Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 92/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 223/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 199/16 B
Datum
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger streitet um die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung sowie um Anerkennung weiterer Folgen eines Arbeitsunfalles.
Der 1958 geborene Kläger war als Physiotherapeut bei der C. in Stadt und Kreis C-Stadt e.V. beschäftigt. Laut Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 20. November 2007 erlitt der Kläger am 11. Oktober 2007 im Stadtgebiet C-Stadt auf einer Dienstfahrt einen Verkehrsunfall mit einem VW Polo des Arbeitgebers. Ein anderer Pkw fuhr ihm in die rechte Seite, wodurch sich sein Pkw um 180 Grad drehte und mit dem Heck gegen ein Straßenschild prallte. Nach dem Durchgangsarztbericht des Chirurgen Dr. D. vom 11. Oktober 2007 erlitt der Kläger eine Distorsion (Zerrung) der Halswirbelsäule (HWS) sowie eine Prellung des Brustkorbes. Röntgenbilder des Brustkorbes und der HWS zeigten keine knöchernen Verletzungen bei Bestehen einer HWS-Steilstellung. Degenerative Veränderungen bestanden an der unteren HWS.
Der Kläger verblieb in Heilbehandlung des Dr. D. wegen fortdauernder Beschwerden im Bereich von HWS und Nacken, weswegen er Fango und Krankengymnastik erhielt. Ab Dezember 2007 trat er in die Mitbehandlung des Chirurgen Dr. E. sowie der Neurologin und Psychiaterin F., die hierüber den Bericht vom 4. März 2008 erstattete. Am 7. April 2008 wurde der Kläger wieder arbeitsfähig.
Der Radiologe Dr. G. fertigte das HWS-MRT vom 30. Oktober 2007 sowie das MRT der Brustwirbelsäule (BWS) vom 5. Dezember 2007. Die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt (BGU), wo der Kläger neurochirurgisch behandelt worden war, erstattete den Bericht vom 21. November 2007. Sie diagnostizierte ein lokales Schmerzsyndrom und eine muskuläre Dysbalance bei Zustand nach Distorsion von HWS und BWS sowie eine ausgeprägte unfallunabhängig bestehende Osteochondrosis intervertebralis in Höhe Halswirbelkörper 5/6 und 6/7. Die Röntgenbefunde des Dr. G. belegten keine posttraumatischen Folgeverletzungen, so dass der Arbeitsunfall ein durch degenerative Veränderungen deutlich vorgeschädigtes Organ betroffen habe mit der Folge, dass eine Ausheilzeit von drei bis vier Wochen erwartet werden könne. Der Kläger wurde sodann vom 14. Januar bis 12. Februar 2008 in der BGU stationär behandelt, worüber die Klinik am 14. Februar 2008 berichtet hat. Bei den behandelten und fortdauernden Beschwerden habe es sich um die Folge der unfallunabhängigen Osteochondrosis intervertebralis an der unteren HWS gehandelt. Mit Abschluss des Heilverfahrens sei mit Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zu rechnen. Im Rahmen des stationären Aufenthaltes wurde der Kläger in der Klinik auch psychologisch betreut, worüber die Dipl.-Psychologin H. den Bericht vom 25. März 2008 gefertigt hat. Der Kläger habe während des stationären Aufenthaltes keinerlei psychische Beschwerden geltend gemacht. Die psychische Situation wurde als unauffällig bezeichnet. Es hätten sich weder in den Fragebogenverfahren Auffälligkeiten ergeben, die die aktuelle Schmerzsituation erklären könnten, noch hätten sich Hinweise für eine mangelnde Authentizität der Beschwerden ergeben.
Die Beklagte zog des Weiteren das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägers von der AOK Hessen bei sowie die polizeiliche Unfallakte vom Regierungspräsidium Kassel (Polizeidirektion C-Stadt). Sodann holte sie das unfallchirurgische Gutachten des Prof. J. vom 2. Mai 2008 ein, das dieser aufgrund einer Untersuchung des Klägers vom 14. April 2008 erstattete. Unfallbedingt sei von einer schweren muskulären Dysbalance nach Distorsion von HWS und BWS auszugehen, ggf. auch im Rahmen einer Aktivierung vorbestehender Veränderungen im HWS-Bereich durch den Arbeitsunfall. Nach Beendigung der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit sei die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 10 v.H. zu bemessen. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 17. Dezember 2008 nach nochmaliger Untersuchung des Klägers am 12. Dezember 2008 wiederholte Prof. J. die Diagnose degenerativer Veränderungen im Bereich von HWS und BWS verbunden mit ausgeprägten Bewegungseinschränkungen in beiden Wirbelsäulenbereichen. Die Beschwerden ließen sich als Folge unfallunabhängiger Erkrankungen des Klägers erklären. Infolge der HWS-Distorsion sei eine Aktivierung der durch MRT bestätigten degenerativen HWS- und BWS-Veränderungen anzunehmen. Das Unfallereignis stelle keine Gelegenheitsursache dar, da der Kläger vorher beschwerdefrei gewesen sei und da sich die Beschwerden letzten Endes nicht allein durch die radiologischen Veränderungen erklären ließen. Es sei vielmehr von einer richtungweisenden Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens auszugehen, die ab 12. April 2008 mit einer MdE von 10 v.H. eingeschätzt werde. Hierzu hörte die Beklagte den beratenden Chirurgen Dr. K., der mit Stellungnahme vom 26. Januar 2009 ausführte, der Kläger habe unfallbedingt eine Distorsion von HWS und BWS erlitten bei ausgeprägten vorbestehenden degenerativen Veränderungen am Achsenorgan. Von einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit sei bis zum 7. April 2008 auszugehen und die anschließend einzuschätzende MdE betrage weniger als 10 v.H.
Mit Bescheid vom 18. Februar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2009 erkannte die Beklagte daraufhin den Unfall des Klägers vom 11. Oktober 2007 als Arbeitsunfall an und lehnte die Zahlung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Der Unfall habe zu einer mittlerweile ausgeheilten Zerrung von HWS und BWS geführt mit vorübergehender unfallbedingter Verschlimmerung der unfallunabhängigen Beschwerden in diesem Bereich. Die unfallbedingt aufgetretene Brustkorbprellung links sei ebenfalls folgenlos ausgeheilt. Unabhängig vom Arbeitsunfall lägen folgende Gesundheitsschäden vor: ausgeprägte verschleißbedingte Veränderungen im Bereich der unteren Halswirbelsäule (Osteochondrosis intervertebralis C5/6 und C6/7, vorbestehende Protrusionen im Bereich C5/6 und C6/7, eine Uncarthrose sowie eine Foramenstenose) und mittleren Brustwirbelsäule (spondylophytäre Anbauten linksseitig im Segment Th7/8 und Th8/9), Degeneration des Sternoclaviculargelenkes.
Dagegen hat der Kläger am 18. Mai 2009 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben und sämtliche Beschwerden im Bereich von Brust- und Halswirbelsäule als Folge des Arbeitsunfalles geltend gemacht. Er könne seinen Kopf nicht drehen, habe Beschwerden beim Ein- und Ausatmen und ein ständiges Taubheitsgefühl im kleinen Finger sowie im Ringfinger der linken Hand. Zudem komme es zu Schlafstörungen. Im Kammertermin vom 9. Oktober 2012 hat er geäußert, seine Schmerzen seien seit dem Arbeitsunfall immer schlimmer geworden.
Das Sozialgericht hat von Amts wegen das Gutachten des Orthopäden und Chirurgen Dr. L. vom 29. Juli 2009 eingeholt, der beim Kläger eine Cervicobrachialgie mit radikulärer Ausstrahlung, eine Wirbelsäulenfehlhaltung sowie degenerative Veränderungen der HWS mit Funktionseinschränkungen diagnostiziert hat, zudem eine Dorsalgie bei degenerativen Veränderungen. Dabei handele es sich insgesamt um unfallunabhängige Erkrankungen. Denn es seien keine objektiven Veränderungen weder im Röntgenbild noch im Kernspin nachgewiesen, die auf den Unfall zurückgeführt werden könnten. Stattdessen ergäben die Bilder deutliche degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelkörper 5 bis 7. Das MRT der HWS vom 31. Oktober 2007 zeige keine Unfallverletzungen wie Bänderrisse oder Blutergüsse. Es seien nicht einmal Blutungen im MRT nachweisbar. Der Kläger habe sicher Beschwerden und Einschränkungen, die aber nicht auf den Unfall zurückgeführt werden könnten. Die möglicherweise vor dem Unfall noch nicht bestehenden HWS-Beschwerden seien durch den Unfall ausgelöst worden, nicht aber ursächlich - auch nicht teilursächlich - auf diesen zurückzuführen. Es sei schicksalhaft, dass es bei so schweren degenerativen Veränderungen zu Beschwerden komme. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sei beim Kläger bis 7. April 2008 anzunehmen. Die unfallbedingte MdE betrage seitdem 0 v.H.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 9. Oktober 2012 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, da die bei ihm fortdauernden Beschwerden im Bereich von HWS und BWS nicht mit Wahrscheinlichkeit durch Einwirkungen des Arbeitsunfalles verursacht seien, wobei das Sozialgericht dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. L. folge und nicht dem Gutachten des Prof. J. aus dem Verwaltungsverfahren. Die bildgebenden Befunde des Dr. G. hätten keine Anhaltspunkte für knöcherne Verletzungen im Bereich der HWS oder der BWS ergeben. Auch traumatisch bedingte Bandscheibenvorfälle oder ein sogenanntes bone bruise hätten sich nicht gezeigt. Dasselbe gelte für die von Prof. J. erstellten Röntgenbilder. Die von Prof. J. für möglich gehaltenen Verletzungen des Bandapparates seien nicht – wie erforderlich – im Vollbeweis nachgewiesen und dürften entgegen Prof. J. nicht als Anknüpfungspunkt für Kausalüberlegungen herhalten. Zudem sei das zeitliche Auftreten der Beschwerden beim Kläger erst 24 Stunden nach dem Unfall und eine seitdem andauernde und wachsende Verschlimmerung der Beschwerden untypisch für unfallbedingte Schäden. Demgegenüber bildeten die degenerativen HWS-Veränderungen mit Impression des Duralsackes eine hinreichende Erklärungsursache für die Beschwerden des Klägers, sodass letztlich dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. L. zu folgen sei. Die vom Kläger als unfallbedingt geltend gemachten Augenbeschwerden seien durch augenärztliche Untersuchungen nicht bestätigt worden.
Gegen das ihm am 16. Oktober 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. November 2012 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung hat er sich auf das Gutachten des Prof. J. und dessen ergänzende Stellungnahme im Verwaltungsverfahren bezogen, woraus der Unfallzusammenhang der Beschwerden herzuleiten sei. Demgegenüber lasse der gerichtliche Sachverständige Dr. L. eine Auseinandersetzung mit den Argumenten des Prof. J. vermissen und sein Gutachten sei letztlich abzulehnen. Zudem sieht der Kläger eine somatoforme Schmerzstörung als weitere Folge des Arbeitsunfalles.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 18. Februar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2009 zu verurteilen, ihm Rente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Zur Frage der Anerkennung einer somatoformen Schmerzstörung als Folge des Arbeitsunfalles hat sie die beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Prof. M. vom 1. Juni 2015 vorgelegt. Prof. M. konnte keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass das Erleben des Unfallereignisses zu einer psychischen Erkrankung des Klägers geführt habe, auch psychische Folgeleiden aufgrund unfallbedingter körperlicher Schäden seien zu verneinen.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers die ergänzenden Stellungnahmen des Prof. J. vom 16. Februar 2014 und 21. Juli 2014 eingeholt. Prof. J. hat darin mitgeteilt, die Kernspinbefunde des Dr. G. würden Traumafolgen nicht nachweisen, würden derartige Folgen im Bereich der Bänder aber auch nicht ausschließen. Die Beschwerdeentwicklung beim Kläger mit zeitlicher Latenz zum Unfallereignis, die sich zunehmend darstelle, sei typisch für eine HWS-Distorsion. Degenerative HWS-Veränderungen mit Foramenstenose kämen als mögliche Beschwerdeursache allerdings ebenfalls in Betracht. Die MdE für die unfallbedingt anzunehmende Verschlimmerung der HWS-Vorerkrankung sei mit 10 v.H. einzuschätzen. Zu dieser Auffassung ist Prof. J. unter Auswertung der in den Akten enthaltenen Befunde gelangt, wobei er eine weitere Untersuchung des Klägers nicht für nötig gehalten hat.
Auf Antrag des Klägers sind sodann zwei weitere Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholt worden: Das fachorthopädische Gutachten des Dr. N. vom 6. März 2015 sowie das psychiatrisch-psychotherapeutische und psychologische Gutachten des Prof. O. vom 29. Januar 2006, das dieser in Zusammenarbeit mit der Dipl.-Psychologin P. erstattet hatte. Dr. N. diagnostizierte eine Zervikobrachialgie und Dorsalgie beim Kläger bei Zustand nach HWS-Distorsion. In Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. L. und entgegen Prof. J. bestünden beim Kläger seit Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 7. April 2008 keine Folgen des Arbeitsunfalles fort. Auf den unfallnah angefertigten Kernspinaufnahmen der HWS und BWS zeigten sich keine unfallbedingten Verletzungen. Der Kläger habe sich eine HWS-Distorsion vom Grad I nach Erdmann zugezogen, wobei es sich um eine Bagatellverletzung handele, die normalerweise nach sechs bis acht Wochen folgenlos ausgeheile. Die darüber hinaus lang anhaltenden Dauerschmerzen an HWS und BWS ließen sich nicht auf orthopädischem Fachgebiet begründen. Eine Zerrung führe normalerweise zu einem langsam abklingenden Befund und nicht zu einer persistierenden Schmerzsymptomatik. Soweit Prof. J. die fortbestehenden Restbeschwerden des Klägers als unfallbedingt werte und mit einer MdE von 10 v.H. auf Dauer bewerte, entbehre dies jeglicher Grundlage, da ein unfallbedingter Erstschaden nicht nachgewiesen sei. Das Gutachten des Prof. J. leide daher an erheblichen Mängeln, so dass er sich dem Gutachten des Dr. L. im Wesentlichen anschließe. Prof. O. und die Dipl.-Psychologin P. gelangten aufgrund ihrer fachpsychiatrischen und psychologischen Untersuchungen des Klägers vom 20./21. Januar 2016 zur Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD 10: F 45.4). Entgegen der Auffassung des Klägers habe diese somatoforme Schmerzstörung nicht bereits im Jahre 2008 vorgelegen. Denn die fachmedizinischen Befunde der Dipl.-Psychologin H. belegten ein derartiges Krankheitsbild zum damaligen Zeitpunkt nicht. Ein zeitlicher und ein ursächlicher Zusammenhang ihrer Diagnose mit dem Arbeitsunfall lasse sich danach nicht herstellen.
Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 17. Mai und 2. Juni 2016 zu einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG angehört worden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagte Bezug genommen, die Gegenstand des Verfahrens gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat über die zulässige Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entschieden, weil er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat, nachdem er die Beteiligten mit Schreiben vom 17. Mai und 2. Juni 2016 auf die Möglichkeit dieser Verfahrensweise hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Denn Sozialgericht und Beklagte haben Dauerfolgen des Arbeitsunfalles vom 11. Januar 2007 zu Recht verneint und einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zutreffend abgelehnt. Denn beim Kläger ist eine durch den Arbeitsunfall bedingte MdE nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit im April 2008 nicht verblieben.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Als Versicherungsfall ist beim Kläger der Verkehrsunfall vom 11. Oktober 2007 als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII von der Beklagten im Bescheid vom 18. Februar 2009 anerkannt worden. Dabei handelt es sich nicht um einen Wegeunfall im Sinne des Absatzes 2 der Bestimmung, da der Kläger nicht auf dem Hin- und Rückweg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sondern auf einer Dienstfahrt mit dem Pkw des Arbeitgebers verunglückt ist. Die Höhe der aus einem Versicherungsfall "Arbeitsunfall" resultierenden MdE ergibt sich aus den anzuerkennenden Unfallfolgen und deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten.
Nach den im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsätzen für die an die richterliche Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen ist es erforderlich, die entscheidungserheblichen Tatsachen mit einem der Gewissheit nahe kommenden Grad der Wahrscheinlichkeit festzustellen (BSGE 7, 103, 106; BSG in SozR 2200 Nr. 38 zu § 548 RVO). Geringere Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Gerichts sind ausnahmsweise beim ursächlichen Zusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einem Arbeitsunfall deshalb zugelassen, weil letzterer zu den Tatsachen gehört, für die ein strenger Beweis wie vorstehend kaum zu führen sein wird. Ausreichend ist daher, dass lediglich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Kausalität bestehen muss, die zur Feststellung eines Leidens als Unfallfolge voraussetzt, dass bei sachgemäßer Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechender Umstände nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (BSG in SozR Nr. 20 zu § 542 RVO a.F.). Der ursächliche Zusammenhang ist allerdings nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSGE 60, 58, 59). Dabei trägt im Rahmen der im sozialgerichtlichen Verfahren zu beachtenden objektiven Beweislast jeder die Beweislast für die Tatsachen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (Keller in: Meyer-Ladewig, a.a.O., Anm. 19a zu § 103 SGG), also der Kläger für das Bestehen des streitigen Ursachenzusammenhangs für die als Unfallfolgen geltend gemachten Erkrankungen.
Das Sozialgericht hat bei zutreffender Anwendung der in der gesetzlichen Unfallversicherung zur Beurteilung von Kausalitätsfragen anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung unter Würdigung der im Verwaltungsverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten des Prof. J. und des Dr. L. im Ergebnis richtig und in der Begründung überzeugend festgestellt, dass die Schulter- und Rückenbeschwerden des Klägers nicht mit Wahrscheinlichkeit durch Einwirkungen des Arbeitsunfalles vom 11. Oktober 2007 verursacht sind und dass vom Kläger beklagte Augenschmerzen schon deswegen nicht als Folgen des Arbeitsunfalles anerkannt werden können, da es an einer dahingehenden augenärztlichen Krankheitsdiagnose fehlt. Dabei ist das Sozialgericht in Übereinstimmung mit der Beklagten davon ausgegangen, dass die unfallbedingte Zerrung der HWS und der BWS sowie die Brustkorbprellung nur vorübergehende Beschwerden verursacht haben und keine rentenberechtigende MdE von zumindest 20 v.H. über die 26. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus verursachen. Der Senat macht sich insofern zur Vermeidung von Wiederholungen die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung zu Eigen und verweist auf dieselben (§ 153 Abs. 2 SGG), denen er vollumfänglich folgt.
Die ergänzenden Ermittlungen im Berufungsverfahren haben die erstinstanzliche Entscheidung insoweit voll inhaltlich bestätigt. Denn auch der Orthopäde Dr. N. hat als vom Kläger gemäß § 109 SGG bestimmter Sachverständiger im Gutachten vom 6. März 2015 dessen Zervikobrachialgie und Dorsalgie nach durch Arbeitsunfall bedingter HWS-Distorsion – in Übereinstimmung mit Dr. L. und entgegen Prof. J. – als degenerativ bedingte Erkrankungsbilder gewertet, die spätestens mit Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit des Klägers am 7. April 2008 eine arbeitsunfallbedingte MdE nicht mehr rechtfertigen. Die dauerhaften Schulter- und Nackenbeschwerden des Klägers sind auch Dr. N. zufolge nicht mit überwiegenden medizinischen Gründen den Einwirkungen des Arbeitsunfalles auf den Schulter- und Nackenbereich sowie den Brustkorb des Klägers zuzurechnen.
Die im Beschwerdeverfahren eingeholten ergänzenden Stellungnahmen des Prof. J. vom 16. Februar und 21. Juli 2014 erlauben keine abweichende Entscheidung. Denn Prof. J. hat bestätigt, dass die Kernspinbefunde des Dr. G. vom 30. Oktober und 5. Dezember 2007 Traumafolgen im Bereich von BWS und HWS nicht beweisen und dass die beim Kläger unstreitig bestehenden degenerativen HWS-Veränderungen mit Foramenstenose als Ursache seiner Beschwerden im Bereich des Nackens- und der Schultern in Betracht kommen, so dass die von Prof. J. weiterhin befürwortete dauerhafte Verschlimmerung eines vorbestehenden degenerativ bedingten HWS-Leidens mit den gerichtlichen Sachverständigen Drs. L. und N. abzulehnen ist. Im Übrigen hat auch Prof. J. eine rentenberechtigende MdE für die von ihm als unfallbedingt angenommene Verschlimmerung der Vorerkrankungen nicht angenommen, da er den unfallbedingten Verschlimmerungsanteilen mit einer MdE von nur 10 v.H. bewertet hat.
Das Rentenbegehren des Klägers lässt sich auch nicht auf die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung auf psychischem Gebiet als Folge des Arbeitsunfalles stützen. Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund einer daraus resultierenden MdE ist zunächst die Feststellung einer derartigen konkreten Gesundheitsstörung, die bei dem Verletzten vorliegt und seine Erwerbsfähigkeit mindert (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05 R, juris, Rdnr. 12, 22). Hierbei muss die Unfallfolge im Sinne des Vollbeweises feststehen. Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung in Folge eines Versicherungsfalles muss ferner zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten Unfallfolgen entweder mittels eines Gesundheitserstschadens oder direkt ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05, R, juris, Rdnr. 12). Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis, wonach jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, dass nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf einer zweiten Prüfungsstufe ist die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05, R, juris, Rdnr. 13). Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen naturwissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen, was die Prüfung einschließt, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006-B 2 U 1/05, R-juris Rdnr. 17 sowie ständige Rechtsprechung des Senats – zuletzt Urteil vom 25. August 2015 – L 3 U 239/10 – juris).
Der Kläger leidet an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (F 45.4. nach ICD 10), wie die fachpsychiatrische und die psychologische Untersuchung des Klägers anlässlich des nach § 109 SGG erstatteten Gutachtens des Prof. O. vom 29. Januar 2016 mit ergänzender Stellungnahme vom 9. Mai 2016 ergeben hat. Auch Prof. M. hatte diese Diagnose in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 1. Juni 2015 nach Auswertung der in den Akten enthaltenen fachpsychiatrischen und psychologischen Befunden für berechtigt gehalten.
Die damit zweifelsfrei nachgewiesene psychische Erkrankung des Klägers ist allerdings weder direkt durch den Arbeitsunfall vom 11. Oktober 2007 noch durch den unfallbedingt erlittenen Gesundheitsschaden rechtlich wesentlich verursacht, wie Prof. M. und Prof. O. im Ergebnis übereinstimmend zur Überzeugung des Senats ausgeführt haben. Arbeitsunfallbedingte Schmerzeinflüsse auf die Psyche des Klägers waren spätestens mit Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 7. April 2008 nicht mehr vorhanden und die Dipl.-Psychologin H. hatte anlässlich ihrer Untersuchung des Klägers gemäß Bericht vom 25. März 2008 keine Befunde erhoben, die auf das Bestehen einer somatoformen Schmerzstörung bereits im März 2008 hätten hinweisen können. Dies hat Prof. O. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 9. Mai 2016 nochmals im Detail unter Auswertung der damals fachpsychiatrisch erhobenen Befunde erläutert. Damit hat er die Argumentation der Klägerseite widerlegt, wonach bereits im März 2008 die Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung zu stellen gewesen sei.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist mit Prof. M. und Prof. O. festzustellen, dass eine Schmerzstörung, die sich erst nach dem Ende arbeitsunfallbedingter Schmerzen nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zeigt, eine vom Arbeitsunfall unabhängige und damit nicht kausal auf den Arbeitsunfall zurückzuführende Erkrankung darstellt, was nicht zuletzt Prof. M. klargestellt hat mit den Worten:
"Aber auch hier gilt, dass eine Somatisierungsstörung im Sinne einer misslungenen Anpassung an körperliche Unfallfolgen eben nur dann in Zusammenhang mit dem Unfallereignis anzuerkennen wäre, wenn tatsächlich anhaltende schwerere körperliche Unfallfolgen vorlägen. Wenn dies nicht der Fall ist und die Symptomatik bei Weitem überwiegend schicksalhaften degenerativen Wirbelsäulenveränderungen zuzurechnen ist, dann ist die Somatisierungsstörung gleichermaßen schicksalhaft beziehungsweise liegt in der Persönlichkeit des Betreffenden verankert."
Dem ist nichts hinzuzufügen, so dass die erstinstanzliche Entscheidung zu bestätigen und die dagegen gerichtete Berufung zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger streitet um die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung sowie um Anerkennung weiterer Folgen eines Arbeitsunfalles.
Der 1958 geborene Kläger war als Physiotherapeut bei der C. in Stadt und Kreis C-Stadt e.V. beschäftigt. Laut Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 20. November 2007 erlitt der Kläger am 11. Oktober 2007 im Stadtgebiet C-Stadt auf einer Dienstfahrt einen Verkehrsunfall mit einem VW Polo des Arbeitgebers. Ein anderer Pkw fuhr ihm in die rechte Seite, wodurch sich sein Pkw um 180 Grad drehte und mit dem Heck gegen ein Straßenschild prallte. Nach dem Durchgangsarztbericht des Chirurgen Dr. D. vom 11. Oktober 2007 erlitt der Kläger eine Distorsion (Zerrung) der Halswirbelsäule (HWS) sowie eine Prellung des Brustkorbes. Röntgenbilder des Brustkorbes und der HWS zeigten keine knöchernen Verletzungen bei Bestehen einer HWS-Steilstellung. Degenerative Veränderungen bestanden an der unteren HWS.
Der Kläger verblieb in Heilbehandlung des Dr. D. wegen fortdauernder Beschwerden im Bereich von HWS und Nacken, weswegen er Fango und Krankengymnastik erhielt. Ab Dezember 2007 trat er in die Mitbehandlung des Chirurgen Dr. E. sowie der Neurologin und Psychiaterin F., die hierüber den Bericht vom 4. März 2008 erstattete. Am 7. April 2008 wurde der Kläger wieder arbeitsfähig.
Der Radiologe Dr. G. fertigte das HWS-MRT vom 30. Oktober 2007 sowie das MRT der Brustwirbelsäule (BWS) vom 5. Dezember 2007. Die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt (BGU), wo der Kläger neurochirurgisch behandelt worden war, erstattete den Bericht vom 21. November 2007. Sie diagnostizierte ein lokales Schmerzsyndrom und eine muskuläre Dysbalance bei Zustand nach Distorsion von HWS und BWS sowie eine ausgeprägte unfallunabhängig bestehende Osteochondrosis intervertebralis in Höhe Halswirbelkörper 5/6 und 6/7. Die Röntgenbefunde des Dr. G. belegten keine posttraumatischen Folgeverletzungen, so dass der Arbeitsunfall ein durch degenerative Veränderungen deutlich vorgeschädigtes Organ betroffen habe mit der Folge, dass eine Ausheilzeit von drei bis vier Wochen erwartet werden könne. Der Kläger wurde sodann vom 14. Januar bis 12. Februar 2008 in der BGU stationär behandelt, worüber die Klinik am 14. Februar 2008 berichtet hat. Bei den behandelten und fortdauernden Beschwerden habe es sich um die Folge der unfallunabhängigen Osteochondrosis intervertebralis an der unteren HWS gehandelt. Mit Abschluss des Heilverfahrens sei mit Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zu rechnen. Im Rahmen des stationären Aufenthaltes wurde der Kläger in der Klinik auch psychologisch betreut, worüber die Dipl.-Psychologin H. den Bericht vom 25. März 2008 gefertigt hat. Der Kläger habe während des stationären Aufenthaltes keinerlei psychische Beschwerden geltend gemacht. Die psychische Situation wurde als unauffällig bezeichnet. Es hätten sich weder in den Fragebogenverfahren Auffälligkeiten ergeben, die die aktuelle Schmerzsituation erklären könnten, noch hätten sich Hinweise für eine mangelnde Authentizität der Beschwerden ergeben.
Die Beklagte zog des Weiteren das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägers von der AOK Hessen bei sowie die polizeiliche Unfallakte vom Regierungspräsidium Kassel (Polizeidirektion C-Stadt). Sodann holte sie das unfallchirurgische Gutachten des Prof. J. vom 2. Mai 2008 ein, das dieser aufgrund einer Untersuchung des Klägers vom 14. April 2008 erstattete. Unfallbedingt sei von einer schweren muskulären Dysbalance nach Distorsion von HWS und BWS auszugehen, ggf. auch im Rahmen einer Aktivierung vorbestehender Veränderungen im HWS-Bereich durch den Arbeitsunfall. Nach Beendigung der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit sei die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 10 v.H. zu bemessen. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 17. Dezember 2008 nach nochmaliger Untersuchung des Klägers am 12. Dezember 2008 wiederholte Prof. J. die Diagnose degenerativer Veränderungen im Bereich von HWS und BWS verbunden mit ausgeprägten Bewegungseinschränkungen in beiden Wirbelsäulenbereichen. Die Beschwerden ließen sich als Folge unfallunabhängiger Erkrankungen des Klägers erklären. Infolge der HWS-Distorsion sei eine Aktivierung der durch MRT bestätigten degenerativen HWS- und BWS-Veränderungen anzunehmen. Das Unfallereignis stelle keine Gelegenheitsursache dar, da der Kläger vorher beschwerdefrei gewesen sei und da sich die Beschwerden letzten Endes nicht allein durch die radiologischen Veränderungen erklären ließen. Es sei vielmehr von einer richtungweisenden Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens auszugehen, die ab 12. April 2008 mit einer MdE von 10 v.H. eingeschätzt werde. Hierzu hörte die Beklagte den beratenden Chirurgen Dr. K., der mit Stellungnahme vom 26. Januar 2009 ausführte, der Kläger habe unfallbedingt eine Distorsion von HWS und BWS erlitten bei ausgeprägten vorbestehenden degenerativen Veränderungen am Achsenorgan. Von einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit sei bis zum 7. April 2008 auszugehen und die anschließend einzuschätzende MdE betrage weniger als 10 v.H.
Mit Bescheid vom 18. Februar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2009 erkannte die Beklagte daraufhin den Unfall des Klägers vom 11. Oktober 2007 als Arbeitsunfall an und lehnte die Zahlung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Der Unfall habe zu einer mittlerweile ausgeheilten Zerrung von HWS und BWS geführt mit vorübergehender unfallbedingter Verschlimmerung der unfallunabhängigen Beschwerden in diesem Bereich. Die unfallbedingt aufgetretene Brustkorbprellung links sei ebenfalls folgenlos ausgeheilt. Unabhängig vom Arbeitsunfall lägen folgende Gesundheitsschäden vor: ausgeprägte verschleißbedingte Veränderungen im Bereich der unteren Halswirbelsäule (Osteochondrosis intervertebralis C5/6 und C6/7, vorbestehende Protrusionen im Bereich C5/6 und C6/7, eine Uncarthrose sowie eine Foramenstenose) und mittleren Brustwirbelsäule (spondylophytäre Anbauten linksseitig im Segment Th7/8 und Th8/9), Degeneration des Sternoclaviculargelenkes.
Dagegen hat der Kläger am 18. Mai 2009 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben und sämtliche Beschwerden im Bereich von Brust- und Halswirbelsäule als Folge des Arbeitsunfalles geltend gemacht. Er könne seinen Kopf nicht drehen, habe Beschwerden beim Ein- und Ausatmen und ein ständiges Taubheitsgefühl im kleinen Finger sowie im Ringfinger der linken Hand. Zudem komme es zu Schlafstörungen. Im Kammertermin vom 9. Oktober 2012 hat er geäußert, seine Schmerzen seien seit dem Arbeitsunfall immer schlimmer geworden.
Das Sozialgericht hat von Amts wegen das Gutachten des Orthopäden und Chirurgen Dr. L. vom 29. Juli 2009 eingeholt, der beim Kläger eine Cervicobrachialgie mit radikulärer Ausstrahlung, eine Wirbelsäulenfehlhaltung sowie degenerative Veränderungen der HWS mit Funktionseinschränkungen diagnostiziert hat, zudem eine Dorsalgie bei degenerativen Veränderungen. Dabei handele es sich insgesamt um unfallunabhängige Erkrankungen. Denn es seien keine objektiven Veränderungen weder im Röntgenbild noch im Kernspin nachgewiesen, die auf den Unfall zurückgeführt werden könnten. Stattdessen ergäben die Bilder deutliche degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelkörper 5 bis 7. Das MRT der HWS vom 31. Oktober 2007 zeige keine Unfallverletzungen wie Bänderrisse oder Blutergüsse. Es seien nicht einmal Blutungen im MRT nachweisbar. Der Kläger habe sicher Beschwerden und Einschränkungen, die aber nicht auf den Unfall zurückgeführt werden könnten. Die möglicherweise vor dem Unfall noch nicht bestehenden HWS-Beschwerden seien durch den Unfall ausgelöst worden, nicht aber ursächlich - auch nicht teilursächlich - auf diesen zurückzuführen. Es sei schicksalhaft, dass es bei so schweren degenerativen Veränderungen zu Beschwerden komme. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sei beim Kläger bis 7. April 2008 anzunehmen. Die unfallbedingte MdE betrage seitdem 0 v.H.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 9. Oktober 2012 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, da die bei ihm fortdauernden Beschwerden im Bereich von HWS und BWS nicht mit Wahrscheinlichkeit durch Einwirkungen des Arbeitsunfalles verursacht seien, wobei das Sozialgericht dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. L. folge und nicht dem Gutachten des Prof. J. aus dem Verwaltungsverfahren. Die bildgebenden Befunde des Dr. G. hätten keine Anhaltspunkte für knöcherne Verletzungen im Bereich der HWS oder der BWS ergeben. Auch traumatisch bedingte Bandscheibenvorfälle oder ein sogenanntes bone bruise hätten sich nicht gezeigt. Dasselbe gelte für die von Prof. J. erstellten Röntgenbilder. Die von Prof. J. für möglich gehaltenen Verletzungen des Bandapparates seien nicht – wie erforderlich – im Vollbeweis nachgewiesen und dürften entgegen Prof. J. nicht als Anknüpfungspunkt für Kausalüberlegungen herhalten. Zudem sei das zeitliche Auftreten der Beschwerden beim Kläger erst 24 Stunden nach dem Unfall und eine seitdem andauernde und wachsende Verschlimmerung der Beschwerden untypisch für unfallbedingte Schäden. Demgegenüber bildeten die degenerativen HWS-Veränderungen mit Impression des Duralsackes eine hinreichende Erklärungsursache für die Beschwerden des Klägers, sodass letztlich dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. L. zu folgen sei. Die vom Kläger als unfallbedingt geltend gemachten Augenbeschwerden seien durch augenärztliche Untersuchungen nicht bestätigt worden.
Gegen das ihm am 16. Oktober 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. November 2012 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung hat er sich auf das Gutachten des Prof. J. und dessen ergänzende Stellungnahme im Verwaltungsverfahren bezogen, woraus der Unfallzusammenhang der Beschwerden herzuleiten sei. Demgegenüber lasse der gerichtliche Sachverständige Dr. L. eine Auseinandersetzung mit den Argumenten des Prof. J. vermissen und sein Gutachten sei letztlich abzulehnen. Zudem sieht der Kläger eine somatoforme Schmerzstörung als weitere Folge des Arbeitsunfalles.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 18. Februar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2009 zu verurteilen, ihm Rente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Zur Frage der Anerkennung einer somatoformen Schmerzstörung als Folge des Arbeitsunfalles hat sie die beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Prof. M. vom 1. Juni 2015 vorgelegt. Prof. M. konnte keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass das Erleben des Unfallereignisses zu einer psychischen Erkrankung des Klägers geführt habe, auch psychische Folgeleiden aufgrund unfallbedingter körperlicher Schäden seien zu verneinen.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers die ergänzenden Stellungnahmen des Prof. J. vom 16. Februar 2014 und 21. Juli 2014 eingeholt. Prof. J. hat darin mitgeteilt, die Kernspinbefunde des Dr. G. würden Traumafolgen nicht nachweisen, würden derartige Folgen im Bereich der Bänder aber auch nicht ausschließen. Die Beschwerdeentwicklung beim Kläger mit zeitlicher Latenz zum Unfallereignis, die sich zunehmend darstelle, sei typisch für eine HWS-Distorsion. Degenerative HWS-Veränderungen mit Foramenstenose kämen als mögliche Beschwerdeursache allerdings ebenfalls in Betracht. Die MdE für die unfallbedingt anzunehmende Verschlimmerung der HWS-Vorerkrankung sei mit 10 v.H. einzuschätzen. Zu dieser Auffassung ist Prof. J. unter Auswertung der in den Akten enthaltenen Befunde gelangt, wobei er eine weitere Untersuchung des Klägers nicht für nötig gehalten hat.
Auf Antrag des Klägers sind sodann zwei weitere Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholt worden: Das fachorthopädische Gutachten des Dr. N. vom 6. März 2015 sowie das psychiatrisch-psychotherapeutische und psychologische Gutachten des Prof. O. vom 29. Januar 2006, das dieser in Zusammenarbeit mit der Dipl.-Psychologin P. erstattet hatte. Dr. N. diagnostizierte eine Zervikobrachialgie und Dorsalgie beim Kläger bei Zustand nach HWS-Distorsion. In Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. L. und entgegen Prof. J. bestünden beim Kläger seit Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 7. April 2008 keine Folgen des Arbeitsunfalles fort. Auf den unfallnah angefertigten Kernspinaufnahmen der HWS und BWS zeigten sich keine unfallbedingten Verletzungen. Der Kläger habe sich eine HWS-Distorsion vom Grad I nach Erdmann zugezogen, wobei es sich um eine Bagatellverletzung handele, die normalerweise nach sechs bis acht Wochen folgenlos ausgeheile. Die darüber hinaus lang anhaltenden Dauerschmerzen an HWS und BWS ließen sich nicht auf orthopädischem Fachgebiet begründen. Eine Zerrung führe normalerweise zu einem langsam abklingenden Befund und nicht zu einer persistierenden Schmerzsymptomatik. Soweit Prof. J. die fortbestehenden Restbeschwerden des Klägers als unfallbedingt werte und mit einer MdE von 10 v.H. auf Dauer bewerte, entbehre dies jeglicher Grundlage, da ein unfallbedingter Erstschaden nicht nachgewiesen sei. Das Gutachten des Prof. J. leide daher an erheblichen Mängeln, so dass er sich dem Gutachten des Dr. L. im Wesentlichen anschließe. Prof. O. und die Dipl.-Psychologin P. gelangten aufgrund ihrer fachpsychiatrischen und psychologischen Untersuchungen des Klägers vom 20./21. Januar 2016 zur Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD 10: F 45.4). Entgegen der Auffassung des Klägers habe diese somatoforme Schmerzstörung nicht bereits im Jahre 2008 vorgelegen. Denn die fachmedizinischen Befunde der Dipl.-Psychologin H. belegten ein derartiges Krankheitsbild zum damaligen Zeitpunkt nicht. Ein zeitlicher und ein ursächlicher Zusammenhang ihrer Diagnose mit dem Arbeitsunfall lasse sich danach nicht herstellen.
Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 17. Mai und 2. Juni 2016 zu einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG angehört worden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagte Bezug genommen, die Gegenstand des Verfahrens gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat über die zulässige Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entschieden, weil er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat, nachdem er die Beteiligten mit Schreiben vom 17. Mai und 2. Juni 2016 auf die Möglichkeit dieser Verfahrensweise hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Denn Sozialgericht und Beklagte haben Dauerfolgen des Arbeitsunfalles vom 11. Januar 2007 zu Recht verneint und einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zutreffend abgelehnt. Denn beim Kläger ist eine durch den Arbeitsunfall bedingte MdE nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit im April 2008 nicht verblieben.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Als Versicherungsfall ist beim Kläger der Verkehrsunfall vom 11. Oktober 2007 als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII von der Beklagten im Bescheid vom 18. Februar 2009 anerkannt worden. Dabei handelt es sich nicht um einen Wegeunfall im Sinne des Absatzes 2 der Bestimmung, da der Kläger nicht auf dem Hin- und Rückweg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sondern auf einer Dienstfahrt mit dem Pkw des Arbeitgebers verunglückt ist. Die Höhe der aus einem Versicherungsfall "Arbeitsunfall" resultierenden MdE ergibt sich aus den anzuerkennenden Unfallfolgen und deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten.
Nach den im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsätzen für die an die richterliche Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen ist es erforderlich, die entscheidungserheblichen Tatsachen mit einem der Gewissheit nahe kommenden Grad der Wahrscheinlichkeit festzustellen (BSGE 7, 103, 106; BSG in SozR 2200 Nr. 38 zu § 548 RVO). Geringere Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Gerichts sind ausnahmsweise beim ursächlichen Zusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einem Arbeitsunfall deshalb zugelassen, weil letzterer zu den Tatsachen gehört, für die ein strenger Beweis wie vorstehend kaum zu führen sein wird. Ausreichend ist daher, dass lediglich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Kausalität bestehen muss, die zur Feststellung eines Leidens als Unfallfolge voraussetzt, dass bei sachgemäßer Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechender Umstände nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (BSG in SozR Nr. 20 zu § 542 RVO a.F.). Der ursächliche Zusammenhang ist allerdings nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSGE 60, 58, 59). Dabei trägt im Rahmen der im sozialgerichtlichen Verfahren zu beachtenden objektiven Beweislast jeder die Beweislast für die Tatsachen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (Keller in: Meyer-Ladewig, a.a.O., Anm. 19a zu § 103 SGG), also der Kläger für das Bestehen des streitigen Ursachenzusammenhangs für die als Unfallfolgen geltend gemachten Erkrankungen.
Das Sozialgericht hat bei zutreffender Anwendung der in der gesetzlichen Unfallversicherung zur Beurteilung von Kausalitätsfragen anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung unter Würdigung der im Verwaltungsverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten des Prof. J. und des Dr. L. im Ergebnis richtig und in der Begründung überzeugend festgestellt, dass die Schulter- und Rückenbeschwerden des Klägers nicht mit Wahrscheinlichkeit durch Einwirkungen des Arbeitsunfalles vom 11. Oktober 2007 verursacht sind und dass vom Kläger beklagte Augenschmerzen schon deswegen nicht als Folgen des Arbeitsunfalles anerkannt werden können, da es an einer dahingehenden augenärztlichen Krankheitsdiagnose fehlt. Dabei ist das Sozialgericht in Übereinstimmung mit der Beklagten davon ausgegangen, dass die unfallbedingte Zerrung der HWS und der BWS sowie die Brustkorbprellung nur vorübergehende Beschwerden verursacht haben und keine rentenberechtigende MdE von zumindest 20 v.H. über die 26. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus verursachen. Der Senat macht sich insofern zur Vermeidung von Wiederholungen die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung zu Eigen und verweist auf dieselben (§ 153 Abs. 2 SGG), denen er vollumfänglich folgt.
Die ergänzenden Ermittlungen im Berufungsverfahren haben die erstinstanzliche Entscheidung insoweit voll inhaltlich bestätigt. Denn auch der Orthopäde Dr. N. hat als vom Kläger gemäß § 109 SGG bestimmter Sachverständiger im Gutachten vom 6. März 2015 dessen Zervikobrachialgie und Dorsalgie nach durch Arbeitsunfall bedingter HWS-Distorsion – in Übereinstimmung mit Dr. L. und entgegen Prof. J. – als degenerativ bedingte Erkrankungsbilder gewertet, die spätestens mit Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit des Klägers am 7. April 2008 eine arbeitsunfallbedingte MdE nicht mehr rechtfertigen. Die dauerhaften Schulter- und Nackenbeschwerden des Klägers sind auch Dr. N. zufolge nicht mit überwiegenden medizinischen Gründen den Einwirkungen des Arbeitsunfalles auf den Schulter- und Nackenbereich sowie den Brustkorb des Klägers zuzurechnen.
Die im Beschwerdeverfahren eingeholten ergänzenden Stellungnahmen des Prof. J. vom 16. Februar und 21. Juli 2014 erlauben keine abweichende Entscheidung. Denn Prof. J. hat bestätigt, dass die Kernspinbefunde des Dr. G. vom 30. Oktober und 5. Dezember 2007 Traumafolgen im Bereich von BWS und HWS nicht beweisen und dass die beim Kläger unstreitig bestehenden degenerativen HWS-Veränderungen mit Foramenstenose als Ursache seiner Beschwerden im Bereich des Nackens- und der Schultern in Betracht kommen, so dass die von Prof. J. weiterhin befürwortete dauerhafte Verschlimmerung eines vorbestehenden degenerativ bedingten HWS-Leidens mit den gerichtlichen Sachverständigen Drs. L. und N. abzulehnen ist. Im Übrigen hat auch Prof. J. eine rentenberechtigende MdE für die von ihm als unfallbedingt angenommene Verschlimmerung der Vorerkrankungen nicht angenommen, da er den unfallbedingten Verschlimmerungsanteilen mit einer MdE von nur 10 v.H. bewertet hat.
Das Rentenbegehren des Klägers lässt sich auch nicht auf die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung auf psychischem Gebiet als Folge des Arbeitsunfalles stützen. Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund einer daraus resultierenden MdE ist zunächst die Feststellung einer derartigen konkreten Gesundheitsstörung, die bei dem Verletzten vorliegt und seine Erwerbsfähigkeit mindert (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05 R, juris, Rdnr. 12, 22). Hierbei muss die Unfallfolge im Sinne des Vollbeweises feststehen. Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung in Folge eines Versicherungsfalles muss ferner zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten Unfallfolgen entweder mittels eines Gesundheitserstschadens oder direkt ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05, R, juris, Rdnr. 12). Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis, wonach jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, dass nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf einer zweiten Prüfungsstufe ist die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05, R, juris, Rdnr. 13). Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen naturwissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen, was die Prüfung einschließt, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006-B 2 U 1/05, R-juris Rdnr. 17 sowie ständige Rechtsprechung des Senats – zuletzt Urteil vom 25. August 2015 – L 3 U 239/10 – juris).
Der Kläger leidet an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (F 45.4. nach ICD 10), wie die fachpsychiatrische und die psychologische Untersuchung des Klägers anlässlich des nach § 109 SGG erstatteten Gutachtens des Prof. O. vom 29. Januar 2016 mit ergänzender Stellungnahme vom 9. Mai 2016 ergeben hat. Auch Prof. M. hatte diese Diagnose in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 1. Juni 2015 nach Auswertung der in den Akten enthaltenen fachpsychiatrischen und psychologischen Befunden für berechtigt gehalten.
Die damit zweifelsfrei nachgewiesene psychische Erkrankung des Klägers ist allerdings weder direkt durch den Arbeitsunfall vom 11. Oktober 2007 noch durch den unfallbedingt erlittenen Gesundheitsschaden rechtlich wesentlich verursacht, wie Prof. M. und Prof. O. im Ergebnis übereinstimmend zur Überzeugung des Senats ausgeführt haben. Arbeitsunfallbedingte Schmerzeinflüsse auf die Psyche des Klägers waren spätestens mit Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 7. April 2008 nicht mehr vorhanden und die Dipl.-Psychologin H. hatte anlässlich ihrer Untersuchung des Klägers gemäß Bericht vom 25. März 2008 keine Befunde erhoben, die auf das Bestehen einer somatoformen Schmerzstörung bereits im März 2008 hätten hinweisen können. Dies hat Prof. O. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 9. Mai 2016 nochmals im Detail unter Auswertung der damals fachpsychiatrisch erhobenen Befunde erläutert. Damit hat er die Argumentation der Klägerseite widerlegt, wonach bereits im März 2008 die Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung zu stellen gewesen sei.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist mit Prof. M. und Prof. O. festzustellen, dass eine Schmerzstörung, die sich erst nach dem Ende arbeitsunfallbedingter Schmerzen nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zeigt, eine vom Arbeitsunfall unabhängige und damit nicht kausal auf den Arbeitsunfall zurückzuführende Erkrankung darstellt, was nicht zuletzt Prof. M. klargestellt hat mit den Worten:
"Aber auch hier gilt, dass eine Somatisierungsstörung im Sinne einer misslungenen Anpassung an körperliche Unfallfolgen eben nur dann in Zusammenhang mit dem Unfallereignis anzuerkennen wäre, wenn tatsächlich anhaltende schwerere körperliche Unfallfolgen vorlägen. Wenn dies nicht der Fall ist und die Symptomatik bei Weitem überwiegend schicksalhaften degenerativen Wirbelsäulenveränderungen zuzurechnen ist, dann ist die Somatisierungsstörung gleichermaßen schicksalhaft beziehungsweise liegt in der Persönlichkeit des Betreffenden verankert."
Dem ist nichts hinzuzufügen, so dass die erstinstanzliche Entscheidung zu bestätigen und die dagegen gerichtete Berufung zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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