L 1 KR 153/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 9 KR 470/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 153/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 21. März 2016 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt den Erlass fälliger Rückstände.

Der 1948 geborene Kläger ist Jurist und war bis 1998 als Rechtsanwalt tätig. Er nahm eine Erwerbstätigkeit erstmals 1962 auf. Von 1986 bis 14. September 1998 bestand eine private Krankenversicherung. In den Zeiträumen vom 15. September 1998 bis 31. Dezember 2009, 11. Januar 2010 bis 21. Januar 2010, 7. Februar 2010 bis 31. Januar 2011 und vom 3. März 2011 bis 27. Januar 2012 war der Kläger gesetzlich krankenversichert, zuletzt aufgrund des Bezuges von Arbeitslosengeld. Der Kläger bezog bis November 2013 eine Berufsunfähigkeitsrente des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte im Land Nordrhein-Westfalen, die sich mit Erreichen der Altersgrenze ab Dezember 2013 in eine entsprechende Altersversorgung umwandelte. Während der Dauer der bestehenden Pflichtversicherung bis 27. Januar 2012 führte das Versorgungswerk die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge direkt an die Beklagte ab. Bereits am 12. Dezember 2011 beantragte er bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) die Gewährung einer Altersrente, die ihm mit Bescheid vom 29. Februar 2012 rückwirkend zum 1. Februar 2012 bewilligt wurde (Stand 1. Januar 2017: Altersversorgung des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen: 1.130,20 EUR; Rente der DRV Bund: 453,86 EUR; Gesamt: 1.584,06 EUR).

Der Kläger erklärte am 28. Januar 2012 gegenüber der Beklagten den Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung, da seine Pflichtversicherung aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II zum 27. Januar 2012 endete. Die Beklagte stellte - mangels entsprechender Vorversicherungszeiten - zunächst mit Bescheid vom 1. März 2012 eine freiwillige Krankenversicherung ab 28. Januar 2012 fest und berechnete die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung ab 28. Januar 2012 auf der Grundlage der Bezüge des Versorgungswerkes in Höhe von insgesamt 1.088,47 EUR. Der Bescheid erging auch im Namen der Pflegekasse. Nachdem die Rentenversicherung den Kläger gegenüber der Beklagten als Rentner gemeldet hatte, berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 6. März 2012 die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. Februar 2012 neu; sie berücksichtigte zusätzlich die Rente der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 409,40 EUR und forderte den Kläger zur Zahlung der Beiträge auf; auch dieser Bescheid erging im Namen der Pflegekasse (KV: 232,17 EUR, PV: 29,21 EUR). Der Kläger war sodann ab 28. Januar 2012 bei der Beklagten freiwillig versichert. Die Mitgliedschaft bei dieser Kasse endete aufgrund Kündigung des Klägers vom 4. Juli 2012 zum 30. September 2012. Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 18. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2012 ab, die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge direkt beim Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Land Nordrhein-Westfalen einzuziehen. Klage (Sozialgericht Gießen S 9 KR 278/14) und Berufung (L 1 KR 31/15) blieben erfolglos; das Bundessozialgericht wies die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers mit Beschluss vom 25. Februar 2016 zurück (B 12 KR 120/15 B). Nachdem der Kläger seit dem Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft am 28. Januar 2012 keine Beiträge an die Krankenkasse abführte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2012 das Ruhen der Leistungsansprüche der Beiträge mit Wirkung ab 17. Mai 2012 fest. Klage (Sozialgericht Gießen S 9 KR 277/14) und Berufung (L 1 KR 34/15) blieben erfolglos; das Bundessozialgericht wies die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers mit Beschluss vom 25. Februar 2016 zurück (B 12 KR 2/16 B).

In der Zeit seiner freiwilligen Mitgliedschaft bei der Beklagten vom 28. Januar 2012 bis 30. September 2012 zahlte der Kläger keine Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung, so dass insgesamt eine Beitragsschuld von 2.114,71 EUR zuzüglich Mahngebühren und Säumniszuschlägen auflief. Die Beklagte mahnte in mehreren Schreiben die Zahlung der offenen Beiträge einschließlich der Säumniszuschläge an, so z.B. auch mit Schreiben vom 2. Januar 2013. Den Widerspruch des Klägers gegen dieses Schreiben vom 2. Januar 2013 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2013 zurück. Mangels Klage wurden diese Bescheide bestandskräftig. Mit weiterem Schreiben vom 4. Juni 2014 mahnte die Antragsgegnerin erneut die offene Forderung an. In der Anlage zu diesem Schreiben waren Rückstände einschließlich Mahngebühren und Säumniszuschlägen in Höhe von 2.637,61 EUR aufgelistet. Die Beklagte mahnte erneut die fälligen Beiträge in Höhe von 2.114,71 EUR, Säumniszuschläge in Höhe von 788,00 EUR, Mahngebühren in Höhe von 48,00 EUR und Vollstreckungskosten in Höhe von 6,90 EUR mit Bescheid vom 22. September 2015. Im Rahmen seines Widerspruchs vom 26. September 2015 gegen dieses Mahnschreiben beantragte der Kläger den Erlass der fälligen Forderung. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Erlass der fälligen Beiträge mit Bescheid vom 28. September 2015 mit der Begründung ab, der Kläger verfüge über ein Einkommen in Höhe von 1.302,63 EUR und sei damit nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB XII. Hiergegen hat der Kläger am 1. Oktober 2015 Widerspruch eingelegt sowie Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 9 KR 470/15 eingetragen wurde. Gleichzeitig hat er einen "Eilantrag" gestellt. Dieses Verfahren hat das Sozialgericht Gießen unter dem Aktenzeichen S 9 KR 469/15 ER eingetragen und - nach Verbindung mit anderen Verfahren - mit Beschluss vom 17. März 2016 unter dem Aktenzeichen S 9 KR 84/16 ER u.a. mit folgender Begründung abgewiesen: Die Beklagte habe die Beiträge zu Recht nicht erlassen. Die Einziehung der Beiträge sei auch nicht unbillig; jeder Versicherte müsse Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zahlen. Der Kläger sei auch aufgrund seiner Einkommensverhältnisse ohne weiteres in der Lage, die Beiträge zu leisten. Er beziehe eine gesetzliche Rente in Höhe von 435,38 EUR und Versorgungsbezüge des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte in Höhe von 1.123,78 EUR. Die Beschwerde zum Hessischen Landessozialgericht blieb ebenso erfolglos (L 1 KR 83/16 B ER, Beschluss vom 30 März 2016) wie die Anhörungsrüge des Klägers (L 1 KR 108/16 RG, Beschluss vom 25. April 2016). Ausweislich einer im Beschwerdeverfahren L 1 KR 83/16 B ER vorgelegten Vollstreckungsandrohung bestanden am 23. März 2016 Beitragsrückstände einschließlich Säumniszuschlägen, Mahngebühren und Vollstreckungskosten in Höhe von 3.014,46 EUR.

Die Beklagte wies die Widersprüche des Klägers gegen den Beitragsbescheid vom 20. September 2015 und den Bescheid vom 28. September 2015 mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2016 zurück. In den Gründen führte sie aus:

"( ) Der Antrag auf Erlass wurde mit Schreiben vom 28. September 2015 abgewiesen, da die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV i.V.m. § 9 Beitragserhebungsgrundsätze nicht vorliegen. Ein Erlass ist dann in Erwägung zu ziehen, wenn die Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre und eine Stundung nicht in Betracht kommt. Da keine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII eintritt, ist der Einzug der Beiträge nicht unbillig (vgl. § 9 Beitragserhebungsgrundsätze). Eine unbillige Härte wäre auch anzunehmen, wenn die sofortige Vollziehung für den Betroffenen Nachteile entstehen würden, welche über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur schwer wieder gutzumachen sind. ( ) Nachteile, welche über die Beitragszahlung hinausgehen, sind hier grundsätzlich nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen. Des Weiteren besteht die grundsätzliche Möglichkeit einer Ratenzahlung. ( )"

Hiergegen hat der Kläger am 11. Februar 2016 abermals Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben, welches unter dem Aktenzeichen S 9 KR 49/16 geführt wird.

Das Sozialgericht Gießen hat die Klage gegen den Bescheid vom 28. September 2015 im hier zugrundeliegenden Verfahren S 9 KR 470/15 mit Gerichtsbescheid vom 21. März 2016 als unzulässig abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, weil der Kläger Klage vor Durchführung des Vorverfahrens erhoben habe. Der Widerspruchsbescheid sei erst nach Klageerhebung erlassen worden. Gegen diesen Widerspruchsbescheid habe der Kläger nochmals unter dem Aktenzeichen S 9 KR 49/16 Klage erhoben.

Der Kläger hat gegen den ihm am 29. April 2016 zugestellten Gerichtsbescheid noch am 29. April 2016 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht erhoben. Zur Berufungsbegründung verweist der Kläger auf sein erstinstanzliches Vorbringen und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts sowie die Verletzung von Grundrechten. Das Sozialgericht hätte das Verfahren bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens aussetzen müssen. Die Beklagte habe mehrfach ungerechtfertigt Forderungen erhoben. Die Vorinstanz habe zu Unrecht durch Gerichtsbescheid entschieden; es liege eine Gehörsverweigerung vor. Erforderliche Beiladungen seien nicht veranlasst. Die Voraussetzungen für einen Erlass lägen vor; es bestehe Vermögenslosigkeit. Seine Einkommensverhältnisse seien bekannt. Sein Einkommen liege unter dem Pfändungsfreibetrag. Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2017 formuliert der Kläger Befangenheitsanträge gegen den Senat bzw. die Berichterstatterin wegen fehlerhafter Vorbefassung.

Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 21. März 2016 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2016 zu verpflichten, den Antrag auf Erlass vom 26. September 2015 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden und die Beklagte zu verpflichten von weiteren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen abzusehen.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte wiederholt ihr Vorbringen in den angefochtenen Bescheiden.

Durch Beschluss vom 20. Dezember 2016 ist der Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 5 SGG der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen worden.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Akte des Sozialgerichts Gießen(S 9 KR 49/16) sowie die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Beklagten verhandeln und entscheiden; diese wurde ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom 5. Januar 2017 von dem Termin ordnungsgemäß benachrichtigt. Die Terminsmitteilung enthielt gemäß § 110 Abs. 2 Satz 2 SGG den Hinweis, dass auch im Falle des Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden und die Entscheidung auch nach Lage der Akten erfolgen kann.

Die Berichterstatterin des Senats kann gemeinsam mit den ehrenamtlichen Richtern über die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 28. Juli 2015 entschieden, da ihr mit Beschluss vom 20. Dezember 2016 der Rechtsstreit übertragen wurde, § 153 Abs. 5 SGG. Soweit der Kläger die Rechtmäßigkeit der Übertragung der Berufung auf die Berichterstatterin des Senats bestreitet, geht diese Rüge ins Leere. Die Übertragung durch den Senat auf den Einzelrichter ist als unanfechtbare Zwischenentscheidung nicht mit Rechtsmitteln angreifbar (§ 177 SGG).

Die mit Schriftsatz vom 9. Januar 2017 und in der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2017 wiederholten Anträge, die Mitglieder des zuständigen Senats bzw. die Berichterstatterin wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, sind rechtsmissbräuchlich gestellt und damit unzulässig. Denn die Befangenheitsanträge zielen ersichtlich allein darauf, die dem Kläger wegen ihrer Rechtsansichten missliebigen Richter/innen des Senats auszuschalten. Das Vorbringen des Klägers, welches sich stereotyp in allen seit Oktober 2014 beim zuständigen Senat anhängigen 94 Verfahren und völlig unabhängig von dem konkreten richterlichen Tätigwerden wiederholt, ist auch vorliegend im Ansatz nicht geeignet, bei vernünftiger objektiver Betrachtung auf die Befangenheit der Mitglieder des Spruchkörpers zu schließen. Insoweit verweist der Senat exemplarisch auf seine Beschlüsse vom 20. April 2015 (L 1 SF 22/15 AB, L 1 SF 29/15 AB, L 1 SF 31/15 AB,L 1 SF 32/15 AB), vom 16. Juni 2015 (L 1 SF 42/15 AB) und vom 9. Oktober 2015(L 1 SF 52/15 AB, L 1 SF 53/15 AB und L 1 SF 54/15 AB). Die Übermittlung einer dienstlichen Äußerung der Berichterstatterin bzw. der übrigen Mitglieder des Senats ist im Falle der Unzulässigkeit des Befangenheitsgesuchs nicht notwendig (Meyer-Ladewig, SGG-Kommentar, 11. Auflage, § 60, Rn. 11c).

Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet, denn das Sozialgericht war nicht berechtigt die Klage als unzulässig abzuweisen, weshalb der Gerichtsbescheid vom 21. März 2016 aufzuheben ist.

Das Sozialgericht Gießen war zunächst berechtigt durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG zu entscheiden. Gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Sozialgericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind gemäß § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG vorher zu hören. § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG verlangt daher vor Erlass eines Gerichtsbescheides eine Mitteilung des Gerichts an die Beteiligten, dass es beabsichtige durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, und anschließend eine angemessene Zeit des Abwartens bis zum Erlass des Gerichtsbescheides, um den Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dieser Absicht zu äußern. Diesen Anforderungen ist im vorliegenden Fall Genüge geleistet.

Das Sozialgericht hat jedoch zu Unrecht die Klage mangels Durchführung eines Vorverfahrens im Sinne des § 78 SGG als unzulässig abgewiesen, denn zum Zeitpunkt der Entscheidung am 21. März 2016 bzw. zum Zeitpunkt der Zustellung des Gerichtsbescheides am 29. April 2016 war das Widerspruchsverfahren durch Erlass und Zustellung des Widerspruchsbescheides am 8. Februar 2016 erledigt; der Kläger hatte gegen den Widerspruchsbescheid bereits gesondert am 11. Februar 2016 Klage erhoben (S 9 KR 49/16). Die Zulässigkeitsvoraussetzungen sind vom Gericht in jeder Instanz bis zur letzten mündlichen Verhandlung zu prüfen (Keller, a.a.O., Rn. 20 vor § 51). Zulässigkeitsvoraussetzungen, die im Klageverfahren fehlten, können im Berufungs- oder Beschwerdeverfahren noch eintreten. Vorliegend ist der Widerspruchsbescheid am 8. Februar 2016 und damit bereits vor Zustellung des Gerichtsbescheids ergangen. Damit wurde die ursprünglich unzulässige Klage noch während des erstinstanzlichen Klageverfahrens zulässig.

Nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Sozialgericht - wie vorliegend - die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst entscheiden. Gleichwohl ist es dem Landessozialgericht möglich, in der Berufungsinstanz eine Entscheidung in der Sache zu treffen. Im Rahmen seines nach § 159 Abs. 1 SGG auszuübenden Ermessens hat der Senat das Interesse des Klägers an einer Erledigung des Rechtsstreits im vorliegenden Berufungsverfahren gegenüber den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz abgewogen und sich gegen eine Zurückverweisung entschieden. Hierbei hat es berücksichtigt, dass der Rechtsstreit entscheidungsreif ist und Ermittlungen nicht erforderlich sind, weshalb der Verlust einer Tatsacheninstanz nicht wesentlich ins Gewicht fällt. Zu berücksichtigen ist ferner, dass eine Zurückverweisung eine Ausnahme sein soll (Keller in a.a.O., § 159 Rn. 5a-5c m.w.N.).

Die Klage ist jedoch abzuweisen. Die zulässige Klage ist unbegründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Erlass der geltend gemachten Beitragsforderungen gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch 4. Band, Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV). Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Nach § 76 Abs. 2 S 1 Nr. 3 SGB IV darf ein Versicherungsträger Ansprüche nur erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht gegeben sind, hat die Beklagte in dem Bescheid vom 28. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2016 ausführlich und zutreffend dargelegt, sodass darauf zum Zwecke der Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden kann (§§ 153 Abs. 1 und 2, 136 Abs. 3 SGG).

Anhaltspunkte für eine Verletzung der der Beklagten obliegenden Ermessensentscheidung, die im Übrigen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar wäre (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG), liegen nicht vor. Insbesondere hat der Kläger nichts Weiteres vorgebracht, was über die von der Beklagten angestellten Überlegungen hinaus im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen wäre. Der Kläger verfügt über ein Einkommen in Höhe von 1.584,06 EUR. Zusätzlich bezieht er als freiwillig versicherter Rentner seitens der Deutschen Rentenversicherung Bund einen Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung gemäß § 106 Sozialgesetzbuch, 6. Band Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) in Höhe von rund 115 EUR. Dem Senat ist aus den zahlreichen Verfahren des Klägers bekannt, dass der Kläger Angaben zu weitergehendem Einkommen und Vermögen verweigert. Die jeweils zuständigen Kassen haben lediglich über die von den Zahlstellen mitgeteilten Renten- bzw. Versorgungsbezüge Kenntnis über die aktuelle Höhe dieser Einkünfte. Selbst in einem von der Beklagten betriebenen Zwangsvollstreckungsverfahren verweigert der Kläger Angaben zu Einkommen und Vermögen. Es ist - wie in den Ermessenserwägungen der Beklagten ausgeführt - nicht ersichtlich, warum die Erhebung der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung unbillig wäre. Zudem hat die Beklagte dem Kläger wiederholt eine Ratenzahlung angeboten.

Ergänzend bestätigt der Senat, dass die Beitragserhebung dem Grunde nach auch rechtmäßig war. Die Beitragsfestsetzung ist bestandskräftig. Zusätzlich ist die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung durch die vorangegangenen Verfahren bis zum Bundessozialgericht rechtskräftig bestätigt: Nachdem der Kläger seit dem Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft am 28. Januar 2012 keine Beiträge an die Krankenkasse abführte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2012 das Ruhen der Leistungsansprüche der Beiträge mit Wirkung ab 17. Mai 2012 fest. Klage (Sozialgericht Gießen S 9 KR 277/14) und Berufung (L 1 KR 34/15) blieben erfolglos; inzident wurde die Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung überprüft; das Bundessozialgericht wies die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers mit Beschluss vom 25. Februar 2016 zurück (B 12 KR 2/16 B).

Das übrige Vorbringen des Klägers betrifft nicht einmal im Ansatz das Begehren des Klägers auf Erlass seiner Beitragsschuld, so dass der Senat davon absieht, hierzu Ausführungen zu machten.

Über einen Antrag auf einen Reisekostenzuschuss war entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht vorab zu entscheiden. Aus Sicht des Senats war das Erscheinen des Klägers nicht erforderlich; daher wurde das persönliche Erscheinen auch nicht angeordnet. Nach § 111 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG kann der Vorsitzende das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen. Die Anordnung steht danach grundsätzlich im Ermessen des Gerichts und lässt ihm einen großen Entscheidungsspielraum (BSG Urteil vom 15. Juli 1992 - 9a RV 3/91 - Juris). Auch Art. 103 Abs. 1 GG und § 62 SGG verlangen nicht, dass der Beteiligte stets selbst gehört wird. Das Gericht ist daher grundsätzlich nicht verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, etwa durch Anordnung des persönlichen Erscheinens unter Übernahme der Fahrtkosten, dass jeder Beteiligte auch persönlich vor dem Gericht auftreten kann (BSG, Beschluss vom 23. April 2009 - B 13 R 15/09 B - Juris RdNr. 11 m.w.N.). Der Kläger hat umfangreich vorgetragen. Eine persönliche Anhörung des Klägers ist aus Sicht des Senats gerade nicht geboten.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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