Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 15 AL 132/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 20/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 25/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. Februar 2015 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 29. März 2014 bis zum 18. Februar 2015.
Aus einem Vermerk der Bundesagentur für Arbeit vom 22. August 2013 geht hervor, dass eine Vorsprache des Klägers zur persönlichen Arbeitslosmeldung in Frankfurt am Main am selben Tag erfolgt ist. Dort ist auch festgehalten, dass der Aufenthaltsort des Klägers zurzeit überwiegend Marburg sei und dass der Kläger umgehend beim Arbeitsamt in Marburg vorsprechen werde.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2013 beantragte der Betreuer des Klägers bei der Agentur für Arbeit Frankfurt am Main Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). In einem Vermerk der Bundesagentur für Arbeit vom 28. Oktober 2013 ist festgehalten, dass mit dem Betreuer des Klägers wegen der Zuständigkeit telefoniert worden sei. Nach telefonischer Auskunft sei der Kunde zurzeit ohne eigene Wohnung. Er lebe bei seinen Eltern in der A-Straße in A-Stadt. Demnach seien das Jobcenter Frankfurt am Main und die Agentur für Arbeit Frankfurt am Main nicht zuständig. Es sei vereinbart worden, dass das Schreiben vom 14. Oktober 2013 an die zuständigen Träger weitergeleitet werde.
Mit Schreiben der Agentur für Arbeit Marburg vom 4. November 2013 an den Betreuer des Klägers übersandte diese einen Antrag auf Arbeitslosengeld und bat den Betreuer, den Kläger aufzufordern, sich umgehend persönlich arbeitslos zu melden. Mit Schreiben des Betreuers des Klägers an die Agentur für Arbeit Marburg vom 5. November 2013 wies dieser darauf hin, dass der Kläger keinen Wohnsitz in Marburg begründet und er sich in Frankfurt am Main auch nicht abgemeldet habe. Einen Wohnort im Zuständigkeitsbereich habe er ebenfalls nicht, da er zurzeit bei seinen Eltern zu Besuch sei. Er sei zurzeit ohne festen Wohnsitz, sein letzter Wohnsitz sei Frankfurt am Main gewesen. Es werde daher um Bearbeitung des Antrages in Frankfurt am Main gebeten.
Mit Schreiben vom 12. November 2013 wies die Agentur für Arbeit Marburg den Betreuer des Klägers darauf hin, dass ihm bereits erläutert worden sei, dass für seinen Anspruch nach dem SGB III die persönliche Arbeitslosmeldung bei der für seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt zuständigen Agentur für Arbeit erfolgen müsse. Der Kläger habe dort im August dieses Jahres vorgesprochen und sei aufgrund der Aussage, sich überwiegend bei seinen Eltern aufzuhalten, an die Arbeitsagentur Marburg verwiesen worden. Das Job-Center sei nicht der Ansprechpartner des Klägers, sondern die Agentur für Arbeit Frankfurt am Main. Er werde daher gebeten, sich zur Realisierung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld mit der Agentur für Arbeit Frankfurt am Main in Verbindung zu setzen.
Bei der Agentur für Arbeit Frankfurt am Main beantragte der Kläger am 6. März 2014 (auf einem Formular der Agentur für Arbeit Marburg) Arbeitslosengeld. Dabei erfolgte eine persönliche Arbeitslosmeldung zum 15. März 2014. Der Kläger gab an, vom 6. Dezember 2013 bis 28. März 2014 arbeitsunfähig zu sein. Unter persönliche Daten war angegeben: AA., B-Straße, B-Stadt (Adresse Betreuer). Außerdem lag der Betreuerausweis vom 2. September 2013 vor, nach dem Rechtsanwalt B., B-Straße, B-Stadt, Betreuer für den Kläger ist. Der Kläger gab außerdem an, dass die Zwangsräumung seiner Wohnung am 7. August 2013 erfolgt sei. Die Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers des Klägers, der X-bank X., führte eine Beschäftigung des Klägers vom 1. Januar 2011 bis 14. März 2013 an und wies darauf hin, dass der Kläger vom 3. Januar 2013 bis 14. März 2013 wegen Fehlzeit kein Arbeitsentgelt erhalten habe. Das Gehalt für Januar 2013 sei vollständig ausgezahlt worden und auf eine Rückforderung sei verzichtet worden. Dem Kläger sei am 14. März 2013 fristlos wegen unentschuldigtem Fehlen hilfsweise ordentlich zum 30. Juni 2013 gekündigt worden. Der Kläger, der seit 2012 unter einer Depression leidet, war am 3. Januar 2013 nicht bei seiner Arbeitsstelle erschienen. Er hatte auch keinen Arzt aufgesucht und dem Arbeitgeber auch keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt. Mit Bescheid der Agentur für Arbeit Frankfurt am Main vom 31. März 2014 lehnte diese den Antrag auf Arbeitslosengeld wegen der seit dem 6. Dezember 2013 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 14. April 2014 Widerspruch ein und reichte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 17. März 2014 ein, nach der er voraussichtlich bis einschließlich 28. März 2014 arbeitsunfähig sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2014 wies die Beklagte diesen Widerspruch gegen den Bescheid vom 31. März 2014 als unbegründet zurück.
Dagegen erhob der Kläger am 23. Mai 2014 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage. Mit Verfügung vom 7. August 2014 hörte das Gericht die Beteiligten zum Erlass eines Gerichtsbescheides an. Diese Anhörung wurde dem Kläger am 29. August 2014 zugestellt. Mit Gerichtsbescheid vom 9. Februar 2015 wies das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage ab. Die Zustellung dieses Gerichtsbescheides an den Kläger erfolgte am 12. Februar 2015.
Am 19. Februar 2015 beantragte der Kläger bei der Agentur für Arbeit Frankfurt am Main erneut Arbeitslosengeld. In diesem Zusammenhang legte der Kläger einen Vergleich mit seinem Arbeitgeber vom 21. August 2014 vor, nach dem sein Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung des Arbeitgebers vom 14. März 2013 zum 30. Juni 2013 endete und der Kläger eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes erhält und mit diesem Vergleich sämtliche Ansprüche abgegolten sind. Mit Bescheid vom 20. Februar 2015 lehnte die Agentur für Arbeit, Frankfurt am Main, den Antrag vom 19. Februar 2015 auf Arbeitslosengeld ab, weil die Anwartschaftszeit nicht erfüllt sei. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger keinen Widerspruch ein.
Am 9. März 2015 hat der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. Februar 2015 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Mit Beschluss vom 8. März 2016 hat der Senat den Rechtsstreit auf den Berichterstatter übertragen.
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe jedenfalls aufgrund seiner persönlichen Arbeitslosmeldung am 12. August 2013 bei der Agentur für Arbeit Frankfurt am Main Arbeitslosengeld zu.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. Februar 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 29. März 2014 bis 18. Februar 2015 Arbeitslosengeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger bei seinem Antrag auf Arbeitslosengeld im März 2014 bereits nicht mehr die für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld notwendige Anwartschaftszeit erfüllt habe und dass das Sozialgericht deshalb die Klage auf jeden Fall zu Recht abgewiesen habe.
Zum übrigen Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die ausführlichen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift, sowie den Inhalt der Leistungsakte des Beklagten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der Besetzung mit nur einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern entscheiden, da das Sozialgericht Frankfurt am Main durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hatte und die Berufung mit Beschluss des Senats vom 8. März 2016 auf den Berichterstatter übertragen wurde (vgl. § 153 Abs. 5 SGG).
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden. Sie ist auch statthaft gemäß §§ 143 und 144 SGG. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da der Wert des Beschwerdegegenstandes den maßgeblichen Betrag von 750 Euro offensichtlich überstieg.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 31. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2014, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, dem Kläger auf seinen Antrag vom 6. März 2014 hin Arbeitslosengeld zu gewähren, ist rechtmäßig. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für den geltend gemachten Zeitraum vom 29. März 2014 bis 18. Februar 2015 nicht zu.
Unabhängig davon, ob der Kläger seinen Antrag auf Arbeitslosengeld bei der für ihn zuständigen Agentur für Arbeit gestellt (§ 327 Abs. 1 SGB III), die Agentur für Arbeit Frankfurt am Main aufgrund einer (konkludenten) Zuständigkeitserklärung für den Kläger zuständig geworden ist (§ 327 Abs. 2 SGB III) und ob der Kläger trotz der Angabe der Adresse seines Betreuers verfügbar und damit arbeitslos war (§§ 137 Abs. 1 Nr. 1, 138 Abs. 1 Nr. 3, 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 der Erreichbarkeits-Anordnung), hat der Kläger auf jeden Fall keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, weil er zum Zeitpunkt der Wirksamkeit seiner persönlichen Arbeitslosmeldung vom 6. März 2014 die für den Bezug von Arbeitslosengeld notwendige Anwartschaftszeit nicht mehr erfüllt hat.
Nach § 137 Abs. 1 Nr. 3 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit nur, wer die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Nach § 142 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Nach § 143 SGB III beträgt die Rahmenfrist zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Der Kläger hat sich am 6. März 2014 persönlich bei der Agentur für Arbeit Frankfurt am Main arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt. Allerdings war er ausweislich der nach dem Ende seines Beschäftigungsverhältnisses ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis 28. März 2014 arbeitsunfähig erkrankt, so dass er bis dahin nicht verfügbar und damit nicht arbeitslos war (vgl. Brand, in: Brand (Hrsg.), Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung – SGB III, 7. Auflage 2015, § 138 Rdnr. 66). Die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld konnten daher frühestens ab 29. März 2014 erfüllt sein. Die Rahmenfrist hätte daher vom 28. März 2012 bis 28. März 2014 gedauert. Innerhalb dieser Rahmenfrist stand der Kläger jedoch nicht zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis.
Nach § 24 Abs. 1 SGB III stehen in einem Versicherungspflichtverhältnis Personen, die als Beschäftigte versicherungspflichtig sind. Nach § 24 Abs. 2 SGB III beginnt das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis. Nach § 24 Abs. 4 SGB III endet das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte mit dem Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis. Nach § 25 Abs. 1 SGB III sind jedoch (unabhängig von einem Beschäftigungsverhältnis siehe Brand, in: Brand (Hrsg.), Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung – SGB III, 7. Auflage 2015, § 25 Rdnr. 6) nur Personen versicherungspflichtig, die auch gegen Entgelt beschäftigt sind (versicherungspflichtige Beschäftigte). Hier war der Kläger nur bis 31. Januar 2013 gegen Entgelt beschäftigt. Danach hatte er wegen seines unentschuldigten Fehlens am Arbeitsplatz keinen Anspruch auf Entgelt mehr. Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 SGB IV gilt zwar eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat, so dass das Versicherungspflichtverhältnis des Klägers am 28. Februar 2013 unabhängig davon, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers auf der Grundlage des arbeitsgerichtlichen Vergleichs vom 21. August 2014 erst am 30. Juni 2013 endete, weil der Kläger für die Zeit vom 1. Februar bis 30. Juni 2013 keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt mehr hatte. Innerhalb der Rahmenfrist bestand daher ein Versicherungspflichtverhältnis für einen Zeitraum von weniger als zwölf Monaten, nämlich nur vom 28. März 2012 bis 28. Februar 2013.
Auch die persönliche Arbeitslosmeldung des Klägers am 12. August 2013 bei der Agentur für Arbeit Frankfurt am Main und der vom Betreuer des Klägers mit Schreiben vom 14. Oktober 2013 gestellte Antrag auf Arbeitslosengeld führen nicht zu einem Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die persönliche Arbeitslosmeldung entfaltet ihre Wirksamkeit erst mit Eintritt der Arbeitslosigkeit (Brand, in: Brand (Hrsg.), Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung – SGB III, 7. Auflage 2015, § 141 Rdnr. 3) und nur dann, wenn der Eintritt der Arbeitslosigkeit innerhalb der nächsten drei Monate nach erfolgter Arbeitslosmeldung zu erwarten ist (§ 141 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Hier war der Kläger bei der persönlichen Arbeitslosmeldung am 12. August 2013 jedoch bis 28. März 2014 arbeitsunfähig erkrankt und damit nicht verfügbar und damit nicht arbeitslos. Dass der Kläger in diesem Zeitraum bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt arbeitsunfähig erkrankt war, ergibt sich daraus, dass der Kläger seit dem 3. Januar 2013 so schwer an einer Depression erkrankt war, dass er weder an seinem Arbeitsplatz erscheinen noch einen Arzt aufsuchen konnte, der ihm eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hätte ausstellen können. Die Arbeitsunfähigkeit endete somit erst am 28. März 2014, nachdem dem Kläger vom 6. Dezember 2013 bis 28. März 2014 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden war. Auch für die Zwischenzeit ist davon auszugehen, dass der Kläger arbeitsunfähig erkrankt war. Jedenfalls ist eine Arbeitsfähigkeit des beweispflichtigen Klägers für diese Zwischenzeit nicht nachgewiesen und könnte im Nachhinein auch nicht mehr durch das Gericht festgestellt werden. Damit lagen erst ab 29. März 2014 alle sonstigen Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld vor. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger jedoch die für den Anspruch auf Arbeitslosengeld notwendige Anwartschaftszeit nicht (mehr) erfüllt (siehe oben).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 29. März 2014 bis zum 18. Februar 2015.
Aus einem Vermerk der Bundesagentur für Arbeit vom 22. August 2013 geht hervor, dass eine Vorsprache des Klägers zur persönlichen Arbeitslosmeldung in Frankfurt am Main am selben Tag erfolgt ist. Dort ist auch festgehalten, dass der Aufenthaltsort des Klägers zurzeit überwiegend Marburg sei und dass der Kläger umgehend beim Arbeitsamt in Marburg vorsprechen werde.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2013 beantragte der Betreuer des Klägers bei der Agentur für Arbeit Frankfurt am Main Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). In einem Vermerk der Bundesagentur für Arbeit vom 28. Oktober 2013 ist festgehalten, dass mit dem Betreuer des Klägers wegen der Zuständigkeit telefoniert worden sei. Nach telefonischer Auskunft sei der Kunde zurzeit ohne eigene Wohnung. Er lebe bei seinen Eltern in der A-Straße in A-Stadt. Demnach seien das Jobcenter Frankfurt am Main und die Agentur für Arbeit Frankfurt am Main nicht zuständig. Es sei vereinbart worden, dass das Schreiben vom 14. Oktober 2013 an die zuständigen Träger weitergeleitet werde.
Mit Schreiben der Agentur für Arbeit Marburg vom 4. November 2013 an den Betreuer des Klägers übersandte diese einen Antrag auf Arbeitslosengeld und bat den Betreuer, den Kläger aufzufordern, sich umgehend persönlich arbeitslos zu melden. Mit Schreiben des Betreuers des Klägers an die Agentur für Arbeit Marburg vom 5. November 2013 wies dieser darauf hin, dass der Kläger keinen Wohnsitz in Marburg begründet und er sich in Frankfurt am Main auch nicht abgemeldet habe. Einen Wohnort im Zuständigkeitsbereich habe er ebenfalls nicht, da er zurzeit bei seinen Eltern zu Besuch sei. Er sei zurzeit ohne festen Wohnsitz, sein letzter Wohnsitz sei Frankfurt am Main gewesen. Es werde daher um Bearbeitung des Antrages in Frankfurt am Main gebeten.
Mit Schreiben vom 12. November 2013 wies die Agentur für Arbeit Marburg den Betreuer des Klägers darauf hin, dass ihm bereits erläutert worden sei, dass für seinen Anspruch nach dem SGB III die persönliche Arbeitslosmeldung bei der für seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt zuständigen Agentur für Arbeit erfolgen müsse. Der Kläger habe dort im August dieses Jahres vorgesprochen und sei aufgrund der Aussage, sich überwiegend bei seinen Eltern aufzuhalten, an die Arbeitsagentur Marburg verwiesen worden. Das Job-Center sei nicht der Ansprechpartner des Klägers, sondern die Agentur für Arbeit Frankfurt am Main. Er werde daher gebeten, sich zur Realisierung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld mit der Agentur für Arbeit Frankfurt am Main in Verbindung zu setzen.
Bei der Agentur für Arbeit Frankfurt am Main beantragte der Kläger am 6. März 2014 (auf einem Formular der Agentur für Arbeit Marburg) Arbeitslosengeld. Dabei erfolgte eine persönliche Arbeitslosmeldung zum 15. März 2014. Der Kläger gab an, vom 6. Dezember 2013 bis 28. März 2014 arbeitsunfähig zu sein. Unter persönliche Daten war angegeben: AA., B-Straße, B-Stadt (Adresse Betreuer). Außerdem lag der Betreuerausweis vom 2. September 2013 vor, nach dem Rechtsanwalt B., B-Straße, B-Stadt, Betreuer für den Kläger ist. Der Kläger gab außerdem an, dass die Zwangsräumung seiner Wohnung am 7. August 2013 erfolgt sei. Die Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers des Klägers, der X-bank X., führte eine Beschäftigung des Klägers vom 1. Januar 2011 bis 14. März 2013 an und wies darauf hin, dass der Kläger vom 3. Januar 2013 bis 14. März 2013 wegen Fehlzeit kein Arbeitsentgelt erhalten habe. Das Gehalt für Januar 2013 sei vollständig ausgezahlt worden und auf eine Rückforderung sei verzichtet worden. Dem Kläger sei am 14. März 2013 fristlos wegen unentschuldigtem Fehlen hilfsweise ordentlich zum 30. Juni 2013 gekündigt worden. Der Kläger, der seit 2012 unter einer Depression leidet, war am 3. Januar 2013 nicht bei seiner Arbeitsstelle erschienen. Er hatte auch keinen Arzt aufgesucht und dem Arbeitgeber auch keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt. Mit Bescheid der Agentur für Arbeit Frankfurt am Main vom 31. März 2014 lehnte diese den Antrag auf Arbeitslosengeld wegen der seit dem 6. Dezember 2013 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 14. April 2014 Widerspruch ein und reichte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 17. März 2014 ein, nach der er voraussichtlich bis einschließlich 28. März 2014 arbeitsunfähig sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2014 wies die Beklagte diesen Widerspruch gegen den Bescheid vom 31. März 2014 als unbegründet zurück.
Dagegen erhob der Kläger am 23. Mai 2014 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage. Mit Verfügung vom 7. August 2014 hörte das Gericht die Beteiligten zum Erlass eines Gerichtsbescheides an. Diese Anhörung wurde dem Kläger am 29. August 2014 zugestellt. Mit Gerichtsbescheid vom 9. Februar 2015 wies das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage ab. Die Zustellung dieses Gerichtsbescheides an den Kläger erfolgte am 12. Februar 2015.
Am 19. Februar 2015 beantragte der Kläger bei der Agentur für Arbeit Frankfurt am Main erneut Arbeitslosengeld. In diesem Zusammenhang legte der Kläger einen Vergleich mit seinem Arbeitgeber vom 21. August 2014 vor, nach dem sein Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung des Arbeitgebers vom 14. März 2013 zum 30. Juni 2013 endete und der Kläger eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes erhält und mit diesem Vergleich sämtliche Ansprüche abgegolten sind. Mit Bescheid vom 20. Februar 2015 lehnte die Agentur für Arbeit, Frankfurt am Main, den Antrag vom 19. Februar 2015 auf Arbeitslosengeld ab, weil die Anwartschaftszeit nicht erfüllt sei. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger keinen Widerspruch ein.
Am 9. März 2015 hat der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. Februar 2015 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Mit Beschluss vom 8. März 2016 hat der Senat den Rechtsstreit auf den Berichterstatter übertragen.
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe jedenfalls aufgrund seiner persönlichen Arbeitslosmeldung am 12. August 2013 bei der Agentur für Arbeit Frankfurt am Main Arbeitslosengeld zu.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. Februar 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 29. März 2014 bis 18. Februar 2015 Arbeitslosengeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger bei seinem Antrag auf Arbeitslosengeld im März 2014 bereits nicht mehr die für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld notwendige Anwartschaftszeit erfüllt habe und dass das Sozialgericht deshalb die Klage auf jeden Fall zu Recht abgewiesen habe.
Zum übrigen Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die ausführlichen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift, sowie den Inhalt der Leistungsakte des Beklagten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der Besetzung mit nur einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern entscheiden, da das Sozialgericht Frankfurt am Main durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hatte und die Berufung mit Beschluss des Senats vom 8. März 2016 auf den Berichterstatter übertragen wurde (vgl. § 153 Abs. 5 SGG).
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden. Sie ist auch statthaft gemäß §§ 143 und 144 SGG. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da der Wert des Beschwerdegegenstandes den maßgeblichen Betrag von 750 Euro offensichtlich überstieg.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 31. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2014, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, dem Kläger auf seinen Antrag vom 6. März 2014 hin Arbeitslosengeld zu gewähren, ist rechtmäßig. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für den geltend gemachten Zeitraum vom 29. März 2014 bis 18. Februar 2015 nicht zu.
Unabhängig davon, ob der Kläger seinen Antrag auf Arbeitslosengeld bei der für ihn zuständigen Agentur für Arbeit gestellt (§ 327 Abs. 1 SGB III), die Agentur für Arbeit Frankfurt am Main aufgrund einer (konkludenten) Zuständigkeitserklärung für den Kläger zuständig geworden ist (§ 327 Abs. 2 SGB III) und ob der Kläger trotz der Angabe der Adresse seines Betreuers verfügbar und damit arbeitslos war (§§ 137 Abs. 1 Nr. 1, 138 Abs. 1 Nr. 3, 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 der Erreichbarkeits-Anordnung), hat der Kläger auf jeden Fall keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, weil er zum Zeitpunkt der Wirksamkeit seiner persönlichen Arbeitslosmeldung vom 6. März 2014 die für den Bezug von Arbeitslosengeld notwendige Anwartschaftszeit nicht mehr erfüllt hat.
Nach § 137 Abs. 1 Nr. 3 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit nur, wer die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Nach § 142 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Nach § 143 SGB III beträgt die Rahmenfrist zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Der Kläger hat sich am 6. März 2014 persönlich bei der Agentur für Arbeit Frankfurt am Main arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt. Allerdings war er ausweislich der nach dem Ende seines Beschäftigungsverhältnisses ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis 28. März 2014 arbeitsunfähig erkrankt, so dass er bis dahin nicht verfügbar und damit nicht arbeitslos war (vgl. Brand, in: Brand (Hrsg.), Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung – SGB III, 7. Auflage 2015, § 138 Rdnr. 66). Die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld konnten daher frühestens ab 29. März 2014 erfüllt sein. Die Rahmenfrist hätte daher vom 28. März 2012 bis 28. März 2014 gedauert. Innerhalb dieser Rahmenfrist stand der Kläger jedoch nicht zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis.
Nach § 24 Abs. 1 SGB III stehen in einem Versicherungspflichtverhältnis Personen, die als Beschäftigte versicherungspflichtig sind. Nach § 24 Abs. 2 SGB III beginnt das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis. Nach § 24 Abs. 4 SGB III endet das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte mit dem Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis. Nach § 25 Abs. 1 SGB III sind jedoch (unabhängig von einem Beschäftigungsverhältnis siehe Brand, in: Brand (Hrsg.), Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung – SGB III, 7. Auflage 2015, § 25 Rdnr. 6) nur Personen versicherungspflichtig, die auch gegen Entgelt beschäftigt sind (versicherungspflichtige Beschäftigte). Hier war der Kläger nur bis 31. Januar 2013 gegen Entgelt beschäftigt. Danach hatte er wegen seines unentschuldigten Fehlens am Arbeitsplatz keinen Anspruch auf Entgelt mehr. Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 SGB IV gilt zwar eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat, so dass das Versicherungspflichtverhältnis des Klägers am 28. Februar 2013 unabhängig davon, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers auf der Grundlage des arbeitsgerichtlichen Vergleichs vom 21. August 2014 erst am 30. Juni 2013 endete, weil der Kläger für die Zeit vom 1. Februar bis 30. Juni 2013 keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt mehr hatte. Innerhalb der Rahmenfrist bestand daher ein Versicherungspflichtverhältnis für einen Zeitraum von weniger als zwölf Monaten, nämlich nur vom 28. März 2012 bis 28. Februar 2013.
Auch die persönliche Arbeitslosmeldung des Klägers am 12. August 2013 bei der Agentur für Arbeit Frankfurt am Main und der vom Betreuer des Klägers mit Schreiben vom 14. Oktober 2013 gestellte Antrag auf Arbeitslosengeld führen nicht zu einem Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die persönliche Arbeitslosmeldung entfaltet ihre Wirksamkeit erst mit Eintritt der Arbeitslosigkeit (Brand, in: Brand (Hrsg.), Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung – SGB III, 7. Auflage 2015, § 141 Rdnr. 3) und nur dann, wenn der Eintritt der Arbeitslosigkeit innerhalb der nächsten drei Monate nach erfolgter Arbeitslosmeldung zu erwarten ist (§ 141 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Hier war der Kläger bei der persönlichen Arbeitslosmeldung am 12. August 2013 jedoch bis 28. März 2014 arbeitsunfähig erkrankt und damit nicht verfügbar und damit nicht arbeitslos. Dass der Kläger in diesem Zeitraum bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt arbeitsunfähig erkrankt war, ergibt sich daraus, dass der Kläger seit dem 3. Januar 2013 so schwer an einer Depression erkrankt war, dass er weder an seinem Arbeitsplatz erscheinen noch einen Arzt aufsuchen konnte, der ihm eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hätte ausstellen können. Die Arbeitsunfähigkeit endete somit erst am 28. März 2014, nachdem dem Kläger vom 6. Dezember 2013 bis 28. März 2014 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden war. Auch für die Zwischenzeit ist davon auszugehen, dass der Kläger arbeitsunfähig erkrankt war. Jedenfalls ist eine Arbeitsfähigkeit des beweispflichtigen Klägers für diese Zwischenzeit nicht nachgewiesen und könnte im Nachhinein auch nicht mehr durch das Gericht festgestellt werden. Damit lagen erst ab 29. März 2014 alle sonstigen Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld vor. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger jedoch die für den Anspruch auf Arbeitslosengeld notwendige Anwartschaftszeit nicht (mehr) erfüllt (siehe oben).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
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