Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 15 AL 317/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 79/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 93/16 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 1. Januar bis 18. Februar 2013.
Die Kläger sind die gesetzlichen Erben des 1978 geborenen und 2016 verstorbenen F. E., vormaliger Kläger und Berufungsführer. Dieser war in der Zeit vom 2. Februar 2012 bis 18. Februar 2013 bei der Firma Gerüstbau G. GmbH beschäftigt. Über das Vermögen dieser Firma ordnete das Amtsgericht Ingolstadt mit Beschluss vom 26. Februar 2013 die vorläufige Insolvenzverwaltung und mit Beschluss vom 3. April 2013 in der Folgezeit das Insolvenzverfahren an (Az. 1 IN 91/13). Zum vorläufigen Insolvenzverwalter bzw. später zum Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt H. bestellt.
Für die Monate Januar und Februar 2013 hatte die Arbeitgeberin Herrn E. kein Gehalt mehr ausgezahlt. Ausweislich der vom Insolvenzverwalter ausgestellten Insolvenzgeldbescheinigung vom 24. April 2013 betrug das Bruttoarbeitsentgelt des Herrn E. im Januar 2013 2.295,85 EUR und in der Zeit vom 1. bis 18. Februar 2013 1.654,50 EUR. Hieraus folge ein noch nicht ausgezahltes Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 1.569,66 EUR im Januar 2013 und in Höhe von 1.102,69 EUR in der Zeit vom 1. bis 18. Februar 2013.
Unter dem 28. Februar 2013 erhob Herr E. anwaltlich vertreten Klage vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main wegen offener Lohnzahlungen für Januar und Februar 2013 (Az. 19 Ca 1461/13). Mit Teilversäumnisurteil im Rahmen der Güteverhandlung vom 25. März 2013 wurde der Arbeitgeber in Anwesenheit des Herrn E. und seiner damaligen Prozessbevollmächtigten verurteilt, ihm 2.545,85 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. März 2013 zu zahlen.
Am 17. Juni 2013 beantragte Herr E. durch seinen Prozessbevollmächtigten nach eigenen Angaben "fristwahrend nach unverschuldeter Fristversäumnis ab Ablauf des Hindernisses" die Gewährung von Insolvenzgeld. Mit Schriftsatz vom 9. Juli 2013 teilte sein Bevollmächtigter mit, dass Herr E. nicht fristwahrend Insolvenzgeld habe beantragen können, da er auf die Annahme nahezu jeder Beschäftigung zu jedweder Arbeitsbedingung angewiesen gewesen sei. Die neue Arbeitgeberin habe ihn für die Dauer von zwei Monaten außerhalb seiner Wohnung eingesetzt. Er habe daher faktisch erst ab der 24. Kalenderwoche den Antrag auf Gewährung von Insolvenzgeld stellen können, nachdem er von dieser Möglichkeit erfahren hatte. Hierzu legte er ein Schreiben der J. GmbH vom 8. Juli 2013 vor, wonach Herr E. im Zeitraum April/Mai 2013 auf einer Betriebsstätte in I-Stadt dauerhaft auf Montage eingesetzt gewesen sei.
Mit Bescheid vom 19. Juli 2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Insolvenzgeld ab. Der Antrag auf Insolvenzgeld sei innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten zu stellen. Die Frist beginne am Tag nach Vorliegen des Insolvenzereignisses. Der Antrag auf Insolvenzgeld sei jedoch erst am 17. Juni 2013 gestellt worden. Herr E. habe die Ausschlussfrist versäumt. Die Einräumung einer Nachfrist komme nicht in Betracht. Nach Auskunft des Insolvenzverwalters sei mit Schreiben vom 15. April 2013 die Information über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Antragstellung auf Insolvenzgeld erfolgt.
Hiergegen erhob sein Bevollmächtigter unter dem 26. Juli 2013 Widerspruch. Die Voraussetzungen für das Einräumen der Nachfrist dürften nicht überspannt werden. Herr E. habe aufgrund der durchgehenden auswärtigen Beschäftigung von den Angaben des Insolvenzverwalters keine Kenntnis erlangt. Darüber hinaus sei er der deutschen Sprache kaum mächtig, weswegen die Voraussetzungen einer Nachfristgewährung nicht überspannt werden dürften.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Eine Nachfrist könne vorliegend nicht eingeräumt werden. Durch das Teilversäumnisurteil vom 25. März 2013 und den Versuch einer zeitnahen Zwangsvollstreckung hätte Herr E. Kenntnis von der Insolvenz des ehemaligen Arbeitgebers erlangen können. Darüber hinaus sei durch das Schreiben des Insolvenzverwalters vom 15. April 2013 auf die Notwendigkeit der rechtzeitigen Antragstellung hingewiesen worden.
Mit der am 6. September 2013 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhobenen Klage hat Herr E. sein Begehren auf Gewährung von Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 1. Januar bis 18. Februar 2013 unter Wiederholung und Vertiefung seines Vortrags im Widerspruchsverfahren weiter verfolgt.
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht Frankfurt am Main mit Gerichtsbescheid vom 23. Juni 2014 die Klage abgewiesen.
Die zulässige Klage sei unbegründet. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Er habe keinen Anspruch auf Gewährung von Insolvenzgeld gegen die Beklagte betreffend die Gerüstbau G. GmbH in der Zeit vom 1. Januar bis 18. Februar 2013.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hätten nach § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB Ill Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gelte
1. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers,
2. die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder
3. die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht komme.
Insolvenzgeld sei nach § 324 Abs. 3 SGB III innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Sei die Frist aus nicht selbst zu vertretenden Gründen versäumt worden, werde Insolvenzgeld geleistet, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt worden sei. Ein selbst zu vertretender Grund liege vor, wenn sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung ihrer Ansprüche bemüht hätten.
Zwischen den Beteiligten sei die Gewährung der zweimonatigen Nachfrist streitig.
Die eigentliche Antragsfrist nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III sei durch den Kläger unstreitig nicht eingehalten worden. Hierbei handele es sich um eine materielle Ausschlussfrist, so dass der Anspruch mit der Fristversäumnis erlösche. Die Frist beginne am Tag nach dem Insolvenzereignis zu laufen. Dies sei vorliegend die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin am 3. April 2013. Die Stellung des Antrages auf Gewährung von Insolvenzgeld am 17. Juni 2013 habe somit außerhalb der Zweimonatsfrist stattgefunden.
Darüber hinaus sei der Antrag auf Gewährung von Insolvenzgeld am 17. Juni 2013 auch nicht ohne Verschulden des Antragstellers innerhalb der Nachfrist gestellt worden.
Ein selbst zu vertretender Grund liege vor, wenn sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung ihrer Ansprüche bemüht hätten. Hierbei stelle eine reine Rechtsunkenntnis nur dann einen Hinderungstatbestand dar, wenn dem Arbeitnehmer die rechtzeitige Einholung eines Rechtsrates nicht möglich gewesen sei (BSG, Urteil vom 10. April 1985, Az. 10 RAr 11/84 in: SozR 4100 § 141e Nr. 8).
Vorliegend sei der Kläger innerhalb der Antragsfrist mit Schreiben vom 15. April 2013 durch den Insolvenzverwalter auf das eingetretene Insolvenzereignis und die Notwendigkeit der rechtzeitigen Antragstellung für das Insolvenzgeld hingewiesen worden. Dass der Kläger sich in der Zeit von April bis Mai 2013 dauerhaft auf einer Betriebsstätte in I-Stadt befunden habe, hindere in diesem Kontext nicht die Feststellung, dass es zu der Fristversäumnis aus einem vom Kläger zu vertretenden Grund gekommen sei. Er hätte dafür Sorge tragen müssen, dass seine Briefpost nach I-Stadt gesendet werde (Nachsendeantrag o.a.) oder er hätte jemanden mit der Eingangskontrolle seiner Briefpost beauftragen müssen, der ihn über entsprechende Eingänge informiere.
Dies gelte umso mehr, als der Kläger bereits am 25. März 2013 das Teilversäumnisurteil gegen seine ehemalige Arbeitgeberin erwirkt habe. Die im Rahmen von § 324 Abs. 3 SGB III geforderte, erforderliche Sorgfalt bei der Durchsetzung der Ansprüche gegen den ehemaligen Arbeitgeber verlange, dass der Kläger sich persönlich oder anwaltlich vertreten um die Vollstreckung dieses Urteils bemühe. Dies sei jedoch nicht geschehen. Nach Erreichung des Teilversäumnisurteils habe sich der Kläger nicht um die Durchsetzung seiner Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bemüht. Die zweimonatige Antragsfrist habe der Kläger aus von ihm selbst zu vertretenden Gründen versäumt. Die Gewährung der Nachfrist komme nicht in Betracht.
Lediglich ergänzend werde darauf hingewiesen, dass mangelnde Sprachkenntnisse keine Rechtfertigung für die Fristversäumnis darstellten. Die Amtssprache sei nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch deutsch. Im Übrigen habe der Kläger ausreichend Zeit gehabt, sich um eine Übersetzung zu bemühen. Gleiches gelte für das Argument, dass der Kläger Wanderarbeitnehmer sei. Tatsächlich ergebe sich aus dem entsprechenden Eintrag im Einwohnermelderegister, dass der Kläger seit seinem Umzug von L-Stadt nach B-Stadt dauerhaft in der K-Straße als Hauptwohnsitz gemeldet gewesen sei. Er habe Sorge dafür tragen müssen, dass Schriftstücke, welche an diese Adresse gesendet wurden, ihm auch zur Kenntnis gelangten.
Letztlich sei darauf hinzuweisen, dass dieses Ergebnis auch nicht im Widerspruch zu der vom Klägervertreter zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Urteil vom 18. September 2003, Az. 04125/01) stehe. Vorliegend seien keine Gründe dafür ersichtlich, § 324 Abs. 3 SGB Ill im Hinblick auf das eigene Verschulden des Klägers nicht anzuwenden.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main ist dem Bevollmächtigten des Herrn E. am 30. Juni 2014 zugestellt worden. Am 8. Juli 2014 hat dieser hiergegen beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2014 näher begründet. Danach könne Herrn E. schon deshalb kein Fristversäumnis entgegen gehalten werden, weil der Insolvenzverwalter bereits vor Fristablauf eine Insolvenzgeldbescheinigung an die Beklagte übersandt habe und dadurch nach den Grundsätzen der Anscheins- oder Duldungsvollmacht zumindest konkludent einen Antrag auf Insolvenzgeld für Herrn E. gestellt habe. Bei der Berufung der Beklagten auf Fristablauf handele es sich demnach um Rechtsmissbrauch und unzulässige Rechtsausübung, da die Beklagte mit dem Eingang der Insolvenzgeldbescheinigung über den Anspruch auf Bewilligung von Insolvenzgeld hätte entscheiden können und hier auch die Frist nur um wenige Tage verpasst wurde. Jedenfalls sei in dem Antrag des Herrn E. selbst eine nachträgliche Genehmigung zu sehen. Zudem dürfe sich die Beklagte nach der Entscheidung des BSG vom 23. Oktober 1984 (10 RAr 6/83; juris Rn. 17) nicht auf die Versäumung der Frist berufen, da sie Herrn E. zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen habe, dass neben der Insolvenzgeldbescheinigung noch weitere Angaben notwendig seien.
Die Kläger beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. Juni 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen für den Zeitraum vom 1. Januar bis 18. Februar 2013 Insolvenzgeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es treffe zwar zu, dass die Insolvenzgeldbescheinigung weit vor dem Insolvenzgeldantrag bei der Agentur für Arbeit eingegangen sei. Die Einreichung der Insolvenzgeldbescheinigung durch den Insolvenzverwalter könne jedoch keinesfalls als Antragstellung gewertet werden. Diese müsse gem. § 324 Abs. 3 SGB III vielmehr durch den Antragsteller selbst erfolgen oder bedürfte – wenn Dritte für ihn aufträten – einer Vollmacht. Jeder Insolvenzverwalter sei gem. § 314 SGB III verpflichtet, für jeden Arbeitnehmer, für den ein Anspruch auf Insolvenzgeld in Betracht komme, eine Insolvenzgeldbescheinigung auszustellen. Allein deshalb habe der Insolvenzverwalter die Bescheinigung übersandt, nicht aber, um für den Kläger einen Antrag zu stellen. Sofern die Auffassung vertreten werde, es handele sich um einen Antrag und in dem Antrag des Herrn E. sei die nachträgliche Genehmigung zu sehen, sei auf die BSG-Entscheidung vom 23. Oktober 1984 (10 RAr 6/83) verwiesen, wonach auch eine Genehmigung innerhalb der Ausschlussfrist erfolgen müsste. Im Übrigen sei die Beklagte auch nicht verpflichtet, die betroffenen Arbeitnehmer bei Kenntnis eines Insolvenzereignisses zu ermitteln und diese über einen zu stellenden Insolvenzgeldantrag und die Antragsfrist aufzuklären (Verweis auf Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24. Oktober 2007 – L 12 AL 62/06).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht noch von dem am 7. Januar 2016 verstorbenen F. E. eingelegte und von seinen gesetzlichen Erben, den Klägern zu 1. bis 3., fortgeführte Berufung ist zulässig. Eine Berufungsbeschränkung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor, weil es um Insolvenzgeld für mehr als 1 ½ Monate auf der Grundlage eines Bruttoverdienstes von insgesamt jedenfalls mehr als 2.500 EUR geht und der Wert des Beschwerdegegenstandes damit den Wert des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG von 750,00 EUR übersteigt.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht Frankfurt am Main (künftig: Sozialgericht) hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kläger haben wegen Versäumung der Antragsfrist, für die auch keine Nachfrist gewährt werden kann, keinen Anspruch auf Insolvenzgeld. Da es somit bereits an einem Anspruch fehlt, kann dahingestellt bleiben, ob die Kläger einen solchen als Sonderrechtsnachfolger (§ 56 SGB I) oder Erbe (§ 58 SGB I) des am xx. xxx 2016 verstorbenen Herrn E. geltend machen können.
Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Insolvenzgeld ist § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III, wobei hier und im Folgenden die ab 1. April 2012 geltende Fassung des SGB III maßgebend ist. Danach haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und – unter anderem – bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Insolvenzereignis war hier die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 3. April 2013. Zu diesem Zeitpunkt war das Arbeitsverhältnis des Herrn E. bereits beendet (Aufhebungsvertrag zum 18. Februar 2013). War das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenztag bereits beendet, endet die Dreimonatsfrist des Insolvenzgeld-Zeitraums mit dem letzten Tag des Arbeitsverhältnisses (Kühl, in Brand, SGB III, 7. Aufl. 2015, § 165 Rz. 34). Für den Monat Januar 2013 und den Zeitraum vom 1. bis 18. Februar 2013 ist das dem Herrn E. zustehende Arbeitsentgelt – zwischen den Beteiligten unstreitig – nicht ausgezahlt worden, so dass insoweit die materiellrechtlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Insolvenzgeld vorliegen.
Der Antrag auf Insolvenzgeld ist jedoch nicht rechtzeitig gestellt worden. Nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III (ebenfalls in seiner ab 1. April 2012 gültigen Fassung) ist Insolvenzgeld innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Nach dem Insolvenzereignis am 3. April 2013 endete diese Frist am 3. Juni 2013. Diese Frist hat Herr E. bzw. sein Bevollmächtigter mit dem am 17. Juni 2013 bei der Beklagten eingegangenen Antrag unzweifelhaft und unbestritten nicht gewahrt.
Für eine frühere Antragstellung bestehen keine Anhaltspunkte. Insbesondere kann - entgegen der Rechtsauffassung der Klägerseite - in der noch innerhalb der o.a. Frist erfolgten Übersendung der Insolvenzgeldbescheinigung des Insolvenzverwalters vom 24. April 2013 an die Beklagte kein (rechtzeitiger) Antrag des Klägers auf Gewährung von Insolvenzgeld gesehen werden.
Die dem Insolvenzverwalter durch §§ 314 Abs. 1, 316 Abs. 2 SGB III eingeräumte Rechtsstellung verleiht ihm nicht die Befugnis, Rechte der Arbeitnehmer gegenüber der Insolvenzgeldversicherung wahrzunehmen. Seine Rechtsstellung ist insoweit trotz einer gewissen Parallelität der Interessenlage nicht mit der rechtlichen Stellung des Arbeitgebers im Kurzarbeitergeldverfahren vergleichbar, dem die Durchsetzung der Ansprüche der Arbeitnehmer obliegt und dem in § 323 Abs. 2 SGB III deshalb auch ausdrücklich ein eigenes Antragsrecht eingeräumt wird. Demgegenüber können Ansprüche auf Insolvenzgeld allein vom Arbeitnehmer geltend gemacht und durchgesetzt werden. Der Arbeitgeber und der Insolvenzverwalter sind nicht Inhaber von eigenen Rechten gegenüber der Insolvenzgeldversicherung. Die Ausstellung der Insolvenzgeldbescheinigung ist dem Insolvenzverwalter nur übertragen, weil der Arbeitgeber in seiner Handlungsfähigkeit beschränkt ist (so zutreffend Voelzke, in: Hauck/Noftz, SGB, 11/14, § 314 SGB III).
Der Insolvenzverwalter ist auch entgegen der Ansicht der Klägerseite weder in einem rechtlichen noch auch nur in einem tatsächlichen Sinne Vertreter oder Bevollmächtigter der von der Arbeitgeberinsolvenz betroffenen Arbeitnehmer (so auch schon LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. Oktober 2007, L 12 AL 62/06, juris Rn. 40 am Ende). Zwar kann ein Antrag unstreitig auch durch einen Vertreter gestellt werden (z. B. bei Sammelanträgen), sofern eine Vollmacht vorliegt. Insoweit hatte auch der Bevollmächtigte des vorliegenden Verfahrens bereits mit Schriftsatz vom 25. April 2013 (Bl. 15 der Insolvenzgeldakte der Beklagten) für insgesamt 8 Arbeitnehmer (nicht jedoch den Kläger) entsprechende Anträge gestellt. Der Antrag hinsichtlich des Klägers folgte jedoch erst am 17. Juni 2013.
Selbst wenn man in diesem am 17. Juni 2013 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben eine "Genehmigung des vollmachtlos gestellten Antrags des Insolvenzverwalters" sieht, führt dies zu keinem anderen Ergebnis.
Fraglich ist schon, ob ein vollmachtlos gestellter Antrag auf Insolvenzgeld von vornherein gemäß § 180 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam ist oder ob er von dem Berechtigten genehmigt werden kann. Das Sozialgesetzbuch enthält selbst keine Regelungen über das Wirksamwerden von Willenserklärungen im Bereich des öffentlichen Rechts. Mangels besonderer Vorschriften sind daher im Allgemeinen die Vorschriften des bürgerlichen Rechts entsprechend anwendbar. Dies gilt jedoch nur mit Modifikationen, die der Eigenart des Sozialrechts gerecht werden (BSG v. 17. April 1986 - 7 RAr 81/84 - SozR 4100 § 100 Nr. 11). Schutzzweck des § 180 S. 1 BGB ist es, denjenigen, dessen Rechtsverhältnisse durch ein einseitiges Rechtsgeschäft berührt werden, davor zu bewahren, dass er längere Zeit über die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts im Ungewissen bleibt. Da dieser Schutzzweck gegenüber dem öffentlichen Leistungsträger zurücktritt und dieser insbesondere die Möglichkeit hat, im Rahmen seiner Beratungspflichten (§ 16 SGB I) den Zustand der Ungewissheit abzukürzen, ist davon auszugehen, dass der Berechtigte den vollmachtlos gestellten Antrag genehmigen kann. Allerdings kann die Genehmigung nur bis zum Ablauf der Antragsfrist des § 324 Abs. 3 S. 1 SGB III wirksam erteilt werden (BSG v. 23. Oktober 1984 - 10 RAr 6/83 - SozR 4100 § 141e Nr. 7). Da die verhältnismäßig kurze Ausschlussfrist der zügigen Klärung der Ansprüche dienen soll, damit deren Gesamtumfang schnell festgestellt werden kann und die Arbeitsagentur die gemäß § 169 SGB III übergegangenen Ansprüche verfolgen kann, ist ein Zustand der Ungewissheit über den Fristablauf hinaus mit diesem Normzweck nicht zu vereinbaren. Eine – wie vorliegend – jedoch erst nach Fristablauf erteilte Genehmigung ist somit unwirksam (so zutreffend auch Radüge, in: Hauck/Noftz, SGB, 05/12, § 324 SGB III mit Verweis auf BSG v. 23. Oktober 1984 - 10 RAr 6/83 - SozR 4100 § 141e Nr. 7).
Eine Nachfrist konnte Herrn E. nicht eingeräumt werden. Dies hat auch schon das Sozialgericht in seinen Entscheidungsgründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (§ 153 Abs. 2 SGG), ausführlich und zutreffend begründet. Nach § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III wird, wenn der Arbeitnehmer die Frist aus Gründen versäumt hat, die er nicht zu vertreten hat, Insolvenzgeld geleistet, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt wird. Ergänzend bestimmt § 324 Abs. 3 Satz 3 SGB III, dass der Arbeitnehmer die Versäumung der Frist zu vertreten hat, wenn er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat.
Hier hatte Herr E. die Fristversäumung schon deshalb zu vertreten, weil er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat. Zwar hatte er noch mit anwaltlicher Unterstützung im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein Teilversäumnisurteil gegen seinen früheren Arbeitgeber erwirkt. Allerdings hat er sich in der Folgezeit nicht weiter um die Durchsetzung, z.B. durch Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, bemüht. Dieses Verhalten entspricht nicht der nach § 324 Abs. 3 Satz 3 SGB III gebotenen Sorgfalt. Nachdem der Kläger aus dem Betrieb ausgeschieden war, war "energisches" (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1996 - 10 RAr 8/94 -, juris) bzw. zügiges Handeln gefordert, zumal Zurückhaltung den Arbeitsplatz nicht mehr sichern konnte (so auch Hassel, in: Brand, aaO, § 324 Rz. 23). Dabei kommt es für die Frage des "Bemühens" nicht darauf an, ob dadurch eine Kenntnis des Insolvenzfalles erlangt worden wäre. Kausalität ist in diesem Zusammenhang gerade nicht erforderlich (vgl. BSG aaO). Ein Arbeitnehmer hat in diesem Zusammenhang jede, somit auch leichte Fahrlässigkeit zu vertreten.
Nach diesen Maßstäben ist der Senat davon überzeugt, dass Herr E. die nach § 324 Abs. 3 Satz 3 SGB III erforderliche Sorgfalt verletzt hat, so dass ihm eine Nachfrist nach § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III nicht zugutekommen konnte. Soweit die Berufungsbegründung sich auf das Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 22. September 2011 (L 2 AL 87/08) beruft und geltend macht, dass die Mandatierung eines Rechtsanwaltes im Arbeitsgerichtsprozess nicht als Verstoß gegen Sorgfaltspflichten angelastet werden dürfe, bleibt festzustellen, dass Herrn E. gerade nicht die Beauftragung des Rechtsanwalts im Arbeitsgerichtsprozess als Verletzung der Sorgfaltspflicht angelastet wird, sondern die Tatsache, dass er sich danach nicht mehr weiter um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Zwar hat der EuGH in seinem Urteil vom 18. September 2003, C- 125/01 ausgeführt, dass die Zweimonatsfrist des § 141e Abs. 1 AFG für die Beantragung von Konkursausfallgeld (das im Wesentlichen dem heutigen Insolvenzgeld entspricht) die praktische Wirksamkeit des mit der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gewährten Schutzes nur dann gewährleisten könne, wenn die zuständigen Stellen nicht übermäßig streng beurteilten, ob der Betroffene sich mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht habe. Auch unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung hat der Senat indessen keinen Zweifel, dass der Herr E. sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat, wenn er wegen des noch ausstehenden Arbeitsentgelts nach dem Erstreiten des Teilversäumnisurteils praktisch nichts mehr unternommen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 1. Januar bis 18. Februar 2013.
Die Kläger sind die gesetzlichen Erben des 1978 geborenen und 2016 verstorbenen F. E., vormaliger Kläger und Berufungsführer. Dieser war in der Zeit vom 2. Februar 2012 bis 18. Februar 2013 bei der Firma Gerüstbau G. GmbH beschäftigt. Über das Vermögen dieser Firma ordnete das Amtsgericht Ingolstadt mit Beschluss vom 26. Februar 2013 die vorläufige Insolvenzverwaltung und mit Beschluss vom 3. April 2013 in der Folgezeit das Insolvenzverfahren an (Az. 1 IN 91/13). Zum vorläufigen Insolvenzverwalter bzw. später zum Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt H. bestellt.
Für die Monate Januar und Februar 2013 hatte die Arbeitgeberin Herrn E. kein Gehalt mehr ausgezahlt. Ausweislich der vom Insolvenzverwalter ausgestellten Insolvenzgeldbescheinigung vom 24. April 2013 betrug das Bruttoarbeitsentgelt des Herrn E. im Januar 2013 2.295,85 EUR und in der Zeit vom 1. bis 18. Februar 2013 1.654,50 EUR. Hieraus folge ein noch nicht ausgezahltes Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 1.569,66 EUR im Januar 2013 und in Höhe von 1.102,69 EUR in der Zeit vom 1. bis 18. Februar 2013.
Unter dem 28. Februar 2013 erhob Herr E. anwaltlich vertreten Klage vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main wegen offener Lohnzahlungen für Januar und Februar 2013 (Az. 19 Ca 1461/13). Mit Teilversäumnisurteil im Rahmen der Güteverhandlung vom 25. März 2013 wurde der Arbeitgeber in Anwesenheit des Herrn E. und seiner damaligen Prozessbevollmächtigten verurteilt, ihm 2.545,85 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. März 2013 zu zahlen.
Am 17. Juni 2013 beantragte Herr E. durch seinen Prozessbevollmächtigten nach eigenen Angaben "fristwahrend nach unverschuldeter Fristversäumnis ab Ablauf des Hindernisses" die Gewährung von Insolvenzgeld. Mit Schriftsatz vom 9. Juli 2013 teilte sein Bevollmächtigter mit, dass Herr E. nicht fristwahrend Insolvenzgeld habe beantragen können, da er auf die Annahme nahezu jeder Beschäftigung zu jedweder Arbeitsbedingung angewiesen gewesen sei. Die neue Arbeitgeberin habe ihn für die Dauer von zwei Monaten außerhalb seiner Wohnung eingesetzt. Er habe daher faktisch erst ab der 24. Kalenderwoche den Antrag auf Gewährung von Insolvenzgeld stellen können, nachdem er von dieser Möglichkeit erfahren hatte. Hierzu legte er ein Schreiben der J. GmbH vom 8. Juli 2013 vor, wonach Herr E. im Zeitraum April/Mai 2013 auf einer Betriebsstätte in I-Stadt dauerhaft auf Montage eingesetzt gewesen sei.
Mit Bescheid vom 19. Juli 2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Insolvenzgeld ab. Der Antrag auf Insolvenzgeld sei innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten zu stellen. Die Frist beginne am Tag nach Vorliegen des Insolvenzereignisses. Der Antrag auf Insolvenzgeld sei jedoch erst am 17. Juni 2013 gestellt worden. Herr E. habe die Ausschlussfrist versäumt. Die Einräumung einer Nachfrist komme nicht in Betracht. Nach Auskunft des Insolvenzverwalters sei mit Schreiben vom 15. April 2013 die Information über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Antragstellung auf Insolvenzgeld erfolgt.
Hiergegen erhob sein Bevollmächtigter unter dem 26. Juli 2013 Widerspruch. Die Voraussetzungen für das Einräumen der Nachfrist dürften nicht überspannt werden. Herr E. habe aufgrund der durchgehenden auswärtigen Beschäftigung von den Angaben des Insolvenzverwalters keine Kenntnis erlangt. Darüber hinaus sei er der deutschen Sprache kaum mächtig, weswegen die Voraussetzungen einer Nachfristgewährung nicht überspannt werden dürften.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Eine Nachfrist könne vorliegend nicht eingeräumt werden. Durch das Teilversäumnisurteil vom 25. März 2013 und den Versuch einer zeitnahen Zwangsvollstreckung hätte Herr E. Kenntnis von der Insolvenz des ehemaligen Arbeitgebers erlangen können. Darüber hinaus sei durch das Schreiben des Insolvenzverwalters vom 15. April 2013 auf die Notwendigkeit der rechtzeitigen Antragstellung hingewiesen worden.
Mit der am 6. September 2013 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhobenen Klage hat Herr E. sein Begehren auf Gewährung von Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 1. Januar bis 18. Februar 2013 unter Wiederholung und Vertiefung seines Vortrags im Widerspruchsverfahren weiter verfolgt.
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht Frankfurt am Main mit Gerichtsbescheid vom 23. Juni 2014 die Klage abgewiesen.
Die zulässige Klage sei unbegründet. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Er habe keinen Anspruch auf Gewährung von Insolvenzgeld gegen die Beklagte betreffend die Gerüstbau G. GmbH in der Zeit vom 1. Januar bis 18. Februar 2013.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hätten nach § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB Ill Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gelte
1. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers,
2. die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder
3. die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht komme.
Insolvenzgeld sei nach § 324 Abs. 3 SGB III innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Sei die Frist aus nicht selbst zu vertretenden Gründen versäumt worden, werde Insolvenzgeld geleistet, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt worden sei. Ein selbst zu vertretender Grund liege vor, wenn sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung ihrer Ansprüche bemüht hätten.
Zwischen den Beteiligten sei die Gewährung der zweimonatigen Nachfrist streitig.
Die eigentliche Antragsfrist nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III sei durch den Kläger unstreitig nicht eingehalten worden. Hierbei handele es sich um eine materielle Ausschlussfrist, so dass der Anspruch mit der Fristversäumnis erlösche. Die Frist beginne am Tag nach dem Insolvenzereignis zu laufen. Dies sei vorliegend die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin am 3. April 2013. Die Stellung des Antrages auf Gewährung von Insolvenzgeld am 17. Juni 2013 habe somit außerhalb der Zweimonatsfrist stattgefunden.
Darüber hinaus sei der Antrag auf Gewährung von Insolvenzgeld am 17. Juni 2013 auch nicht ohne Verschulden des Antragstellers innerhalb der Nachfrist gestellt worden.
Ein selbst zu vertretender Grund liege vor, wenn sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung ihrer Ansprüche bemüht hätten. Hierbei stelle eine reine Rechtsunkenntnis nur dann einen Hinderungstatbestand dar, wenn dem Arbeitnehmer die rechtzeitige Einholung eines Rechtsrates nicht möglich gewesen sei (BSG, Urteil vom 10. April 1985, Az. 10 RAr 11/84 in: SozR 4100 § 141e Nr. 8).
Vorliegend sei der Kläger innerhalb der Antragsfrist mit Schreiben vom 15. April 2013 durch den Insolvenzverwalter auf das eingetretene Insolvenzereignis und die Notwendigkeit der rechtzeitigen Antragstellung für das Insolvenzgeld hingewiesen worden. Dass der Kläger sich in der Zeit von April bis Mai 2013 dauerhaft auf einer Betriebsstätte in I-Stadt befunden habe, hindere in diesem Kontext nicht die Feststellung, dass es zu der Fristversäumnis aus einem vom Kläger zu vertretenden Grund gekommen sei. Er hätte dafür Sorge tragen müssen, dass seine Briefpost nach I-Stadt gesendet werde (Nachsendeantrag o.a.) oder er hätte jemanden mit der Eingangskontrolle seiner Briefpost beauftragen müssen, der ihn über entsprechende Eingänge informiere.
Dies gelte umso mehr, als der Kläger bereits am 25. März 2013 das Teilversäumnisurteil gegen seine ehemalige Arbeitgeberin erwirkt habe. Die im Rahmen von § 324 Abs. 3 SGB III geforderte, erforderliche Sorgfalt bei der Durchsetzung der Ansprüche gegen den ehemaligen Arbeitgeber verlange, dass der Kläger sich persönlich oder anwaltlich vertreten um die Vollstreckung dieses Urteils bemühe. Dies sei jedoch nicht geschehen. Nach Erreichung des Teilversäumnisurteils habe sich der Kläger nicht um die Durchsetzung seiner Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bemüht. Die zweimonatige Antragsfrist habe der Kläger aus von ihm selbst zu vertretenden Gründen versäumt. Die Gewährung der Nachfrist komme nicht in Betracht.
Lediglich ergänzend werde darauf hingewiesen, dass mangelnde Sprachkenntnisse keine Rechtfertigung für die Fristversäumnis darstellten. Die Amtssprache sei nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch deutsch. Im Übrigen habe der Kläger ausreichend Zeit gehabt, sich um eine Übersetzung zu bemühen. Gleiches gelte für das Argument, dass der Kläger Wanderarbeitnehmer sei. Tatsächlich ergebe sich aus dem entsprechenden Eintrag im Einwohnermelderegister, dass der Kläger seit seinem Umzug von L-Stadt nach B-Stadt dauerhaft in der K-Straße als Hauptwohnsitz gemeldet gewesen sei. Er habe Sorge dafür tragen müssen, dass Schriftstücke, welche an diese Adresse gesendet wurden, ihm auch zur Kenntnis gelangten.
Letztlich sei darauf hinzuweisen, dass dieses Ergebnis auch nicht im Widerspruch zu der vom Klägervertreter zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Urteil vom 18. September 2003, Az. 04125/01) stehe. Vorliegend seien keine Gründe dafür ersichtlich, § 324 Abs. 3 SGB Ill im Hinblick auf das eigene Verschulden des Klägers nicht anzuwenden.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main ist dem Bevollmächtigten des Herrn E. am 30. Juni 2014 zugestellt worden. Am 8. Juli 2014 hat dieser hiergegen beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2014 näher begründet. Danach könne Herrn E. schon deshalb kein Fristversäumnis entgegen gehalten werden, weil der Insolvenzverwalter bereits vor Fristablauf eine Insolvenzgeldbescheinigung an die Beklagte übersandt habe und dadurch nach den Grundsätzen der Anscheins- oder Duldungsvollmacht zumindest konkludent einen Antrag auf Insolvenzgeld für Herrn E. gestellt habe. Bei der Berufung der Beklagten auf Fristablauf handele es sich demnach um Rechtsmissbrauch und unzulässige Rechtsausübung, da die Beklagte mit dem Eingang der Insolvenzgeldbescheinigung über den Anspruch auf Bewilligung von Insolvenzgeld hätte entscheiden können und hier auch die Frist nur um wenige Tage verpasst wurde. Jedenfalls sei in dem Antrag des Herrn E. selbst eine nachträgliche Genehmigung zu sehen. Zudem dürfe sich die Beklagte nach der Entscheidung des BSG vom 23. Oktober 1984 (10 RAr 6/83; juris Rn. 17) nicht auf die Versäumung der Frist berufen, da sie Herrn E. zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen habe, dass neben der Insolvenzgeldbescheinigung noch weitere Angaben notwendig seien.
Die Kläger beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. Juni 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen für den Zeitraum vom 1. Januar bis 18. Februar 2013 Insolvenzgeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es treffe zwar zu, dass die Insolvenzgeldbescheinigung weit vor dem Insolvenzgeldantrag bei der Agentur für Arbeit eingegangen sei. Die Einreichung der Insolvenzgeldbescheinigung durch den Insolvenzverwalter könne jedoch keinesfalls als Antragstellung gewertet werden. Diese müsse gem. § 324 Abs. 3 SGB III vielmehr durch den Antragsteller selbst erfolgen oder bedürfte – wenn Dritte für ihn aufträten – einer Vollmacht. Jeder Insolvenzverwalter sei gem. § 314 SGB III verpflichtet, für jeden Arbeitnehmer, für den ein Anspruch auf Insolvenzgeld in Betracht komme, eine Insolvenzgeldbescheinigung auszustellen. Allein deshalb habe der Insolvenzverwalter die Bescheinigung übersandt, nicht aber, um für den Kläger einen Antrag zu stellen. Sofern die Auffassung vertreten werde, es handele sich um einen Antrag und in dem Antrag des Herrn E. sei die nachträgliche Genehmigung zu sehen, sei auf die BSG-Entscheidung vom 23. Oktober 1984 (10 RAr 6/83) verwiesen, wonach auch eine Genehmigung innerhalb der Ausschlussfrist erfolgen müsste. Im Übrigen sei die Beklagte auch nicht verpflichtet, die betroffenen Arbeitnehmer bei Kenntnis eines Insolvenzereignisses zu ermitteln und diese über einen zu stellenden Insolvenzgeldantrag und die Antragsfrist aufzuklären (Verweis auf Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24. Oktober 2007 – L 12 AL 62/06).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht noch von dem am 7. Januar 2016 verstorbenen F. E. eingelegte und von seinen gesetzlichen Erben, den Klägern zu 1. bis 3., fortgeführte Berufung ist zulässig. Eine Berufungsbeschränkung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor, weil es um Insolvenzgeld für mehr als 1 ½ Monate auf der Grundlage eines Bruttoverdienstes von insgesamt jedenfalls mehr als 2.500 EUR geht und der Wert des Beschwerdegegenstandes damit den Wert des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG von 750,00 EUR übersteigt.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht Frankfurt am Main (künftig: Sozialgericht) hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kläger haben wegen Versäumung der Antragsfrist, für die auch keine Nachfrist gewährt werden kann, keinen Anspruch auf Insolvenzgeld. Da es somit bereits an einem Anspruch fehlt, kann dahingestellt bleiben, ob die Kläger einen solchen als Sonderrechtsnachfolger (§ 56 SGB I) oder Erbe (§ 58 SGB I) des am xx. xxx 2016 verstorbenen Herrn E. geltend machen können.
Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Insolvenzgeld ist § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III, wobei hier und im Folgenden die ab 1. April 2012 geltende Fassung des SGB III maßgebend ist. Danach haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und – unter anderem – bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Insolvenzereignis war hier die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 3. April 2013. Zu diesem Zeitpunkt war das Arbeitsverhältnis des Herrn E. bereits beendet (Aufhebungsvertrag zum 18. Februar 2013). War das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenztag bereits beendet, endet die Dreimonatsfrist des Insolvenzgeld-Zeitraums mit dem letzten Tag des Arbeitsverhältnisses (Kühl, in Brand, SGB III, 7. Aufl. 2015, § 165 Rz. 34). Für den Monat Januar 2013 und den Zeitraum vom 1. bis 18. Februar 2013 ist das dem Herrn E. zustehende Arbeitsentgelt – zwischen den Beteiligten unstreitig – nicht ausgezahlt worden, so dass insoweit die materiellrechtlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Insolvenzgeld vorliegen.
Der Antrag auf Insolvenzgeld ist jedoch nicht rechtzeitig gestellt worden. Nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III (ebenfalls in seiner ab 1. April 2012 gültigen Fassung) ist Insolvenzgeld innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Nach dem Insolvenzereignis am 3. April 2013 endete diese Frist am 3. Juni 2013. Diese Frist hat Herr E. bzw. sein Bevollmächtigter mit dem am 17. Juni 2013 bei der Beklagten eingegangenen Antrag unzweifelhaft und unbestritten nicht gewahrt.
Für eine frühere Antragstellung bestehen keine Anhaltspunkte. Insbesondere kann - entgegen der Rechtsauffassung der Klägerseite - in der noch innerhalb der o.a. Frist erfolgten Übersendung der Insolvenzgeldbescheinigung des Insolvenzverwalters vom 24. April 2013 an die Beklagte kein (rechtzeitiger) Antrag des Klägers auf Gewährung von Insolvenzgeld gesehen werden.
Die dem Insolvenzverwalter durch §§ 314 Abs. 1, 316 Abs. 2 SGB III eingeräumte Rechtsstellung verleiht ihm nicht die Befugnis, Rechte der Arbeitnehmer gegenüber der Insolvenzgeldversicherung wahrzunehmen. Seine Rechtsstellung ist insoweit trotz einer gewissen Parallelität der Interessenlage nicht mit der rechtlichen Stellung des Arbeitgebers im Kurzarbeitergeldverfahren vergleichbar, dem die Durchsetzung der Ansprüche der Arbeitnehmer obliegt und dem in § 323 Abs. 2 SGB III deshalb auch ausdrücklich ein eigenes Antragsrecht eingeräumt wird. Demgegenüber können Ansprüche auf Insolvenzgeld allein vom Arbeitnehmer geltend gemacht und durchgesetzt werden. Der Arbeitgeber und der Insolvenzverwalter sind nicht Inhaber von eigenen Rechten gegenüber der Insolvenzgeldversicherung. Die Ausstellung der Insolvenzgeldbescheinigung ist dem Insolvenzverwalter nur übertragen, weil der Arbeitgeber in seiner Handlungsfähigkeit beschränkt ist (so zutreffend Voelzke, in: Hauck/Noftz, SGB, 11/14, § 314 SGB III).
Der Insolvenzverwalter ist auch entgegen der Ansicht der Klägerseite weder in einem rechtlichen noch auch nur in einem tatsächlichen Sinne Vertreter oder Bevollmächtigter der von der Arbeitgeberinsolvenz betroffenen Arbeitnehmer (so auch schon LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. Oktober 2007, L 12 AL 62/06, juris Rn. 40 am Ende). Zwar kann ein Antrag unstreitig auch durch einen Vertreter gestellt werden (z. B. bei Sammelanträgen), sofern eine Vollmacht vorliegt. Insoweit hatte auch der Bevollmächtigte des vorliegenden Verfahrens bereits mit Schriftsatz vom 25. April 2013 (Bl. 15 der Insolvenzgeldakte der Beklagten) für insgesamt 8 Arbeitnehmer (nicht jedoch den Kläger) entsprechende Anträge gestellt. Der Antrag hinsichtlich des Klägers folgte jedoch erst am 17. Juni 2013.
Selbst wenn man in diesem am 17. Juni 2013 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben eine "Genehmigung des vollmachtlos gestellten Antrags des Insolvenzverwalters" sieht, führt dies zu keinem anderen Ergebnis.
Fraglich ist schon, ob ein vollmachtlos gestellter Antrag auf Insolvenzgeld von vornherein gemäß § 180 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam ist oder ob er von dem Berechtigten genehmigt werden kann. Das Sozialgesetzbuch enthält selbst keine Regelungen über das Wirksamwerden von Willenserklärungen im Bereich des öffentlichen Rechts. Mangels besonderer Vorschriften sind daher im Allgemeinen die Vorschriften des bürgerlichen Rechts entsprechend anwendbar. Dies gilt jedoch nur mit Modifikationen, die der Eigenart des Sozialrechts gerecht werden (BSG v. 17. April 1986 - 7 RAr 81/84 - SozR 4100 § 100 Nr. 11). Schutzzweck des § 180 S. 1 BGB ist es, denjenigen, dessen Rechtsverhältnisse durch ein einseitiges Rechtsgeschäft berührt werden, davor zu bewahren, dass er längere Zeit über die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts im Ungewissen bleibt. Da dieser Schutzzweck gegenüber dem öffentlichen Leistungsträger zurücktritt und dieser insbesondere die Möglichkeit hat, im Rahmen seiner Beratungspflichten (§ 16 SGB I) den Zustand der Ungewissheit abzukürzen, ist davon auszugehen, dass der Berechtigte den vollmachtlos gestellten Antrag genehmigen kann. Allerdings kann die Genehmigung nur bis zum Ablauf der Antragsfrist des § 324 Abs. 3 S. 1 SGB III wirksam erteilt werden (BSG v. 23. Oktober 1984 - 10 RAr 6/83 - SozR 4100 § 141e Nr. 7). Da die verhältnismäßig kurze Ausschlussfrist der zügigen Klärung der Ansprüche dienen soll, damit deren Gesamtumfang schnell festgestellt werden kann und die Arbeitsagentur die gemäß § 169 SGB III übergegangenen Ansprüche verfolgen kann, ist ein Zustand der Ungewissheit über den Fristablauf hinaus mit diesem Normzweck nicht zu vereinbaren. Eine – wie vorliegend – jedoch erst nach Fristablauf erteilte Genehmigung ist somit unwirksam (so zutreffend auch Radüge, in: Hauck/Noftz, SGB, 05/12, § 324 SGB III mit Verweis auf BSG v. 23. Oktober 1984 - 10 RAr 6/83 - SozR 4100 § 141e Nr. 7).
Eine Nachfrist konnte Herrn E. nicht eingeräumt werden. Dies hat auch schon das Sozialgericht in seinen Entscheidungsgründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (§ 153 Abs. 2 SGG), ausführlich und zutreffend begründet. Nach § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III wird, wenn der Arbeitnehmer die Frist aus Gründen versäumt hat, die er nicht zu vertreten hat, Insolvenzgeld geleistet, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt wird. Ergänzend bestimmt § 324 Abs. 3 Satz 3 SGB III, dass der Arbeitnehmer die Versäumung der Frist zu vertreten hat, wenn er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat.
Hier hatte Herr E. die Fristversäumung schon deshalb zu vertreten, weil er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat. Zwar hatte er noch mit anwaltlicher Unterstützung im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein Teilversäumnisurteil gegen seinen früheren Arbeitgeber erwirkt. Allerdings hat er sich in der Folgezeit nicht weiter um die Durchsetzung, z.B. durch Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, bemüht. Dieses Verhalten entspricht nicht der nach § 324 Abs. 3 Satz 3 SGB III gebotenen Sorgfalt. Nachdem der Kläger aus dem Betrieb ausgeschieden war, war "energisches" (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1996 - 10 RAr 8/94 -, juris) bzw. zügiges Handeln gefordert, zumal Zurückhaltung den Arbeitsplatz nicht mehr sichern konnte (so auch Hassel, in: Brand, aaO, § 324 Rz. 23). Dabei kommt es für die Frage des "Bemühens" nicht darauf an, ob dadurch eine Kenntnis des Insolvenzfalles erlangt worden wäre. Kausalität ist in diesem Zusammenhang gerade nicht erforderlich (vgl. BSG aaO). Ein Arbeitnehmer hat in diesem Zusammenhang jede, somit auch leichte Fahrlässigkeit zu vertreten.
Nach diesen Maßstäben ist der Senat davon überzeugt, dass Herr E. die nach § 324 Abs. 3 Satz 3 SGB III erforderliche Sorgfalt verletzt hat, so dass ihm eine Nachfrist nach § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III nicht zugutekommen konnte. Soweit die Berufungsbegründung sich auf das Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 22. September 2011 (L 2 AL 87/08) beruft und geltend macht, dass die Mandatierung eines Rechtsanwaltes im Arbeitsgerichtsprozess nicht als Verstoß gegen Sorgfaltspflichten angelastet werden dürfe, bleibt festzustellen, dass Herrn E. gerade nicht die Beauftragung des Rechtsanwalts im Arbeitsgerichtsprozess als Verletzung der Sorgfaltspflicht angelastet wird, sondern die Tatsache, dass er sich danach nicht mehr weiter um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Zwar hat der EuGH in seinem Urteil vom 18. September 2003, C- 125/01 ausgeführt, dass die Zweimonatsfrist des § 141e Abs. 1 AFG für die Beantragung von Konkursausfallgeld (das im Wesentlichen dem heutigen Insolvenzgeld entspricht) die praktische Wirksamkeit des mit der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gewährten Schutzes nur dann gewährleisten könne, wenn die zuständigen Stellen nicht übermäßig streng beurteilten, ob der Betroffene sich mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht habe. Auch unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung hat der Senat indessen keinen Zweifel, dass der Herr E. sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat, wenn er wegen des noch ausstehenden Arbeitsentgelts nach dem Erstreiten des Teilversäumnisurteils praktisch nichts mehr unternommen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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