009 endete das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin mit der D. GmbH.
Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 12. Januar 2010 die Altersrente der Klägerin unter Berücksichtigung des Wertguthabens neu fest (vgl. Bl. 349 f. VA II), hörte diese andererseits mit Schreiben vom 1. Februar 2010 (Bl. 364 VA II) zu einem Wegfall der Erwerbsminderungsrente für den Monat November 2009 auf Grund der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen nach § 96a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) – Gesetzliche Rentenversicherung – wegen der Auszahlung des Wertguthabens an. In ihrer Stellungnahme (Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 5. Februar 2010, Bl. 367 VA II) wandte die Klägerin dagegen ein, die Nachzahlung ihres Arbeitgebers betreffe einen vor Rentenbeginn abgelaufenen Lohnabrechnungszeitraum.
Mit dem streitigen Bescheid vom 7. September 2010 berechnete die Beklagte, so die Formulierung des Bescheids, die der Klägerin gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. November 2009 neu. Unter Berücksichtigung der individuellen Hinzuverdienstgrenzen stehe ihr die Rente für die Zeit vom 1. November bis 30. November 2009 nicht, für die Zeit ab 1. Dezember 2009 dagegen [wieder] in voller Höhe zu. Die Überzahlung von 1.116,96 Euro sei zu erstatten. In der dem Bescheid beigefügten Anlage 10 führte die Beklagte unter "ergänzende Begründungen und Hinweise" zudem aus, der Rentenbescheid vom 7. Februar 2008 in der Gestalt des Bescheides vom 10. Juni 2009 werde hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 1. November 2009 nach § 48 SGB X aufgehoben, die entstandene Überzahlung sei von der Klägerin nach § 50 SGB X zu erstatten. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 391 ff. VA II Bezug genommen.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 24. September 2010 (Bl. 407 VA II) Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, es handele sich um einen gestörten Altersteilzeitvertrag. Die Auszahlung sei 2005/2006 erdient worden, so dass sie diesem Lohnabrechnungszeitraum zuzuordnen sei. Sie bitte darum, diejenigen, die ihre Altersteilzeit aus gesundheitlichen Gründen nicht zu Ende führen könnten, nicht zu bestrafen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2010 (VA II Bl. 409) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Wenn ein Beschäftigungsverhältnis mit einer flexiblen Arbeitszeitregelung in Form eines Blockmodells gemäß § 7 Abs. 1a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – vor dem vereinbarten Zeitpunkt ende, also ein Störfall eintrete, sei das Brutto-Wertguthaben, ggf. vermindert um vom Arbeitnehmer zurückgeforderte Aufstockungsleistungen, dem Monat der Auszahlung zuzuordnen (Zuflussprinzip), sofern das Beschäftigungsverhältnis nach Beginn der Rente noch bestanden habe. Im Fall der Klägerin sei das Wertguthaben am 30. November 2009 ausgezahlt worden. Mit 19.648,66 Euro seien sämtliche Hinzuverdienstgrenzen bis zum Doppelten überschritten, so dass die für November 2009 gezahlte Rente in voller Höhe zu erstatten sei.
Durch Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 21. Dezember 2010 (Bl. 1 GA), eingegangen bei Gericht am 24. Dezember 2010, hat die Klägerin daraufhin Klage zum Sozialgericht (SG) Darmstadt erhoben. Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen aus dem Anhörungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft und dabei ergänzend darauf verwiesen, dass ihre frühere Arbeitgeberin das Wertguthaben zunächst nicht ausgezahlt habe, sondern dazu erst nach Feststellung der Dauerrente bereit gewesen sei.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Den Urteilen des BSG vom 10. Juli 2012 (Az.: B 13 R 81/11 R und B 13 R 85/11 R) werde nur in den dort entschiedenen Konstellationen gefolgt. Vorliegend habe das Arbeitsverhältnis der Klägerin dagegen nicht aufgrund arbeits- oder tarifrechtlicher Regelungen seit Rentenbeginn geruht, sondern sei (erst) nach Rentenbeginn zum 31. Dezember 2009 beendet worden. Auch sei der Rechtsauffassung der Klägerin, das aufgebaute Wertguthaben sei in der Zeit vor Rentenbeginn angespart worden und daher nicht als Hinzuverdienst zu berücksichtigen, nicht zuzustimmen. Durch die Einführung der Hinzuverdienstgrenze bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit habe die Lohnersatzfunktion der Rente gestärkt werden sollen. Versicherte sollten aus der gezahlten Rente und einem Einkommen aus einer Beschäftigung kein höheres Gesamteinkommen erzielen als vor dem Rentenbezug. Sofern also Versicherte neben der Rente Einkünfte aus einer Beschäftigung erzielten, seien diese bei der Rente als Hinzuverdienst zu berücksichtigen.
Das SG hat die Klage durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Wertguthaben sei als Arbeitsentgelt auf die Rente wegen voller Erwerbsminderung anzurechnen und führe wegen des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen für alle Erwerbsminderungsrenten auf der Grundlage von § 96a SGB VI zu einem Wegfall des Rentenanspruchs. Die Auszahlung des Wertguthabens sei eine Einnahme aus einer Beschäftigung (Verweis auf LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. Juni 2012 – L 1 R 344/11), denn sie habe ihren Ursprung in der Beschäftigung der Klägerin und habe bestimmungsgemäß auch nicht für eine Zeit nach dem Ende der Beschäftigung ausgezahlt werden sollen, sondern der Finanzierung der Zeit, in der die Klägerin von der Arbeit habe freigestellt werden sollen, gedient. Der Anrechnung des ausgezahlten Wertguthabens auf die Erwerbsminderungsrente der Klägerin stehe nicht entgegen, dass dieses Guthaben zu einem Zeitpunkt ausgezahlt worden sei, zu dem die Klägerin ihre Beschäftigung krankheitsbedingt nicht mehr ausgeübt habe. Nach der Rechtsprechung des BSG sei zwar eine Zahlung dann nicht als Hinzuverdienst zu berücksichtigen, wenn das Beschäftigungsverhältnis im Zeitpunkt der Einmalzahlung geruht habe, weil aus Sicht des BSG in diesem Fall die Zahlung nicht aus einem Beschäftigungsverhältnis während des Rentenbezugs resultiere (Verweis auf die Urteile des BSG vom 10. Juli 2012 – B 13 R 81/11 R und B 13 R 85/11 R –). Das Sozialgericht vermöge jedoch der restriktiven Auslegung des Bundessozialgerichts, wonach rentenschädlich nur Einkommen aus einer neben dem Rentenbezug noch bestehenden Beschäftigung im leistungsrechtlichen Sinn sei, die das BSG vor allem anhand der Entstehungsgeschichte des § 96a SGB VI begründet habe, nicht zu folgen. Wenn es – wie vom BSG angeführt – der gesetzgeberische Wille gewesen sein sollte, nur Einkommen aus Beschäftigungen zu Lasten der Restgesundheit als rentenschädlich anzusehen, habe sich dieser gesetzgeberische Wille nicht ausreichend im Gesetzeswortlaut niedergeschlagen. Denn dort heiße es nur "Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung". Der Wortlaut des § 96a SGB VI spreche damit für eine weite Auslegung des Begriffs "aus der Beschäftigung". Eine entsprechende Auslegung sei auch mit dem aus der Gesetzesbegründung zu der ursprünglichen mit Wirkung zum 1. Januar 1996 durch Gesetz vom 15. Dezember 1995 (BGBl I 1995, S. 1824) eingeführten Fassung erkennbaren Willen des Gesetzgebers vereinbar. Die Gesetzesmaterialien machten zwar deutlich, dass Anlass für die gesetzliche Neuregelung einer Hinzuverdienstgrenze für Erwerbsminderungsrenten Beschäftigungen zulasten der Restgesundheit neben dem Rentenbezug gewesen seien. Insofern der Gesetzgeber jedoch die Lohnersatzfunktion der Erwerbsminderungsrenten "auf ihre wesentliche Aufgaben zurückführen will" und erkannt habe, dass nicht nur Beschäftigungen zu Lasten der Restgesundheit, sondern auch "die tatsächlichen Möglichkeiten, neben der Rente wegen Berufsunfähigkeit unbegrenzt hinzuverdienen zu können, [ ...die Lohnersatzfunktion ausgehöhlt haben]", beziehe er alle Arten von tatsächlichem Hinzuverdienst in die gesetzliche Neuregelung ein. Gegen eine restriktive Auslegung des Gesetzeswortlauts wie vom BSG vertreten spreche vor allem die teleologische Auslegung. Wenn es Sinn und Zweck der Einführung des § 96a SGB VI gewesen sei, die Lohnersatzfunktion der Erwerbsminderungsrente zu stärken, müsse jedes neben dem Bezug einer Erwerbsminderungsrente erhaltene Arbeitsentgelt rentenschädlich sein. Denn die Lohnersatzfunktion der Rente werde durch jede Einnahme berührt, die dem Versicherten monatlich tatsächlich zur Verfügung stehe. Versicherte dürften bei Beachtung der Lohnersatzfunktion der Erwerbsminderungsrente nach Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente nicht finanziell besser stehen als ohne diese (Verweis auf BT-Drs. 13/8671 S. 118). Die Klägerin werde jedoch durch die Auszahlung des Wertguthabens neben der laufenden vollen Erwerbsminderungsrente ohne Anrechnung als Hinzuverdienst finanziell besser gestellt als ohne die Erwerbsminderungsrente. Für dieses Ergebnis spreche im Übrigen auch das für das Leistungsrecht der Sozialversicherung geltende Zuflussprinzip (Verweis auf: Werner, in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 14 SGB IV Rn. 52; Knospe, in: Hauck/Noftz, SGB IV, K § 14 Rn. 34) als Anknüpfungspunkt für die Frage, wann Einnahmen erzielt worden (und dementsprechend auf mögliche Sozialleistungen anzurechnen) seien. Das Wertguthaben sei von der Klägerin nicht bereits in ihrer aktiven Beschäftigungsphase erzielt worden und daher nicht dem aktiven Beschäftigungszeitraum zuzuordnen. Hier liege der Unterschied zu dem vom BSG entschiedenen Fall. Dort sei das Anrecht auf die Urlaubsabgeltung in dem Jahr erworben worden, in dem dann später die Erwerbsminderung eingetreten sei. Die Einmalzahlung sei leistungsrechtlich dem Beschäftigungszeitraum zuzuordnen gewesen (Verweis auf Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, SGB VI, § 96a Rn. 15c) und habe nach der Hilfserwägung des BSG (Verweis auf BSG, Urteil vom 10. Juli 2012 – B 13 R 85/11 Rn. 50 f.: "für Zeiten vor Rentenbeginn") daher als vor dem Rentenbeginn erzielt gegolten. Eine spätere Auszahlung habe dann für das Gericht nachvollziehbar nicht mehr zur Anrechnung geführt. Das BSG habe entsprechend die Frage, wie über für Zeiten des Rentenbezugs fortgezahltes laufendes Arbeitsentgelt zu entscheiden gewesen wäre, ausdrücklich nicht entschieden (Verweis auf ebd., Rn. 54). Hier sei es dagegen so gewesen, dass das Wertguthaben bestimmungsgemäß in der zweiten Phase der Altersteilzeit habe ausgezahlt werden und eigentlich dazu habe dienen sollen, die Freistellung zu finanzieren. Erzielt sei es nach dem im Leistungsrecht geltenden Zuflussprinzip erst mit der Auszahlung, nicht bereits mit der Erwirtschaftung. Hierfür spreche im Übrigen auch, dass die Erzielung des Wertguthabens im Leistungsrecht nicht zu einem Zeitpunkt eingetreten sein könne, der vor der beitragsrechtlichen Erzielung im Sinne des sogenannten Entstehungs- oder Anspruchsprinzips (Verweis auf Werner, in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 14 SGB IV Rn. 51) liege. Beiträge auf das Wertguthaben seien nach § 23b Abs. 2 Satz 9 SGB IV jedoch erst fällig geworden, nachdem der Bescheid über die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt habe. Auch bei regelgerechtem Verlauf entstünden die Beitragsansprüche für die Freistellungsphase der Altersteilzeit erst in dieser Zeit (vgl. § 23b Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Dann könne der Zufluss des Wertguthabens beim Berechtigten aber nicht vor der Freistellungsphase erfolgt sein. Dass der Zufluss des Wertguthabens im November 2009 die für die Klägerin geltenden Hinzuverdienstgrenzen bei weitem überschritten habe, sei ebenso unstreitig, wie dass bei Anrechnung des Wertguthabens als Hinzuverdienst für den Monat November 2009 kein Rentenanspruch der Klägerin bestanden habe. Die Beklagte sei auch berechtigt gewesen, den Bewilligungsbescheid mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X aufzuheben. Auf subjektive Umstände komme es bei § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X nicht an. Ein sogenannter atypischer Fall im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X, der eine Ermessensausübung erforderlich gemacht hätte, habe nicht vorgelegen.
Nach Zustellung des Urteils bei ihren Prozessbevollmächtigten am 16. Januar 2015 (Bl. 72 GA) hat die Klägerin durch Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten am 9. Februar 2015 (Bl. 75/82 GA) Berufung eingelegt. Zur Begründung vertieft sie nochmals ihr bisheriges Vorbringen.
Sie beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 16. Januar 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des SG sowie ihre Bescheide.
Der Senat hat die Personalakte der Klägerin aus ihrer Tätigkeit bei der Fa. D. GmbH beigezogen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte – einschließlich der beigezogenen Personalakte der Fa. D. – sowie der zur Klägerin geführten Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das erstinstanzliche Urteil kann ebenso wenig Bestand haben wie der angegriffene Bescheid der Beklagten, denn die Voraussetzungen für eine Rückforderung der Erwerbsminderungsrente für November 2009 lagen nicht vor.
I. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2010, mit dem diese die Leistungsbewilligung für den November 2009 vollständig aufgehoben und die Erstattung der für diesen Zeitraum gezahlten Rente in Höhe von 1116,96 Euro geltend gemacht hat. Die Klägerin verfolgt ihr Begehren in zulässiger Weise mit der reinen Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]); dabei ist unschädlich, dass sie in dem schriftsätzlich formulierten Berufungsantrag nur die Aufhebung des sozialgerichtlichen Urteils ausdrücklich verlangt hat; ihr Wille, dass das Berufungsgericht (außerdem) den angefochtenen Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2010 aufheben möge, ist aus ihrem gesamten Vorbringen hinreichend eindeutig erkennbar.
II. Die Berufung ist angesichts des streitigen Betrags ohne Zulassung statthaft (§§ 143 f. SGG) und auch im Übrigen zulässig, namentlich form- und fristgerecht (vgl. § 151 SGG) beim zuständigen Gericht eingelegt.
III. Die Berufung ist auch begründet, da die Voraussetzungen für eine Rückforderung der Rente nicht vorlagen.
Dabei hat die Beklagte im Ausgangspunkt zu Recht § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X als Grundlage für die Aufhebungsentscheidung herangezogen. Da nach dem Zufluss des Wertguthabens kein Bescheid zur Erwerbsminderungsrente mehr ergangen ist (sondern nur zur Altersrente), würden die erzielten Einnahmen – sofern das Wertguthaben rentenschädlich wäre – nachträglich zu einer wesentlichen Änderung der für die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente maßgeblichen Verhältnisse geführt haben. Der angegriffene Bescheid ist jedoch rechtswidrig, da das während der Arbeits- und Ansparphase erarbeitete Wertguthaben aus dem Altersteilzeitvertrag auf die Erwerbsminderungsrente nicht anrechenbar ist.
Die Anrechnung von Einkommen und das dadurch bewirkte (ggf. teilweise) Ruhen einer Erwerbsminderungsrente ist in § 96a SGB VI geregelt: Nach dessen Abs. 1 wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht geleistet, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen des Leistungsberechtigten aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen – auf Grund von Abs. 3 sind zudem unter bestimmten weiteren Voraussetzungen auch Krankengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld berücksichtigungsfähig – die in Abs. 2 genannten Beträge nicht übersteigt (sog. Hinzuverdienstgrenze), wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt.
Rentenschädlich sind daher nicht alle denkbaren, sondern nur die in § 96a SGB VI aufgeführten Einnahmen des Versicherten, zu denen ein nachträglich auf Grund eines Störfalles eines Altersteilzeitvertrages ausgezahltes Wertguthaben wie im hiesigen Fall nicht gehört (vgl. allg. zur Berücksichtigungsfähigkeit von bei bereits ruhendem Arbeitsverhältnis gezahltem Einkommen BSG, Urteile vom 10 Juli 2012 – B 13 R 85/11 R – SozR 4-2600 § 96a Nr. 14 [zu einer nachträglich gezahlten Urlaubsabgeltung] sowie B 13 R 81/11 [zu einer unter gleichen Umständen erbrachten Jahressonderzahlung] – und speziell für ein Wertguthaben aus einem Altersteilzeitvertrag Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Februar 2015 – L 16 R 458/14 – und Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22. Mai 2014 – L 1 R 419/12 –, beide unter Verweis auf das o.g. BSG-Urteil; außerdem: Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. Juni 2012 – L 1 R 344/11 – sowie Jentsch in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 96a SGB VI Rn. 17 und Kamprad in: Hauck/Noftz, SGB VI K § 96a Rn. 10).
Entscheidend hierfür sind folgende Überlegungen: Das SG hat zwar zu Recht hervorgehoben, dass gerade durch die Einfügung von § 96a SGB VI mit Wirkung zum 1. Januar 1996 durch das Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 15. Dezember 1995 (BGBl. I S. 1824) die Lohnersatzfunktion der Erwerbsminderungsrenten hervorgehoben werden sollte. Der Gesetzgeber hat die Anrechnung von Einkommen allerdings (stark) begrenzt: So hat er von vornherein nicht die Anrechnung aller Einkommen und Einnahmen vorgesehen und auch die von Arbeitseinkommen oder Arbeitsentgelt auf entsprechende Zuflüsse "aus einer Beschäftigung" beschränkt. Dementsprechend sollte, wie in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 13/2590 S. 19, 23 [zu § 34 – dort sollte die Regelung nach dem Gesetzentwurf ihren Platz finden]) im Einzelnen ausgeführt ist, (nur) eine Einkommenserhöhung nach Eintritt der Erwerbsminderung auf Grund des parallelen Bezugs der Rente und von Einkommen aus einer (auf Kosten der Gesundheit oder nach dem Recht der Berufungsunfähigkeit "eigentlich" nicht zumutbaren, aber dennoch) parallel zum Rentenbezug (weiter) ausgeübten Tätigkeit verhindert werden. Dieser Gesetzeszweck kommt nach Auffassung des Senats in dem eingrenzenden Tatbestandsmerkmal "aus einer Beschäftigung" auch hinreichend deutlich zum Ausdruck: Im Sozialrecht wird vielfach zwischen Arbeitsverhältnis und Beschäftigungsverhältnis unterschieden (vgl. z.B. – im Kontext des Arbeitsförderungsrechts – für viele BSG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – B 11 AL 2/14 R – SozR 4-4300 § 124 Nr. 6; zur Unterscheidung von Beschäftigungsverhältnis im beitragsrechtlichen Sinne einerseits und im leistungsrechtlichen Sinne andererseits neben den Entscheidungen des BSG vom 10. Juli 2012 z.B. auch BSG, Urteil vom 24. September 2008 – B 12 KR 27/07 R – BSGE 101, 273), so dass angesichts der Gesetzesbegründung davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzeswortlaut im Bewusstsein dieser Differenzierung so formuliert wurde.
Vor diesem Hintergrund ist der (nachträgliche) Zufluss von Einkommen aus einem Arbeitsverhältnis jedenfalls dann nicht rentenschädlich, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist oder ruht. So scheidet die Anrechnung nach § 96a SGB VI aus, wenn es sich um Entgelt handelt, das sich als Gegenleistung für bereits vorher erbrachte Arbeitsleistung darstellt und nachträglich zu einem Zeitpunkt zufließt, in dem der Arbeitgeber sein Direktionsrecht nicht mehr ausübt bzw. die Beteiligten (übereinstimmend) davon ausgehen, dass die arbeitsvertraglichen Hauptpflichten, also der Austausch von Arbeitskraft gegen Entgelt in einem bestimmten Zeitabschnitt, suspendiert sind; in diesem Fall geht es nicht (mehr) um Einkommen "aus einer [aktuell noch ausgeübten] Beschäftigung", sondern der Sache nach um (Nach-)Zahlungen aus dem rechtlich zwar fortbestehenden, aber nicht mehr im Vollzug befindlichen Arbeitsverhältnis.
Im konkreten Fall war das Arbeitsverhältnis im streitigen Zeitraum zwar noch nicht endgültig beendet. Es ruhte aber und beide Beteiligte waren sich einig, dass die Klägerin bei Auszahlung des Wertguthabens im November 2009 auf Grund ihrer (vollen) Erwerbsminderung ihre Arbeitsleistung (dauerhaft) nicht mehr erbringen (konnte und) musste und die Arbeitgeberin ihr Direktionsrecht nicht ausüben konnte (und wollte). Es ist zwar – auch nach der im Berufungsverfahren eingeholten Auskunft der Arbeitgeberin – nicht ersichtlich, dass diesbezüglich eindeutige einzelvertragliche oder für die Arbeitsvertragsparteien bindende tarifvertragliche Regelungen existiert hätten. Dennoch kann kein Zweifel bestehen, dass die Klägerin und ihre Arbeitgeberin im fraglichen Zeitraum (übereinstimmend) davon ausgingen, dass das Beschäftigungsverhältnis ruhte, wie sich deutlich schon aus den in der beigezogenen Personalakte enthaltenen Schreiben der früheren Arbeitgeberin an die Beklagte vom 15. April 2008 und 29. Juli 2013 ergibt. Dementsprechend handelte es sich bei dem streitigen Einkommen um ein (Wert-)Guthaben, also angespartes Entgelt für Arbeitsleistungen, die die Klägerin bereits in einem früheren Zeitraum erbracht hatte: Damit ist die aus den Gesetzesmaterialien entnehmbare ratio für die Anrechnung nach § 96a SGB VI in einer Konstellation wie der hiesigen nicht erfüllt: Das Einkommen führt nämlich gerade nicht zu der vom Gesetzgeber nicht gewünschten Besserstellung auf Grund der Kombination des Rentenbezugs mit Einnahmen aus einer dennoch fortgeführten Beschäftigung; die Rente hat also – bezogen auf den November 2009 – nicht nur "Prestige- und Entschädigungsfunktion"; im streitigen Zeitraum hat die Klägerin nämlich ihre Arbeitskraft gerade nicht mehr einsetzen und daher auch keine Gegenleistung für in diesem Zeitraum erbrachte Arbeitsleistung mehr erhalten können. Vielmehr handelte es sich – auch wenn das SG zutreffend festgestellt hat, dass die Klägerin auf Grund der Alterszeitvertrags rechtlich im Erarbeitungszeitraum und vor Eintritt des Störfalls noch keinen Anspruch auf die Auszahlung des aufzusparenden Entgelts hatte – wirtschaftlich doch um den Gegenwert für die in einem früheren Zeitraum erbrachte Arbeitsleistung. Der fehlende Auszahlungsanspruch zum damaligen Zeitpunkt ergab sich (allein) aus der Altersteilzeitabrede; der diesbezüglich eingetretene Störfall lässt es gerechtfertigt erscheinen, auch unter diesem Gesichtspunkt von der Nichtanrechenbarkeit des Einkommens auf die Rente auszugehen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
V. Die Revision ist nicht zuzulassen; da das BSG in den bereits zitierten Entscheidungen vom 10. Juli 2012 die maßgeblichen Rechtsfragen bereits entschieden hat, liegt keiner der in § 160 Abs. 2 SGG aufgeführten Revisionszulassungsgründe vor.
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